Flower Kings 1995 bis 2006

 
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Flower Kings 1995 bis 2006

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Gepostet: 17.04.2008 - 12:17 Uhr  ·  #1
Flower Kings 1995 bis 2006

Back In The World Of Adventures
(1995 - Bodin, Bruniusson, Fröberg, Salazar, M. Stolt, R. Stolt, Wallander)

1995 erschien das erste "richtige" Album der Flower Kings. Das Vorgängerwerk hatte noch unter Roine Stolts Namen firmiert (auch wenn die Musiker schon identisch waren). Nach dem Erfolg des ersten Albums entschied man sich, die Flower Kings zum Leben zu erwecken, gefördert auch durch die Renaissance des Neo-Progs in den 90ern.

Schon 1995 war der Stil der Band ausgereift. Ausgedehnte Solopassagen mit Keyboard und E-Gitarre, leichte Jazz-Einflüsse und der Hang zu Improvisation verbunden mit sehr schönen Melodien lassen die Musik sehr warm und lebendig wirken. Daß dabei Genesis und Yes Pate standen ist leicht erkennbar.
Wer schon andere Alben der Flower Kings kennt, bekommt hier genau das, was er an der Band mag.

Sehr ausgeprägt auf dem Album ist der instrumentale Teil, von den 10 Stücken sind 5 reine Instrumentalwerke dabei. Das einzige Manko der Flowerkings ist leider, daß auf beinahe jedem Album von ihnen auch vereinzelt schwächere Lieder vertreten sind. Der Großteil der Kompositionen ist gut gelungen, aber ein paar langweilige Momente haben sich auch auf "Back In The World..." eingeschlichen. Mir persönlich gefallen jene Stücke am wenigsten, die zu sehr nach Jazz oder Improvisation klingen und weniger dem symphonischen Progrock folgen. Wie z.B. "Oblivion Road", das einfach nur nach Gedudel für mich klingt... oder den etwas zu langweiligen Gesang bei "Train To Nowhere". Zum Glück sind diese Lieder alle recht kurz, unter 4 Minuten und insgesamt überwiegt - wie immer bei den Flower Kings - der positive Eindruck.

Fans der Flower Kings können getrost zugreifen, wer die Band nicht mag, bekommt hier nichts neues geboten. Insgesamt gesehen finde ich das Album gut, nicht aber überragend. Jetzt, da ich fünf Alben der Band besitze, wünschte ich mir manchmal ein wenig mehr Abwechslung, da sich doch hier und da bei den Liedern der Flower Kings vermehrt Déjà Vus einstellen. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Flower Kings eine der besten (und produktivsten) Progrock-Bands der heutigen Zeit sind. Neueinsteigern möchte ich zum Kennerlernen das aktuelle Album "Space Revolver" oder das Doppelalbum "Stardust We Are" empfehlen.

12/15 Punkte


Retropolis
(1996 - Bodin, Bruniusson, Fröberg, Salazar, M. Stolt, R. Stolt, Wallander)

Das 96er Album der Flower Kings bietet all das, was man auch von den anderen Alben der Gruppe kennen und lieben gelernt hat. Analoge Synthesizer, Mellotron und sehr viel E-Gitarre beherrschen die breitwandigen Arrangements der Stücke, die Einflüsse von Genesis und Yes erkennbar werden lassen - wobei Mastermind Roine Stolts ganz eigener Stil der Musik ihren prägnanten und charmanten Stempel aufdrückt.

The Flower Kings sind eine der produktivsten Gruppen des Genres, ihre Alben erscheinen fast jährlich und die Fülle an Musik ist sehr beachtlich. Daß es dabei Höhen und Tiefen gibt ist unvermeidlich - Retropolis (die Flower Kings machen kein großes Geheimnis daraus, in welche Richtung Progrock dieser Tage geht) bietet viele Höhen und nur einige Tiefen. Die Musik ist wie immer bei den Flower Kings sehr bunt, die Arrangements sprudeln nur so über vor Ideen. Mal gibt sich das Album wuchtig, bombastisch - wenn z.B. eine Kirchenorgel einsetzt - in anderen Momenten ist es geradezu heiter beschwingt.

Das Album ist sehr instrumental geraten - von den 11 Tracks sind 6 instrumental und die gesungenen Lieder haben allesamt recht ausgeprägte Instrumentalparts. Nicht alle Instrumentals können aber überzeugen, wobei ich das sehr skurille Anfangsstück "Rhythm of Life" gar nicht mal als echtes Lied sehe. Man hört über 32 Sekunden ein Tischtennisspiel...

"Retropolis by Night" ist mehr ein unspektakulär atmosphärisches Keyboardintermezzo (das zum Glück nur über 3 Minuten geht) und langweilt leider sehr.

Das knapp 7-minütige "Flora Majora" ist nett, aber nicht sonderlich spektakulär, es bietet vor allem eine Spielwiese für Roine Stolts gefühlvolles Gitarrenspiel.

Am stärksten ist "Retropolis" dort, wo die Flower Kings nicht versuchen, sich in "verproggten" Blues oder Jazzvariationen hinzugeben und die E-Gitarre ein wenig ziellos vor sich hinspielt.

Die Stücke, die den eher klassischen Progrock-Strukturen folgen, sind eindeutig die besten, wie z.B. das 11-minütige Instrumental "Retropolis" oder das 10-minütige "There is more to this world".

