Senf und angelesenes Halbwissen zu Sheik Yerbouti / Bobby Brown:
Ja, die beiden Singles musste ich natürlich auch haben...
Wie ein Fremdkörper kam er mir vor, wie ein Fremdkörper, wie ein Titel, der auf dieser Platte nichts zu suchen hat.
Frank Zappas „Bobby Brown Goes Down“ (2:49)
LP „Sheik Yerbouti“ (erschien im März 1979)
F.Z. lead-g, vocal, Adrian Belew g, vocal, Tommy Mars key, voc, Peter Wolf key, Patrick O’Hearn bg, voc, Terry Bozio dr,voc, Ed Mann perc, voc, David Ocker cl on „Wild Love“, Napoleon M. Brock backgr.-voc, Andréw Lewis backgr.-voc, Randy Thornton backgr.-voc, Davey Moire backgr.-voc.
Bemerkungen zu „Bobby Brown Goes Down“, dem wahrscheinlich weltweit einzigen „Hit“ von Frank Zappa, der es damals sogar in den Deutschlandfunk schaffte, d.h. dort, zu meinem/unseren absoluten Erstaunen, gespielt wurde. Deutschlandfunk hieß 1979: stockkonservativer Radiosender.
Bobby Brown Goes Down (im Weiteren spare ich mir den gesamten Titel, dessen Refrainschlusszeilen in „Zonx“ von Carl Weissner so übersetzt werden: „And my name is Bobby Brown! Watch me now – I’m goin’ down – Und mein Name ist Bobby Brown! Seht mal, wie ich lutschen kann“) hörte ich erstmalig im Radio, ohne die dazugehörige Platte zu kennen. Hier immer und immer wieder das alte Lied: Die Platten waren schwer verfügbar in der größten DDR der Welt, also gab’s das Teil erst ein Jahr nach Erscheinen zu bestaunen, anzuhören, zu befingern etc. pp.
Bobby Brown: Wie empfanden wir das Auftauchen dieses „Hits“ auf der Platte? Dazu muss kurz die Platte selbst betrachtet werden, eine Sammlung von ausschließlich live aufgenommenen Stücken (1977er Tour), denen der Livecharakter bis auf ein, zwei Stücke durch und mit extrem hohem Aufwand an Nachbearbeitung genommen wurde. Zehn der siebzehn Stücke bzw. deren Basictracks wurden im Odeon Hammersmith (London) aufgenommen. Die Kennzeichnung der Stücke als nachbearbeitet verläuft von „over-dubs: lots of ’em“ über „lots“ und „feedback guitar“ bis zu „none“ bzw. „over-dubs: „a few“. Einzige unbearbeitete Musikstücke sind „Rat Tomago“ (live instrumental record at the Deutschland Halle, Berlin) und „The Sheik Yerbouti Tango“ (auch in der Deutschlandhalle aufgenommen, jedoch auf einem „four track portable Scully“ und trotz schlechter Soundqualität mit aufs Album gehievt). Zwei weitere „Stücke“: „What ever happened to all the fun in the world“ 0:33 und „Wait a minute (We’ve got to get into something real)“ 0:33, deren Herkunft nicht bezeichnet wird, sind ebenfalls (anscheinend) unbearbeitet. Diese beiden rahmen „Rat Tomago“ ein und dann folgt bruchlos „Bobby Brown“. Erstaunen macht sich breit. So ein gefälliger Song auf einem sonst eben zappatypischen Album voller verquerer Stücke? Wobei das Stück „Bobby Brown“, welches auch im Deutschlandfunk lief, mit Textstellen wie „I tell all the girls they can kiss my Heinie“ oder „When I fucked this dyke by the name of Freddie“ und „Long as I get a little golden shower“ sogar dem ostsozialisierten Hörer verständlich, eben nur von der Melodie her gefällig war.
Beim Titel selbst dreht es sich um „…Bobby Brown, der eine College-Sportskanone ist und mit einer „Lesbe“ namens Freddie schläft. Freddie ist von der Frauenbewegung beeinflusst, die sich über das ganze Land verbreitet wie eine Seuche. Durch diese Erfahrung wird Bobby zum Schwulen, und da wir hier in einem Zappa-Song sind, stürzt er sich in S&M, so dass Zappa hämisch vom Tower of Power und dem Golden Shower singen kann.“ (Nach Barry Miles „Zappa“ S. 316)
Der Titel also erschien mir wie ein Fremdkörper auf dem Album, ein Schlagerstück à la Zappa. Viel später beschreibt einschlägige Literatur „Bobby Brown“ als „Sahnestück“, „der Refrain hat Ohrwurmqualität, der Rhythmus und das Arrangement sind zeitlos“. Besonders beliebt sei das Lied in Kontinentaleuropa gewesen, da, wie britische Musikkritiker vermuteten, „andere“ Europäer den Text nicht verstünden. Ganz sicher ist da etwas dran, denn wer konnte schon damals sagen, was Zappa mit der „Women’s Liberation“ meinte, die über das Land geschlichen käme, oder etwa mit „Tower of Power“? Natürlich nicht die gleichnamige,1968 gegründete US-amerikanische Band, sondern ein gewisses Etwas für nicht gerade übliche Sexualpraktiken.
