Zigzag - Die Mutter Aller Rock-Magazine?

 
badger
DJ
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: sankt augustin
Alter: 69
Beiträge: 4511
Dabei seit: 08 / 2008
Betreff:

Zigzag - Die Mutter Aller Rock-Magazine?

 · 
Gepostet: 07.02.2012 - 17:51 Uhr  ·  #1
wo es sechs wöchentlichen musikzeitungen gibt, die regelmäßig
neuigkeiten unters volk bringen, nehmen monatsmagazine fast
zwangsläufig eine andere rolle ein, als sie das z.b. in deutschland
taten.



die ersten mags aus den späten 60ern übernahmen eine art-
ergänzungsfunktion, indem sie jene bereiche abdeckten, die von den
weeklies vernachlässigt wurden und sie entstanden aus der motivation
des fans, der journalistische lücken mit eigenen berichten stopfen will.

denn obwohl die weeklies es sich immer wieder leisteten, völlig
unbekannte bands zu besprechen, so übersahen sie doch viele der
etwas unbekannteren amerikanischen bands; zwangsläufig, denn die
Amis hatten einfach zu viel im angebot.



das waren nischen, die von den monthlies abgedeckt wurden; z.b. die
gesamte West Coast szene, auch country rock oder Chicago Blues.

die Zigzag war das wohl bedeutsamste und einflußreichste dieser
wochenmagazine; auch für mich ein leib- und magenblatt, obwohl ich
damals längst nicht alle ausgaben kaufen konnte: Zigzag war in
deutschland nicht erhältlich. letzthin habe ich die sammlung durch den
ankauf von fast 3 dutzend alten ausgaben erweitert; jetzt schwelge ich
in erinnerungen:

Benannt nach dem Captain Beefheart-stück 'Zigzag Wanderer' wurde
das mag 1969 von Peter Frame gegründet und sollte trotz diverser
krisen bis 1985 durchhalten und dabei 3 oder 4 ziemlich verschiedene
'leben' durchlaufen.

bei ca. 32 - 50 seiten wurden etwa 140 ausgaben herausgebracht;
diverse finanzielle krisen (man hatte nämlich nie übermäßig viel
werbung im blatt) sorgten dafür, daß Zigzag mehrere male kurz
vor dem aufgeben stand, aber irgendwie ging es immer nochmal
weiter.



als es 1974 zum endgültigen aus kommen sollte, erhielt man soviel
unterstützung von anderen medien und journalisten (u.a. auch John
Peel) und natürlich auch von vielen bands, daß es am 18/04/1974
zu einem legendären benefiz-konzert im londoner Roundhouse kam.
heute nachzuhören auf einer 5-cd-box, enthält sie unbezahlbare, weil
vollständige shows von u.a. Michael Nesmith, Help Yourself, Starry
Eyed & Laughing oder Chilly Willy & Red Hot Peppers.

man war ein wichtiges informationsmedium für alles was von der west
coast kam; die Dead, Airplane, Quicksilver; Beefheart, Zappa und
immer so weiter, sie wurden von den weeklies nicht im gewünschten
maß abgedeckt; Little Feat wurden immer groß vorgestellt und Lou
Reed mochten sie ebenfalls.

auch country rock war ja eher 'un-english'. Zigzag
liebte Poco, die New Riders Of The Purple Sage oder Redwing; sie
waren auch entscheident darand beteiligt, dem ex-Monkee Michael
Nesmith einen (in UK) legendären status zu verschaffen. die Monkees
waren für uns liebenswerte fernseh-clowns gewesen, aber musikalisch
hielten wir sie nicht für essentiell. und dann kaufte man die immer
wieder im Zigzag angepriesenen lps mit der First National Band und
flog in den country rock himmel hinaus...

auch entsprechende englische bands, die vielleicht in den weeklies
nicht genug echo fanden, wurden stark unterstützt; denken wir mal an
Man, Help Yourself; Ian Matthews, Starry Eyed & Laughing...

auch das Zigzag reagierte nicht, sondern agierte; man gab standarte
vor und entwickelte neue, statt dem nachzulaufen, was andere
initiert hatten.

so sehr sie einfache (soll heißen nicht glattproduzierte) mucke liebten,
so sarkastisch und zynisch wurden die großen station-rock bands
abgefertigt, die nur aus pomp, bombast und theatralik bestanden.
das Zigzag hat zu keinem zeitpunkt vergessen, was ehrlicher und
bodenständiger rock'n'roll ist.

deshalb unterstützten sie die neu aufkommende pub rock szene mit
ganzer kraft; von Brinsley Schwarz über Ducks Deluxe bis zu Dr.
Feelgood und Graham Parker; das waren typische bands fürs Zigzag.



mit neuem chefredakteur Andy Childs wurden auch die Stooges und
MC5 widerentdeckt und punk vorbereitet. die Ramones, Television
oder Blondie hatten im Zigzag ihr hausmagazin; mit den Flamin'
Groovies und Eddie & The Hot Rods wurde der boden bereitet und
kamen mit den Clash die neuen götter.



immer noch war das Zigzag also absolut am puls der zeit.

in seinen letzten jahren wurde noch einmal der chefredakteur
gewechselt und man klang mit new wave, new romantics und
teilweise auch mit alternativ pop aus. eine zeit, die ich persönlich
nicht mehr mitgemacht habe; es gab aber wohl immer noch viele
interessante berichte.

die qualität dieser berichte hatte es in sich; hier sprachen fans zu fans;
ältere zu jungen brüdern; aber dennoch journalisten zu informations-
interessierten.
das Zigzag hatte immer enge verbindungen zu MM; NME und Sounds
und natürlich auch zur BBC.
die namen fast aller redakteure und journalisten haben heute noch
einen gewichtigen klang. Pete Frame wurde durch seine unzähligen
und äußerst detaillierten, ja akribischen gruppen-stammbäume
bekannt (die es auch in mehreren buchauflagen gab); Andy Childs,
Chris Needs oder John Tobler liefern heute noch manchmal eine story
fürs Shindig! oder veröffentlichen eine bandbiography.



gegen ein heutiges mainstream-Kiosk-magazin wirkt das Zigzag
bescheiden, aber es hat getan, was das kiosk-magazin nie schaffen wird;
es hat tatsächlich viele jahre die musikszene (in UK) mit-
bestimmt und mitgeformt.

es lohnt sich, mal bei ebay unter 'zigzag magazine' nachzuschauen;
zwei - drei dutzend ausgaben werden da fast immer angeboten.
freaksound
Toningenieur
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: Oberbayern
Alter: 59
Beiträge: 5099
Dabei seit: 05 / 2006
Betreff:

Re: Zigzag - Die Mutter Aller Rock-Magazine?

 · 
Gepostet: 05.03.2012 - 18:43 Uhr  ·  #2
:daumen:
:daumen:

schöne Faniznes können einem ganze Welten öffnen.

Ging mir so mit dem Glitterhouse-Fanzine der späten 80er/frühen 90er
Gewählte Zitate für Mehrfachzitierung:   0

Registrierte in diesem Topic

Aktuell kein registrierter in diesem Bereich

Die Statistik zeigt, wer in den letzten 5 Minuten online war. Erneuerung alle 90 Sekunden.