Alles in allem überwiegen die Höhen eindeutig, aber wie auf beinahe jedem Flower Kings Album gibt es einige Füller und Längen, aber diese drei, vier zumeist sehr kurzen Lieder kann man ja wegprogrammieren.

Wer die Flower Kings kennt und mag, der wird auf "Retropolis" gut bedient. Wer sie noch nicht kennt solle vielleicht mit dem Nachfolgealbum "Stardust We Are" beginnen, das meines Erachtens immer noch das bisher beste Album der Gruppe ist.

12 Punkte


Stardust We Are
(1997 - Bodin, Bruniusson, Fröberg, Salazar, M. Stolt, R. Stolt)

"The Flowerkings" bieten auf diesem Album 130 Minuten großartigen Progrock in der großen Tradition von "Yes" und "Genesis", gepaart mit eigenen Ideen.

Spielfreude, komplexe Arrangements, wundervolle Keyboardklänge, eine satte Gitarre und vor allem schöne Melodien vermischen sich zu einer beeindruckenden Mixtur, die mich fast immer voll überzeugt.

Ich gehe gleich mal zum 25-minütigen "Stardust We Are" über, welches das abschließende Stück des Albums ist. Viele Progrock-Gruppen versuchen sich an solch großflächigen Kompositionen, wenige liefern dabei ein ähnlich gutes Ergebnis wie "The Flowerkings" ab, die sich durchaus mit den Vorbildern aus den 70ern messen können. "Stardust We Are" klingt so, als könnte es auch direkt von einem alten "Genesis" oder "Yes" Album stammen. Eine schöne Melodie, Mellotronklänge, eine Gitarre, die ein wenig an Steve Howe erinnert und eine interessante Rhythmus-Sektion machen das überlange Lied zu einem der gelungensten aus dem Neo-Prog Bereich. Es ist zwar nicht ganz so emotional wie "Close to the Edge" und auch nicht so abwechslungsreich wie "Supper's Ready", aber die Atmosphäre ist vergleichbar.

Die anderen Stücke auf dem Album präsentieren sich sehr abwechslungsreich und voller Dynamik. Bei der Masse an Tracks (20 an der Zahl) kann ich nicht auf jeden eingehen, aber Werke wie das rasant beginnende "In the Eyes of the World", das sehr gefühlvolle "Church of Your Heart", "The End of Innocence" oder das schlicht großartige (und meiner Meinung nach beste Lied auf dem Album) "The Merrygoround", das vor musikalischen Ideen nur so übersprudelt, werden jeden Progrockfan begeistern.

Es gibt auch einige instrumentale Stücke auf dem Album, wobei aber die etwas längeren davon mir nicht so gefallen. Zum einen "Circus Brimstone", das eine Jahrmarktsatmosphäre verbreitet und das etwas zu spacige "Don of the Universe" mit Sitar-Klängen. Die kürzeren Instrumentals wie "A Room With A View", "Poor Mr. Rain's Ordinary Guitar", "The Man Who Walked With Kings" oder "If" hingegen erzeugen zumeist wunderbar melancholisch-verträumte Stimmungen.

Daneben gibt es auch drei etwas geradlinigere Stücke, die sich mehr an der Rockmusik orientieren, aber starke Melodien aufweisen und mir als Kontrastprogramm zu den vielen komplexen Progrocksongs sehr gefallen. "Stardust We Are" bietet aufgrund der langen Spieldauer sehr viel Abwechslung und Diversität. Mit dem überlangen Titelstück gibt es zudem ein echtes Juwel des Neo-Progs. "The Flowerkings" liefern meiner Meinung nach eines der besten Progrock-Alben der 90er Jahre ab und wer die Gruppe nicht kennt, kann getrost zugreifen.

In diesen Tagen erscheint auch das neue Doppel-Album der "Flowerkings". Näheres dazu dann bald.

14 Punkte


Flowerpower
(1999 - Bodin, Bruniusson, Fröberg, Salazar, M. Stolt, R. Stolt)

Hier nun also das neue Werk der schwedischen Blumenkönige. In gewisser Weise erstaunen mich die Flower Kings. Während man gerade im Proggenre durchaus mal mehrere Jahre auf ein neues Album einer Gruppe warten kann bzw. muß, schaffen es die Flowerkings in relativ kurzer Zeit wieder ein Doppelalbum auf den Markt zu bringen.

Diesmal sind es 141 Minuten Spielzeit, die den Zuhörer erfreuen sollen. Nachdem mir "Stardust we are" so hervorragend gefallen hatte, war ich gespannt, wie sich das neue Album anhört.

Die Flower Kings haben auf dem neuen Album ihren Stil kontinuierlich fortgesetzt. Es gibt wieder sehr bunte Arrangements, schöne Melodien und überlange Epen.

So bringt es das Stück "Garden of Dreams" auf sagenhafte knappe 60 Minuten Spielzeit. Allerdings ist das Werk in 18 einzelne Lieder unterteilt und wirkt somit nicht unbedingt wie eine Einzelkomposition.

Allein schon aufgrund der schieren Menge an Musik fällt es nicht leicht, sich bei den ersten Durchläufen im CD-Spieler alle Nuancen oder Feinheiten zu merken. Doch zumindest nach den ersten Durchgängen wollte sich bei mir nicht ganz die Begeisterung wie bei "Stardust we are" einstellen.

