David Bowie - Diamond Dogs | 1974

 
badger
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David Bowie - Diamond Dogs | 1974

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Gepostet: 08.12.2024 - 13:16 Uhr  ·  #1
David Bowie - Diamond Dogs (RCA - May 31, 1974)

"Auf dem Höhepunkt des Erfolges sollte man aufhören" muß David Bowie wohl gedacht haben, als er
nach "Aladin Sane " (= A Lad Insane) seine Spiders From Mars auflöste um schon zum x-ten-mal in ein
neues Alter-Ego zu schlüpfen. Speziell Mick Ronson... obs auch ohne den ging..., war die Frage
(Mick spieltein 1974 seine beiden einzigen -und vorzüglichen- Solo-Lps ein...).
Aber David hatte noch eine ganze Reihe von Ideen auf Lager, die so halbwegs in Spiders-Manier waren;
und es gab genügend Leute, mit denen er das in Szene setzen konnte, bevor er sich in den Thin White
Duke verwandelte. Tony Newman oder Aynsley Dunbar an den Drums... schon das alleine wäre mir eine
dicke Kaufempfehlung.



Stilistisch war das also noch einmal eine volle Breitseite des Gewohnten; qualitativ überzeugender
Hard Rock mit überzeugenden Melodiebögen; prima zum reinen Anhören, besser noch zum
Abrocken auf der Tanzfläche, aber auch mit genügend Atempausen.

Nach einem kurzen gesprochenen Intro gehts direkt zum bestens abgehenden Titelsong und ersten
Höhepunkt von 'young girls, they call them the Diamond Dogs'.
Eine 'bewegungsintensive' Nummer mit fetten Tönen und bester Rhythmusarbeit, so wie auch von den
Spiders gewohnt. .
Vielleicht mit etwas weniger Gitarrensound (von Bowie höchstselbst), als bei Ronson gewohnt, aber
bestens geignet, die alten Fans in Stimung zu bringen.

Beim etwas verhalteneren "Sweet Thing" fügte David ein paar schräge Saxophon-Akkorde hinzu; dennoch
die Art von Klammerblues, die uns erfreuen konnte.
"Candidate" blieb stilistisch genau auf dieser Spur, bevor es nach Sweet Thing II zum wohl bekanntesten
Stück ging: "Rebel Rebel", ein weiterer fetter Abrocker, diesmal sogar mit einem überzeugenden
(Bowie-) Gitarrenintro. Dazu füllten sich die natürlich die Tanzflächen.

Danach wieder 'Tempo raus' und verhaltenes Klavier rein, der nächste Klammerblues, der uns auf der
Tanzfläche hielt: trotz des Titels "Rock'n'Roll With Me': dies hier ist eine getragene, von nachdenklichen
Saxophontönen untermalte Romanze.
Ruhig bleibts auch bei "We Are The Dead"; stilistisch eigentlich eine Weiterführung des vorherigen Stückes
und gleichzeitig Vorbereitung auf "1984".

Dieses "1984", war zuerst als LP-Titel vorgsehen, weil David eine Konzept-LP zu Georg Orwells
gleichnamigem Buch plante... Mir wars lieber, daß er darauf verzichtete und obwohl
wir die von mir nicht geliebte Voll-Orchestrierung hören, entwickelt es sich zu einem weiteren
Höhepunkt, der später auch in Live-Versionen überzeugte.

"Big Brother" stammt als Idee ebenfalls aus der geplanten Orwell-Vertonung. Ein verhaltener und etwas
orchestrierter Rocker, der trotz einiger etwas störender Synthie-Geräusche insgesamt gerade noch das
Ziel erreicht. Für mich das schwächste Stück auf Diamond Dogs.

Zum Schluß mit "Chant Of The Circling Skeletal Family" noch ein etwas experimenteller Rocker, bei dem
man sich zum vielleicht ersten Mal ein paar Mick Ronson-Akkorde hinzuwünscht.

In der Bewertung reicht Diamond Dogs nicht ganz an die Ziggy-Stardust-Klassiker heran, aber trotzdem:
5 - 6 Höhepunkte, daß ist schon eine hervorragende Ausbeute und erklärt, warum sich auch dieses
Werk bei allen Bowie-Freunden auf dem Plattenteller drehte.

Für meine Clique und mich kam damals hinzu, daß wir ganz allmählich das Ende unserer Jugend erreichten
und daß diese Musik uns auf das Zug-um-Zug erfolgende Abschiednehmen vorbereitete (was wir nur
unterbewußt ahnten).
Viele 1974 erschienene LPs hatten ähnliche Wirkung auf uns.

Trotz dieser Ahnung von anstehenden und unerwünschten Umbrüchen... es sind die letzten Ziggy-artigen
Klänge, die dieses Werk für mich wichtig und unter dem Strich auch positiv machen.

