JZ Replacement - Disrespectful

Völlig nahe geht es, wenn der pulsierende Rhythmus der Drums mit dem tief grummelnden Bass in die Magengrube zielen, und sich darüber mit luftiger Leichtigkeit und frischer Frechheit das Saxofon erhebt

 
firebyrd
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JZ Replacement - Disrespectful

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Gepostet: 06.04.2020 - 19:34 Uhr  ·  #1
JZ Replacement - Disrespectful

Der aus St.Petersburg stammende Altsaxofonist Zhenya Strigalev hat in den letzten Veröffentlichungen mit unterschiedlichen Musikern zusammengespielt und stets einen anderen Eindruck hinterlassen. Auf dieser Produktion, "Disrespectful", ist als erster Musiker der britische Schlagzeuger Jamie Murray genannt. Ob er der Chef ist? In seinen Liner Notes beschreibt er sich als Co-Founder von JZ Replacement. Als Gast gewann man den US-amerikanischen Bassisten Tim Lefebvre. Schließlich, und das nehme ich schon einmal vorweg, schiebt sich keiner der Drei in den Vordergrund, sondern vielmehr ist ein aufregendes Gruppenprojekt gelungen.

Und so startet dann auch ganz kraftvoll-zerrend mit ungezügeltem Druck von allen Instrumenten, wild wirbelnde schlagkräftige Drums, ein knurrender E-Bass und ein heulendes Saxofon bringen einen kochenden Hexenkessel, der alles durcheinander zu wirbeln scheint, yeah - das ist entfesselte Energie, man ist entweder mit den Nerven fertig oder lässt sich mitreißen – wozu ich rate. Denn es tut gut, sich loszureißen von gewohnten Klangmustern und Strukturen. Zum Schluss des Songs flirren dazu noch elektronische Klangfetzen durch die Gegend, und Murray scheint völlig abzuheben. Die kochende Stimmung steht kurz vor der Explosion, um abzuheben in eine moderne elektronische Spielart von Free Jazz. Aber so frei wird es eigentlich nie. Mitunter ist es ein Gefühl, als würde man auf dem Rummel/Kirmes-Platz in einem der Fahrgeschäfte befinden, so rasend schnell geht das ab, ich erinnere mich an das Teil, das auch temporeich im Rückwärtsgang fährt. (Musik-Express?)

Die Energie will nicht abreißen, gelungen ist dabei die Kombination des mehr am Jazz orientierten Strigalev und dem Fusion-erprobtem Lefebvre, der mit seinem E-Bass wesentliche Akzente setzt. Doch der treibende Motor bleibt der unerbittlich wirkende Murray am Schlagzeug, der selbst bei den ruhigen Stücken in Bewegung bleibt. Mit Fug und Recht vermag ich zu behaupten, dass der Begriff Fusion hier ein wenig an neuem Anstrich erhalten hat. Nicht alles ist neu, aber sehr interessant ist es, festzustellen, dass Rock und Jazz Rock als Hauptelemente einen wuchtigen Sound geschaffen haben, der durch das Saxofon den gewissen Anteil Jazz erhalten hat.

Völlig nahe geht es, wenn der pulsierende Rhythmus der Drums mit dem tief grummelnden Bass in die Magengrube zielen, und sich darüber mit luftiger Leichtigkeit und frischer Frechheit das Saxofon erhebt und von fließenden bis stakkatohaften Sounds etwas beisteuert, und dann ist es die mitunter eingesetzte Elektronik, die eine Spur des Geheimnisvollen einbringt, nie aufdringlich oder vordergründig, aber zweckdienlich allemal. So kann Jazz Rock auch heute noch Spaß machen, denn diese Musik ist weit fernab jeglicher akademischer Wichtigtuerei, hier spürt man, dass aus der Seele, aus dem Bauch heraus musiziert wird, wunderbar ist das, wenn man diesen mitunter wilden und nervösen Sound so ertragen kann.


Jamie Murray (drums)
Zhenya Strigalev (alto sax)
Tim Lefebvre (bass guitar, effects)


1 Displacement A
2 Tubuka
3 Guilty Look 3
4 Bee Bee
5 Marmalade for Radhika
6 Five Cymbals for Jamie
7 Take the JZ Train

https://rainydaysrecords.bandcamp.com/

kraut-brain
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Re: JZ Replacement - Disrespectful

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Gepostet: 07.04.2020 - 15:59 Uhr  ·  #2
Wer sich musikalisch verwöhnen lassen und mal auf anderen Pfaden wandeln möchte, sollte unbedingt in die Platte der JZ Replacement reinhören. Ich bin gestern Abend über diese Einspielung im Brezel aufmerksam und in der Tube sogleich fündig geworden.

Was das Trio am Sax, dem Bass und den Drums präsentiert, ist an Dynamik und Power kaum zu überbieten. Trotz aller spielerischer Rasanz entsteht ein Gruppengefüge mit ausreichender Spielfläche für Improvisationen und dieser Umstand trifft auf jedes Mitglied des Trios zu. Selbst bei den verhalteneren Elementen der Platte tritt keine klösterliche Ruhe ein, sondern der spielerische Pfaden wird fortgesponnen und die Spannung bleibt erhalten.

So macht Jazzrock/ Fusion des Jahres 2020 einen riesigen Spaß.

Firebyrd abermals Dank für das Vorstellen der Musik und deiner Rezi.
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