Als im sommer 1972 John Peel die debutsingle von Roxy Music vorstellte, wußte ich lange nicht,
was mich getroffen hatte. Was dieses 'Virginia Plain' ablieferte, war völlig neu im stil:
50s rock'n' roll und doo-wop vermischt mit futuristischer elektronik; pop vermischt mit avantgarde;
eine schmachtende stimme irgendwo zwischen Elvis und Frank Sinatra; melodisch und doch auch
wieder fett abrockend, dekadent und künstlich, und doch wieder so lebensecht und vital;
daß paßte in keine der schubladen.
das war so von der Kunsthochschule (an der Brian Ferry studierte) geprägt, daß man natürlich
keinen durchgehend nachvollziehbaren text erwarten kann; eher sind es ideenfragmente; im
grunde genommen werden die 'high-life'-erwartungen einer neu startenden band beschrieben, die
einen plattenvertrag will und die sich schon erfolgreich durch Casinos wandeln sieht, vielleicht in
Acapulco, vielleicht in Rio.
die besungene 'Virginia Gewöhnlich' kommt eigentlich nur in der schlußzeile vor, vielleicht ist sie
zu 'plain', zu gewöhnlich, um weitere aufmerksamkeit zu verdienen.
ich war absolut verrückt nach diesem stück, aber auf der debut-lp war es nicht drauf (erst im cd-
zeitalter packte man es dazu; damals mußte mir die single genügen). Und dennoch waren die
englischen wochenblätter schon seit monaten voll mit lobeshymnen.
warum wohl?
nun, 1972 hatte die reguläre rockszene schon ein bißchen ihr pulver verschossen; es begannen die
großen stadion-konzerte; materialschlachten auf viel zu großen bühnen, mit viel zu langen shows
auf denen viel zu lange stücke abgenudelt wurden; in endloser selbstverliebtheit und unter
ausnutzung der neusten technik. die spontanität und ursprünglichkeit der frühen jahre war da schon
etwas verloren.
Das debut von Roxy Music kam also gerade recht und eigentlich machten sie schon mit dem ersten
stück ihre absichten deutlich:
alles wird neu gemacht/modelliert; 'ReMake/Re-Model;
man nehme durchaus alte ingredienzen, wie saftige rock'n'roll-akkorde der 50er, sowohl für gitarre
(Phil Manzanera) als auch für saxophon (Andy Mackay) und mische die blubbernde, zischende und
quietschende elektronik eines totalen nichtmusikers (Brian Eno) drunter; dazu eine
gesangsstimme, die eher auf schmachtende liebeslieder passen würde; nicht zu vergessen die ewig-
solide rhythmusgruppe um Paul Thompson (drums) und Graham Simpson (bass) und...
hey presto... der erste hit dieser lp ist im kasten.
'Ladytron' folgt; verhalten, und wie man aus dem titel schon entnehmen kann, bettet sich dieses
lady auf elektronischen laken.
das ganze im midtempo, damit auch Brian Ferry's pianotupfer zur geltung kommen.
'If There Is Something' ist einfach nur ein gutes lp-stück; 6:30 minuten zeit, für die instrumente,
einem beinahe country-rock-artigen takt nachzuhängen; zeit für diverse soli, sogar mit etwas slide-
und viel solo-gitarre; auch das Oboen-soli von Mackey sticht heraus. oboen sind mir ein graus.
aber nicht diese hier.
auch '2HB' bleibt verhalten und strotzt dennoch vor intensität; wieder spielen sich saxophon, gitarre
und piano (ich glaub, es ist ein e-piano...?) gegenseitig die bälle zu, während der rhythmus
einfach nur vorantreibt. und dann immer wieder diese stimme, die mir eine gänsehaut den rücken
runterjagt;
'Here's Looking At You Kid', singt er und klingt dabei eindringlicher als Humphrey Bogart,
der mit diesem klassischen spruch berühmt wurde (in 'Casablanca', glaub ich).
Und genau dieses Casablanca-feeling wird aufgebaut; diese gleichsam schwüle, dekadente und auch
wieder gefährliche atmosphäre, bei der man sich die protagonisten nur in weißen tropenanzügen
und abendkleidern vorstellen mag.
'The Bob' paßt in diese reihe, es ist schwermütig und macht viel druck; man kommt schon beim
zuhören des röhrenden saxophons ins schwitzen.
