Jason Stein Quartet - The Story This Time

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firebyrd
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Jason Stein Quartet - The Story This Time

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Gepostet: 13.04.2012 - 08:35 Uhr  ·  #1
Um den Free Jazz und die Avantgarde scheint es im Verhältnis zu früheren Zeiten relativ ruhig geworden zu sein. Das 'New Thing' der Sechziger ist vorbei, die Mitte der Sechziger Jahre in Chicago gegründete Musiker-Initiative AACM, die mittlerweile auch in New York aktiv ist, brachte zwar immer wieder kreative Köpfe hervor, doch im Jazz sind heutzutage oft ruhige Töne, im Zeitalter des ’Loungens’, gefragt. So scheint es, und so mag das für die 'breite Masse' auch zutreffen, doch das soll nicht darüber hinweg täuschen, dass der freie avantgardistische Jazz noch immer seine Anhänger hat, mich inbegriffen.

So stehen heute Namen wie unter anderem Matana Roberts (Ladies first), David S. Ware oder Charles Gayle stellvertretend und sicher auch führend für diese Bewegung. Auch die eher als Blueslabel bekannte Firma Delmark Records hat sich bemüht, diese Musik immer wieder darzubieten, zum Beispiel mit Ernest Dawkins. Und nun hat der 1976 in New York geborene Klarinettist Jason Stein dort seine aktuelle Platte veröffentlicht. Wie ist er musikalisch einzuordnen?

Stein wohnt seit 2005 in Chicago. Dort aufgenommen im Juni 2011, im Riverside Studio, bietet die Platte eine bunte Mischung von Fremdkompositionen und eigenen Titeln. Doch Free Jazz ist das hier nicht, gleichwohl dessen Elemente stets herangezogen werden.
Die Musik swingt meistens sehr intensiv, mit einem treibenden Rhythmus, viele Elemente aus der langen Entwicklungsphase des Jazz finden wir. So haut es mich gleich zu Beginn aus den Socken, das ist doch das Feuer des Be Bop, das gleich im ersten Titel lichterloh brennt. Das erinnert an die schönsten Momente der Musik von Charlie Parker, und dazu passend auch die kurze Spielzeit unter drei Minuten. Startet der zweite Song dann eher langsam, so zieht das Tempo bereits nach zwanzig Sekunden an und trägt mich schon wieder in diese hitzige Atmosphäre, die so mitreißend ist. Zwischendurch immer wieder Tempowechsel, und eine gewisse Entwicklung scheint nun stattgefunden zu haben. Für mich persönlich liegt es stimmungsmäßig nun irgendwo zwischen Eric Dolphy und Ornette Coleman und nach gut zwei Minuten die erste freie Exkursion: Stein meckert, kreischt und gurgelt auf der Klarinette, begleitet zunächst vom Bass, zu dem sich dann im Laufe des sich entwickelnden Stücks das Schlagzeug gesellt. Ja, Leute, das fordert natürlich, vorbei mit 'Schön hören'! Ich bin begeistert!

"Little Big Horse", auch hier wieder das von den Bläsern gemeinsam gebrachte Thema, das diese Assoziationen zum Be Bop weckt, und dann die folgenden Improvisationen, die den Zeitsprung vollziehen, in die Sechziger hinein. Die Rhythmusgruppe dieses pianolosen Quartetts mit Bass und Schlagzeug ist äußerst geschmeidig und vollzieht mit einer ungeheuren Spontaneität jeden Wechsel der beiden Solisten. Die Vier bilden eine herrliche Einheit, diese Musik springt mich an, das ist ungeheures Feeling, gepaart mit vielen Ideen und hoher Musikalität der Beteiligten.

Das ist nicht die übliche Retroschiene, was alle Wynton Marsalis-Hasser erfreuen dürfte, hier wird die Vergangenheit zwar beschworen und auch zitiert, aber mit neuen Ideen versehen und aufgefrischt zu einem zeitgemäßen Jazz erster Güte!
Ich kann nur hoffen, dass diese Musiker weiterhin zusammenspielen werden. Gespannt war ich natürlich auf die Interpretationen von Thelonious Monk, selbst einst ein Neuerer und Ideengeber und bin erstaunt, wie diese in das Gesamtkonzept passen und Stein den Geist des Meisters transportiert und seine eigene Stimme laut macht dazu. Grandios klingt es, wenn auf "Work" die Kontrabassklarinette von Keef Jackson hilft, ein ungewöhnliches Klangbild zu schaffen, Anthony Braxton scheint grüßen zu lassen!

Es fällt mir schwer, einen besonderen Titel hervorzuheben, sind sie doch alle von der selben Spiritualität beseelt und so schließt sich der Reigen dann ganz standesgemäß cool mit dem Tristano-Titel, und gewissermaßen scheint er die zweite Buchstütze zusammen mit der Eröffnung zu bilden. Wunderbar stimmig ist es dadurch geworden, ich bin nicht sicher, ob mich eine weitere Jazzplatte in diesem Jahr dermaßen begeistern können wird!
Go ahead, Jason!

Besetzung:

Jason Stein (bass clarinet)
Keefe Jackson (tenor sax, contrabass clarinet)
Joshua Abrams (bass)
Frank Rosaly (drums)

Titel:

01:Background Music [Wayne Marsh] (2:41)
02:Laced Case [Stein] (9:13)
03:Little Big Horse [Stein] (8:10)
04:Skippy [Thelonious Monk] (5:57)
05:Badlands [Stein] (8:21)
06:Palo Alto [Lee Konitz] (5:34)
07:Hatoolie [Stein] (6:14)
08:Gallop's Gallop [Thelonious Monk] (5:51)
09:Hoke's Dream [Stein] (7:39)
10:Work [Thelonious Monk] (3:21)
11:Lennie Bird [Lennie Tristano] (3:04)


http://jasonsteinmusic.com/home.cfm

Wolfgang
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