Die Anfänge von Pineapple Thief

 
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Die Anfänge von Pineapple Thief

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Gepostet: 03.02.2012 - 14:11 Uhr  ·  #1
Die Anfänge von Pineapple Thief habe ich diesen Beitrag hier genannt, weil er Mitte Juni 2003 entstanden ist nach einem Interview mit Bruce Soord. Geschrieben habe ich ihn fürs Eclipsed.
Das Album Variations On A Dream war damals gerade aktuell auf dem Markt und die Band schien tatsächlich eine realistische Chance zum breiten Durchbruch zu besitzen. Das ist nicht wirklich geglückt, obwohl im Laufe der nachfolgenden Jahre der Sprung zu einem größeren Label gemacht wurde und immer mehr Fans gewonnen werden konnten.
Meine Mutmaßungen sind also längst überholt, aber vielleicht interessieren ja die Aussagen Soords auch heute noch :-)


Zwischen Alptraum und Hoffnung - Pineapple Thief.
Ich bin kein Hellseher. Ich besitze keine Kristallkugel. Aber wer wagt gewinnt: 2003 wird auch das Jahr des Ananasdiebes werden! Und da kommt das Gespräch mit Bruce Soord gerade rechtzeitig...

Die Geschichte von Pineapple Thief zu schreiben bedeutet von Bruce Soord zu erzählen. Der Sänger, Gitarrist und Komponist, der mit 15 Jahren reichlich spät seine ersten Griffe auf einer spanischen Gitarre lernte, ist schließlich Kopf und Herz des Ganzen.

Nach seinen damaligen musikalischen Einflüssen gefragt, fallen viele Namen, zeitgemäße, aber auch solche wie Steve Hackett, Anthony Philips und besonders Andy Latimer. Vorlieben, die einen jungen Kerl im England der achtziger Jahre eindeutig in die Verschrobenenecke verfrachtete.

Nun, die Anfangsjahre als aktiver Musiker waren nicht immer erfreulich. "Ich war mit mehreren lokalen Bands unterwegs, die alle gleich schrecklich waren. Wir haben so manchen Club geleert. Ich kann mich gut an die Erfahrung erinnern, nur für den Barmann gespielt zu haben." kommentiert er sarkastisch diese Zeit. Zu dem Lernprozeß gehörten auch die Workshops mit Jon Parish, die ihn in seiner Entwicklung entscheidend weitergebracht haben: "Mir wurde einiges klar. Ich erkannte die Wichtigkeit von Komposition und Darbietung. Und ich lernte, dass es nicht die Schnelligkeit ist, die einen guten Gitarristen ausmacht. Mit diesem Wissen im Hinterkopf habe ich danach mit ganz anständigen Bands weitergemacht, um irgendwann mit Neil Randall Demos unter dem Namen Vulgar Unicorn einzuspielen."
Ein Vertrag mit Cyclops kam zustande und mehrere Alben wurden veröffentlicht. Vulgar Unicorn (ab jetzt VU genannt), die immer noch am Leben sind und für den Sommer diesen Jahres ebenfalls ein Album angekündigt haben, erspielten sich in der Progszene einen kleinen aber feinen Namen, was Bruce Soord nicht daran hindern konnte, eine weitere Formation zu gründen. Völlig fälschlicherweise wurde zu Beginn Pineapple Thief (ab jetzt PT genannt) das Etikett "Nebenprojekt" aufgeklebt.
Die verschiedenen Ansatzweisen erklärt Soord folgendermaßen: "Neil leistet einen erheblichen Beitrag zu VU und ich bin gewöhnlich auch froh darüber, wenn er mit Ideen und Texten ankommt. Seine Art zu komponieren ist einzigartig, viel technischer als meine, zudem verwendet er ausschließlich modernes Keyboardequipment. Das ist alles schräger, weist auch mehr Jazzeinflüsse auf. Und im Gegensatz zu mir kann er über Raumfahrt, Lebensmittel und andere komische Dinge singen. PT aber ist einzig und allein mein Kind und gibt mir die Gelegenheit, meine ureigenen Gedanken und Gefühle mit Worten und Musik auszudrücken. Ich persönlich kann nur von Erfahrungen singen, die ich in der realen Welt auch gemacht habe und es sind oft die dunkleren Seiten des Lebens, die mich inspirieren. Die Strukturen meiner Stücke müssen nicht unbedingt komplex sein, die Melodie ist von größerer Bedeutung. Auch meine Vorlieben für orchestrale Instrumentierungen kann ich hier ausleben."
Bis jetzt hat der Wandel zwischen den beiden Welten trotz zwangsläufiger organisatorischer Schwierigkeiten auch gut geklappt, aber es klingt auch an, dass seine Leidenschaft für PT in Verbindung mit einem entsprechenden Erfolg sein weiteres Mitwirken bei VU in Frage stellen würde.

