Joni Mitchell - Blue (1971)

 
YETI
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Joni Mitchell - Blue (1971)

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Gepostet: 15.04.2022 - 22:01 Uhr  ·  #1
Es gibt Alben, die müssen eigentlich nicht mehr vorgestellt werden aber die Begeisterung hält mich einfach nicht davon ab immer wieder davon zu sprechen/schreiben.
BLUE von Joni Mitchell ist ein solches Album.
Seit der Veröffentlichung im Jahr 1971 existiert das Album unabhängig von Zeit und Raum.
So ein Album, das sich anfühlt, als wäre es schon immer da gewesen und von dem man sicher ist, dass es immer da sein wird.
Und jetzt, ein halbes Jahrhundert nach seiner ursprünglichen Veröffentlichung, klingt es, als wäre es gestern aufgenommen worden.

Viele nennen BLUE ein extrem persönliches Album.
Sich mit Jonis Liedern zu beschäftigen die von Depressionen und anderen drastischen Lebensereignissen handeln, kann sehr ergreifend sein.
Wenn es eine Sache gibt, die die Mythenbildung rund um dieses Album charakterisiert, dann ist es die Diskussion darüber, an wen die Songs adressiert sind.
Graham Nash? James Taylor? Leonard Cohen sogar?
Das ist eigentlich die falsche Diskussion, es spielt überhaupt keine Rolle.
Denn was Mitchell auf BLUE großartig macht, ist Gefühle aufzunehmen, sie zu kanalisieren und sie durch diese großartigen Songs der Welt zu schenken.
Songs für die die Autorin auf erschreckend offene und ehrliche Weise auf persönliche Erfahrungen zurückgegriffen hat, die das Hören von BLUE zu einer sehr persönlichen Erfahrung für den Zuhörer macht.



Nehmen wir zum Beispiel den Titeltrack, der einen an der Kehle packt und der Klavierpart Hackfleisch aus deiner Seele macht.
Fast jeder Satz kann auf vielfältige Weise erklärt werden.
Singt sie es einer Person namens Blue vor? Oder singt sie hier über einen Geisteszustand? Es kann auch nur ein Stift sein, mit dem sie schreibt:
"Acid, booze, and ass, needles, guns, and grass",bei dem es darum gehen kann, dass jemand abrutscht, oder ganz allgemein um das Ende des Hippie-Traums?
Die Stärke des Songs und das ist beispielhaft für das gesamte Album ist, dass er durch die verschiedenen Interpretationen, mit dem Leben des Hörers wächst.
In deinen dunkelsten Momenten fühlt sich BLUE an wie eine Depression.
In Momenten einer schwierigen Lebensphase ist BLUE da, um diese Gefühle zu kanalisieren, was auch für die Mehrheit der anderen Songs gilt.
Zum Beispiel ist "A Case Of You" ein wunderschönes Liebeslied, aber auch ein Spiegelbild der bitteren Erkenntnis, dass manche Menschen nicht gut für dich sind, obwohl du nicht ohne sie auskommst.
Little Green, geschrieben über ihre Tochter, die zur Adoption freigegeben wurde, packt dich auch ohne dieses Wissen an der Kehle.

Komplexität und Dualität stecken in allen Songs von daher kann BLUE als musikalisches Kunstwerk bezeichnet werden, dass die Probleme der Menschen einfängt.
Auf hohe und hoffnungsvolle Erwartungen an das Leben folgen im Opener "All I Want" der Schmerz, den Menschen einander antun können(So you too, then we both get so blue)
Es ist so nachvollziehbar, dass das Hören von BLUE sich anfühlt, als würde Joni dir einen schmutzigen Spiegel vorhalten, indem du dich bald selber erkennst.

Songs sind wie Tattoos, singt Mitchell im Titeltrack und man könnte das nicht treffender beschreiben, denn gute Musik geht wie ein Tattoo unter die Haut und nie mehr weg.
Da kannst du bürsten und schrubben wie du willst, es bleibt dir permanent in Erinnerung.
BLUE verschwindet nie wieder aus deinem Leben wenn du die Scheibe einmal verinnerlicht hast.
Sobald es seinen Weg in dein Leben gefunden hat, geht es nie wieder weg.

