Da die hier später noch abzuhandelnde Neo Garage auf der ursprünglichen Garagenszene der Mitt-60er basiert,
macht es Sinn, erst die Urheber der Bewegung zu beleuchten.
Gemeint sind in erster Linie jene US-Bands, die ca. 1965-'68 operierten und die sich als Reaktion auf die Gruppen der British Invasion sahen. Musikalische Vorbilder waren hier vor allem die Rolling Stones, Pretty Things, Yardbirds, Them, Kinks; also jene, die dem alten R'N'B diese britisch harte Variante beigefügt hatten.
Man ließ sich aber auch vom reinen Chicago Blues oder Surf beeinflussen, und dann gab es noch diese für die damalige Zeit äußerst kompromißlosen Rock'n'Roller aus dem pazifischen Nordwesten, die schon seit den späten 50ern Furore machten: The Sonics, The Wailers (nee, nicht die Bob Marley Truppe). Die Sonics schaften übrigens den Spagat und wurden selbst zur Garagen-, dann zur Psychband, und auch anschließlich blieben sie noch viele Jahre aktiv.
Geprobt wurde meistens in heimischen Garagen, aber der Begriff Gragenrock war damals noch nicht geprägt; wenn überhaupt, bezeichneten sich die meisten als Beat-, R'n'B- oder Rock'n'Roll-Gruppen.
Die typische Besetzung orientierte sich an den angelsächsischen Vorbildern; also 1-2 Gitarren, Bass, Drums, Gesang/Harmonika und eine gelegentliche Farfisa oder Vox. Anders aber als bei den Briten wurde die Gitarre (zumeist) mit viel Fuzz, Wah Wah oder Distortion gespielt, die Mikros wurden gerne übersteuert. Die Stücke dauerten zunächst nur 2-3 Minuten und erst mit dem allmählichen Übergang zur Psychedelia wurden immer längere Strukturen entwickelt. Auch stand zunächst die musikalische Virtuosität nicht im Vordergrund, schon deshalb nicht, weil darin nicht der ursprüngliche Sinn des Rock'n'Roll liegt.
(wir erinnern uns: to rock and roll = Slangausdruck für sehr ungestümen [roll] intimverkehr, [to rock], mit dem jeweils anderen geschlecht; zu Beginn der 50er Jahre erstmalig vom D.J. Alan Freedman auf diese neue Musik von Elvis, Buddy Holly, Eddie Cochran & Konsorten angewandt)
So ging es also primär um das Herauslassen jugendlicher Energie; Kick It Out, Man, war die Devise und die besten Stücke jener Tage sind die rauh und knarzig gespielten.
Aber Vorsicht, das bedeutet ausdrücklich nicht, daß Garagenbands nicht spielen konnten oder daß nur Lärm produziert wurde. Natürlich gab es viele langsame und emotionsgeladene Stücke und natürlich wollten auch damals schon die Musiker ihr Können zeigen. Johnny Winter, Bugs Henderson, Stevie Ray Vaughan begannen mit Garagenbands....
Andernteils war die glatte, die Überproduktion, die alle Ecken und Kanten wegschleift, verpönt. Pomp, Schwülstigkeit und Überfrachtung gehörten nicht in die Ära.
Auch die Mode entsprach der Zeit; Moptops, Paisley Hemden, gestreifte Jeans, Beatle Boots waren angesagt.
99 % der betroffenen Bands wurden damals nicht in Europa bekannt,
d.h. diese Szene lief mehr oder weniger unbemerkt von uns ab.
Ca. im Jahre 1972, die Garagenbands waren längst vergessen, traten mehr und mehr bombastige, künstliche, theatralische Gruppen auf den Plan. Grund genug, für einige Erneuerer, den Weg zurück zu den Wurzeln zu suchen.
