Chris Harwood - Nice To Meet Miss Christine

 
OldMcMetal
 
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Chris Harwood - Nice To Meet Miss Christine

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Gepostet: 05.07.2021 - 21:26 Uhr  ·  #1
Wiederentdeckt oder dank der Algorithmen die mir(meistens) das was ich gerne höre, bei YouTube ins Nest legen und somit mit diesem Album meinen Erstkontakt herstellten? Ich behaupte mal, dass relativ wenige Artisten dieses Album, dass 1970 erstmalig erschien, entweder in der LP-Version haben geschweige denn in einer der bekannten CD-Ausgaben. Was auch nicht weiter schlimm ist, denn dieses Einzelwerk war von vornherein dazu verdammt, sang und klanglos unterzugehen.
Damit in das Jahr 1970. In Rick Wakemans bevorzugtem Pub ‘Brewer’s Droop’ trat eine namenlose Blues/Folk Band auf, deren Sängerin die damals sechszehnjährige Christine Harwood war. Ein junges Mädel mit einer Stimme, die wohl genug Potential hatte, was Chrissies späterer Schwarm und zukünftiger Ehemann Mark Plummer, dazu inspirierte, einen Plattenvertrag anzustreben. Das führte dazu, dass er über Nacht einen Vertrag als Versuchskaninchen (das darf wohl so geschrieben werden) für ein neues, von CBS vertriebenes Label bekam, das einem semilegendären Miki Dallon gehörte. Das sehr kurzlebige Birth Label (eine Untergruppe von Youngblood Records), ein wenig durchdachter Geschäfts und auch Vermarktungsplan sorgten dafür, dass das Album zum Scheitern verurteilt war und gut 20 Jahre später immer noch in nicht gerade kleinen Einheiten auf Schallplattenbörsen, Second Hand Läden und auch anderswo zum „nur verschenkt ist billiger“ Preis verramscht wurde.
Wenn man sich die Liste der beteiligten Musiker durchliest, stellt sich nicht nur mir die Frage „Warum hat da keiner seine Beziehungen spielen lassen?“
Chris Harwood - vocals, percussion
Dave Lambert - acoustic, electric, rhythm guitar, backing vocals
Peter Banks - acoustic guitar
Tommy Eyre - hammond organ, piano
Jeff Matthews - acoustic guitar, electric guitar
Mike Maran - acoustic guitar
Ian McDonald - flute, saxophone
John Russell Morgan - stomping, tambourine
Jeff Starrs - vocals
Roger Sutton - bass, celli
Johnny VanDerrick - violin
Pete York - congas, percussion
Chris Welch - drums

Denn das musikalische und auch das stimmliche Potential hätten mit einer vernünftigen Marketingkampagne und dem richtigen Label Chris Harwood dauerhaft etablieren können. Aber nein, es war alles eine halbgare Hals über Kopf Nacht und Nebel Aktion, gegen die sich ein so junges Mädel kaum durchsetzen konnte.
So viel Text und immer noch kein Wort zur Musik? Abgesehen von einer Coverversion (Wooden Ships C/S/N/Y)) haben die von Chris Harwood selbstkomponierten Titel, neben denen die von u. a. Dave Mason und Dave Lambert komponiert immer noch ein auch so langer Zeit keine Patina angesetzt oder können unter „so war das damals“ beurteilt werden. Relaxt, unaufgeregt, entspannt, sind sicherlich erstmal nur Phrasen. Wenn aber „Wooden Ships“ gemütlich durchs Wasser gleiten und die Ohren umschmeicheln, das Gesamtpaket aus Keyboards, Violine, Percussion, Chor wie Seerosen glänzt, dann ist alles im grünen Bereich. Dazu kommt die für eine Sängerin in dem Alter sehr ausgereifte, Variationsreiche Stimme, die über jedem Titel, jeder Note zu schweben scheint. Wenn ich die Grease Band oder Jefferson Airplane als mögliche Referenzen nenne, ist das nur eine grobe Umschreibung des Gesamtpakets. Meine Güte, ganze Tonnen Perlen wurden an die Schweine verfüttert. Jeder Titel ein Maximum an Musikalität, getragen und da wiederhole ich mich gerne, durch die Sängerin.
Hat es etwas genutzt? Nein! Frustiert von der ganzen Misere hat sich Chris Harwood recht schnell aus dem (aktiven) Musikbusiness zurückgezogen. Gerüchten zu Folge soll sie noch mal auf einer LP von „Stone the Crows“ im Hintergrund gesungen haben. Ironischerweise arbeitet(oder arbeitete) Chris Harwood als Promoterin danach im Haifischbecken der Musikindustrie.