Sicherlich sind die Ingredenzien immer noch die gleichen. Aber um ehrlich zu sein klingt manche Passage, manches Arrangement und diverse Keyboardphrasen wie schon einmal gehört. Auch fehlen mir ein wenig absolute Höhepunkte wie es z.B. "Stardust we are" oder "The Merrygoround" auf dem Album aus dem Jahre 1997 gewesen waren.

Selbstverständlich wird immer noch wunderbarer Progrock geboten und das Material ist wirklich gut. Allenfalls manchmal die Originalität und den allerletzten Schliff, den ein Meisterwerk ausmacht, vermisse ich hier und da.

Es stellt sich die Frage ob bei 141 Minuten Spieldauer sich nicht zwangsläufig hier und da ein paar schwächere Lieder einschleichen, die hatte es auch schon sehr vereinzelt bei "Stardust we are" gegeben, hier aber sind es eine Reihe von Liedern, die mich bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt begeistern können (vor allem das Stück "Psychedelic Postcard, auf dem der Gesang wie der eines verschnupften Schlumpfs klingt, nervt doch ein wenig stellenweise).

Dies wird sich vielleicht noch ändern, wenn ich Gelegenheit habe, das Album noch öfter zu hören. Es sind natürlich auch hier einige echte Ohrwurmpassagen vorhanden und um es deutlich zu machen: "Flowerpower" ist weit davon entfernt ein schlechtes bzw. mittelmäßiges Album zu sein. Ich kann es jedem nur empfehlen. Es ist bloß nicht unbedingt das neue Meisterwerk, sondern "nur" ein gutes bzw. passagenweise sehr gutes Album.

Als Resümee bleibt festzuhalten, daß das neue Album der Flowerkings auch jetzt wieder fabelhaften Progrock liefert, der aber nicht ganz diese Glanzpunkte setzen kann. Damit sind die Flower Kings aber immer noch weit über dem Durchschnitt und unbedingt empfehlenswert.

12 Punkte


Space Revolver
(2000 - Bodin, Bruniusson, Fröberg, Reingold, Salazar, R. Stolt, Wallander)

Die Flower Kings sind in der Tat eine der produktivsten Prog Rock Bands dieser Tage. Ein Glück für alle Fans ihrer Musik - man wird nicht mit jahrelangen Wartezeiten qualvoll auf die Folter gespannt. Kritiker könnten anmerken daß die eine oder andere längere Pause zwischen den Alben vielleicht der Kreativität und den Ideen ganz gut täte. Roine Stolt scheint von beidem genug Vorrat zu haben - und da er anscheinend auch sehr viel Freizeit immer noch hat, hat er mal eben mit "Transatlantic" ein weiteres Album unmittelbar vor diesem hier eingespielt.

Erstmals gibt es größere Veränderungen im Line-Up der Band. Michael Stolt (Bass) ist nicht mehr dabei, dafür zupft nun Jonas Reingold den Bass. Die Musik wird immer noch von Roine Stolt komponiert und so hat sich der Stil der Band auch nicht verändert.

"Space Revolver" zeigt, daß die Band es geschafft hat, ein erstklassiges Album auf die Beine zu stellen, das das Herz jeden Progfans höher schlagen läßt. Es gibt immer noch Zutaten von Genesis und Yes, gepaart mit ein wenig Blues und Jazz hier und da - und zu jeder Zeit wundervolle Keyboardsounds, mit viel Mellotron natürlich.

Schon der Opener "I Am The Sun (Part 1)" hat alle Zutaten, die das Genre so bietet. Ein wuchtiges Intro, ausgefeilte Arrangements, Bombast, ein wenig Experimentierfreude, und einen ausgedehnten instrumentalen Mittelteil. Roine Stolts sympathischer Gesang und sein gefühlvolles Gitarrenspiel sind dazu dann noch das i-tüpfelchen.

Es folgt ein sehr kurzes, atmosphärisches Lied von Tomas Bodin, der ansonsten bisher für viele instrumentale Intermezzos zwischen Stolts Werken zuständig war. Diesmal allerdings hat Stolt einen kleinen Text zu einem von Bodins kurzen Liedern geschrieben. Das sehr ruhige Stück bildet den perfekten Übergang zum sehr tempogeladenen und teilweise funkigen "Rumble Fish Twist", auf dem die Flower Kings mal richtig losjammen. Ein Stück voller Druck und Dynamik. Daneben gibt es auch ein richtiges "Gute Laune Lied", der "Chicken Farmer Song" ist einfach nur fröhlich zu nennen - auf progressive Art und Weise.

Das einzige Lied, das mich ein wenig nervt, ist das mit einem Dudelsack unterlegte "Underdog", doch das soll auch der einzige Durchhänger auf einem ansonsten durchgängig gelungenem Album sein.

Nachdem der Vorgänger mit 141 Minuten Spielzeit einfach zu aufgebläht war und man sich die Rosinen mühsam aus den etwas schlechteren Stücken heraussuchen mußte, sind die knapp 77 Minuten diesmal übersichtlicher geraten und man hat es auch leichter, einen Einstieg in das Album zu finden (wer hat schon mal 141 Minuten Zeit, intensiv einem Album zuzuhören?).

Die Flower Kings zelebrieren ihre Interpretation des Progrocks und bleiben dabei sich und ihrem Stil treu. Wer die anderen Alben mochte, der wird dieses hier ebenso mögen. Wer mit den Flower Kings nichts anfangen kann, dem wird auf "Space Revolver" nichts neues geboten.