Damals erschien auf Elektra die Doppel-LP Nuggets und machte uns mit bis dahin nie gehörten Gruppen bekannt:
Electric Prunes, Standells, Chocolate Watch Band, Blues Project, Remains, Blues Magoos, The Nazz, 13th Floor Elevators, The Leaves, The Count Five, waren nur einige der 'größeren' Namen.
Ab jetzt tauchte auch zum 1. Mal der Begriff Garagenrock auf, obwohl man im Untertitel zusätzlich las: Artefacts From The First PSYCHEDELIC AREA.
Die Übergänge waren schon damals fließend.
Gleichzeitig erschien in Kalifornien ein richtungsweisendes Magazin;
Who Put The Bomb (Wer hat die Bombe gelegt) des späteren Garagengroßmeisters Greg Shaw, der ab da begann, die musikalische Vorgeschichte aufzubereiten.
Berichte über die regionalen Szenen von Texas, Kalifornien, Michigan, New York, Boston, dem mittleren Westen, dem Süden, dem Nordwesten, usw., usw. machte Greg seine Leser mit der Tatsache vertraut, daß es im fraglichen Zeitraum gut 20,000 plattenaufnehmende Garagenbands innerhalb der USA gab (heute geht man davon aus, daß diese
Zahl eher bei 40,000 lag...)!
Natürlich hatten die meisten davon nur sehr regionale Bedeutung, man nahm oft nur ein bis maximal zwei Singles auf und trennte sich nach Beendigung der Highschool wieder. Oftmals bestand das Material ausschließlich oder fast ausschließlich aus Coverversionen; immer wieder Hey Joy; Gloria; Train-Kept-A-Rolling oder Mama Keep Your Big Mouth Shut. Hat man oft genug, muß man nicht nochmal haben.
Schon ab Mitte der 70er gab es Bands, die versuchten, musikalisch die Roots wiederzubeleben. Aber dann kam der Punk dazwischen und erst ab ca. 1979 ging es richtig los. Anlaß war eine 2. Compilation, die allerdings als Serie angelegt war: Pebbles schlug in den europäischen Sammlerkreisen wie eine Bombe ein.
Keine einzige darauf enthaltene Band war wirklich bekannt, aber fast
alle hatten irgendwann diesen einen Genieblitz gehabt, vielleicht auch zwei, hatten Nummern hingelegt, die jetzt plötzlich unter den Sammlern zu angesagten Hits wurden. Genauso plötzlich wurden die Gruppennamen bekannt und mit dem Markenzeichen Garage, 60s Garage, oder auch 60s Punk belegt. Auf jeder guten Börse gab es ein paar Fachhändler mit Originalen und Nachpressungen dieses köstlichen Stoffs.
Plattenlabel (z.B. die deutsche Line) legten Reissues auf, teils legal, teils weniger so (z.B. EVA, Psycho). Eine ganze Welle von 60s Samplern erschien, neben ca. 30 Volumen von Pebbles gab es noch High In The Mid 60s, aber auch viele völlig privat aufgelegte Teile (natürlich immer ohne Wissen der Künstler). Die Qualität der Plattenumschnitte schwankte
zwischen mies und sehr gut, einige der besten Sampler genießen bis heute großen Ruhm (Glimpses, Acid Dreams, Echoes In Time, Oil Stains, Relics).
Es dürfte mittlerweile weit über 1,000 Sampler zum Thema geben und immer noch erscheinen jeden Monat neue. Längst kann man sie nicht mehr zählen.
Bald schon gab es Garagenzirkel, Radio Programme mit 'Garage' im Titel und natürlich Fanzines en mass. Greg Shaw's Bomp war mittlerweile eingestellt (er machte jetzt ein gleichnamiges Plattenlabel, darunter natürlich auch viele Re-Issues), aber dann waren da noch Trouser Press und Ugly Things. Das letztere hat in ca. 22 Jahren nur 24 Ausgaben hervorgebracht, quasi eine pro Jahr, die neue Nummer ist soeben erschienen. Auf durchschnittlich 200 - 220 Seiten (!) werden alte Bands in allen Einzelheiten vorgestellt, dazu gibt es Berichte fast aller wichtigen Plattenveröffentlichungen. Natürlich macht man auch ein eigenes Label.
