Bill Bruford’s Earthwork’s - Live At The Schauburg Bremen 1987

Jedenfalls halte ich diese, 1987 agierende Formation, noch für die kraftvollste der Jahre.

 
firebyrd
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Bill Bruford’s Earthwork’s - Live At The Schauburg Bremen 1987

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Gepostet: 12.02.2023 - 19:58 Uhr  ·  #1
Bill Bruford’s Earthwork’s - Live At The Schauburg Bremen 1987


Den britischen Schlagzeuger Bill Bruford dürften viele Musikliebhaber*innen kennen, sei es als Mitstreiter in solchen Prog Rock-Bands wie Yes, King Crimson oder U.K., oder auch in anderen Projekten mit Musikern verschiedener Genres. Unter dem Namen Bruford entstanden ebenfalls einige sehr gute Rock-Jazz-Alben, bis er dann 1986 die Band Earthworks gründete. Diese Jazz-Fusion-Formation veröffentlichte 1987 das erste Album und in dieser Besetzung tourte man dann auch.

So führte diese Tournee unter anderem nach Bremen, wo am 25.November 1987 'Live At The Schauburg' die Musik für diese Platte von Radio Bremen mitgeschnitten wurde. Mit an Bord waren zu jener Zeit namhafte britische Musiker wie der Saxofonist Iain Ballamy, der bereits mit namhaften Jazzern zusammenarbeitete, wie John Taylor, John Stevens, Gil Evans, George Coleman, McCoy Tyner oder Mike Gibbs. Ferner Django Bates, den einige vielleicht noch zusammen mit Dudu Pukwana, George Russell oder George Gruntz kennen, sowie der Bassist Mick Hutton, der mit Harry Beckett, Peter Erskine, John Scofield und anderen spielte.

Insofern waren die Earthworks mit einflussreichen Musikern am Start, was sich letztlich auch im Sound bemerkbar machte, gerade die verschiedenen Einflüsse der einzelnen Musiker, die hier zur Gesamtgestaltung beitrugen. Darüber hinaus war interessant, dass eigentlich Bruford selbst nicht aus dem Jazz-Umfeld stammte.

So, wenden wir uns nun wieder dem Novemberabend im Schauburg-Theater zu. Geboten wurde ein Konzert mit einer stilistisch vielfältigen Ausrichtung, von Rock über Jazz hin zu Einflüssen aus verschiedenen Ecken der Welt, sei es Afrika, Lateinamerika oder auch arabisch klingende Passagen wird man bemerken. Dem zupass kam natürlich das besondere Spiel von Bruford, der nicht nur (als Rocker) kraftvoll zu Werke ging, sondern durchaus auch vermochte, zartere Töne anzuschlagen oder sich auch im Umfeld von Polyrhythmen wohl fühlte.

Bis auf zwei Tracks, "Ikebana" und "Dancing On Frith Street", beides Kompositionen von Django Bates, stammen alle übrigen Titel vom Debütalbum der Band. Im Booklet befinden sich gar Abbildungen handgeschriebener Notizen zum Konzertablauf. So ist zum Eröffnungstitel zu lesen, dass Bates zunächst solo ein 'Horn' spielt. Dieses klingt etwas wie eine Posaune. Mitten im Song platzt plötzlich und unverhofft mit roher Gewalt Bruford mit einem gewaltigen Tusch hinein, bis dann Ballamy, auch solo wie Bates, diesen mit dem Saxofon zu Ende bringt. Nur, um dann mit einem Tusch aller Musiker zum zweiten Track nahtlos überzuleiten. Und das Thema klingt nun wahrlich orientalisch, wie aus einem Film über ein Märchen aus 1001 Nacht. Dabei fällt mir dann stark auf, dass mich das Saxofon-Spiel von Ballamy stark an jenes der britischen Kollegin Barbara Thompson erinnert, so wie der ganze Song, "Bridge Of Inhibition", ohnehin an deren Band Paraphernalia.

Ja, der britische Anstrich dieser Fusion, dieses Rock Jazz, ist unverkennbar, und so geht es auch laufend weiter im Konzert. Alle Lieder strahlen hierbei eine großartige Frische und Lebendigkeit aus, die Band agiert mit herrlich anzuhörender Leidenschaft. Dabei spielen die Vier wunderbar dicht zusammen und erzeugen eine mitreißende Stimmung ohnegleichen. Was mich persönlich ein wenig stört, ist bisweilen der elektronische Keyboardsound, es quietscht teilweise ein wenig zähfließend, was letztlich aber auch wohl ein Zeichen jener Tage war. Ein fließendes E-Piano hätte vielleicht ein wenig besser integriert werden können, oder mehr druckvolle Klänge wie aus den Anfangstagen der Fusion-Bewegung zu Beginn der Siebziger.

