Am Wochenende schwärmte unser Freund Stefan sehr positiv vom neuen David Gilmour Album. Folglich musste ich gleich reinhören. Dabei ist es nicht geblieben, die Bestellung erfolgte praktisch umgehend.
David Gilmour hat hier nach neunjähriger Pause ein durchweg sehr gutes Album mit tiefenentspannter und unaufgeregter Musik vorgelegt. Sicherlich ein Album in typischer Gilmour-Manier, was natürlich auch dem einzigartigen Gitarrenspiel geschuldet ist, welches nun mal einen hohen Wiederkennungswert hat. Auch seine tiefe, warme Stimme erkennt man wieder, auch wenn sie gealtert ist und ein ums andere Mal leicht brüchig klingt.
Die Texte, die zum Teil wieder von Gilmours Ehefrau Polly Samson geschrieben wurden, befassen sich mit Fragen des Lebens, mit dem Älterwerden und mit den Sorgen um die Zukunft.
Überhaupt war hier Familienarbeit angesagt. Neben Samson spielt Tochter Romany eine entscheidende Rolle und trägt mit Ihrer wunderschönen Stimme und ihrem Harfenspiel zum Gelingen bei. Zwei seiner Söhne sind als Background-Sänger bzw. Co-Texter im Einsatz.
DAVID GILMOUR - Luck and Strange - 2024
Der kurze instrumentale Eröffnungstrack Black Cat beginnt mit ganz leisen, sphärischen, sprich floydschen Tönen. David Gilmours Gitarre schwebt über dem Song, einzelne Farbkleckse werden vom Piano zugefügt. Bevor man sich versieht, ist das Lied zu Ende. Man kann ihn sehr wohl als Einleitung und als Hinweis darauf verstehen, was den Hörer erwartet.
Nahtlos geht es über in den stimmungsvollen, bluesig angehauchten Titelsong Luck And Strange. Dieser beginnt relaxt, steigert sich aber schnell. Er hat etwas vom ehemaligen Pink Floyd-Bombast der Zeit nach Roger Waters. Die Aufnahmen und das Video zum Song verwenden Aufnahmen mit dem verstorbenen Pink Floyd-Keyboarder Richard Wright, die 2007 bei einer Jam-Session aufgenommen wurden. Wunderbar, dieses Zusammenspiel von Keyboard und Gitarre.
Als erste Single wurde The Piper's Call veröffentlicht. "A Pipers Call" ist ein englisches Sprichwort, übersetzt "Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch was gespielt wird". Der Song beginnt verhalten, mit Meeresrauschen und Ukulelenklängen und plätschert so dahin. Das Schlagzeug, hier wie auch auf einigen anderen Stücken übrigens von Steve Gadd bedient, gibt einen eindeutigen Rhythmus vor. Hin und wieder erklingt eine Lapsteel Gitarre, über allem schwebt Gilmours Stimme. Spätestens nach 3 Minuten aber, wenn mehrstimmiger Gesang einsetzt, schwillt das Ganze an, wird die Musik lauter und eindringlicher. Der Song erreicht mit einem Gitarrensolo seinen Höhepunkt, um dann abrupt zu enden. Ein Kracher.
A Single Spark, ein einzelner Funke, der bei mir nicht komplett überspringen will. Die streicherlastige Untermalung und der Chorgesang im Hintergrund sind mir etwas zu viel. Ich mag den Song erst, wenn der Gesang vorüber und die Gitarre gefühlvoll und ausdruckstark zu „singen“ anfängt. Gerade dieser Gitarrenpart mag in manchen Ohren vielleicht kitschig klingen.
Vita Brevis, Das Leben ist kurz, und dieses Lied auch. Gerade einmal 46 Sekunden begleitet das Harfenspiel der Tochter den Vater an der Slide-Gitarre. Eine wundervolle elegische Melodie, die gerne etwas länger hätte dauern können.
Mit Between Two Points, der zweiten Singleauskopplung, folgt ein verträumter Song, der im Original 1999 von der IndiPop-Band "The Montgolfier Brothers" gesungen wurde. Ich kannte diese Band nicht, ebenso wenig den Song. Auch das Original hat was. Gilmour hat den Song um 2 Minuten gekürzt und fügt am Ende ein Gitarrensolo ein. Seine Tochter Romany glänzt mit ihrem sanften Gesang und steuert das Harfenspiel bei.