Im Grunde ist der Text von „Bobby Brown“…nun ja, wie andere auf dem Album auch. In diesem Zusammenhang beschreibt Barry Miles in seiner Zappa Biografie auch, dass es deshalb Abgänge in Zappas Band gab, „viele Vokalisten eine Abneigung gegen die Inhalte (der Texte) hatten“. . Ray Collins z.B., einer der wohl besten Sänger in Zappas Band, verließ dieselbe, weil er die Songs nicht mochte, er „hasste sie“.
Fern von uns löste „Bobby Brown“ (und „Jewish Princess“ von „Sheik Yerbouti“) Kontroversen aus. „Bobby Brown wurde von Gay-Rights-Gruppen als schwulenfeindlich und von Feministinnen als sexistisch gebrandmarkt. Der Titel war & ist natürlich schwulenfeindlich und sexistisch, aber wie Barry Miles weiter beschreibt, „glaubte Zappa naiverweise, wenn er etwas parodieren würde, wäre es allein dadurch automatisch in Ordnung.“
„Sheik Yerbouti“ ist fast durchweg musikalisch gelungen, aufgenommen mit einer jungen Band, musikalisch rockorentierter, dabei jedoch unverkennbar eben ein Album von Frank Zappa. Wir haben damals als das Album erschien, es auch vorbehaltlos gehört; heute sehe ich die Sache etwas anders, da die Texte eigentlich zu jedem Titel zappatypisch sind, aber auch selten dämlich. Man muss der Kunst oder dem Künstler aber das Recht einräumen so etwas auch zu dürfen, letztlich entscheidet der Erfolg über die Güte des „Produkts“. Am Beispiel von „Broken Hearts Are For Assholes“ (nach Barry Miles Anspielungen auf Homosexualität enthaltend und eine „Parodie“ auf stereotype schwule Verhaltensmuster, die aber [so meint Zappa] aufgewogen werden durch ein Ende, das sich um analen Sex mit einer Frau dreht – wie um zu zeigen, dass auch sie Arschlöcher sein können) erklärt Barry Miles: „Im Grunde sind wir hier mit Zappa auf dem Schulhof, wo all die kleinen Jungs zusammenstehen und ihre schmutzigen Wörter auspacken –„Arschloch“, „Wichsen“ und Detective Willis den Stinkefinger zeigen. In nichtenglischsprachigen Ländern wie Norwegen oder Deutschland war der Song ein großer Hit.“
Bezüglich der „Jewish Princess“ – eine Anspielung auf die ironische Bezeichnung JAP ( Jewish-American Princess) für Töchter aus der gutbürgerlichen Mittelschicht, musste Zappa Schelte einstecken, zurecht, wenn man den Text kennt, finde ich. Der ist gut nachzulesen in „Zonx“, Übersetzung von Carl Weissner, erschienen bei ZWEITAUSENDEINS. Zappa möchte da im Song eine,wahlweise fiese, kleine, ne behaarte, süße, einfallsreiche, niedliche, geile (nach Knoblauch stinkende), heiße, wüste, hemmungslose, fragile jüdische Prinzessin usw. usf. Er will „…nichts Drolliges - - einfach ein Jemenitisches Loch“. Damit brachte er die ADL – Anti-Defamation-
League of B’nai B’rith – gegen sich auf, „eine mächtige jüdische Lobby“, die bei der FCC (Federal Communications Commission) einen Protest einreichte, „um die Platte aus dem Äther zu verbannen“. Zwecklos natürlich, da Zappaplatten dort wie hier „sowieso nie im Radio gespielt wurden“. Zappa allerdings verteidigte sich postwendend: “Ich bin ein Künstler und ich habe das Recht, meiner Meinung Ausdruck zu verleihen. Ich bin kein Antisemit. Die jüdischen Prinzessinnen, denen ich den Song vorgespielt habe, fanden ihn lustig … es ist wirklich ein hoffnungsloses Unterfangen mit der Satire, weil die amerikanische Öffentlichkeit aus Analphabeten besteht.“ Aber am besten kann man das alles in Barry Miles Zappabiografie (hervorragend!) nachlesen, ich will hier nicht alles abschreiben …
Ellenlang könnte man noch über die verschiedenen Aspekte von „Sheik Yerbouti“ diskutieren, aber auch über all die anderen mehr oder weniger guten oder sogar herausragenden Platten eines Musikers, der nur eine „Fußnote in der Musikgeschichte“ war?
radiot grüßt!