Chris Harwood


holger_fischer
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Re: Chris Harwood - Nice To Meet Miss Christine

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Gepostet: 07.07.2021 - 19:42 Uhr  ·  #2
Danke für das Wiederentdecken! Bei mir kann man das "Wieder" streichen, da ich noch nie von ihr gehört habe. Tolle Musik hast du da ausgegraben. Die Stimme ist sehr facettenreich und voller Gefühl. Das Album ist zu Unrecht untergegangen. Vor allem, wenn man weiß, was sich sonst so auf dem Musikmarkt tummelt.
kraut-brain
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Re: Chris Harwood - Nice To Meet Miss Christine

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Gepostet: 09.07.2021 - 15:34 Uhr  ·  #3
Auch ich kann mich in die Reihe derer stellen, die bisher weder etwas von der Künstlerin Chris Harwood, noch etwas von der Platte vernommen haben.

Aber die Überraschung ist dir gelungen, nicht nur etwas völlig neues "Altes", sondern auch musikalisch Inhaltreiches zu präsentieren. Ich bin überrascht, wie die wahrlich junge Chris sich gesanglich in die Musikstücke einbringt und neben den gestandenen Musikern zu behaupten weiß und keinesfalls als Fremdkörper wirkt.

Schade kann man da nur sagen, dass ein derartiges musikalisches Talent auf der Strecke blieb und bereits am Verwelken war, ehe die Blüte ertrahlen konnte.

Schöne Rezi ....... :-D
OldMcMetal
 
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Re: Chris Harwood - Nice To Meet Miss Christine

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Gepostet: 09.07.2021 - 18:52 Uhr  ·  #4
Hätte, hätte, Fahrradkette. Wie geschrieben, im Epizentrum der damaligen musikalischen Welt, London, wäre es mit ein wenig telefonieren oder persönlich vorbeikommen, möglich gewesen, hier großes zu schaffen. Es war doch alles vorhanden und die Nichterkennung des Potentials, :-h . Ein junges Küken muss die Dinge so zur Kenntnis nehmen, wie sie sind. Leider! Denn, auch nach 51 Jahren ein Album zu hören, dass keinen Staub auf der Nadel hat, nachträglich
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badMoon
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Re: Chris Harwood - Nice To Meet Miss Christine

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Gepostet: 29.07.2021 - 14:08 Uhr  ·  #5
Ein sehr schönes Album einer - wie Du richtig vermutetest - mir völlig unbekannten Künstlerin. Wie so oft ist es auch hier absolut erstaunlich, wie ein solches Album einfach im Nirvana verschwinden kann bzw. konnte.

Zitat geschrieben von OldMcMetal

Denn, auch nach 51 Jahren ein Album zu hören, dass keinen Staub auf der Nadel hat, nachträglich
RESPEKT


Auch dem stimme ich gerne zu. die 51 Jahre, die dieses Album auf dem Buckel hat, merkt man ihm tatsächlich nicht an. Eine schöne und, trotz der wenigen Musik ;-), gelungene Rezi. Besten Dank für die Lehrstunde.
White Bird
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Re: Chris Harwood - Nice To Meet Miss Christine

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Gepostet: 01.08.2021 - 10:05 Uhr  ·  #6
Eine äußerst talentierte Sängerin wird hier von gestandenen Musikern begleitet. Herausgekommen ist ein überzeugendes Album, das nach all den Jahren keinen Staub angesetzt hat. Einiges erinnert mich an die Band Traffic ....

Somit auch von mir ein Dankeschön für deine überzeugende Rezi.
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