Eric Dolphy - Out to lunch (BLUE NOTE)

 
firebyrd
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Eric Dolphy - Out to lunch (BLUE NOTE)

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Gepostet: 29.06.2006 - 09:24 Uhr  ·  #1
Eric Dolphy – Out to lunch (1964)

Hier ist einer der wahren Klassiker der “Avantgarde”.

Es ist noch kein Free Jazz in diesem Sinne, es ist aber auch kein Bop mehr, die Richtung, in der Dolphys vorherige Veröffentlichungen am ehesten anzusiedeln waren.

„Out to lunch“ steht irgendwie „dazwischen“.

Dolphy lässt seinen Mitspielern hier volle Freiheit, und er selbst hebt auf Altsaxophon, Flöte und Bassklarinette oft genug ab, und seine Eruptionen bewegen sich immer noch auf den stark rhythmischen Strukturen, die bestens geschaffen werden von Richard Davis am Bass und dem fantastischen Tony Williams am Schlagzeug.

Als Solisten tummeln sich hier sonst noch Freddie Hubbard an der Trompete und Bobby Hutcherson am Vibraphon, der hier wunderbare treibende Dissonanzen setzt und oft einen Gegenpol innerhalb der Musik darstellt.

Dolphy hat seinen ganz eigenen Stil perfektioniert und damals klang niemand sonst wie er. Vor allem sein Spiel auf der Bassklarinette zeichnet von hoher Individualität.

Hetzende, schnelle, von Williams angetriebene Stücke und eine„Ballade“, die eigentlich nicht wie eine Ballade erscheint, hier werden Melodien langsam vorgetragen, ganz flächig, wunderbar anzuhören.
(„Something sweet, something tender“)

Hervorragend auch das von Dolphys Flöte geprägte, im Thema herrlich „schräge“ „Gazzelloni“, wobei Dolphy mit der Flöte über das hinausgeht, was damals allgemeiner Status war. Er lotet das Spektrum voll aus, für einige sicher gnadenloses „Gepiepse“, für andere Ausdruck hoher Individualität als Maßstab hoher Musikalität. Auch hier ist Williams wieder genialer Begleiter und Hutcherson setzt hier „coole“ Akzente mit seinen „vibes“.

Das Titelstück mit 12:06 ist wohl das freieste und setzt Energien aller frei, und immer wieder Hutcherson als vermeintlich störendes Element, ohne das aber die Faszination entfiele.
Vibraphon war ja damals in diesem Umfeld auch ungewöhnlich, man hätte eher ein Piano erwartet.

Aber ich denke, gerade diese Besetzung ist es, die den Charme dieser Platte ausmacht.

Hubbard als „erdiges, am Boden bleibendes“ Element, Williams und Davis das ganze antreibend, manchmal kurz vor dem Ausbruch, der aber nicht kommt, Hutcherson mit seinen nicht immer erwarteten , dissonant erscheinenden Einbrüchen in die harmonische Welt, und dann Dolphy, der mit seinen Gefühlen voll ausbricht – herrlich mitreißend ist das , und mit jedem Hören kommen neue, unentdeckte Eindrücke hinzu. Hier scheinen verschiedene Jazzwelten aufeinander zu treffen, hier ist Spannung pur, hier trifft man immer wieder auf das Unerwartete.

Für mich eine der besten Veröffentlichungen des Jazz.

Alle Titel:


1. Hat and Beard (Dolphy) 8:27
2. Something Sweet, Something Tender (Dolphy) 6:05
3. Gazzelloni (Dolphy) 7:23
4. Out to Lunch (Dolphy) 12:09
5. Straight Up and Down (Dolphy) 8:20
Guestuser
 
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Re: Eric Dolphy - Out to lunch (BLUE NOTE)

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Gepostet: 30.06.2006 - 10:21 Uhr  ·  #2
Auf die Scheibe bin ich bei meinen Recherchen im Jazz-Jungle schon gestossen und da billig (wie übrigens soooo viele sehr gute Jazz-Scheiben) hab ich sie mir mal zugelegt, aber bisher noch nicht angehört (da gibts immer nen Stapel von CDs die noch warten). Durch deine Vorstellung hier nun angeregt worden.

UND BEGEISTERT !!!!!!!!

Wie hat sich die Scheibe denn auf Blue Note verirrt ? Wie du ja sagtest ist das ja eher ein Traditionslabel.

Beschreiben brauch ich die nicht mehr (und könnte ich auch nicht so gut wie Firebyrd) aber unterstreichen kann ich alles was er sagt. Die ragt definitiv raus bei den Sachen die ich bisher so gehört habe.

Empfehlung für mutige Jazz-Hörer.

Schade das Dolphy schon kurz danach verstarb. Übrigens ist die Platte fast genau drei Wochen älter als ich :D

Jerry
hmc
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Re: Eric Dolphy - Out to lunch (BLUE NOTE)

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Gepostet: 28.04.2008 - 09:34 Uhr  ·  #3
Ja, Du hast sicherlich Recht Firebyrd, nur werde ich noch ein Weilchen brauchen, um das alles zu erfassen.

Hier zu meiner Sicht (28.4.08)

viewtopic.php?p=110444#110444
Rainer The Mage
 
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Re: Eric Dolphy - Out to lunch (BLUE NOTE)

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Gepostet: 08.06.2012 - 20:11 Uhr  ·  #4
Gerade die Bop-Einflüsse und Wurzeln machen mir viel Material von ihm sympatisch, super Vorstellung :D
nobbygard
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Re: Eric Dolphy - Out to lunch (BLUE NOTE)

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Gepostet: 09.06.2012 - 10:42 Uhr  ·  #5
Oh, ja, eine wunderbare Scheibe, die ich früher auch als LP hatte. Seit zwei Jahren steht sie hier dank Sonderangebot von 2001 als CD und wird auch ab und zu gespielt!

Absolutes Muss, zum Ausloten der Grenzen, ich habe früher den Sprung in die noch freieren Sphären gewagt und sehr gut überlebt. Allerdings ist diese Grenze heute für mich undurchlässiger geworden. Das Titelstück ist sicher das freieste, aber das mag ich sehr!

Nobby
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