Weitere bekannte Mags sind u.a. Outa Sight von Greg Provost, Here 'Tis, Misty Lane aus Italien oder Shindigg aus England.
In Deutschland hat sich das vormalige Glitterhouse Fanzine sehr um die Szene verdient gemacht, damals noch mit Schreibern wie Wolfgang Völkel (dessen einschlägigen Mailorder ich an anderer Stelle bereits vorstellte) oder Stefan Morawitz (das ist der, der Euch vor Kurzem erst die Krautrockserie im WDR gemacht hat; vor 25 Jahren hatte er in Glitterhouse für dieselbe Musik Ausdrücke drauf, die man hier nicht wiedergeben kann; so ändern sich die Zeiten, aber das nur nebenbei).
Das es außerhalb der USA und Kanada noch Garagenbands gab, wurde den meisten Sammlern erst Mitte der 80er richtig bewußt.
Es gab sie nicht gerade in Großbritannien, wo man eine etwas andere Tradition hatte (nämlich Mod), aber doch besonders in Skandinavien,
Australien und den Niederlanden. Die australischen Missing Links mit ihrem Noch-Kompromißloser-Als-Die-Pretty-Things sind längst
zur Legende geworden und die Outsiders oder Q65 aus den Niederlanden wurden sogar zu Begründern einer Stilrichtung, der bis heute selbst die Amis nacheifern!.
In der BRD gab es nicht sehr viele richtige Garagenbands, da die meisten zu beatlastig waren. Es fehlte auch am Mut, eigenes Material zu schreiben, man war damals offensichtlich noch in den Rock'n'Roll-Lehrjahren.
Selbst die wohl beste deutsche Band jener Tage, die Boots aus Berlin, griffen auf ihrer LP 'Here Are The Boots' ausschließlich auf
Coverversionen zurück. Wieder mal gab es 'Gloria' zu hören, hier allerdings in einer ungeheuer aufregenden Fassung. Als die Boots
später versuchten, eigenes Material zu schreiben, war es mit der Qualität nicht weit her. Man sollte sich trotzdem die 1. LP anhören.
Auf ähnlicher Linie waren die German Blue Flames aus Gelsenkirchen; zwei Dutzend hervorragend interpretierte Versionen, aber immerhin ein Halbes Dutzend guter eigener Ideen.
Mittlerweile wissen wir, daß es hervorragende und eigenständige Bands fast überall in der Welt gab, sehr viel ist auch wieder erhältlich.
Egal ob Peru, Japan oder Ostblock (z. B. die ganz hervorragenden Matadors aus Tschechien), überall gab es Gutes zu hören.
Schon seit den 80ern gab und gibt es immer noch spezielle Plattenlabel und Mailorder, die eine Flut von Wiederveröffentlichungen anbieten.
Sogar Bands, die vor 40 Jahren gerade mal eine Single herausbrachten, die vielleicht einen unbarmherzig guten Knaller enthielt, haben es im
Nachhinein zu CD-Veröffentlichungen alter Archivbänder gebracht. Es hat viele Reunions gegeben (man denke nur an die Electric Prunes oder
Chocolate Watchband) und selbst die obskurste Band bietet heute eine eigene Website an.
Der große Übervater Greg Shaw hat vieles davon maßgeblich beeinflußt und auch selbst in die Wege geleitet. Es war ihm vergönnt, auch
die positiven Resultate mitzuerleben, bevor er im Herbst 2004 von uns ging.
Mittlerweile ist die Garagenszene also exzellent dokumentiert, es gibt eine Reihe von recht guten Enzyklopädien zum Thema.
