Bands mit Männern am Mikro liegen mir immer schon mehr, als wird die Stimme durch eine Frau beigesteuert. Aber es gibt natürlich Ausnahmen von dieser "Regel". Da fallen mir zu allererst Annie Haslam, Sandy Denny, Grace Slick und Elkie Brooks ein. Und die letztgenannte war es, die mir erst kürzlich aus dem Autoradio entgegenschallte. Ewig nicht gehört, völlig vergessen und dabei doch früher heiß und innig geliebt... als die weibliche Stimme von Vinegar Joe.
Vinegar Joe formierte sich 1972. Gründungsmitglieder waren Elkie Brooks (Gesang), Robert Palmer (Gesang, E-Gitarre) und Pete Gage (E-Gitarre). Diese drei hatten zuvor in der Jazzrock-Band Dada gespielt. Die Besetzung wurde durch Steve York (Bass), Tim Hinkley (Keyboards) und Conrad Isadore (Schlagzeug) vervollständigt.
Vinegar Joe war eine hervorragende Live-Band, trat regelmäßig im Marquee Club in London auf, spielte 1972 eine Peel Session ein und war u.a. auch im Deutschen Fernsehen zu sehen. Eine Tour sollte die Band als Vorgruppe von Wishbone Ash Anfang 1973 in die USA führen.
Das selbstbetitelte Debüt-Album erschien 1972 bei Island Records. Nur kurz darauf folgte das zweite Album Rock'n Roll Gypsies und bereits 1973 die dritte Veröffentlichung Six Star General. Dies sollte auch schon das letzte Album sein, da der kommerzielle Erfolg ausblieb. Die Band hatte offensichtlich Schwierigkeiten, ihren Live-Sound auf Vinyl zu übertragen. Zudem kam es innerhalb der Gruppe zu Spannungen, wohl vor allem zwischen Elkie Brooks und Robert Palmer, die beide eine Solokarriere anstrebten.
Vinegar Joe löste sich Ende 1973 auf.
In mein Platten-Regal fand damals nur das Debüt Einzug, und um dieses geht es hier.
Vinegar Joe - Same | GB 1972
Meine Lieblingsstücke auf dieser Scheibe, deren ansprechendes Cover ein Bild der Band - auf einem Teller zwischen Pommes und sauren Gurken sitzend - geformt aus Knetmasse ziert, waren früher unbestritten Never Met A Dog, Gettin' Out und See The World. Das ist heute ähnlich, mit dem Unterschied, dass ich nun fast alle übrigen Stücke genauso gut finde .
Das Booklet nennt folgende Besetzung:
Elkie Brooks - vocals, percussion
Robert Palmer - vocals, rhythm guitar
Pete Gage - lead guitar, acoustic guitar, bottleneck guitar
Steve York - basses, harp
Tim Hinkley - pianoforte, organ
Rob Tait - drums, percussion
In der frühen Phase des Debüt-Albums hatte die Band noch keinen festen Drummer, sodass sich hier Conrad Isadore, Keef Hartley und Rob Tait die Drumsticks abwechselnd in die Hand gaben.
Wie unterschiedlich die Charaktere waren, die hier zusammenkamen, lässt sich sowohl am Songwriting als auch am Gesangsstil und Bühnenauftritt erkennen.
Während Elkie Brooks als schrille Rockröhre auftrat, ausgesprochen expressiv und streckenweise fast aggressiv daherkam, strahlte Robert Palmer Coolness und Ruhe aus und ließ schon damals erahnen, in welche Richtung er gehen wird: Richtung Rock/Pop-Dandy. So glatt und aufgeräumt, wie Robert Palmer später in seiner Solokarriere daherkam, so ungeschliffen und rau klang Vinegar Joe. Pete Gage dagegen hat den Blues bzw. Blues-Rock im Blut.
Die Platte startet mit Rusty Red Armour, einem Song aus der Feder Palmers, recht funky. Schon die ersten Takte mit dem gedehnten und schleppendem Basslauf und der E-Gitarre lassen aufhorchen. Palmers rotzige Stimme und Auftreten kommt hier rüber wie eine Mischung aus Mick Jagger und Bob Dylan. Trotzdem - oder auch gerade deswegen - gefällt mir dieses Video.
Der zweite Song Early Monday Morning, geschrieben von Pete Gage, beginnt mit stampfendem Rhythmus, und Elkie Brooks gibt eine Kostprobe ihrer Stimmgewalt, die streckenweise an Janis Joplin erinnert. Das Stück endet mit einem gewaltigen Vibrato in extrem hoher Stimmlage... das muss man nicht mögen.