Und deswegen ist man froh über das 3-minütige 'Chance Meeting'; Brian Ferry am piano, das ist doch
mal etwas ruhiger. Man hat dabei leider nicht mit Eno gerechnet, der gerade hier ein paar
kreischende elektroniksounds 'schafft' ('spielen' kann man ja nicht sagen) um uns daran zu erinnern:
dies ist eine rock'n'roll-scheibe und kein kindergeburtstag.
da kommt 'Would You Believe?' gerade recht; das ist eine 50er-rock'n'roll-nummer mit einem 50er-
saxophonsolo und einem hämmernden piano a la Little Richard. Aber dann wird plötzlich das tempo
wieder zurückgenommen, damit keiner behaupten kann, irgend eine Roxy Music-nummer sei nur
08/15-abgerocke.
'Sea Breezes'; 7-minütig, es läßt sich zeit, richtig ans laufen zu kommen; stimme, oboe, etwas
piano..., zeit für die damen, noch einen cocktail zu trinken...; während Eno ein paar kreischende
geräusche vorbereitet und Paul Thompson neue und kräftige schläge ausprobiert..., jetzt gehts also
gleich zur sache...
denkste, stattdessen wird der druck langsam wieder abgebaut; Brian Ferry erinnert uns noch ein
halbes dutzend mal, das er 'In Love' ist, aber der rest der band hält schon Martinis in händen.
'Bittersweet' zum abschluß gehört noch einmal Brian; vom aufbau ists fast eine doo-wop nummer;
die hätten die Platters vielleicht 1955 einspielen können; man gibt also ein bißchen harmonigesang
hinzu und dann ist es plötzlich vorbei.
(die CD liefert noch das bereits erwähnte Virginia Plain).
Ein leicht verdaulicher abschluß einer zunächstmal überhaupt nicht leicht konsumierbaren platte.
Damals jedenfalls hab ich mich da mit jedem abspielen ein bißchen mehr reinhören müssen,
denn allzuviel war neu für das ohr, zu oft verliefen die stücke anders als erwartet.
Aber bald fügte sich das alles zu einer hervorragend abgestimmten einheit zusammen. Für mich
paßt da alles; ich kann kein füllmaterial entdecken.
Mit den nachfolgenden werken sollten Roxy Music gar noch besser werden; später galten sie als
einer der größten einflüsse auf die entstehende punk- und new wave-szene.
Diese klänge begleiteten mich jahrelang und kamen immer gerade recht, wenn mal eine pause bei
den Dead, Doors oder Allmans nötig war.
ich kann einfach nicht rund um die uhr musik hören, die zum großen teil auf blues-akkorden
aufgebaut ist. es muß dann auch mal ein alternatives liedgut her.
Danke an Brian, Andy und Anhang dafür, daß sie uns diese alternative zu hören gaben.
was mich getroffen hatte. Was dieses 'Virginia Plain' ablieferte, war völlig neu im stil:
50s rock'n' roll und doo-wop vermischt mit futuristischer elektronik; pop vermischt mit avantgarde;
eine schmachtende stimme irgendwo zwischen Elvis und Frank Sinatra; melodisch und doch auch
wieder fett abrockend, dekadent und künstlich, und doch wieder so lebensecht und vital;
daß paßte in keine der schubladen.
das war so von der Kunsthochschule (an der Brian Ferry studierte) geprägt, daß man natürlich
keinen durchgehend nachvollziehbaren text erwarten kann; eher sind es ideenfragmente; im
grunde genommen werden die 'high-life'-erwartungen einer neu startenden band beschrieben, die
einen plattenvertrag will und die sich schon erfolgreich durch Casinos wandeln sieht, vielleicht in
Acapulco, vielleicht in Rio.
die besungene 'Virginia Gewöhnlich' kommt eigentlich nur in der schlußzeile vor, vielleicht ist sie
zu 'plain', zu gewöhnlich, um weitere aufmerksamkeit zu verdienen.
ich war absolut verrückt nach diesem stück, aber auf der debut-lp war es nicht drauf (erst im cd-
zeitalter packte man es dazu; damals mußte mir die single genügen). Und dennoch waren die
englischen wochenblätter schon seit monaten voll mit lobeshymnen.
warum wohl?
nun, 1972 hatte die reguläre rockszene schon ein bißchen ihr pulver verschossen; es begannen die
großen stadion-konzerte; materialschlachten auf viel zu großen bühnen, mit viel zu langen shows
auf denen viel zu lange stücke abgenudelt wurden; in endloser selbstverliebtheit und unter
ausnutzung der neusten technik. die spontanität und ursprünglichkeit der frühen jahre war da schon
etwas verloren.
Das debut von Roxy Music kam also gerade recht und eigentlich machten sie schon mit dem ersten
stück ihre absichten deutlich:
alles wird neu gemacht/modelliert; 'ReMake/Re-Model;
man nehme durchaus alte ingredienzen, wie saftige rock'n'roll-akkorde der 50er, sowohl für gitarre
(Phil Manzanera) als auch für saxophon (Andy Mackay) und mische die blubbernde, zischende und
quietschende elektronik eines totalen nichtmusikers (Brian Eno) drunter; dazu eine
gesangsstimme, die eher auf schmachtende liebeslieder passen würde; nicht zu vergessen die ewig-
solide rhythmusgruppe um Paul Thompson (drums) und Graham Simpson (bass) und...
hey presto... der erste hit dieser lp ist im kasten.