Als Reaktion auf die Begeisterung der Sammler, stellte Vernon Joynson (im Eigenverlag Borderline Productions) bereits 1984 sein erstes
Buch The Acid Trip vor. Darin werden zu gleichen Teilen Garagen und Psych-Bands abgehandelt; auch eine kleine Auswahl an Neo-Garagenbands ist enthalten.
Aus diesem einst knapp 135-Seiten starken Büchlein ist eine ganze Buchreihe geworden, Fuzz Acid & Flowers ist der US-Szene
gewidmet und umfaßt mittlerweile über 1100 Seiten. Mag dieses Buch auch viele Fehler oder Ungenauigkeiten enthalten, so kann man doch davon ausgehen, daß es alle maßgebenden Bands der Szene enthält (neben den psychedelischen und Acidrockern). Wie schon gesagt, die Übergänge zwischen den Genres sind oft fließend.
An Gruppen gibt es so viele, daß man kaum eine Aufstellung der 100 besten zusammenbringt ohne 900 andere zu beleidigen.
Jeder Fachmann hat seine eigenen Favoriten und es werden keine zwei Listen übereinstimmen. Daher sollen die nachfolgenden auch nur als
Appetitanreger dienen für jene, die sich näher mit der Materie auseinandersetzen möchten:
The Seeds, Music Machine, Count Five, Chocolate Watch Band, 13th Floor Elevators (gleichzeitig auch die erste wirklich epochale Psych Band), The Litter, Electric Prunes, Standells, Remains, Mouse & The Traps, Sonics, Leaves, Rising Storm...., ach, diese Liste wäre endlos.
Aber alle diese Bands und vor allem auch die besonders obskuren Vertreter, die man nur auf den o.a. Compilations finden konnte, sie alle
führten ab ca. 1980 zu einer Neubelebung der Szene. Seither hat es neue Schwemme mit Neo-Gragenbands gegeben, die fast noch umfangreicher ist, als die erste Welle.
Dazu später mehr. Zunächst soll an anderer Stelle exemplarisch die ein oder andere Original-Gruppe vorgestellt werden.
macht es Sinn, erst die Urheber der Bewegung zu beleuchten.
Gemeint sind in erster Linie jene US-Bands, die ca. 1965-'68 operierten und die sich als Reaktion auf die Gruppen der British Invasion sahen. Musikalische Vorbilder waren hier vor allem die Rolling Stones, Pretty Things, Yardbirds, Them, Kinks; also jene, die dem alten R'N'B diese britisch harte Variante beigefügt hatten.
Man ließ sich aber auch vom reinen Chicago Blues oder Surf beeinflussen, und dann gab es noch diese für die damalige Zeit äußerst kompromißlosen Rock'n'Roller aus dem pazifischen Nordwesten, die schon seit den späten 50ern Furore machten: The Sonics, The Wailers (nee, nicht die Bob Marley Truppe). Die Sonics schaften übrigens den Spagat und wurden selbst zur Garagen-, dann zur Psychband, und auch anschließlich blieben sie noch viele Jahre aktiv.
Geprobt wurde meistens in heimischen Garagen, aber der Begriff Gragenrock war damals noch nicht geprägt; wenn überhaupt, bezeichneten sich die meisten als Beat-, R'n'B- oder Rock'n'Roll-Gruppen.
Die typische Besetzung orientierte sich an den angelsächsischen Vorbildern; also 1-2 Gitarren, Bass, Drums, Gesang/Harmonika und eine gelegentliche Farfisa oder Vox. Anders aber als bei den Briten wurde die Gitarre (zumeist) mit viel Fuzz, Wah Wah oder Distortion gespielt, die Mikros wurden gerne übersteuert. Die Stücke dauerten zunächst nur 2-3 Minuten und erst mit dem allmählichen Übergang zur Psychedelia wurden immer längere Strukturen entwickelt. Auch stand zunächst die musikalische Virtuosität nicht im Vordergrund, schon deshalb nicht, weil darin nicht der ursprüngliche Sinn des Rock'n'Roll liegt.