Wer Interesse hat, dem seien die Flower Kings auf jeden Fall empfohlen, ihr zumeist sehr erfrischender Progrock ist lebendig und voller Spielfreude.

13 Punkte


The Rainmaker
(2001 - Bodin, Bruniusson, Fröberg, Reingold, Salazar, R. Stolt)

Der Produktionszyklus der Flower Kings gehört sicherlich zu den kürzesten im Genre. Es ist kaum ein Jahr seit "Space Revolver" vergangen, da präsentieren Roine Stolt und Co. schon wieder ein neues Album.

Der Stil der Flower Kings hat sich nicht essentiell geändert, allerdings gibt es eine spürbare Tendenz zu etwas poppigeren bzw. leichteren Liedern, die auch deutlich kürzer sind als die gewohnten Epen der Schweden. Es fällt auch auf, daß Hasse Fröberg deutlich mehr Gesangsparts hat als früher noch. Zwar gibt es auch auf "The Rainmaker" noch drei Epen in gewohnter Machart, doch die kürzeren und kompakten Lieder überwiegen diesmal deutlich. Und hier liegt auch der Schwachpunkt auf dem neuen Album. Meines Erachtens sind die Flower Kings bzw. ist Roine Stolt, der für alle Kompositionen verantwortlich ist, nicht gerade ein besonders guter Komponist von Balladen oder Popsongs. So plätschern diese kurzen Songs einfach nur dahin ohne echte Höhepunkte setzen zu können. Gab es auf dem Vorgängeralbum mit dem "Rumblefish Twist" noch ein geniales Instrumentalstück so enttäuscht das instrumentale Titelstück der CD doch ziemlich. Auch die Melodien der kürzeren Songs wirken uninspiriert. Bemüht nett, aber ohne Ecken ohne Kanten. Langweilig, wenn man es auf den Punkt bringen will.

So gesehen ist The Rainmaker doch eine leichte Enttäuschung geworden. Das Album kann nur dort wirklich überzeugen, wo sich die Flower Kings auf ihre alten Tugenden verlassen und überlange Stücke spielen, die mal heavy, mal jazzig und vor allem symphonisch geraten. Wenn der Einfluß der alten Progrock Paten von Yes am deutlichsten wird.

Vielleicht wollen sich die Flower Kings mit einem etwas poppigeren Album einem neuen Publikum öffnen, vielleicht ist es auch nur eine temporäre Erscheinung. Leider ist "The Rainmaker" somit aber ein recht durchschnittliches Album geworden, das alten Fans der Band nichts neues und ansonsten viele Füller bietet. Es bleibt dabei, daß "Stardust We Are" immer noch das beste Album der Band ist.

Die Erstauflage hat noch eine Bonus-CD mit Solostücken von Bodin und Fröberg sowie einem noch von Stolt. Diese Lieder tragen nicht wirklich etwas zur Qualität des Albums bei. Allein das kurze, sehr ruhige Stück "The Woman With No Shadow" von Bodin, das von einer Frau gesungen wird, klingt wirklich schön. Die Videosektion ist auch nicht wirklich überzeugend. Man erfährt nicht viel, kann aber die Flower Kings mal in Aktion sehen.

Es bleibt zu sagen, daß Roine Stolts Auftritt bei Transatlantic doch um einiges überzeugender ausgefallen ist als der bei den Flower Kings.

Vielleicht sollten die Flower Kings jetzt doch mal in Klausur gehen und in Ruhe nachdenken, wie es weitergehen soll. "The Rainmaker" klingt in weiten Passagen unausgegoren und fade. Ist die Doppelbelastung Transatlantic und Flower Kings vielleicht doch zu viel für Roine Stolt? Die Frage ist, wieviel kreativen Output man von einem Menschen in so kurzer Zeit erwarten kann.

Lohnt sich also der Kauf der CD? Fans der Band werden sich das Album ohnehin wohl schon gekauft haben. Wer sich nicht als harter Fans der Schweden sieht kann auf "The Rainmaker" meiner Meinung nach auch getrost verzichten.

Es bleibt noch anzumerken, daß Schlagzeuger Jaime Salazar die Flower Kings nach den Studioaufnahmen die Band in Freundschaft verlassen hat.

9 Punkte


Unfold the Future
(2002 - Bodin, Bruniusson, Csörzs, Fröberg, Reingold, R. Stolt)

Es ist schon bemerkenswert, mit welchem Rhythmus Roine Stolt und Co. ihre Alben veröffentlichen. Kaum ein Jahr nach "The Rainmaker" folgt mit "Unfold the Future" schon wieder ein neues Album - und da Stolt neben Transatlantic wieder mal sehr viel Zeit und noch mehr Ideen offenbar hatte, ist "Unfold the Future" zum knapp 140-minütigen Doppelalbum geraten.

Allein ein Blick auf das Tracklisting läßt bei Progfans Hoffnungen hochschnellen. "The truth will set you free" hat eine Spieldauer von fast 31 Minuten, "Devil's playground" 25 Minuten und das nächstlängere "Silent inferno" auch noch mehr als 14 Minuten.

Ich selbst war nach dem recht schwachen, weil viel zu geradlinigen "The Rainmaker" gespannt, welche Richtung die Flower Kings diesmal verfolgen würden. Das Album beginnt mit dem Stück "The truth will set you free" sehr episch und orientiert sich dabei ganz offensichtlich an den 70er Jahre Proggrößen Genesis und Yes.