Dark And Velvet Nights ist ein rockiges Stück und die dritte Singleauskopplung. Verzerrte Gitarren eröffnen das Stück, bevor die übrigen Instrumente sich einmischen, um schnell in einen stampfenden, abgehackten Rhythmus zu wechseln. Kurze Assoziationen mit Another Brick In The Wall, Part Two, stellen sich immer wieder ein.
Sings ist eine verträumte Ballade, die ganz von Gilmours Stimme lebt. Warm und gemütlich, das sind die Adjektive, die er selbst im Zusammenhang mit dem Lied nennt.
Mit Scattered folgt für mich das Highlight des Albums. Dies ist vielleicht der floydigste Song, und das nicht nur wegen der kurzen aber deutlichen Reminiszenzen an Echoes, für die Brian Enos jüngerer Bruder Roger Eno verantwortlich zeichnet. Auch dieser Song baut sich langsam auf, beginnt leise mit dem Klang eines pochenden Herzschlags und ruhigem Gesang. Kurz erfolgt ein orchestrales Zwischenspiel mit Piano, bevor eine akustische Gitarre wunderschön zum Einsatz kommt. Diese ganzen ersten 5 Minuten arbeiten auf ein grandioses, gilmourtypisches Gitarrensolo hin.
"I stand in a river
Push against the stream
Time is a tide that disobeys
And it disobeys me
It never ends"
Ich stehe in einem Fluss
Kämpfe gegen den Strom an
Zeit ist eine Flut, die nicht gehorcht
Und sie gehorcht mir nicht
Sie hört nie auf
Mit diesen Worten hört auch der Song auf - leider.
Die CD bietet nun noch 2 Bonus-Tracks, wovon mir der erste - bis auf das Ende - besonders gut gefällt.
Yes, I Have Ghosts, mit der Stimmung dieses Songs lässt Gilmour Leonard Cohen wieder auferstehen. Yes, I Have Ghosts hat etwas von Cohens Melancholie und Düsternis. Der Titel ist bereits 4 Jahre alt und wurde damals als Single veröffentlicht. Es ist ein langsames, auf das Wesentliche reduziertes Akustikstück. Gilmours verhaltener und erzählender Gesang, der nach Gilmour klingt aber auch nach Cohen in seinen mittleren Jahren, wird unterstützt, ja umrahmt von der Stimme seiner Tochter. Diese zupft auch wieder wunderbar die Harfe, dazu ertönen eine Geige und Gilmours Akustikgitarre. Leider wird der Song ausgeblendet. Für meinem Geschmack fehlt ein schöner Abschluss.
Bei der letzten Zugabe handelt es sich um eine 14minütige Version des Titeltracks Luck And Strange. David Gilmour, Richard Wright, Guy Pratt und Steve DiStanislao kamen 2007 in Gilmours Scheune zu einer Jamsession zusammen. Beim ersten Hören packte es mich nicht unbedingt. Aber man muss diesem Stück wohl etwas Zeit geben. Nach mehrmaligen Hören packte mich der schleppende und schlurfende Rhythmus.
Das Album wurde am 6.09.2024 veröffentlicht, schaffte es auf Anhieb in diverse Charts und erreichte hohe Verkaufszahlen. Das mag - wie bei Bücher-Bestseller-Listen - kein Beweis für Klasse sein. Ich finde: In diesem Fall schon. David Gilmour hat ein wunderbares Alterswerk abgeliefert, und da darf ruhig noch mehr kommen.
Songs:
Black Cat - 1:32
Luck and Strange- 6:56
The Piper’s Call - 5:15
A Single Spark - 6:04
Vita Brevis - 0:46
Between Two Points - 5:46
Dark and Velvet Nights - 4:44
Sings - 5:14
Scattered - 7:33
Bonus-Tracks:
Yes, I Have Ghosts - 3:50
Luck and Strange (Original Barn Jam) - 13:59
Besetzung:
Vocals - David Gilmour, Romany Gilmour
Electric Guitars - David Gilmour
Bass Guitar - Guy Pratt, Tom Herbert, David Gilmour
Keyboards - Richard Wright, Rob Gentry
Piano - Roger Eno
Drums - Steve Gadd, Steve DiStanislao, Adam Betts
Harp - Romany Gilmour
Akkordeon - David Gilmour
Backing Vocals - Romany Gilmour, Gabriel Gilmour,
Dirigent, Orchestration - Will Gardner
Chor und Orchester
David Gilmour hat hier nach neunjähriger Pause ein durchweg sehr gutes Album mit tiefenentspannter und unaufgeregter Musik vorgelegt. Sicherlich ein Album in typischer Gilmour-Manier, was natürlich auch dem einzigartigen Gitarrenspiel geschuldet ist, welches nun mal einen hohen Wiederkennungswert hat. Auch seine tiefe, warme Stimme erkennt man wieder, auch wenn sie gealtert ist und ein ums andere Mal leicht brüchig klingt.