(wir erinnern uns: to rock and roll = Slangausdruck für sehr ungestümen [roll] intimverkehr, [to rock], mit dem jeweils anderen geschlecht; zu Beginn der 50er Jahre erstmalig vom D.J. Alan Freedman auf diese neue Musik von Elvis, Buddy Holly, Eddie Cochran & Konsorten angewandt)
So ging es also primär um das Herauslassen jugendlicher Energie; Kick It Out, Man, war die Devise und die besten Stücke jener Tage sind die rauh und knarzig gespielten.
Aber Vorsicht, das bedeutet ausdrücklich nicht, daß Garagenbands nicht spielen konnten oder daß nur Lärm produziert wurde. Natürlich gab es viele langsame und emotionsgeladene Stücke und natürlich wollten auch damals schon die Musiker ihr Können zeigen. Johnny Winter, Bugs Henderson, Stevie Ray Vaughan begannen mit Garagenbands....
Andernteils war die glatte, die Überproduktion, die alle Ecken und Kanten wegschleift, verpönt. Pomp, Schwülstigkeit und Überfrachtung gehörten nicht in die Ära.
Auch die Mode entsprach der Zeit; Moptops, Paisley Hemden, gestreifte Jeans, Beatle Boots waren angesagt.
99 % der betroffenen Bands wurden damals nicht in Europa bekannt,
d.h. diese Szene lief mehr oder weniger unbemerkt von uns ab.
Ca. im Jahre 1972, die Garagenbands waren längst vergessen, traten mehr und mehr bombastige, künstliche, theatralische Gruppen auf den Plan. Grund genug, für einige Erneuerer, den Weg zurück zu den Wurzeln zu suchen.
Damals erschien auf Elektra die Doppel-LP Nuggets und machte uns mit bis dahin nie gehörten Gruppen bekannt:
Electric Prunes, Standells, Chocolate Watch Band, Blues Project, Remains, Blues Magoos, The Nazz, 13th Floor Elevators, The Leaves, The Count Five, waren nur einige der 'größeren' Namen.
Ab jetzt tauchte auch zum 1. Mal der Begriff Garagenrock auf, obwohl man im Untertitel zusätzlich las: Artefacts From The First PSYCHEDELIC AREA.
Die Übergänge waren schon damals fließend.
Gleichzeitig erschien in Kalifornien ein richtungsweisendes Magazin;
Who Put The Bomb (Wer hat die Bombe gelegt) des späteren Garagengroßmeisters Greg Shaw, der ab da begann, die musikalische Vorgeschichte aufzubereiten.
Berichte über die regionalen Szenen von Texas, Kalifornien, Michigan, New York, Boston, dem mittleren Westen, dem Süden, dem Nordwesten, usw., usw. machte Greg seine Leser mit der Tatsache vertraut, daß es im fraglichen Zeitraum gut 20,000 plattenaufnehmende Garagenbands innerhalb der USA gab (heute geht man davon aus, daß diese
Zahl eher bei 40,000 lag...)!
Natürlich hatten die meisten davon nur sehr regionale Bedeutung, man nahm oft nur ein bis maximal zwei Singles auf und trennte sich nach Beendigung der Highschool wieder. Oftmals bestand das Material ausschließlich oder fast ausschließlich aus Coverversionen; immer wieder Hey Joy; Gloria; Train-Kept-A-Rolling oder Mama Keep Your Big Mouth Shut. Hat man oft genug, muß man nicht nochmal haben.
Schon ab Mitte der 70er gab es Bands, die versuchten, musikalisch die Roots wiederzubeleben. Aber dann kam der Punk dazwischen und erst ab ca. 1979 ging es richtig los. Anlaß war eine 2. Compilation, die allerdings als Serie angelegt war: Pebbles schlug in den europäischen Sammlerkreisen wie eine Bombe ein.