So erscheint das Werk wie eine Mischung aus "Watcher of the skies" und "Close to the edge" oder "Tales from Topographic Oceans". Es gibt all das, was man am Proggenre mag: schöne Melodien, einen netten Refrain, wiederkehrende Themen und natürlich viele ausgedehnte Instrumentalpassagen, bei denen die einzelnen Musiker glänzen können.

Roine Stolts Gitarrenspiel klingt dabei gewohnt wie eine Mischung aus Steve Howe und Steve Hackett mit einer Prise 70er Jahre Rockgitarre, während Tomas Bodin sehr geschmackvolle Retroklänge verwendet. Vor allem das üppig eingesetzte Mellotron und die Kirchenorgel stechen hervor. Allgemein wirkt die Band sehr spielfreudig, was sich auch durch das ganze Album zieht. Bemerkenswert ist auch die Rhythmussektion mit Bassist Jonas Reingold und dem neuen Schlagzeuger Zoltan Csörzs, die ein erstklassiges (Zusammen)Spiel abliefern und viel Spaß gehabt zu haben scheinen.

"The truth will set you free" ist als bestes Lied des Albums definitiv ein echter Höhepunkt und zum ersten Mal seit "Stardust we are" fabrizieren die Flower Kings etwas ebenbürtiges.

Der erste exzellente Eindruck des Albums täuscht aber leider etwas. Wer nämlich nun durchgängig progressive Meisterwerke erwartet, wird schnell eines besseren belehrt.

Neben den Progwerken gibt es auch so funkige Sachen wie "Monkey Business", die sehr geradlinig und eher kurz daherkommen. Dann gibt es mit "The Navigator" auch ein sehr ruhiges Stück, das ein wenig wie ein Schlaflied anmutet und einen entspannten Tupfer in die ansonsten sehr übersprudelnde Instrumentierung setzt.

Ein anderer sehr großer Schwerpunkt auf dem Album ist aber vor allem der Jazz. Besonders die zweite CD bietet einige Stücke, die lupenreiner Freejazz sind. Wem so etwas gefällt, kann wohl seine Freude daran haben. Anderen hingegen kann es dann auch zu form- und melodielos und experimentell vorkommen. Auf mich wirken die jazzlastigen Stücke wie z.B. das instrumentale "Soul Vortex" oder das an Miles Davis erinnernde ebenfalls instrumentale "The Devil's Danceschool" mit Freiform-Trompete deplaziert und eigentlich auf irgendein Jazzalbum gehörend - nicht aber auf ein Progrockalbum, oder eines, das sich an Progfans richtet. Deshalb wirkt das Album als ganzes leider auch etwas zerrissen und der Hörfluß kann (wenn man keinen Freejazz mag, so wie ich) deutlich ins Stocken geraten. Aber natürlich kann man all das auch am CD-Spieler wegprogrammieren.

Etwas wunderlich mutet auf der ersten CD mit "Christianopel" auch eine beinahe 9-minütige Variante von "The Waiting Room" an, das schon bei "Lamb lies down on Broadway" von Genesis 1974 eher Kopfschütteln und Langeweile verursachte.

Und so ist das Problem bei "Unfold the Future" das Gleiche wie bei fast allen Flower Kings Alben. Aufgrund der schieren Fülle an Songs gibt es einige wirklich exzellente Stücke, wie das schon erwähnte 30-minütige "The truth will set you free", oder das abschließende "Devil's Playground" - wobei "Devil's Playground" auch etwas experimentellere und ein paar jazzige Klänge einbindet - die gewiß jeden Progfan begeistern werden, dann aber auch die seltsam anmutenden Ausflüge ins Jazzgefilde oder experimentelle Spielereien wie "Christianopel".

Vielleicht wollte Roine Stolt seinen Bandkollegen auch einfach nur mal mehr kreativen Freiraum lassen. War Stolt auf den bisherige Alben oft im Alleingang für die Kompositionen verantwortlich, so hat Tomas Bodin diesmal deutlich mehr Anteile und vor allem auch Bassist Jonas Reingold und Schlagzeuger Zoltan Csörzs dürfen sich kompositorisch betätigen. Reingold und Czörzs zeichnen dabei hauptverantwortlich für die extremen Jazzpassagen oder experimentellen Auswüchse. Die beiden sollten für das nächste Mal dann lieber ein ein Soloprojekt ins Auge fassen.

Hätten die Flower Kings aus den besten Songs eine einzige CD gemacht wäre "Unfold the Future" ein exzellentes und begeisterndes Progrockalbum geworden. Dadurch aber, daß die Band auch die Vorliebe für Jazz auslebt, bekommt man eine manchmal etwas seltsame Mischung aus Progrock und improvisierten Jazzklängen geboten, die nicht unbedingt zündet, weil das eine mit dem anderen so rein gar nichts zu tun hat.

Wer sich "Unfold the Future" zulegt, wofür es viele sehr gute Gründe gibt, muß sich auf jeden Fall darauf vorbereiten, daß ein guter Teil der Spielzeit für Musik verwendet wird, die überhaupt nichts mit Progrock zu tun hat. Wer zufällig sowohl Freejazz als auch Progrock liebt, wird vermutlich beides genial finden, alle anderen werden entweder das eine oder das andere deplaziert finden.

Immerhin sind die Progepen allerbestens geraten. Zwar ein wenig routiniert, vor allem wer die Flower Kings schon kennt, wird eine gewisse Selbstähnlichkeit feststellen, auch sind die Anlehnungen an Genesis und Yes recht deutlich, aber es sind einfach großartige Stücke geworden, die schlicht Spaß beim Zuhören machen und verdeutlichen, was man am Genre so liebt.

