Hölderlin - Hölderlin 1975

...unbritischer Artrock aus Deutschland....

 
Max...
 
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Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 22:42 Uhr  ·  #1


Spannender Artrock muss nicht immer aus England oder Amerika kommen, sondern kann auch aus dem Land des Krauts kommen. Und selbst da muss er nicht von Eloy, Anyones Daughter oder Novalis, sondern auch von eher solchen Bands kommen, die nur sehr wenige kennen.
Hier geht es um die Gruppe "Hölderlin" mit ihrem gleichnamigen zweiten Album, das sich trotz seiner germanischen Eigenständigkeit in einem Bereich zwischen Supertramp, Traffic und King Crimson ansiedeln lassen könnte.
Das erste Lied nennt sich Schwebebahn und ist ein 7,5minütiges Instrumental mit sehr klassischem Grundaufbau. Nach atonalen Klavierschlägen krächzt eine Viola passend dazu, Trommelwirbel setzt sich drunter, bis die Band nach einem rasanten Mellotron-Viola-Klavier-Gitarre-Zwischenspiel in schön deutsch-expressionistischer Manier diverse außereuropäische musikalische Linien verwebt und auf einem feurigen Percussion-Bass-Fundament schwebende, atmosphärische Improvisationen abliefert. Nach einigen Minuten verschwindet der Rhythmus, das Mellotron schwebt alleine weiter, bis die krummen Töne vom Anfang wieder einsetzen und das Stück nach einem gesampleten Orchesterschlußakkord beenden.
Nach dieser spannenden musikalischen, internationalen Reise wird es mit I Love my Dog etwas ruhiger. Dieses Lied ist eine Ballade, die mit E-Bass, Flöte, E-Piano, Akustikgitarre, Tamburin und Gesang instrumentiert ist und eine (vgl. Liedtitel) Art Lobeshymne an den Haushund darstellt. Nach einer Strophe gesellt sich die hart verzerrte E-Gitarre von Herrn Grumbkow, die mich bisweilen an Herrn Fripp von King Crimson erinnert, zu der "unplugged-Runde". Die nächste Strophe baut da mit verzweifelt geschrienem Gesang eine Art Kontrast zu der plätschernden Ruhe der Vorstrophe, bis nach gejaultem Liedtitel sich Zeus von Birth Control am Altsaxophon austobt. Nach einem ewigen Fadeout, gibt es ein folkiges Märchen über einen Honigsammler (stimmt das? ich verstehe den Text nicht, wenn Christoph Noppeney den Text so akzentuiert und dramatisch sprechsingt ;) ), Honeypot. Los geht es mit Flöte, Akustikgitarre und Gesang, bis dann die gesamte Band das Stück in einen atmosphärisch schwebenden Teil mit Viola und Mellotron leitet. Wie das Anziehen des Tempos und das Hektischwerden von Drummer Michael Bruchmann andeutet, folgt eine Art Höhepunkt. Vorher wird die Spannung zunächst aber behutsam in Richtung eines akustischen Zwischenspiels abgebaut, doch dann legen sie mit Bass, Klavier, Viola, Gesang und Schlagzeug richtig schön los und greifen am Ende das Hauptthema aus der Mitte, das beim ersten Hören völlig unpassend ist, neu auf und nutzen es als einen schönen Abschluss.
Mit Nürnberg gibt es eine ruhige, verträumte Ballade, ein schönes Volkslied mit akustischer Besetzung und einer wunderbar simplen Hauptmelodie. Lobenswert ist hier vor allem das perlende E-Piano-Spiel.
Deathwatchbeetle ist der letzte Song auf der bis jetzt guten Platte und reißt sie locker in den sehr guten Bereich - ein 18minütiger Longtrack, der mit seinen krummen Riffs, psychedelischen Momenten, einem sehr merkwürdigen und wirren Text über den Klopfkäfer und sehr viel Improvisation keinen Vergleich mit anderen proggigen Wegbereitern dieser Zeit zu scheuen braucht. Zwar haben einige ähnliches schon vorher geschafft, doch fusioniert die nordrheinwestfälische Gruppe so Klassischen Prog mit Psychedelic und sehr germanisch wirkender, expressionistischer, klaviergeladener Musik. Für eine Detailbeschreibung geht in dem Stück zu viel ab; es sei gesagt, dass hier alle paar Sekunden etwas neues geschieht, zu einem wirr pochendem Klangteppich neue Geräusche, knurpselnd und wimmernd, hinzukommen und, dass eine etwas vereinfachte, gekürzte, aber sehr gut reproduzierte Liveversion von "Deathwatchbeetle" als Bonustrack der 2005er Edition zu finden ist. Für wenige Euros (4,99€ oder 5,99€) lässt sich die CD bei Zweitausendeins bestellen, ich rate jedoch zu einem Kauf zusammen mit anderen CDs, z.B. Eloy, Jethro Tull, Deep Purple, Mike Oldfield, Bob Dylan u.Ä., da die Versandkosten egal für welche Menge an CDs um die 3 Euro kosten.