Keine einzige darauf enthaltene Band war wirklich bekannt, aber fast
alle hatten irgendwann diesen einen Genieblitz gehabt, vielleicht auch zwei, hatten Nummern hingelegt, die jetzt plötzlich unter den Sammlern zu angesagten Hits wurden. Genauso plötzlich wurden die Gruppennamen bekannt und mit dem Markenzeichen Garage, 60s Garage, oder auch 60s Punk belegt. Auf jeder guten Börse gab es ein paar Fachhändler mit Originalen und Nachpressungen dieses köstlichen Stoffs.
Plattenlabel (z.B. die deutsche Line) legten Reissues auf, teils legal, teils weniger so (z.B. EVA, Psycho). Eine ganze Welle von 60s Samplern erschien, neben ca. 30 Volumen von Pebbles gab es noch High In The Mid 60s, aber auch viele völlig privat aufgelegte Teile (natürlich immer ohne Wissen der Künstler). Die Qualität der Plattenumschnitte schwankte
zwischen mies und sehr gut, einige der besten Sampler genießen bis heute großen Ruhm (Glimpses, Acid Dreams, Echoes In Time, Oil Stains, Relics).
Es dürfte mittlerweile weit über 1,000 Sampler zum Thema geben und immer noch erscheinen jeden Monat neue. Längst kann man sie nicht mehr zählen.
Bald schon gab es Garagenzirkel, Radio Programme mit 'Garage' im Titel und natürlich Fanzines en mass. Greg Shaw's Bomp war mittlerweile eingestellt (er machte jetzt ein gleichnamiges Plattenlabel, darunter natürlich auch viele Re-Issues), aber dann waren da noch Trouser Press und Ugly Things. Das letztere hat in ca. 22 Jahren nur 24 Ausgaben hervorgebracht, quasi eine pro Jahr, die neue Nummer ist soeben erschienen. Auf durchschnittlich 200 - 220 Seiten (!) werden alte Bands in allen Einzelheiten vorgestellt, dazu gibt es Berichte fast aller wichtigen Plattenveröffentlichungen. Natürlich macht man auch ein eigenes Label.
Weitere bekannte Mags sind u.a. Outa Sight von Greg Provost, Here 'Tis, Misty Lane aus Italien oder Shindigg aus England.
In Deutschland hat sich das vormalige Glitterhouse Fanzine sehr um die Szene verdient gemacht, damals noch mit Schreibern wie Wolfgang Völkel (dessen einschlägigen Mailorder ich an anderer Stelle bereits vorstellte) oder Stefan Morawitz (das ist der, der Euch vor Kurzem erst die Krautrockserie im WDR gemacht hat; vor 25 Jahren hatte er in Glitterhouse für dieselbe Musik Ausdrücke drauf, die man hier nicht wiedergeben kann; so ändern sich die Zeiten, aber das nur nebenbei).
Das es außerhalb der USA und Kanada noch Garagenbands gab, wurde den meisten Sammlern erst Mitte der 80er richtig bewußt.
Es gab sie nicht gerade in Großbritannien, wo man eine etwas andere Tradition hatte (nämlich Mod), aber doch besonders in Skandinavien,
Australien und den Niederlanden. Die australischen Missing Links mit ihrem Noch-Kompromißloser-Als-Die-Pretty-Things sind längst
zur Legende geworden und die Outsiders oder Q65 aus den Niederlanden wurden sogar zu Begründern einer Stilrichtung, der bis heute selbst die Amis nacheifern!.
In der BRD gab es nicht sehr viele richtige Garagenbands, da die meisten zu beatlastig waren. Es fehlte auch am Mut, eigenes Material zu schreiben, man war damals offensichtlich noch in den Rock'n'Roll-Lehrjahren.