'Ladytron' folgt; verhalten, und wie man aus dem titel schon entnehmen kann, bettet sich dieses
lady auf elektronischen laken.
das ganze im midtempo, damit auch Brian Ferry's pianotupfer zur geltung kommen.
'If There Is Something' ist einfach nur ein gutes lp-stück; 6:30 minuten zeit, für die instrumente,
einem beinahe country-rock-artigen takt nachzuhängen; zeit für diverse soli, sogar mit etwas slide-
und viel solo-gitarre; auch das Oboen-soli von Mackey sticht heraus. oboen sind mir ein graus.
aber nicht diese hier.
auch '2HB' bleibt verhalten und strotzt dennoch vor intensität; wieder spielen sich saxophon, gitarre
und piano (ich glaub, es ist ein e-piano...?) gegenseitig die bälle zu, während der rhythmus
einfach nur vorantreibt. und dann immer wieder diese stimme, die mir eine gänsehaut den rücken
runterjagt;
'Here's Looking At You Kid', singt er und klingt dabei eindringlicher als Humphrey Bogart,
der mit diesem klassischen spruch berühmt wurde (in 'Casablanca', glaub ich).
Und genau dieses Casablanca-feeling wird aufgebaut; diese gleichsam schwüle, dekadente und auch
wieder gefährliche atmosphäre, bei der man sich die protagonisten nur in weißen tropenanzügen
und abendkleidern vorstellen mag.
'The Bob' paßt in diese reihe, es ist schwermütig und macht viel druck; man kommt schon beim
zuhören des röhrenden saxophons ins schwitzen.
Und deswegen ist man froh über das 3-minütige 'Chance Meeting'; Brian Ferry am piano, das ist doch
mal etwas ruhiger. Man hat dabei leider nicht mit Eno gerechnet, der gerade hier ein paar
kreischende elektroniksounds 'schafft' ('spielen' kann man ja nicht sagen) um uns daran zu erinnern:
dies ist eine rock'n'roll-scheibe und kein kindergeburtstag.
da kommt 'Would You Believe?' gerade recht; das ist eine 50er-rock'n'roll-nummer mit einem 50er-
saxophonsolo und einem hämmernden piano a la Little Richard. Aber dann wird plötzlich das tempo
wieder zurückgenommen, damit keiner behaupten kann, irgend eine Roxy Music-nummer sei nur
08/15-abgerocke.
'Sea Breezes'; 7-minütig, es läßt sich zeit, richtig ans laufen zu kommen; stimme, oboe, etwas
piano..., zeit für die damen, noch einen cocktail zu trinken...; während Eno ein paar kreischende
geräusche vorbereitet und Paul Thompson neue und kräftige schläge ausprobiert..., jetzt gehts also
gleich zur sache...
denkste, stattdessen wird der druck langsam wieder abgebaut; Brian Ferry erinnert uns noch ein
halbes dutzend mal, das er 'In Love' ist, aber der rest der band hält schon Martinis in händen.
'Bittersweet' zum abschluß gehört noch einmal Brian; vom aufbau ists fast eine doo-wop nummer;
die hätten die Platters vielleicht 1955 einspielen können; man gibt also ein bißchen harmonigesang
hinzu und dann ist es plötzlich vorbei.
(die CD liefert noch das bereits erwähnte Virginia Plain).
Ein leicht verdaulicher abschluß einer zunächstmal überhaupt nicht leicht konsumierbaren platte.
Damals jedenfalls hab ich mich da mit jedem abspielen ein bißchen mehr reinhören müssen,
denn allzuviel war neu für das ohr, zu oft verliefen die stücke anders als erwartet.
Aber bald fügte sich das alles zu einer hervorragend abgestimmten einheit zusammen. Für mich
paßt da alles; ich kann kein füllmaterial entdecken.
Mit den nachfolgenden werken sollten Roxy Music gar noch besser werden; später galten sie als
einer der größten einflüsse auf die entstehende punk- und new wave-szene.
Diese klänge begleiteten mich jahrelang und kamen immer gerade recht, wenn mal eine pause bei
den Dead, Doors oder Allmans nötig war.
ich kann einfach nicht rund um die uhr musik hören, die zum großen teil auf blues-akkorden
aufgebaut ist. es muß dann auch mal ein alternatives liedgut her.
Danke an Brian, Andy und Anhang dafür, daß sie uns diese alternative zu hören gaben.