Pete Gage war eindeutig dem Blues zugetan. Auch der nächste, sehr langsame Song Ride Me Easy, Rider wurde von ihm komponiert. Sein Gitarrenspiel trottet regelrecht neben der Stimme von Brooks dahin. Auch dieses Stück endet wieder fulminant: Elkie Brooks Stimme könnte Glas zerspringen lassen.
Es folgt Circles , eine schöne Mid-Tempo-Ballade, oder fast schon eine Pop-Ballade und geschrieben - es lässt sich leicht erahnen - von Robert Palmer. Auch die Vocals kommen hier von ihm, Elkie Brooks singt sehr zurückgenommen im Hintergrund. Pete Gage steuert ein verträumtes, leider zu kurzes E-Gitarren-Solo bei.
Leg Up, ebenfalls von Palmer geschrieben, ist ein Rocksong, der schon ein wenig in die Richtung weist, in die es später solo für ihn gehen sollte. Seine Stimme finde ich hier etwas schwach und dünn.
See The World beginnt wieder mit treibendem Bass. Dazu kommen schöne Keyboardharmonien, bevor der Gesang einsetzt. Dies ist ein Stück, auf dem Palmer und Brooks sich stimmlich perfekt ergänzen und ausgesprochen gut zusammen klingen. Das Ganze klingt angedeutet psychedelisch. Selbst, wenn nach 3 Minuten ganz unerwartet die Hornfraktion einsetzt, stört das nicht das Gesamt-Arrangement. Ein cooler Song.
Never Met A Dog ist ein feiner Rocktitel, der als Singleauskopplung wahrscheinlich am bekanntesten war. Never Met A Dog... der Song aus dem Autoradio. Ein Song zum Mitsingen, allein im Auto - kein Problem.
Das Awinu Malkenu ist ein jüdisches Bittgebet. Awinu Malkenu ist hebräisch und bedeutet übersetzt Unser Vater und unser König. Hier wird es von Pete Gage und Elkie Brooks in einen langsamen Folk-Blues umgesetzt.
Gettin' Out hätte sich ebenfalls als Singleauskopplung geeignet. Palmers Gesang stimmt, Elkie Brooks singt perfekt im Background und feine Keyboardpassagen runden das Ganze ab. Das Tempo steigt zum Ende des Songs stetig an. Ein Ohrwurm, eingängig, aber schön.
Live A Little, Get Somewhere ist für mich das schwächste Stück. Es fällt aus der Reihe, passt vielleicht in die Schublade entspannter Smooth Jazz.
Trackliste:
Rusty Red Armour - 5:00 - Written By Robert Palmer
Early Monday Morning - 4:43 - Written By Pete Gage
Ride Me Easy, Rider - 5:46 - Written By Pete Gage
Circles - 4:05 - Written By Robert Palmer
Leg Up - 4:58 - Written By Robert Palmer
See The World - 6:21 - Written By Pete Gage
Never Met A Dog - 6:31 - Written By Robert Palmer
Avinu Malkenu - 3:26 - Written By Pete Gage, Elkie Brooks
Gettin' Out - 5:09 - Written By Pete Gage, Steve York
Live A Little, Get Somewhere - 5:23 - Written By Pete Gage
Robert Palmer wie auch Elkie Brooks starteten beide eine erfolgreiche Karriere als Solokünstler. Robert Palmer verstarb bereits im September 2003 im Alter von nur 54 Jahren. Brooks steht noch heute auf der Bühne.
Pete Gage schrieb, arrangierte und produzierte weiterhin Songs für Elkie Brooks, mit der er auch verheiratet war. Nach der Scheidung der beiden konzentrierte er sich auf das Produzieren und arbeitete mit einer Vielzahl erfolgreicher Musiker.
Steve York verlor am 14. Oktober 2020 seinen langen Kampf gegen eine Krebserkrankung. Er spielte u.a. bei Graham Bond, East Of Eden und Chicken Shack. Steve York wurde 72 Jahre alt.
Tim Hinkley arbeitete als Session-Musiker mit vielen Künstlern, als Hintergrundmusiker für Elkie Brooks und tourte mit amerikanischen Musikern.
Mein Fazit, nachdem ich die CD nun wieder mehrfach gehört habe: Das Debüt von Vinegar Joe ist eine Scheibe nicht ohne Schwächen. Palmers Gesang ist streckenweise etwas schwach, Brooks dafür zu schrill. Trotzdem zähle ich die Platte nach wie vor zu meinen Lieblingsplatten, vielleicht auch gerade, weil sie nicht perfekt ist. Ein ungeschliffenes Blues-Rock-Juwel, das sich lohnt, entdeckt oder auch wiederentdeckt zu werden.