Nun, nach dem Debüt "Abducting The Unicorn" (2000), das sicher noch nicht der große Wurf war, aber schon den lyrischen, sanften und etwas bittersüßen Stil transportiert, der so typisch für PT ist, gelang vergangenes Jahr mit dem Nachfolgewerk "137" ein wirklicher Achtungserfolg. Die Stücke waren prägnanter, dynamischer und teilweise von erheblicher Spannung. Es hagelte gute Kritiken und die weltweite Fangemeinde wuchs beachtlich. Aber Bruce Soord gehört zu den selbstkritischen Künstlern: "Klar, "137" war unser Durchbruch und ich kann das Album heute noch mit einem gewissen Stolz hören. Trotzdem bin ich nicht zufrieden damit! Als Künstler, der seinen Blick immer nach vorne gerichtet hält, betrachte ich keines meiner vorherigen Werke mit einer hundertprozentigen Zufriedenheit. Aber "Kid Chameleon" z.B. hat immer noch einen speziellen Platz in meinem Herzen."
Aber trotz dieses Erfolges war das Jahr 2002 ein trauriges für Soord. Die Tragik des plötzlichen Todes eines sehr nahen Freundes überschattete alle Ereignisse. Dieser Schock, die Trauerarbeit, aber auch die sich daraus ergebenden Fragen nach dem Lebenssinn in einer vergänglichen Welt flossen unmittelbar in den Kompositionsprozess vom gerade erschienenen Album "Variations On A Dream" mit ein. "Es war ein unglaublicher Schock. Und man muss auch kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass Stücke wie "Subside" und "Vapour Trails" genau das zum Thema haben. Daraus resultiert auch die melancholische Atmosphäre des Albums. Aber es war mir auch wichtig, dass eben keine Hoffnungslosigkeit mitschwingt. Die unglaubliche Schwierigkeit, mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen, aber eben auch die Wichtigkeit, den Willen zum Weitermachen aufzubringen, ohne zu vergessen, wollte ich zum Ausdruck bringen. Hinsetzen und aufgeben kann keine Lösung sein."
Um dieses Album analysieren und richtig einschätzen zu können, ist das Wissen um diese Hintergründe sicher unerlässlich. Aber die Musik funktioniert natürlich auch, wenn diese Ebene ausgeblendet wird. Dann ist da einfach ein Album mit durchgängig hervorragenden, gut gespielten Stücken, deren Zaubermelodien dich bis in den Schlaf verfolgen. Auch die Produktion ist vom Feinsten, zudem Marke Eigenbau: "Ja, ich liebe es, meinen eigenen Kram zu produzieren und in dieser Hinsicht ist "Variations..." definitv besser als die letzte Scheibe. Aber ich könnte mir auch vorstellen, zusammen mit einem anderen Produzenten meine Musik in ganz neue Gefilde zu führen. Das hätte auch den Vorteil, mich noch mehr auf das Komponieren konzentrieren zu können. Mal sehen, für das vierte Album habe ich so meine Pläne...".
Dieses Geheimnis bleibt noch zu lüften, aber einen kleinen Einblick in die musikalische Zukunft hat Soord dennoch gewährt: "Ich werde Aggressionen und Wut hörbar mehr Raum gewähren, ohne daß sich der Stil grundlegend ändern wird. Ein paar Stücke sind schon fertig, die aber nicht in das Konzept von "Variations..." gepasst haben."
Bleibt die nicht ganz leicht zu beantwortende Frage, wie sich die Karriere von Bruce Soord und PT weiterentwickeln wird. Meines Erachtens besteht eine relativ gute Chance, ein breiteres Publikum erreichen zu können. Und dazu wäre wahrscheinlich der Wechsel zu einem größeren Label notwendig. Aber lassen wir die Spekulationen einfach sein, der Musikzirkus wird uns in den nächsten Jahren die Antwort liefern.

Ach ja, PT sind dieses Jahr zum ersten Mal live zu sehen, in England und in Frankreich, Und wann, zum Teufel, folgt Deutschland?
Trurl
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Re: Die Anfänge von Pineapple Thief

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Gepostet: 03.02.2012 - 14:48 Uhr  ·  #2
schöner Artikel :daumen:

kannst Du was zur anderen Band VU sagen? Ich wusste bisher nicht mal, dass es die gab, allerdings habe ich von PT zwar einige Cds, mich aber bisjher nie sonderlich um die Bandgeschichte gekümmert.

LG
trurl
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Re: Die Anfänge von Pineapple Thief

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Gepostet: 03.02.2012 - 15:03 Uhr  ·  #3
Mal abgesehen von dem bemerkenswerten Satz: "...Aber lassen wir die Spekulationen einfach sein, der Musikzirkus wird uns in den nächsten Jahren die Antwort liefern. .." will ich sagen, daß aus meiner Sicht keine andere Scheibe die emotionale Dichte wieder erreicht hat, wie eben VARIATIONS... Jetzt weiß ich auch den traurigen Grund dafür.
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