"Pressure" – ein wahrlich perfekt umgesetzter Titel – wird hier doch gleich von Beginn an (zunächst) ordentlich Druck produziert, der dann über die Länge von knapp elfeinhalb Minuten auch variiert. Das heißt, zwischendurch gibt es eine längere, lyrische Passage, bei dem sich dann Bates auch besser passend, mit dem Piano in Szene setzt. Und dann wendet man sich auch noch swingendem Jazz zu. Bruford zeigt auch hier, dass man ihn nicht in die Prog Rock-Ecke stecken sollte. Der Mann swingt vehement und ausdrucksstark, integriert dabei ständig seine persönlich geprägte Ausdrucksweise und vermag sein Spiel mit allerlei Zutaten auszufüllen.

Wie man angesichts des Songtitels auch vermuten könnte, so erfüllt "Ikebana" genau das. Bates und Ballamy zaubern ein nach Japan klingendes Stimmungsbild, ich fand diesen Titel auf einer Platte aus 1986, die Bates gemeinsam mit Steve Argüelles aufgenommen hatte. Die Ballade des Abends wird mit einem sehr schönen und romantischen Ausdruck geliefert, "It Needn’t End It Tears", ja, 'es muss nicht in Tränen enden', obwohl es sehr berührende Momente in dem Stück gibt. Allerdings ist es hier auch wieder der etwas störend wirkende Keyboard-Sound, der dem Song ein wenig die Schönheit raubt.

"My Heart Declares A Holiday" trägt auch Züge von Prog Rock in sich, dabei mit jazzigen Elementen recht aufregend und hochinteressant in Szene gesetzt. Und mit sattem Drumsound verabschiedet man sich vom Bremer Publikum und von mir mit "Thud", ein wenig verwirrend wirkend und recht wild in der Ausführung.
Ein wuchtiger Abschluss eines Konzerts einer Band, die sicher zu einer der wohl innovativsten der Szene zählte, bis man sich im Jahre 2009 – nach einigen Besetzungswechseln in den Jahren zuvor – endgültig verabschiedete. Jedenfalls halte ich diese, 1987 agierende Formation, noch für die kraftvollste der Jahre.


Bill Bruford (drums, percussion)
Iain Ballamy (saxophone)
Django Bates (keyboards, horn, trumpet)
Mick Hutton (bass)

1 The Shepherd Is Eternal (5:05)
2 Bridge Of Inhibition (7:39)
3 Making A Song And Dance (7:40)
4 Pressure (11:26)
5 Up North (5:34)
6 Ikebana (6:44)
7 It Needn’t End In Tears (7:31)
8 Dancing On Frith Street (6:23)
9 My Heart Declares A Holiday (10:06)
10 Thud (5:51)

Floyd Pink
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Re: Bill Bruford’s Earthwork’s - Live At The Schauburg Bremen 1987

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Gepostet: 12.02.2023 - 22:12 Uhr  ·  #2
Das war auch meine Lieblingsformation von Earthworks, habe sie ein paar Mal live gesehen. Kreativ, vielseitig, dazu Bruford noch mit britischem Humor unterwegs, Bates klang ein bisschen wie der junge Keith Jarrett und Ballamy und Hutton waren auch top.
Danke für die gute, erinnernde Rezension!
kraut-brain
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Re: Bill Bruford’s Earthwork’s - Live At The Schauburg Bremen 1987

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Gepostet: 12.02.2023 - 23:52 Uhr  ·  #3
Die Band Bill Bruford's Earthwork's kannte ich zuvor weder vom Namen her, noch von ihren Einspielungen. Aber deine voller Blumigkeit beschriebene Rezi hat mich geradezu neugierig gemacht. Blumigkeit ist hier in keiner Weise ein negativer Ansatz, sondern vielmehr ein Ausdruck positiver Leidenschaft, wie du dieses Livekonzert beschrieben hast.

Und diesen Umstand belegen auch die Songbeispiele bei Youtube. Ich bin ein wenig berauscht von dieser Art von Musik, aber das Stück "Pressure" hat mich fast um den Verstand gebracht. Mein Gott, was geht denn da ab ...

Obwohl ich mir keine Tonträger mehr kaufen wollte, aber du scheinst ein ewiger Verführer zu sein.

Wolfgang, danke für deine Rezi.
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