Mit irgendeiner Zahlenbewertung mag ich mich jetzt nicht herumschlagen, sondern empfehle die CD an alle, die mit art-igem, keineswegs artigem ;) Folkprog etwas anfangen können.
Man möge aber nicht nach wenigen Hörversuchen aufgeben, denn beim ersten Hören findet man das alles ganz nett, aber nicht besonders.
Bei jedem Hören, besonders beim (illegalen! :shock: ) Konsumieren per MP3-Player auf dem Rade oder zu Fuß durch den Wald, gewinnt die Scheibe etwas mehr, besonders das am Anfang merkwürdig erscheinende "Honeypot" mit seiner merkwürdigen Vortragsweise, die irgendwo zwischen Sprechen, Sprechgesang und Gesang variiert. 😉
Triskell
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 22:51 Uhr  ·  #2
Gute Rezi <> gute Pladde! :daumen:
nobbygard
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 22:57 Uhr  ·  #3
Max, da werden Erinnerungen wach. Ich habe ie damals gehabt und sehr gemocht, leider ist sie irgendwie abhanden gekommen. Danke für die Erinnerung, werde mich mal drum kümmern!

Nobby
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 23:02 Uhr  ·  #4
Max..., danke für die tolle Rezi. 😉 So wie du das beschreibst, könnte das ja was für mich sein. Ich kenne von dieser Band nur einen Titel "Requiem für einen Wicht" vom Sampler "The World Of Krautrock". Der gefällt mir überhaupt nicht.
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 23:21 Uhr  ·  #5
Zitat geschrieben von michi1985
Max..., danke für die tolle Rezi. 😉 So wie du das beschreibst, könnte das ja was für mich sein. Ich kenne von dieser Band nur einen Titel "Requiem für einen Wicht" vom Sampler "The World Of Krautrock". Der gefällt mir überhaupt nicht.


...kann ich nachvollziehen! Das ganze Album taugt in meinen Augen nichts.
Versuch mal in die Alben, "Clowns & Clouds", "Rare Birds" und das "Live" Album reinzuhören. Wenn Du daran gefallen finden solltest, dann kostet das, zumindest bei den beiden erstgenannten, jeweils ein weiteres Bierchen beim Treffen. :lol: :roll:
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 23:25 Uhr  ·  #6
Triskell, :D dein Durst beim Treffen wird gestillt werden. :prost:
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 23:29 Uhr  ·  #7
Zitat geschrieben von michi1985
Triskell, :D dein Durst beim Treffen wird gestillt werden. :prost:


:lol: :lol:
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 23:32 Uhr  ·  #8
By the Way! Soll ich Dir die beiden Hölderlin und die Mythos, schon vorab via Postweg zukommen lassen, oder erst zum Treffen überreichen? Wie hoch ist der "Suchtfaktor"? :rasta:
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 23:40 Uhr  ·  #9
Ich würde sagen das machen wir beim Treffen. :lol: Ich erwarte in nächster Zeit ja noch einige Scheiben. Das ist Genuß und keine Sucht. :mrgreen:
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 30.04.2008 - 23:42 Uhr  ·  #10
Zitat geschrieben von michi1985
Ich würde sagen das machen wir beim Treffen. :lol: Ich erwarte in nächster Zeit ja noch einige Scheiben. Das ist Genuß und keine Sucht. :mrgreen:


:daumen: :prost:
hmc
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 01.05.2008 - 09:52 Uhr  ·  #11
Klasse Band, ich habe die Alben:
New Faces - remastered
Clown & Clouds - remastered
Same - remastered
Fata Morgana - remastered
Live Traumstadt
Hölderlins Traum
Max...
 
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 01.05.2008 - 10:55 Uhr  ·  #12
Noch eine Anmerkung: :8)

Die LinerNotes im Booklet beinhalten ein paar leicht übermütige Sätze, die die Band oder Teile davon über sich sagen ("Rock, Lieder, Improvisationen auf Cello, Geige, Querflöte, akustischen und elektrischen Gitarren, elektrischem Klavier, Orgel, Bass und Schlagzeug, komplexe Kompositionen und spannungsreiche Arrangements, Musik, die losgeht, aber auch zum Zuhören zwingt. Musik, die nicht Halt macht vor Zwölftonkadenzen, die traditionellere Elemente wie Folk oder Klassik beinhaltet, die die Elektronik streift oder Jazz-Phrasierungen aufweist."/"Deutsche Antwort auf Genesis und King Crimson.")
Das wirkt ein wenig wie eine Laudatio auf sich selbst. 😉
Tom Cody
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 09.11.2011 - 17:59 Uhr  ·  #13
Starke Band! 😉
Rainer The Mage
 
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 09.11.2011 - 19:18 Uhr  ·  #14
Das Album gefällt mir sehr gut, danach baut die Band in meinen Ohren total ab, der Nachfolger ist noch OK, dass wars dann aber auch. Soll aber dieses schöne Ding nicht schlecht machen, gehört für mich in jede Krautsammlung :D
hmc
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 11.11.2011 - 10:00 Uhr  ·  #15
Es wird Zeit mal wieder "someone's calling" von der New Faces zu hören.

Der Mittelteil goovet gewaltig.
Fender Rhodes und Gitarre harmonieren da prächtig.
Tom Cody
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Re: Hölderlin - Hölderlin 1975

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Gepostet: 06.07.2025 - 13:08 Uhr  ·  #16
Ein schönes Album, das mir auch gut gefällt. 🤔
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