Neben den beiden erwähnten überlangen Stücken, sind auch "Silent Inferno", bei dem Progrock und ein wenig Jazz zu einer gelungenen Mischung fusionieren und das rockige "Genie in a bottle" sehr gut gelungen - was dann zusammen ca. die Hälfte der Spieldauer des Albums ausmacht.

Die andere Hälfte teilen sich die erwähnten experimentellen Unfälle wie "Christianopel" und die Reihe Jazzlieder auf der zweiten CD, sowie ein paar eingestreute nette ruhigere Lieder und flottere kurze Sachen, die aber nicht wirklich essentiell sind.

So gesehen ist knapp die Hälfte des Albums mit gemischten Gefühlen oder gar nicht anzuhören, andererseits kann man natürlich zurecht darauf hinweisen, daß die andere Hälfte überwiegend Progrock zelebriert. Auf jeden Fall wäre es besser gewesen, wenn die Flower Kings sich auf das wesentliche konzentriert hätten. So aber wird der Gesamteindruck stark verwässert.

Fazit: Progfans werden die gelungenen Passagen lieben. Jazzfans ebenso. Leider besteht zwischen beiden Musikstilen keine echte Schnittmenge. "Unfold the Future" ist trotz allem den Kauf wert und nach "The Rainmaker" eine sehr deutliche Steigerung wieder. Anzumerken ist auch noch, daß Daniel Gildenlöw von Pain of Salvatiotion ein paar Auftritte als Gastsänger auf dem Album hat. Ansonsten teilen sich Roine Stolt und Hasse Fröberg den Gesang, wobei Stolt wie immer etwas verwaschen, aber dennoch angenehm klingt.

11 Punkte (die Progrock-Lieder 13 Punkte)


Adam & Eve
(2004 - Bodin, Bruniusson, Csörzs, Fröberg, Gildenlöw, Reingold, R. Stolt)

Alle Jahre wieder da ist es soweit: Roine Stolt versammelt seine Mannen um sich und zaubert ein weiteres Album aus dem Hut. Roine Stolt ist mittlerweile aus der Progressive Rock Szene nicht mehr wegzudenken. Ob nun Transatlantic, The Tangent, Kaipa oder eben The Flower Kings, kaum ein anderer Musiker tanzt auf so vielen Hochzeiten gleichzeitig, da fragt man sich immer wieder wo der gute Mann nur all die Zeit, Energie und vor allem die Ideen hernimmt.

Das Problem dabei von Roine Stolt und den Flower Kings: manchmal war man von der schieren Fülle an Material förmlich erschlagen. Es wurden voluminöse Doppelalben herausgebracht und es war streckenweise recht anstrengend, sich durch die Musikmasse zu wühlen. Zumal bei den Flower Kings leider zwischen all den guten Liedern immer wieder auch nur Füllmaterial und Langweiler zu hören waren. Trotzdem bin ich aber doch immer wieder auf das nächste Album der Schweden gespannt. Kaum eine andere Band spielt so brillant und mit spürbarer Spielfreude - und kaum eine andere Band kann den klassischen Progrock à la Yes und Genesis derart zelebrieren. Auf dem Vorgängeralbum "Unfold The Future" hatte es allerdings auch etliche Jazzexperimente gegeben. Einigen hatte das gefallen, mir überhaupt nicht. Glücklicherweise hat sich Roine Stolt dafür entschieden, diese Ausflüge ins Jazzgefilde auf die Nebenprojekte seinen Bandkollegen (also Bassist Jonas Reingold und Schlagzeuger Zoltan Csörz) zu beschränken.

Der erste Blick auf die Titelliste macht dann aber sofort stutzig. Da heißt das erste Werk doch schlicht "Love Supreme", das ursprünglich auch als Albumtitel herhalten sollte. Diesmal statt Jazz etwa ein Robbie Williams Cover? Natürlich nicht…

"Love Supreme" entpuppt sich als fröhlich sprudelndes, fast 20minütiges Progwerk, das im gewohnten Flower Kings Gewand daherkommt und den 70er Jahre Ikonen Yes huldigt. Und damit zeigen sich auch schon die Stärken und Schwächen des neuen Albums: die Spielfreude und Virtuosität der Band befinden sich auch diesmal auf höchstem Niveau. Doch leider klingt manches etwas zu routiniert und zu sehr in die Länge gezogen. Das Hauptproblem von "Adam & Eve" für mich ist, daß das Album einfach nicht zündet. Ich höre es mir nun schon über einen Monat immer wieder und wieder an und ich merke jedes Mal, daß ich nach dem recht gelungenen ersten Lied anfange mich zu langweilen.

Es ist doch ziemlich erstaunlich, denn wie schon bei den anderen Flower Kings Alben sind alle Elemente vorhanden, die Progliebhabern glänzende Augen bereiten. Roine Stolts Gitarrenspiel ist exzellent, Tomas Bodin entlockt seinen Keyboards prächtige Klänge und die Rhythmussektion ist immer noch eine der besten im Genre. Doch auf "Adam & Eve" klingen vor allem die Arrangements wie einige Male zu oft schon gehört. Ein weiteres Problem: auch auf "Adam & Eve" versucht Roine Stolt etwas neues. Zwar gibt es diesmal keine Freejazzvariationen der Bandkollegen, dafür aber mit "A Vampire's View" ein Musicalstück, das zwar gekonnt von Daniel Gildenlöw (der schon mal im Musical gesungen hat) im Sprechgesang vorgetragen wird, aber das ist auch das einzig positive am Lied: es zieht sich über fast neun Minuten dahin und strengt mit seiner Effekthascherei an.

