Eine medizinische Halluzination als Albumtitel („Phantom Vibrations“ bedeutet, dass man meint, das Handy summt, sich diese jedoch nur einbildet), das ist doch etwas kryptisch und macht gleich einmal neugierig. Und wer neugierig ist und nicht nur auf ausgetretenen Pfaden wandert, vorgefertigte Schubladen verschmäht und die Augen rollt, wenn musikalische Querverweise („klingt wie…“) prasseln, der ist hier genau richtig und wird reich belohnt.
KASKADEUR aus dem Raum Berlin/Potsdam, die schon in ihrem früheren Leben als STONEHENGE beim Rezensenten für nachhaltige Begeisterung gesorgt haben, entziehen sich jeglicher Kategorisierung und bauen ihre ganz eigene Nische. Während bei STONEHENGE noch die “reine Lehre” des Psychedelic Rock mit ausschweifenden Songs im Retrogewand, die allenfalls ein paar Doomeinschübe verpasst bekommen hatten, regierten, vereinen sich hier Prog, Rock, Space, Kraut, Pop und härtere Klänge zu einer ganz eigenen und erfrischenden Art von Fusion.
Das klingt vielleicht erstmal etwas wild, kommt aber dermaßen schlüssig und stimmig aus den Boxen, dass man das Teil immer und immer wieder hören muss, ohne sich dabei zu übersättigen – im Gegenteil: es gibt immer neues zu entdecken und man fühlt sich nach jedem Durchlauf neu belebt.
Auf wundersame Weise verspielt und doch kompakt, den jeweiligen Song nie aus den Augen verlierend, eingängig und komplex zugleich, ständig Haken schlagend und dennoch songorientiert kommt die Musik von KASKADEUR um die Ecke.
So gibt es eingängig treibendes Ohrenfutter (All Comes From Nothing), Math Rock (Bubble Burst), Alternative (An Opportunity Gone By) sowie ein abschließendes, schon leicht jazzrockiges Instrumental (Moving Particles).
Gewissermaßen der Quadratur des Kreises auf der Spur, kommt „Phantom Vibrations“ dabei der perfekten, frischen, zeitgemäßen Rockscheibe mit Herz, Hirn und Tiefe, Druck, Groove und Melodik verdammt nahe. Virtuos und doch lässig, relaxt, dann wieder zupackend, intelligent arrangiert und mit der passenden Wärme und Saftigkeit von Conny Plank-Eleve Ingo Kraus klanglich kongenial umgesetzt ist „Phantom Vibrations“ schon jetzt ein Highlight der Veröffentlichungen 2023.
Video Generation Absolution: https://www.youtube.com/watch?v=odMQ8t7v6ZA
Video The Truth, The Curse, The Lie: https://www.youtube.com/watch?v=J8a6rGfhV9Q
Audio-Video: Bubble Burst: https://www.youtube.com/watch?v=2UEMFRm6vE8
Audio-Video: Join The Cult: https://www.youtube.com/watch?v=LH4liyOnu6A
Audio Video All Comes From Nothing: https://www.youtube.com/watch?v=EbCmmx4siI0
Audio Video Moving Particles: https://www.youtube.com/watch?v=OvlAJqAmilg
Kaskadeur
Phantom Vibrations, Noisolution, 2023
Enrico Semler Vocals & Guitar
Johannes Walenta Keyboards
Michael Paukner Bass
Ole Fischer Drums
Spieldauer:38:07 Minuten
01. Bubble Burst
02. All Comes From Nothing
03. The Truth, The Curse, The Lie
04. Join The Cult
05. Generation Absolution
06. The Post-High Jitters
07. An Opportunity Gone By
08. Moving Particles