Vinegar Joe formierte sich 1972. Gründungsmitglieder waren Elkie Brooks (Gesang), Robert Palmer (Gesang, E-Gitarre) und Pete Gage (E-Gitarre). Diese drei hatten zuvor in der Jazzrock-Band Dada gespielt. Die Besetzung wurde durch Steve York (Bass), Tim Hinkley (Keyboards) und Conrad Isadore (Schlagzeug) vervollständigt.
Vinegar Joe war eine hervorragende Live-Band, trat regelmäßig im Marquee Club in London auf, spielte 1972 eine Peel Session ein und war u.a. auch im Deutschen Fernsehen zu sehen. Eine Tour sollte die Band als Vorgruppe von Wishbone Ash Anfang 1973 in die USA führen.
Das selbstbetitelte Debüt-Album erschien 1972 bei Island Records. Nur kurz darauf folgte das zweite Album Rock'n Roll Gypsies und bereits 1973 die dritte Veröffentlichung Six Star General. Dies sollte auch schon das letzte Album sein, da der kommerzielle Erfolg ausblieb. Die Band hatte offensichtlich Schwierigkeiten, ihren Live-Sound auf Vinyl zu übertragen. Zudem kam es innerhalb der Gruppe zu Spannungen, wohl vor allem zwischen Elkie Brooks und Robert Palmer, die beide eine Solokarriere anstrebten.
Vinegar Joe löste sich Ende 1973 auf.
In mein Platten-Regal fand damals nur das Debüt Einzug, und um dieses geht es hier.
Vinegar Joe - Same | GB 1972
Meine Lieblingsstücke auf dieser Scheibe, deren ansprechendes Cover ein Bild der Band - auf einem Teller zwischen Pommes und sauren Gurken sitzend - geformt aus Knetmasse ziert, waren früher unbestritten Never Met A Dog, Gettin' Out und See The World. Das ist heute ähnlich, mit dem Unterschied, dass ich nun fast alle übrigen Stücke genauso gut finde .
Das Booklet nennt folgende Besetzung:
Elkie Brooks - vocals, percussion
Robert Palmer - vocals, rhythm guitar
Pete Gage - lead guitar, acoustic guitar, bottleneck guitar
Steve York - basses, harp
Tim Hinkley - pianoforte, organ
Rob Tait - drums, percussion
In der frühen Phase des Debüt-Albums hatte die Band noch keinen festen Drummer, sodass sich hier Conrad Isadore, Keef Hartley und Rob Tait die Drumsticks abwechselnd in die Hand gaben.
Wie unterschiedlich die Charaktere waren, die hier zusammenkamen, lässt sich sowohl am Songwriting als auch am Gesangsstil und Bühnenauftritt erkennen.
Während Elkie Brooks als schrille Rockröhre auftrat, ausgesprochen expressiv und streckenweise fast aggressiv daherkam, strahlte Robert Palmer Coolness und Ruhe aus und ließ schon damals erahnen, in welche Richtung er gehen wird: Richtung Rock/Pop-Dandy. So glatt und aufgeräumt, wie Robert Palmer später in seiner Solokarriere daherkam, so ungeschliffen und rau klang Vinegar Joe. Pete Gage dagegen hat den Blues bzw. Blues-Rock im Blut.
Die Platte startet mit Rusty Red Armour, einem Song aus der Feder Palmers, recht funky. Schon die ersten Takte mit dem gedehnten und schleppendem Basslauf und der E-Gitarre lassen aufhorchen. Palmers rotzige Stimme und Auftreten kommt hier rüber wie eine Mischung aus Mick Jagger und Bob Dylan. Trotzdem - oder auch gerade deswegen - gefällt mir dieses Video.
Der zweite Song Early Monday Morning, geschrieben von Pete Gage, beginnt mit stampfendem Rhythmus, und Elkie Brooks gibt eine Kostprobe ihrer Stimmgewalt, die streckenweise an Janis Joplin erinnert. Das Stück endet mit einem gewaltigen Vibrato in extrem hoher Stimmlage... das muss man nicht mögen.