Die Texte, die zum Teil wieder von Gilmours Ehefrau Polly Samson geschrieben wurden, befassen sich mit Fragen des Lebens, mit dem Älterwerden und mit den Sorgen um die Zukunft.
Überhaupt war hier Familienarbeit angesagt. Neben Samson spielt Tochter Romany eine entscheidende Rolle und trägt mit Ihrer wunderschönen Stimme und ihrem Harfenspiel zum Gelingen bei. Zwei seiner Söhne sind als Background-Sänger bzw. Co-Texter im Einsatz.
DAVID GILMOUR - Luck and Strange - 2024
Der kurze instrumentale Eröffnungstrack Black Cat beginnt mit ganz leisen, sphärischen, sprich floydschen Tönen. David Gilmours Gitarre schwebt über dem Song, einzelne Farbkleckse werden vom Piano zugefügt. Bevor man sich versieht, ist das Lied zu Ende. Man kann ihn sehr wohl als Einleitung und als Hinweis darauf verstehen, was den Hörer erwartet.
Nahtlos geht es über in den stimmungsvollen, bluesig angehauchten Titelsong Luck And Strange. Dieser beginnt relaxt, steigert sich aber schnell. Er hat etwas vom ehemaligen Pink Floyd-Bombast der Zeit nach Roger Waters. Die Aufnahmen und das Video zum Song verwenden Aufnahmen mit dem verstorbenen Pink Floyd-Keyboarder Richard Wright, die 2007 bei einer Jam-Session aufgenommen wurden. Wunderbar, dieses Zusammenspiel von Keyboard und Gitarre.
Als erste Single wurde The Piper's Call veröffentlicht. "A Pipers Call" ist ein englisches Sprichwort, übersetzt "Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch was gespielt wird". Der Song beginnt verhalten, mit Meeresrauschen und Ukulelenklängen und plätschert so dahin. Das Schlagzeug, hier wie auch auf einigen anderen Stücken übrigens von Steve Gadd bedient, gibt einen eindeutigen Rhythmus vor. Hin und wieder erklingt eine Lapsteel Gitarre, über allem schwebt Gilmours Stimme. Spätestens nach 3 Minuten aber, wenn mehrstimmiger Gesang einsetzt, schwillt das Ganze an, wird die Musik lauter und eindringlicher. Der Song erreicht mit einem Gitarrensolo seinen Höhepunkt, um dann abrupt zu enden. Ein Kracher.
A Single Spark, ein einzelner Funke, der bei mir nicht komplett überspringen will. Die streicherlastige Untermalung und der Chorgesang im Hintergrund sind mir etwas zu viel. Ich mag den Song erst, wenn der Gesang vorüber und die Gitarre gefühlvoll und ausdruckstark zu „singen“ anfängt. Gerade dieser Gitarrenpart mag in manchen Ohren vielleicht kitschig klingen.
Vita Brevis, Das Leben ist kurz, und dieses Lied auch. Gerade einmal 46 Sekunden begleitet das Harfenspiel der Tochter den Vater an der Slide-Gitarre. Eine wundervolle elegische Melodie, die gerne etwas länger hätte dauern können.
Mit Between Two Points, der zweiten Singleauskopplung, folgt ein verträumter Song, der im Original 1999 von der IndiPop-Band "The Montgolfier Brothers" gesungen wurde. Ich kannte diese Band nicht, ebenso wenig den Song. Auch das Original hat was. Gilmour hat den Song um 2 Minuten gekürzt und fügt am Ende ein Gitarrensolo ein. Seine Tochter Romany glänzt mit ihrem sanften Gesang und steuert das Harfenspiel bei.
