Künstler: Ralph McTell
Location: Kulturhaus Lüdenscheid
Datum: 08.09.2019
Delegation vom Zirkus: Stattmeister mit Gattin und Musikfreunden
“Have you seen the old man in the closed down market kicking up the papers with his worn out shoes, in his eyes you see no pride hands held loosely at his side yesterday's paper, telling yesterday's news - so how can you tell me you're lonely and say for you that the sun don't shine, let me take you by the hand and lead you through the streets of London i'll show you something to make you change your mind”
Vor genau 50 Jahren - im Sommer 1969 - veröffentlichte Ralph McTell mit „Streets of London“ sein bekanntestes Lied, das sich nach einer Neuveröffentlichung einige Jahre später millionenfach verkaufen sollte. Der Song, der bis heute unzählige Male gecovert wurde und längst den Status eines universellen Volksliedes besitzt, wirbt für Respekt gegenüber Menschen am Rande der Gesellschaft, gegenüber Einsamen und Wohnungslosen und ist damit aktueller denn je.
Geschrieben hatte er den Song als junger Straßenmusiker in europäischen Großstädten. In den Folgejahren entwickelte sich der Engländer zu einem der einflussreichsten Folkmusiker der britischen Inseln und Vorbild für eine ganze Generation jüngerer Liedermacher. In England, Irland und Australien tourt er auch heute noch regelmäßig durch ausverkaufte Hallen.
Natürlich durfte dieser Song nicht fehlen, als Ralph McTell am vergangenen Sonntag sein einziges Konzert in Deutschland in diesem Jahr in unserer Nachbarstadt Lüdenscheid gab. Mit großem Engagement hatte der dortige Kulturverein KALLE e.V., der jährlich im Rahmen seiner Konzertreihe „Folkpack“ zu 4 Folkkonzerten einlädt, um die Folklegende gebuhlt und ihn letztlich überzeugen können von der Insel ins Sauerland zu kommen.
Zuletzt sei er irgendwann in den 90ern in Deutschland gewesen, erinnerte sich Ralph McTell selbst. Sein exklusives Konzert im ausverkauften Kulturhaus wurde zu einem beeindruckenden Erlebnis. Fast 600 Besucher aus ganz Deutschland, aber auch aus England und Österreich, feierten McTell am Ende mit Standing Ovations.
Zuvor gab es eine eindrucksvolle und unterhaltsamen Streifzug durch die Musikgeschichte, zu Country-Blues, Ragtime und Folk und einen Querschnitt durch 50 kreative Jahre des englischen Sängers und Songwriters, der mit einer unglaublichen Stimme und Ausstrahlung das Publikum von Beginn an faszinierte.
Selbst ganz überwältigt von der Reaktion des Folkpack-Publikums signierte er nach dem Auftritt noch eine Stunde lang unzählige Alben und Memorabilien und stand für Gespräche bereit.
Ralph McTell aber hat sehr viel mehr zu bieten, als einen Hit (oder zwei). Er gehört zu den einflussreichsten Folkmusikern der britischen Inseln und zu den großen Geschichtenerzählern unserer Zeit.
So wird ‚From Clare to here‘ immer und überall angestimmt, wenn irgendwo auf der Welt irische Auswanderer zusammenkommen:
Der Song „Barges“ berichtet von seinen Erlebnissen in der Jugendzeit (McTell ist 1944 geboren worden) an der Themse wo er und sein Bruder die Männer und Pferde beobachten die die Lastkähne über den Kanal ziehen und die Zugbrücken passieren.
„The Ferrymen“ so erklärte McTell sei von Hermann Hesse inspiriert. Sein Buch „Siddhartha“ habe ihn zu diesem Song geführt.
Im Übrigen wurde jeder Song von ihm mit einer kurzen Erläuterung versehen, meist mit dem typischen englischen Humor verfeinert, sodass man Stimmungen und instrumentale Feinheiten gut nachvollziehen konnte.
So erfuhr man unter anderem, dass McTell ein Verehrer der amerikanischen Bluesmusiker der 30er Jahre ist. Wie so viele andere orientierte er sich in jungen Jahren am Gitarrenspiel der Blueser wie Reverend Gary Davis, die wiederum mit ihrem Fingerpicking das Ragtime-Pianospiel nachahmten.
Die Songs „Reverend Thunder (Blind Faith)“ und „The ghost of Robert Johnson” dienen dabei als Hommage an die längst verstorbenen Musiker und ihren Einfluss auf spätere Musikergenerationen.
McTells Spiel auf seiner Gibson wirkt unspektakulär, ist aber ausgefeilt und variantenreich. Eine Gitarre liege stets in seiner Nähe wenn er zu Hause sei, berichtete er. Dies kam speziell bei dem schon erwähnten „The Ferrymen“ und einem Solo-Rag zum Ausdruck. Der 74-Jährige setzte sich aber auch für ein paar Lieder an den Konzertflügel, den er ebenso wirkungsvoll zur Begleitung, so bei seinem sehr nachdenklichen Liebeslied aus 1976 "Naomi“, einsetzte.
Mit seiner Zugabe ging Ralph McTell gleichzeitig in die Gegenwart und die Vergangenheit: der Song „West 4th Street and Jones“ von seinem aktuellen Album bezog sich auf das Cover von Bob Dylans LP Freewheelin‘ von 1963 – welches Bob mit seiner damaligen Freundin zeigt - ein Abbild der jugendlichen Unbeschwertheit.
Danach blieb mir und dem restlichen Publikum nur den imaginären Hut zu ziehen, denn nur wenige Musikern schaffen es ihre Zuhörer nur mit einer Gitarre, gelegentlichen Farbtupfern durch Mundharmonika oder Klavier und einer sonoren und warmen Stimme über 80 Minuten in ihren Bann zu ziehen. Ralph McTell hat das am Sonntag eindrucksvoll geschafft. Danke!