Pete Gage war eindeutig dem Blues zugetan. Auch der nächste, sehr langsame Song Ride Me Easy, Rider wurde von ihm komponiert. Sein Gitarrenspiel trottet regelrecht neben der Stimme von Brooks dahin. Auch dieses Stück endet wieder fulminant: Elkie Brooks Stimme könnte Glas zerspringen lassen.
Es folgt Circles , eine schöne Mid-Tempo-Ballade, oder fast schon eine Pop-Ballade und geschrieben - es lässt sich leicht erahnen - von Robert Palmer. Auch die Vocals kommen hier von ihm, Elkie Brooks singt sehr zurückgenommen im Hintergrund. Pete Gage steuert ein verträumtes, leider zu kurzes E-Gitarren-Solo bei.
Leg Up, ebenfalls von Palmer geschrieben, ist ein Rocksong, der schon ein wenig in die Richtung weist, in die es später solo für ihn gehen sollte. Seine Stimme finde ich hier etwas schwach und dünn.
See The World beginnt wieder mit treibendem Bass. Dazu kommen schöne Keyboardharmonien, bevor der Gesang einsetzt. Dies ist ein Stück, auf dem Palmer und Brooks sich stimmlich perfekt ergänzen und ausgesprochen gut zusammen klingen. Das Ganze klingt angedeutet psychedelisch. Selbst, wenn nach 3 Minuten ganz unerwartet die Hornfraktion einsetzt, stört das nicht das Gesamt-Arrangement. Ein cooler Song.
Never Met A Dog ist ein feiner Rocktitel, der als Singleauskopplung wahrscheinlich am bekanntesten war. Never Met A Dog... der Song aus dem Autoradio. Ein Song zum Mitsingen, allein im Auto - kein Problem.
Das Awinu Malkenu ist ein jüdisches Bittgebet. Awinu Malkenu ist hebräisch und bedeutet übersetzt Unser Vater und unser König. Hier wird es von Pete Gage und Elkie Brooks in einen langsamen Folk-Blues umgesetzt.
Gettin' Out hätte sich ebenfalls als Singleauskopplung geeignet. Palmers Gesang stimmt, Elkie Brooks singt perfekt im Background und feine Keyboardpassagen runden das Ganze ab. Das Tempo steigt zum Ende des Songs stetig an. Ein Ohrwurm, eingängig, aber schön.
Live A Little, Get Somewhere ist für mich das schwächste Stück. Es fällt aus der Reihe, passt vielleicht in die Schublade entspannter Smooth Jazz.
Trackliste:
Rusty Red Armour - 5:00 - Written By Robert Palmer
Early Monday Morning - 4:43 - Written By Pete Gage
Ride Me Easy, Rider - 5:46 - Written By Pete Gage
Circles - 4:05 - Written By Robert Palmer
Leg Up - 4:58 - Written By Robert Palmer
See The World - 6:21 - Written By Pete Gage
Never Met A Dog - 6:31 - Written By Robert Palmer
Avinu Malkenu - 3:26 - Written By Pete Gage, Elkie Brooks
Gettin' Out - 5:09 - Written By Pete Gage, Steve York
Live A Little, Get Somewhere - 5:23 - Written By Pete Gage
Robert Palmer wie auch Elkie Brooks starteten beide eine erfolgreiche Karriere als Solokünstler. Robert Palmer verstarb bereits im September 2003 im Alter von nur 54 Jahren. Brooks steht noch heute auf der Bühne.
Pete Gage schrieb, arrangierte und produzierte weiterhin Songs für Elkie Brooks, mit der er auch verheiratet war. Nach der Scheidung der beiden konzentrierte er sich auf das Produzieren und arbeitete mit einer Vielzahl erfolgreicher Musiker.
Steve York verlor am 14. Oktober 2020 seinen langen Kampf gegen eine Krebserkrankung. Er spielte u.a. bei Graham Bond, East Of Eden und Chicken Shack. Steve York wurde 72 Jahre alt.
Tim Hinkley arbeitete als Session-Musiker mit vielen Künstlern, als Hintergrundmusiker für Elkie Brooks und tourte mit amerikanischen Musikern.
Mein Fazit, nachdem ich die CD nun wieder mehrfach gehört habe: Das Debüt von Vinegar Joe ist eine Scheibe nicht ohne Schwächen. Palmers Gesang ist streckenweise etwas schwach, Brooks dafür zu schrill. Trotzdem zähle ich die Platte nach wie vor zu meinen Lieblingsplatten, vielleicht auch gerade, weil sie nicht perfekt ist. Ein ungeschliffenes Blues-Rock-Juwel, das sich lohnt, entdeckt oder auch wiederentdeckt zu werden.