Selbst die wohl beste deutsche Band jener Tage, die Boots aus Berlin, griffen auf ihrer LP 'Here Are The Boots' ausschließlich auf
Coverversionen zurück. Wieder mal gab es 'Gloria' zu hören, hier allerdings in einer ungeheuer aufregenden Fassung. Als die Boots
später versuchten, eigenes Material zu schreiben, war es mit der Qualität nicht weit her. Man sollte sich trotzdem die 1. LP anhören.
Auf ähnlicher Linie waren die German Blue Flames aus Gelsenkirchen; zwei Dutzend hervorragend interpretierte Versionen, aber immerhin ein Halbes Dutzend guter eigener Ideen.
Mittlerweile wissen wir, daß es hervorragende und eigenständige Bands fast überall in der Welt gab, sehr viel ist auch wieder erhältlich.
Egal ob Peru, Japan oder Ostblock (z. B. die ganz hervorragenden Matadors aus Tschechien), überall gab es Gutes zu hören.
Schon seit den 80ern gab und gibt es immer noch spezielle Plattenlabel und Mailorder, die eine Flut von Wiederveröffentlichungen anbieten.
Sogar Bands, die vor 40 Jahren gerade mal eine Single herausbrachten, die vielleicht einen unbarmherzig guten Knaller enthielt, haben es im
Nachhinein zu CD-Veröffentlichungen alter Archivbänder gebracht. Es hat viele Reunions gegeben (man denke nur an die Electric Prunes oder
Chocolate Watchband) und selbst die obskurste Band bietet heute eine eigene Website an.
Der große Übervater Greg Shaw hat vieles davon maßgeblich beeinflußt und auch selbst in die Wege geleitet. Es war ihm vergönnt, auch
die positiven Resultate mitzuerleben, bevor er im Herbst 2004 von uns ging.
Mittlerweile ist die Garagenszene also exzellent dokumentiert, es gibt eine Reihe von recht guten Enzyklopädien zum Thema.
Als Reaktion auf die Begeisterung der Sammler, stellte Vernon Joynson (im Eigenverlag Borderline Productions) bereits 1984 sein erstes
Buch The Acid Trip vor. Darin werden zu gleichen Teilen Garagen und Psych-Bands abgehandelt; auch eine kleine Auswahl an Neo-Garagenbands ist enthalten.
Aus diesem einst knapp 135-Seiten starken Büchlein ist eine ganze Buchreihe geworden, Fuzz Acid & Flowers ist der US-Szene
gewidmet und umfaßt mittlerweile über 1100 Seiten. Mag dieses Buch auch viele Fehler oder Ungenauigkeiten enthalten, so kann man doch davon ausgehen, daß es alle maßgebenden Bands der Szene enthält (neben den psychedelischen und Acidrockern). Wie schon gesagt, die Übergänge zwischen den Genres sind oft fließend.
An Gruppen gibt es so viele, daß man kaum eine Aufstellung der 100 besten zusammenbringt ohne 900 andere zu beleidigen.
Jeder Fachmann hat seine eigenen Favoriten und es werden keine zwei Listen übereinstimmen. Daher sollen die nachfolgenden auch nur als
Appetitanreger dienen für jene, die sich näher mit der Materie auseinandersetzen möchten:
The Seeds, Music Machine, Count Five, Chocolate Watch Band, 13th Floor Elevators (gleichzeitig auch die erste wirklich epochale Psych Band), The Litter, Electric Prunes, Standells, Remains, Mouse & The Traps, Sonics, Leaves, Rising Storm...., ach, diese Liste wäre endlos.
Aber alle diese Bands und vor allem auch die besonders obskuren Vertreter, die man nur auf den o.a. Compilations finden konnte, sie alle
führten ab ca. 1980 zu einer Neubelebung der Szene. Seither hat es neue Schwemme mit Neo-Gragenbands gegeben, die fast noch umfangreicher ist, als die erste Welle.
Dazu später mehr. Zunächst soll an anderer Stelle exemplarisch die ein oder andere Original-Gruppe vorgestellt werden.
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