Dann gibt es auch mal wieder einen Circus… "Cosmic Circus" sprudelt wie viele andere Lieder diesmal vor sich hin und bleibt dabei belanglos, während das Titellied versucht, Heavy Metal Elemente einzubinden, was mir hier in diesem Zusammenhang einfach nicht gefällt. Es wirkt konfus.

Es ist irgendwie schade, ich habe bei den Flower Kings das Gefühl, daß die Band mal dringend eine kreative Pause braucht. Nach "Stardust We Are" gab es entweder nur Wiederholungen oder Abschweifungen in andere Genres, die nur verwirrten. Vielleicht aber tanzt Roine Stolt einfach auch auf zu vielen Hochzeiten. Irgendwann ist jeder kreative Akku mal aufgebraucht. Ich stelle für mich jedenfalls fest, daß jene Projekte, bei denen Stolt nicht Bandleader ist, in der letzten Zeit weitaus interessanter klingen als seine eigene Hauptband: sowohl The Tangent (ein zweites Album kommt dieses Jahr) als auch Kaipa gefallen mir momentan um einiges besser. Nach all der Kritik jetzt muß ich aber festhalten, daß Flower Kings Fans natürlich auf ihre Kosten kommen, keine Frage. "Adam & Eve" ist ein solides Stück Arbeit. Vor allem "Love Supreme" kann mit seiner fröhlichen Melodie überzeugen, auch wenn es zu sehr in die Länge gezogen wirkt. Man sollte sich über den Verlauf des Albums auch auf einige Ermüdungserscheinungen gefaßt machen.

So bleibt letztlich ein gemischtes Urteil übrig. "Adam & Eve" ist sicherlich spieltechnisch überragend. Ich finde jedoch "Adam & Eve" einfach oft zu überbordend, zu sprudelnd, zu laut und brausend - irgendwie verbreiten die Lieder bei mir Rummelplatzatmosphäre. Manchmal etwas mehr Ruhe, manchmal vielleicht ein schönes, elegisches Gitarrensolo statt der technisch versierten, aber auch irgendwie hektisch wirkenden Dauerbeschallung hätte gut getan. Die britischen Kollegen von IQ haben es dieses Jahr mit "Dark Matter" doch erneut bewiesen, daß es auch anders geht und etwas weniger auch mehr sein kann. Konsequenterweise gefallen mir neben "Love Supreme" die sehr kurzen Lieder "Babylon" und "Days Gone By" mit am besten, beide sind instrumental und gönnen dem Zuhörer eine kleine Atempause.

Was zum endgültigen Schluß dieser Rezension noch einen Wunsch fürs nächste Album bringt: Lieber Hasse Fröberg, bitte versuche nicht mehr dynamischer zu singen als Deine Stimme es zuläßt. Was ist diesmal nur in ihn gefahren? Hasse Fröberg meint an einigen Stellen plötzlich, er müsse mehr schreien als singen und bewegt sich dabei in Höhen, die definitiv nicht für ihn gemacht sind. Das fällt bei einer Reihe Liedern doch recht unangenehm auf und erleichtert das Zuhören nicht unbedingt. Vielleicht sind drei Sänger auch zu viel für eine Band, nachdem Daniel Gildenlöw von Pain Of Salvation hinzugekommen ist und Roine Stolt auch immer wieder noch zum Mikro greift (was er gerne wieder öfter tun sollte, auf Gildenlöw könnte man getrost verzichten). Auf "Adam & Eve" zählt Fröbergs Gesang diesmal zu den großen Schwachpunkten. Freuen wir uns also aufs nächste Album. Hoffentlich gelingt es wieder besser dann.

9 Punkte


Paradox Hotel
(2006 - Bodin, Bruniusson, Fröberg, Liliequist, Reingold, R. Stolt)

Es ist mal wieder soweit: Roine Stolt hat seine personell leicht veränderten Blumenkönige versammelt und ein neues Album aufgenommen. Daniel Gildenlöw und Schlagzeuger Zoltan Czörzs sind jetzt nicht mehr dabei, dafür hat man Marcus Liliequist als neuen Drummer verpflichtet.

Roine Stolt scheint erneut nicht an Ideenmangel gelitten zu haben, denn "Paradox Hotel" ist mal wieder ein Doppelalbum geworden, 136 Minuten Spieldauer verteilen sich auf 19 Lieder. Dabei ist von kurzen Instrumentaleinlagen bis 21-minütige Epen alles vertreten, wenn auch der Großteil der Lieder sich um die sechs Minuten Marke einpendelt.

