Reinhold Schmölzer & orchest-ra-conteur - Miraculous Los

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firebyrd
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Reinhold Schmölzer & orchest-ra-conteur - Miraculous Los

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Gepostet: 07.12.2012 - 08:20 Uhr  ·  #1
Reinhold Schmölzer & orchest-ra-conteur - Miraculous Loss Of Signal


Eine Big Band-Formation des österreichischen Schlagzeugers und Komponisten Reinhold Schmölzer nehme ich gerade unter die Lupe. Sehr afrikanisch hört es sich an, wenn mich sogleich das erste Stück überrascht. Das ist Big Band-Sound der anderen Art - nicht das Übliche, das merkt man bereits nach den ersten Takten. Grundsätzlich rockt es auch mehr als es swingt, oder doch nicht?
Genau, auch das kann man bereits schnell feststellen: Abwechslung ist angesagt. Bereits der zweite Teil des Eröffnungsstückes klingt anders, löst sich vom ersten Teil ab und gleitet in eine fließende und ruhige, freie Improvisation. Eine Bassklarinette spielt scheinbar gedankenverloren vor sich hin und im Hintergrund scheinen sich die anderen Bläser zu formieren. Diese Musik fordert wirklich zum genauen Zuhören auf und das wird dann belohnt, wenn sich zum Beispiel die besagte Bassklarinette plötzlich leicht austobt. Dabei wirken die Arrangements relativ exakt, manch eine/r mag behaupten 'akademisch', denn selbst die Unordnung scheint irgendwie geordnet zu sein.

Diese Platte ist übrigens das Debütalbum des Komponisten und damit setzt er dann auch gleich ein Zeichen - für ihn als Drummer ist das insofern ein Paukenschlag. Wir hören also nicht die üblichen Arrangements für Big Bands, sondern dieser Rahmen wird mehr als einmal gesprengt. Genauso schön ist es dann, wenn einem eher geläufige, klassische Jazzelemente wie bei "Narcotic Incontriac" um die Ohren fegen, wenn es im Mittelteil richtig schön gepflegt swingt, bevor dann wieder eine Unterbrechung eintritt.
Wer sich demnach auf eine Richtung einschießen möchte, dürfte enttäuscht sein, denn das ist weder etwas für Jazz- noch Big Band-Puristen. Aber das ist gut so, denn wenn Musik so fordert wie hier, dann merkt man, wie viel Arbeit dahintersteckt und dass große Ideen am Werk waren, die durch die hervorragenden Musiker entsprechend umgesetzt werden. So ist der Einsatz einer Marimba einer der klugen Schachzüge, um den Sound anzureichern.

Swing, Balladen, Dissonanzen, verträumte Momente - alles Elemente, die in diesem speziellen Klangkosmos Einzug gehalten haben, der sehr modern klingt und die Vergangenheit nie verleugnet. Seien es frühe Elemente von Fletcher Henderson oder ganz besonders Duke Ellington, der hier meines Erachtens oft hintergründig als Seele zu wirken scheint. Aber auch die Avantgarde kommt nicht zu kurz und der Rhythmus rockt gar ab und zu. Einigen Titeln hört man einen gewissen Bauplan durchaus an, "Lotus Flower" ist für mich ein solches Beispiel. Die Frische und Spontaneität könnten dadurch möglicherweise nicht glaubhaft wirken, doch denke ich, dass wohl auch so etwas wie Spielraum einkalkuliert wurde, so dass dem Hörer Platz bleibt, sich von Struktur und Aufbau zu lösen. Denn schon bald kann man sich im Geschehen der knapp unter der Zehn-Minuten-Grenze liegenden Titel verlieren.

Ich sehe hier einen neuen Stern am Big-Band-Himmel, der - vielleicht noch mit einem 'kleinen Schuss Sun Ra’ versehen - noch kräftiger leuchten könnte. Dessen augenzwinkernde, afrikanische Ausrichtung wären ein Zugewinn.


Die Musiker:


Reinhold Schmölzer (drums, composition)
Florian Trübsbach (soprano saxophone, clarinet, flute, piccolo, oboe)
Charlotte Greve (alto saxophone, soprano saxophone, clarinet, flute)
Uli Kempendorff (tenor saxophone, soprano saxophone, clarinet, bass clarinet)
Malte Schiller (tenor saxophone, clarinet)
Tini Thomsen (baritone saxophone, bass clarinet, contrabass, clarinet)
Raphael Meinhart (mallets)
Andreas Waelti (bass)
Bernhard Nolf (trumpets, flugelhorns [lead])
Benny Brown (trumpets, flugelhorns)
Florian Menzel (trumpets, flugelhorns)
Matthias Spillmann (trumpet, flugelhorns)
Johannes Böhmer (trumpets, flugelhorns)
Simon Harrer (trombones)
Phil Yaeger (trombones)
Lukas Wyss (trombones)
Jan Schreiner (bass trombone, tuba)
Manuel Schmiedel (piano)
Johannes Berauer (conductor)

Die Titel:

01:A Forwaholic's Passion Part I (3:12)
02:A Forwaholic's Passion Part II (5:01)
03:Narcotic Incontriac (8:56)
04:Wheeling Around That So.Fi (8:56)
05:Lotus Flower (9:26)
06:Miraculous Loss Of Signal (10:55)
07:Enacted Disorder (9:12)
08:Hurdles (9:20)


http://www.reinischmoelzer.at/Start/Start.html

Wolfgang
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