Peter Gabriel - Up

 
hmc
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Peter Gabriel - Up

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Gepostet: 02.04.2008 - 14:16 Uhr  ·  #1
Peter Gabriel - Up

Label: Virgin UK (EMI) (2003)

1. Darkness
2. Growing Up
3. Sky Blue
4. No Way Out
5. I Grieve
6. The Drop
7. The Barry Williams Show
8. My Head Sounds Like That
9. More Than This
10. Signal To Noise

Gastschreiber Thomas Otto (Suppersready)

Peter Gabriel ist gewiss nicht als Hochgeschwindigkeitskünstler bekannt. Was natürlich nicht heißt, dass er all die Jahre seit dem letzten Studioalbum untätig herumsaß. Allerdings werden mit einer so enorm langen Wartezeit auf das neue Album auch gewaltige Erwartungen geschürt.

Letztlich bleibt die Frage übrig, ob sich das Warten gelohnt hat.
Um sie auch gleich zu beantworten: es hat sich gelohnt.

Peter Gabriel hat sich nach "So" und "Us" nun auf "Up" (vielleicht dauerte es auch so lange, ein anderes Wort mit zwei Buchstaben zu finden...) mehr der musikalischen Vergangenheit genähert. "Up" klingt erstaunlich nah an seinem dritten und vierten Album. Wer Peter Gabriel hauptsächlich von den letzten beiden Alben kennt, wird diesmal gewaltig überrascht werden.

Fort sind die eingängigen, massentauglichen intelligenten Poplieder. Die Stücke auf "Up" präsentieren sich meist überlang - um die sieben Minuten - und sehr sperrig. Dabei stopft Gabriel in einen Song so viele Gefühle, Stimmungswechsel und Melodien, dass andere Künstler daraus auch gleich ein ganzes Album machen könnten.

Herz der Kompositionen ist wieder der Rhythmus. Daneben werden unzählige Samples, instrumentale Schnipsel und manchmal merkwürdig anmutende Klänge eingesetzt, dass man das Gefühl bekommt, Gabriel hätte seine Lieder wie ein Puzzle aus lauter kleinen bunten Teilen zusammengesetzt. In ähnlicher Form gab es das gleiche Konzept auch beim vierten Album, diesmal aber wird das ganze um einiges perfektioniert und konsequent weiterentwickelt.

Textlich begibt sich Gabriel diesmal in eher dunkle Gefilde. Der Mensch, seine Ängste, sein Tod, der Verlust eines Menschen - all das steht im Mittelpunkt der CD. Vieles wirkt zu Anfang sehr niedergeschlagen, aber es gibt auch optimistische Zwischentöne. Einen Ausblick nach vorne.

Zur Musik - Das Album startet sehr still, man hört ein paar leise perkussive Keyboardklänge, ehe mit voller Wucht (und vor allem voller Lautstärke) das Schlagzeug einsetzt und das Lied "Darkness" über einen hinwegströmt. Vor allem beim Einsatz des Gesangs wird die Nähe zum vierten Album deutlich. In ähnlicher Form agierte Gabriel auch dort. Doch wenn man denkt, man weiß, wie es weitergeht gibt es plötzlich eine liebliche kleine Melodie mit Klavierbegleitung, die als Kontrastprogramm zum Text, der sich mit Ängsten auseinandersetzt, das gefürchtete Monster beschreibt, wie es wie ein Kleinkind zusammengewickelt auf dem Boden liegt...

Mit "Growing Up" folgt ein Lied, das einen sehr tanzbaren Rhythmus hat. Er pumpt aus den Lautsprechern und treibt das Lied vorwärts. Gabriel singt über Geburt und Tod, während Samples, Loops und gewaltig verzerrte Gitarren von Stammgitarrist David Rhodes einen faszinierenden Klangteppich knüpfen.

Die anderen Lieder fügen sich nahtlos in das hier gezeigte Konzept ein. Jedes Lied ein Mikrokosmos für sich, eine Klangwelt, die so komplex ist, dass man immer wieder neues entdecken kann. Dazu dann betrübte Geschichten. "No Way Out" ist ein weiteres Beispiel dafür, es schildert den Verlust eines Menschen, das Aufstemmen dagegen von den Angehörigen. Das immer wieder gesungene "Don't Leave" (was noch der Titel des Liedes auf der Promo-CD war) als Symbol der Auflehnung, die keinen Erfolg haben kann.

Konsequenterweise folgt mit "I Grieve" dann die thematische Fortsetzung und ein anderer Höhepunkt. Sicherlich werden die allermeisten Fans von Gabriel das Lied schon vom exzellenten Soundtrack zum Film "City Of Angels" kennen. Auf "Up" erfährt das Lied eine subtile Umbearbeitung, ein paar geänderte Nuancen hier und da. Das Endresultat ist exzellent gelungen. Die Trauer aber auch ein gewisser Optimismus wird förmlich spürbar.

Kommen wir zur Single "The Barry Williams Show" - musikalisch etwas flotter als die restlichen Stücke und auch thematisch vollkommen anders gelagert zieht das Lied über all die Daily Talkshows à la "Jerry Springer" her und verbreitet seinen bitteren Zynismus mit teilweise sehr heftigen Textzeilen.