Was gibt es zum neuen Album der Flower Kings zu sagen? Im Prinzip nichts, was nicht schon vorher gesagt wurde. Die Schweden um Roine Stolt liefern ein solides, ordentliches, ja vom Prinzip her sogar ein über Strecken richtig gutes Album ab. Man schwelgt in vertrauten und bekannten Retroproggefilden und das 21minütige Epos "Monsters and Men" dürfte bei jedem Fan der Flower Kings Freudentränen verursachen, abgehärtete Zeitgenossen werden allerdings allenfalls eine interne Strichliste abhaken, "kenne ich", "ja kenne ich auch", "ok, habe ich damals schon gehört"…

Womit wir auch zum einzigen großen Problem von "Paradox Hotel" kommen. Es gibt einfach nichts neues auf dem Album, sondern nur eine leichte Variation dessen, was man schon unzählige Male von den Flower Kings und erst recht deren Vorbilder gehört hat. Musikalisch orientiert sich "Paradox Hotel" dabei wieder mehr an solchen Klassikern wie "Stardust We Are", die Jazzexperimente der letzten paar Alben sind seit dem Abgang von Zoltan Czörzs endgültig Vergangenheit. Manche mögen den Jazzelementen hinterhertrauern, ich bin allerdings froh, daß man sich wieder mehr auf den Progressive Rock konzentriert.

Und dennoch kann mich "Paradox Hotel" nur bedingt begeistern. Hätte es die unzähligen Vorgängeralben der Flower Kings nicht gegeben, würde das Album eine sehr viel größere Wirkung erzielen, doch bei der Fülle an vorhandenem Material kann sich "Paradox Hotel" keinerzeit irgendwie absetzen. Das mag für all jene gut sein, die ohnehin nichts neues von den Flower Kings erwarten, bzw. die auch die x-te Variante der gleichen Grundidee gut finden, bei allen anderen kann sich leider ein deutlicher Abnutzungseffekt bemerkbar machen, ist doch der Klangkosmos von "Paradox Hotel" praktisch identisch zu allen anderen Flower Kings Alben. So gesehen kommt "Paradox Hotel" zehn Jahre zu spät.

Ein weiteres, kleineres Problem, ist die schiere Fülle an Material. Wer hat die Zeit und Muße, sich durch 136 Minuten Musik zu wühlen? Zwar gibt es viel gutes dabei zu entdecken, doch der ein oder andere Stolperstein ist natürlich auch dabei. Was sich Roine Stolt z.B. bei "Bavarian Skies" gedacht hat, ist mir ein Rätsel, herausgekommen ist ein merkwürdiges Lied über den Holocaust im zweiten Weltkrieg, unterlegt mit Zitaten von Adolf Hitler und stark verzerrtem Gesang von Roine Stolt. Auch plätschert das ein oder andere Lied brav vor sich hin ohne nun wirklich essentiell zu sein.

So bleibt zu sagen, was auch für alle anderen Doppelalben der Flower Kings gilt: ein zusammengestrichenes Album auf einer CD hätte es auch getan, das Endergebnis wäre qualitativ hochwertiger gewesen und so manch unausgegorene Idee wäre dem Zuhörer erspart geblieben. Gruppen wie Yes haben Meisterwerke hervorgebracht, die weniger als 40 Minuten Spieldauer haben. Ich halte ein Album für dann gelungen, wenn man nach dem letzen Lied immer noch Lust auf mehr hat. Anders ist es hingegen wenn man nach einem über zweistündigen Marathon froh ist, es endlich überstanden zu haben. Lieber Roine, weniger ist manchmal wirklich mehr! Von den neunzehn Liedern auf dem Album halte ich vielleicht zehn oder elf für wirklich essentiell. Der Rest plätschert vor sich hin.

Es ist schon verwunderlich, daß die Flower Kings offenbar keine Qualitätskontrolle kennen. Mit einem Produzenten, der Roine Stolts Produktivität in geordnetere Bahnen lenkte, wäre der Band geholfen, so aber wird die Qualitätskontrolle dem Zuhörer überlassen, der sich aus beinahe zwanzig Liedern das heraussuchen darf, was ihm gefällt. So er es denn geschaft hat sich 136 Minuten Musik entsprechend oft anzuhören, bis er sich ein Urteil erlauben kann.

Ein weiteres Problem ist ebenfalls wieder Hasse Fröbergs Gesang. Teilweise ist er ganz gut zu ertragen, doch gleitet er auch auf "Paradox Hotel" ein ums andere Mal in affektiertes, gequetschtes Geschreie ab. Roine Stolts verwaschenes Organ ist erneut um einiges sympathischer.

Nun denn, nach all den Kritikpunkten bleibt zu sagen, daß "Paradox Hotel" in seinen guten Momenten wirklich schöne Musik bietet. Es gibt quirlige Instrumentalstücke, ein überlanges Epos, ein paar kürzere Juwelen, gediegene Gitarrensoli, analoge Tasteninstrumente, eben all das was man von einer Retroprogband erwartet. Schade nur, dass "Paradox Hotel" sich dabei in keiner Weise von den Vorgängern unterscheidet, auch was die eher langweiligen bis überflüssigen Lieder betrifft, die man auf jedem Album der Schweden findet. Flower Kings Fans können aber auf alle Fälle getrost zugreifen, Stolt und Co. bieten ihnen genau das, was sie an der Band mögen. Etwas kritische Zeitgenossen müssen sich genau überlegen, ob sie ein Album kaufen wollen, das nur alten Wein in neuen Schläuchen bietet und ob es dann nicht lohnenswerter ist, einfach nur wieder "Stardust We Are" oder gleich ein Original aus den 70ern zu hören. Wer die Flower Kings tatsächlich noch gar nicht kennt, für den gilt das gleiche wie beim vorherigen Album, "Stardust We Are" ist fürs erste kennen lernen besser geeignet.

10 Punkte

T. Otto für den Musikzirkus
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