Dark And Velvet Nights ist ein rockiges Stück und die dritte Singleauskopplung. Verzerrte Gitarren eröffnen das Stück, bevor die übrigen Instrumente sich einmischen, um schnell in einen stampfenden, abgehackten Rhythmus zu wechseln. Kurze Assoziationen mit Another Brick In The Wall, Part Two, stellen sich immer wieder ein.
Sings ist eine verträumte Ballade, die ganz von Gilmours Stimme lebt. Warm und gemütlich, das sind die Adjektive, die er selbst im Zusammenhang mit dem Lied nennt.
Mit Scattered folgt für mich das Highlight des Albums. Dies ist vielleicht der floydigste Song, und das nicht nur wegen der kurzen aber deutlichen Reminiszenzen an Echoes, für die Brian Enos jüngerer Bruder Roger Eno verantwortlich zeichnet. Auch dieser Song baut sich langsam auf, beginnt leise mit dem Klang eines pochenden Herzschlags und ruhigem Gesang. Kurz erfolgt ein orchestrales Zwischenspiel mit Piano, bevor eine akustische Gitarre wunderschön zum Einsatz kommt. Diese ganzen ersten 5 Minuten arbeiten auf ein grandioses, gilmourtypisches Gitarrensolo hin.
"I stand in a river
Push against the stream
Time is a tide that disobeys
And it disobeys me
It never ends"
Ich stehe in einem Fluss
Kämpfe gegen den Strom an
Zeit ist eine Flut, die nicht gehorcht
Und sie gehorcht mir nicht
Sie hört nie auf
Mit diesen Worten hört auch der Song auf - leider.
Die CD bietet nun noch 2 Bonus-Tracks, wovon mir der erste - bis auf das Ende - besonders gut gefällt.
Yes, I Have Ghosts, mit der Stimmung dieses Songs lässt Gilmour Leonard Cohen wieder auferstehen. Yes, I Have Ghosts hat etwas von Cohens Melancholie und Düsternis. Der Titel ist bereits 4 Jahre alt und wurde damals als Single veröffentlicht. Es ist ein langsames, auf das Wesentliche reduziertes Akustikstück. Gilmours verhaltener und erzählender Gesang, der nach Gilmour klingt aber auch nach Cohen in seinen mittleren Jahren, wird unterstützt, ja umrahmt von der Stimme seiner Tochter. Diese zupft auch wieder wunderbar die Harfe, dazu ertönen eine Geige und Gilmours Akustikgitarre. Leider wird der Song ausgeblendet. Für meinem Geschmack fehlt ein schöner Abschluss.
Bei der letzten Zugabe handelt es sich um eine 14minütige Version des Titeltracks Luck And Strange. David Gilmour, Richard Wright, Guy Pratt und Steve DiStanislao kamen 2007 in Gilmours Scheune zu einer Jamsession zusammen. Beim ersten Hören packte es mich nicht unbedingt. Aber man muss diesem Stück wohl etwas Zeit geben. Nach mehrmaligen Hören packte mich der schleppende und schlurfende Rhythmus.
Das Album wurde am 6.09.2024 veröffentlicht, schaffte es auf Anhieb in diverse Charts und erreichte hohe Verkaufszahlen. Das mag - wie bei Bücher-Bestseller-Listen - kein Beweis für Klasse sein. Ich finde: In diesem Fall schon. David Gilmour hat ein wunderbares Alterswerk abgeliefert, und da darf ruhig noch mehr kommen.
Songs:
Black Cat - 1:32
Luck and Strange- 6:56
The Piper’s Call - 5:15
A Single Spark - 6:04
Vita Brevis - 0:46
Between Two Points - 5:46
Dark and Velvet Nights - 4:44
Sings - 5:14
Scattered - 7:33
Bonus-Tracks:
Yes, I Have Ghosts - 3:50
Luck and Strange (Original Barn Jam) - 13:59
Besetzung:
Vocals - David Gilmour, Romany Gilmour
Electric Guitars - David Gilmour
Bass Guitar - Guy Pratt, Tom Herbert, David Gilmour
Keyboards - Richard Wright, Rob Gentry
Piano - Roger Eno
Drums - Steve Gadd, Steve DiStanislao, Adam Betts
Harp - Romany Gilmour
Akkordeon - David Gilmour
Backing Vocals - Romany Gilmour, Gabriel Gilmour,
Dirigent, Orchestration - Will Gardner
Chor und Orchester