An manchen Stellen wird die Single als schlapper Versuch bezeichnet, irgendwie einen Hit auf das ansonsten wohl eher vollkommen radiountaugliche Album zu platzieren. Mir persönlich gefällt das Lied, es hat zwar nicht die intensive Wirkung und die emotionale Tiefe der anderen Stücke, aber das Lied funktioniert und es lockert auch ein wenig die sehr betrübte Stimmung der Stücke zuvor auf.

Gleich danach geht es aber in gewohnter Manier weiter.
Ob nun das introspektive "My Head Sounds Like This", das relativ optimistische "More Than This" oder das mit orientalen Klängen angereicherte (und mit posthum Dazugemischtem Gesang des pakistanischen Sängers Nusrat Fateh Ali Khan) "Signal To Noise" - wer sich diesen Liedern öffnet wird so schnell nicht mehr entlassen. Einzig das sehr kurze und stille "The Drop" hat mir bisher noch nicht so recht gefallen können.

Nun kann man sagen, dass Peter Gabriel sich auf bekannte Wege zurückgezogen hat. Man kann auch behaupten, dass er im Zeitalter der Hithitradios mit den besten Liedern der 70er und 80er und 90er, völlig radiountaugliche Musik geschrieben hat und es abzuwarten bleibt, ob er nach all den Jahren der Abstinenz noch eine entsprechend große Käuferschaft anziehen kann. Es wäre auf jeden Fall zu hoffen. Wäre es doch ein Zeichen, dass auch intelligente Musik erfolgreich sein kann und man nicht nur mit irgendwelchen Ketchup-Songs in der heutigen Zeit Leute erreicht.

Wie auch immer: es wirkt so als hätte Peter Gabriel das beste aus seinem dritten und vierten Album genommen und es ins 21. Jahrhundert transportiert. Fraglich ist, was aus den berichteten insgesamt 130 Liedern geworden ist, an denen Gabriel angeblich gearbeitet hat. Letztlich gibt es auf "Up" dann doch nur acht neue Lieder, eines, "Sky Blue", nimmt sich eines älteren Themas an, und "I Grieve" wurde gar schon vor vier Jahren komplett veröffentlicht.

Vielleicht bewahrheiten sich die Gerüchte und Gabriel wird in relativ kurzem Abstand (zwei Jahre?) ein Album namens "I/O" folgen lassen.

Bis dahin und auch darüber hinaus ist Peter Gabriel mit "Up" ein sehr kontemplatives und wirkungsvolles Album gelungen, das beim ersten Hören wohl völlig bedrückt und eventuell auch etwas seltsam erscheinen mag. Doch was zeichnet ein wirklich gutes Album aus? Es wird von mal zu mal besser bis man sich irgendwann nicht mehr davon trennen mag. "Up" ist ein gelungenes Beispiel dafür

Musik 10
Klang 10+
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dan
God's Monkey
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Re: Peter Gabriel - Up

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Gepostet: 02.04.2008 - 14:30 Uhr  ·  #2
Diese Scheibe ist für mich der "Bruch" vom alten zum neuen P.G. Ich weiß noch, daß ich sie, kurz nach dem Kauf, erst mal wieder verkauft habe! Schon das Anfangsstück verstörte mich doch sehr. Auch bis heute bin ich immer noch der Meinung, daß "Growing Up" eigentlich das eingängigste Stück ist, sind die anderen doch mit Grungeeinflüssen durchsetzt, die eben sehr sperrig sind. ("The Barry Williams Show" ist dann schon zu hitmäßig aufgemacht!)
Wichtiger Aspekt, den man bei dieser Scheibe nicht außer Acht lassen darf, ist allerdings, daß sie für hochwertige Anlagen klangtechnisch ausgelegt ist! Wer jemals "Sky Blue" über eine derartige Anlage gehört hat oder auch die SACD-Ausgabe kennt, weiss was ich meine!
nobbygard
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Re: Peter Gabriel - Up

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Gepostet: 02.04.2008 - 14:39 Uhr  ·  #3
Peter Gabriel war für mich immer ein sehr guter Musiker, dem ich meinen Respekt gezollt habe, aber nie im Leben würde ich zu jedem Konzert rennen, jede CD und DVD kaufen, wie mein Bruder es tut. Das ist eindeutig nicht meine Mucke - einzelne Titel wie Sledgehammer und ein paar andere, deren Namen ich im Moment nicht abrufen kann ja, aber keine Verlockung, Geld auszugeben!

Nobby
Trurl
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Re: Peter Gabriel - Up

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Gepostet: 02.04.2008 - 14:44 Uhr  ·  #4
@dan: für mich war es eher wieder die Rückkehr zum alten Gabriel. Wie Horst sagte, zurück zu Album 2 - 4. Die SACD ist übrigens exzellent.

@Horst: DU hast die auch als Promo-CD?

Trurl

@dan: korrigiert :roll:
dan
God's Monkey
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Re: Peter Gabriel - Up

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Gepostet: 02.04.2008 - 14:49 Uhr  ·  #5
Zitat geschrieben von Trurl
@dan: für war es eher wieder die Rückkehr...


Versteh ich nicht! Kann es sein, daß zwischen für + war ein Wort (mich) fehlt? :) :) :)
hmc
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Re: Peter Gabriel - Up

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Gepostet: 02.04.2008 - 15:24 Uhr  ·  #6
Trurl, leider nein.

Ich möchte Dan' s HiFi Anmerkung noch einmal aufgreifen.

Derartig klarer Sound und oftmals Abgrundtiefer Bass ist überwältigend.
Wer über das passende Equipment verfügt, wir die regelmäßig hören.
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