Seite 1
All I Want – 3:32
My Old Man – 3:33
Little Green – 3:25
Carey – 3:00
Blue – 3:00

Seite 2
California – 3:48
This Flight Tonight – 2:50
River – 4:00
A Case of You – 4:20
The Last Time I Saw Richard – 4:13

Veröffentlichung: 22. Juni 1971

Besetzung:
Joni Mitchell – Gesang, Gitarre, Piano, Dulcimer
Stephen Stills – Gitarre, Bass
James Taylor – Gitarre
Russ Kunkel – Schlagzeug
Sneaky Pete Kleinow – Pedal-Steel-Gitarre

Produktion:
Joni Mitchell

Studio:
A&M Studios, Hollywood

frimp
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Re: Joni Mitchell - Blue (1971)

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Gepostet: 16.04.2022 - 08:06 Uhr  ·  #2
Schönes Album, glasklare Stimme, tolle Gitarre von Stephen Stills, und das Original von „This Flight Tonight“, was durch das Cover von Nazareth richtig bekannt wurde.
Gemäß der Arte-Doku „Laurel Canyon“ hat sie wohl am ehesten die Beziehung zu Graham Nash verarbeitet.
firebyrd
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Re: Joni Mitchell - Blue (1971)

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Gepostet: 16.04.2022 - 11:59 Uhr  ·  #3
"Blue" ist ein hervorragendes Album von Joni. Doch sollte man darüber hinaus nicht die Vorgänger und die ebenfalls herausragenden nachfolgenden Alben der 70er vergessen.

Alle stehen als besondere Alben da, und haben einen individuellen Ausdruck. Dabei wirkt "Blue" für mich als am stärksten introvertiert und eigentlich nicht sofort zugänglich. Diesen Zugang muss man sich erarbeiten, aber dann..... :]
Mr. Upduff
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Re: Joni Mitchell - Blue (1971)

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Gepostet: 16.04.2022 - 12:17 Uhr  ·  #4
.. ich mag Joni Mitchell sehr... allerdings nicht so sehr ihre frühen Phasen als eher reine Singerssongwriterin. ..deshalb ist die "Blue" nicht so meins...

... meine beiden Platten die ich zu dem auch auf eine Insel mitnehmen würde sind Don "Juan’s Reckless Daughter" und "Shadows and light"...wohl auch deswegen weil dort formidable Jazzmusiker dran beteiligt waren...
Floyd Pink
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Re: Joni Mitchell - Blue (1971)

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Gepostet: 16.04.2022 - 12:44 Uhr  ·  #5
Ich bin da ganz bei Mr. Upduff und werfe noch die, wenn auch in der kritik umstrittene, "Mingus" mit in den Ring...
White Bird
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Re: Joni Mitchell - Blue (1971)

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Gepostet: 17.04.2022 - 10:04 Uhr  ·  #6
In meinen Augen handelt es sich hier um ein sehr persönliches Album, eine Aufarbeitung ihres Lebens und ihrer gescheiterten Beziehungen.

Gerade ihre schonungslose Offenheit ist der berührende Pegel auf diesem Album. Schöne Rezi.
holger_fischer
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Re: Joni Mitchell - Blue (1971)

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Gepostet: 25.04.2022 - 19:15 Uhr  ·  #7
Vielen Dank für die Vorstellung! In der Singer/Songwriter - Szene bin ich nicht so verortet, aber Joni Mitchell habe ich immer gern gehört. So auch dieses Album.

"Don Juan’s Reckless Daughter" war mein erstes Album von ihr. Es folgten noch 9 weitere. Bisweilen in doppelter Ausfertigung (LP/CD). Ich habe "Don Juan’s Reckless Daughter" lange nicht gehört, kann mich aber dran erinnern, dass die LP etwas für den audiophilen Hörer ist.
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