01 Future Legend 1:00
02 Diamond Dogs 5:50
03 Sweet Thing 3:29
04 Candidate 2:39
05 Sweet Thing (Reprise) 2:32
06 Rebel Rebel 4:21
07 Rock 'N' Roll With Me 3:54
08 We Are The Dead 4:48
09 1984 (Guitar – Alan Parker) 3:24
10 Big Brother 3:25
11 Chant Of The Ever Circling Skeletal Family 1:48
--- Boni ---
12 Dodo
13 Candidate (Langversion)

Bass – Herbie Flowers
Drums – Aynsley Dunbar, Tony Newman
Guitar, Saxophone, Synthesizer, Mellotron – David Bowie
Keyboards – Mike Garson

PS:
es gehört eigentlich nicht hierher, aber seit ca. Anfang der 90er und bis heute immer noch, gibt es
die Diamond Dogs als schwedische Band.
Nur das sie statt von Bowie eher von den Faces und den mittleren Stones beeinflußt sind und auf
lockerste und lässigste Art einen Ohrwurm nach dem anderen raushauen.
12 Alben randvoll mit Knallern stehen hier.
Tom Cody
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Re: David Bowie - Diamond Dogs | 1974

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Gepostet: 08.12.2024 - 15:36 Uhr  ·  #2
Hurra, hurra, der Dachs ist wieder da und hinterläßt direkt eine beeindruckende Fährte ! :happy: Sehr schön beschrieben und stark in Szene gesetzt.

Allerdings muß ich gestehen, daß mich dieses Werk nicht ganz so berührt. - außer "Rebel Rebel". Der Gitarrenriff hätte auch Mick Ronson gut zu Gesicht gestanden. Die eher ruhigen Töne des Meisters und dann auch noch das Saxophon reißen mich dann nicht so aus dem Sessel. Da ziehe ich die vorherigen Alben mit Ronson an der Gitarre eindeutig vor. Meinen Lieblingssong von David Bowie findest du im übrigen auf der "Space Oddity": "Memory Of A Free Festival".

Jürgen, vielen Dank für diese schöne und informative Rezension ! :-D Wie immer, bin ich deiner Spur sehr gerne gefolgt.
frimp
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Re: David Bowie - Diamond Dogs | 1974

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Gepostet: 09.12.2024 - 10:29 Uhr  ·  #3
Interessante Rezi - Rebel Rebel war lange mein Lieblingslied von Bowie. Das Album an sich hat für mich neben Licht leider auch Schatten. Ich muss mal wieder reinhören glaub‘ ich.
badMoon
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Re: David Bowie - Diamond Dogs | 1974

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Gepostet: 09.12.2024 - 10:45 Uhr  ·  #4
Ich mag mich selber ohne weiteres als Bowie-Freund bezeichnen. Aber dieses Album - sorry, hat mich nie erreicht. Selbst "Rebel Rebel" konnte nicht zünden. Da hat Bowie weit bessere Alben (...aber auch schlechtere) hingelegt.

Naja, zumindest habe ich nach dieser ausführlichen Rezi das Album noch einmal aus dem Regal gezogen und durchgehört. Allerdings nicht ganz ohne Zuhilfenahme der Fernbedienung o) .

Danke für die Erweiterung unserer 50er-Runde ^_^
caramel
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Re: David Bowie - Diamond Dogs | 1974

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Gepostet: 09.12.2024 - 20:37 Uhr  ·  #5
Trotz seiner Genialität - mit David Bowie konnte ich mich nie anfreunden, habe mich auch entsprechend wenig mit ihm befasst. Mit seinem Gesang kam ich nicht unbedingt zurecht, und er war mir mal zu experimentell, mal zu funky, mal zu elektronisch. Extrem wandelbar in seiner Musik (und seiner Person), was ja an sich klasse ist, aber mich eventuell überfordert hat.

Aus deiner Rezi spricht so viel Begeisterung, vielleicht sollte ich doch noch einmal ein Ohr riskieren?
badger
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Re: David Bowie - Diamond Dogs | 1974

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Gepostet: 11.12.2024 - 11:47 Uhr  ·  #6
Danke für die interessanten Kommentare.

Das Bowie etwas polarisiert, hat man schon zur damaligen Schaffenszeit begriffen.
Hab mich selbst gewundert, daß ich diese Ziggy-Transentour akzeptierte;
die mich normalerweise sofort verjagt hätte...

Aber irgendwie wars gut präsentiert und überhaupt deckte Bowie das Selbstverständnis
von langsam Erwachsenwerdenden ab. Er lieferte eben nicht ab, was Doors, Grateful Dead,
Hendrix oder Allman Brothers ablieferten (deren beste Zeit teilweise leider schon vorbei war)
und die wiederum deckten nicht die Bowiesche Gefühlspalette ab...

Nun, wenn mir eine Musik gefällt, dann befasse ich mich INTENSIV damit, da gibts (fast nie)
Oberflächlichkeiten und die Werke, die ich in diesem Jahr vorgestellt habe, gehen fast alle
sehr tief ins Persönliche, haben jede Menge Verbindungen (und heute auch Erinnerungen) an
Leute, Ereignisse und die jeweilige Zeitleiste (das geht bei einigen von Euch bestimmt genau so!).

So gehts natürlich auch mit Diamond Dogs: die längst verschwundenen Gesichter aus der Clique
sind wieder da; die alten Geschichten sind wieder präsent und die Refrains, die unbedingt
gemeinsam gesungen werden mußten ("young girls..., they call them the Diamond Dogs" oder
"Rebel rebel, your face is a mess....").

Mit Bowie's frühen Sachen konnte man nicht viel anfangen, aber ab "Hunky Dory" und bis zum
Ende der Ziggy-Zeit (incl.Diamond Dogs) war er etabliert. Selbst die nachfolgende und oft verrissene
"Young Americans", als aus der Transe der Thin White Duke geworden war, wurde von uns sehr viel
positiver bewertet. (die späteren new-wavigen Sachen hörte ich dann schon mit völlig anderen Leuten).

Nun ja, jedem Tierchen sein Pläsierchen.
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