Polkaholix – Polkaface

 
firebyrd
Labelboss
Avatar
Geschlecht: keine Angabe
Herkunft: Hausgeburt (Ausgeburt?)
Beiträge: 37935
Dabei seit: 05 / 2006
Betreff:

Polkaholix – Polkaface

 · 
Gepostet: 19.07.2010 - 08:29 Uhr  ·  #1
Polkaholix – Polkaface

Polkaholix - eine Band aus Berlin.
Mein erster Eindruck - 'Spaßmusik'.

Das heißt für mich auch - man muss 'Abstriche' machen. Abstriche hinsichtlich eines gewissen Anspruchs, den man an Musik und Texte stellen möchte.
Es ist nicht nur Polka, womit uns die Musiker unterhalten wollen. Die Musik ist eine Fusion aus Polka, Ska (dem wohl zweitwichtigsten Element), Balkanklängen, Klezmermusik, Soul und einer Prise Punk. Grundsätzlich also gute Zutaten. Doch vermögen die Köche auch ein gutes Süppchen damit zu kochen?

Mit sehr viel 'Balkandramatik' bei vollem Gebläse und hackendem Ska-Rhythmus geht es los, "Unsre Heimat ist Berlin...", musikalisch zumindest ein heißer Auftakt, der auf unterhaltende Momente schließen lässt. Den inhaltlich 'dünnen' Text, den man dann wohl am besten mit etwas Alkohol besser genießen kann, vergesse ich ganz einfach einmal, wie ich schon sagte - Spaßmusik!

Der zweite Titel hat für mich schon etwas von bayerischer Blasmusik mit Rockrhythmus, ich denke, das wäre ein echter Renner bei "Immer wieder sonntags" in der ARD, mit Stefan Mross. Geht ja gut ab, soll ja auch witzig sein, doch ich empfehle das ausschließlich Freunden dieses 'Humors' (»Die Erde ist 'ne Kugel, die um die Sonne kreist, das Weltall wird auch ab und zu bereist«). Und so geht das weiter rund um die Welt und dem Hans wird empfohlen, doch lieber zu Hause zu bleiben, denn 'man weiß ja nicht, wie's Wedder wird'.

Die Probleme einer Scheidung betrachtet dieses Ereignis von seiner Bedeutung für so viele Menschen dann wieder treffender, das Stück halte ich für gelungen, mit diesem kleinen Schuss Ironie und Boshaftigkeit. Ein wahrer Hit für jede Junggesellenparty, sozusagen als letzte Gelegenheit, die Hochzeit noch einmal zu überdenken. Das könnte ein echter Partyrenner werden, auch für jede 'Divorce Party' (gibt es so etwas schon?).

Mit der Maultrommel wird der Titelsong, "Polkaface", eingeleitet. Spätestens jetzt bemerkt man, dass sich dieses Konzept schnell totlaufen kann, und wenn dann noch der Text in seltsamer englischer Sprache vorgetragen wird, dann hofft man, dass dieser Titel ein kleiner Ausrutscher sein möge.
Nun gut, relativ kraftvoll geht es weiter, doch angesichts der doch wenig flexibel wirkenden Musik konzentriert sich das Hauptaugenmerk dann doch auf die Texte.
"Ich kann dich nicht mehr leiden", das ist doch noch mal eine kleine Aussage, doch wenn dann "Weißes Boot" erscheint, weiß ich gar nicht, ob das jetzt ernst gemeint ist oder eine Schlagerpersiflage sein soll. Persiflage, wie ich mal hoffe, aber dann ist das doch nicht lustig genug.
Klarer Aussetzer, vielleicht live mit schunkelndem Publikum ein möglicher Renner, aber hier gleich weiter zur "Hypothekenpolka".

Zu den einzelnen Stücken gibt es im Booklet jeweilige Erklärungen, in deutscher als auch in englischer Sprache. Das mag den einen oder anderen Gag dann vielleicht erklären. So wird zu dieser "Hypothekenpolka", die viele wahrscheinlich ganz anders kennen, nämlich als "Unsere Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" oder "Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen", ausgeführt:»Bereits vor 90 Jahren war das Lied von Omas kleinem Häuschen in aller Munde. Warum spukt es noch immer in unseren Köpfen? Weil die Blöden einfach nicht alle werden.«
Na ja, wenn das so ist. Lustig finde ich es jedenfalls so gar nicht...

Mir flacht das anfängliche Niveau stetig ab, das Feuer erlischt zusehends. Da kann auch die sicher gut gedachte Version von Trios "ANNA, lass mich rein, lass mich raus" keinen Treffer landen, der kühle Witz des Originals wird nicht annähernd touchiert.

Das letzte Stück beginnt eher ungewöhnlich, die Band rockt, die Gitarre fetzt, bis man schließlich in das bekannte Muster einstimmt. Wie gesagt, angesichts wirklicher 'Polkasubstanz' verliert sich der Gag schnell, etwas mehr Ska-Ausrichtung hätte dem Ganzen vielleicht noch mehr Harmonie und Feeling gegeben.

So bleibt es beim schnell verpuffenden Witz, doch für entsprechende Feten und für ein eingestimmtes Livepublikum mit Sicherheit die Erfüllung, ich gönne es ihnen allen.

Klar doch, dass noch ein 'Hidden Track' folgen muss! Noch einmal, nach einer kurzen Pause - Polka, die aber einen schnellen Tod stirbt.

Offensichtlich sind die Musiker Whisky-Liebhaber oder ist es 'Product Placement'?
Man kann eine Flasche Talisker Malt Whisky im Booklet erkennen. Prost, Leute, ein feines Getränk! Aber geht das mit Polka?

Die Polkagang:


Andreas Wieczorek (lead vocals, saxophone, ukulele, jew's harp)
Andreas Hillmann (trumpet, steel drum, vocals)
Oliver Oltersdorf (saxophones, clarinet, vocals)
Iven Hausmann (trombone, banjo, vocals)
Christoph Frenz (double bass, bass guitar, vocals)
Mario Ferraro (guitars, lapsteel, pedal steel, ukulele, vocals)
Jo Meyer (accordion, jew's harp, vocals)
Thomas Depkat (drums)
Sebastian Merk (special guest) (percussion)

Die Titel:


01:VIPs (3:44)
02:Hans bleib da (3:11)
03:S.C.H.E.I.D.U.N.G. (3:32)
04:Polkaface (3:28)
05:Ich kann dich nicht mehr leiden(3:12)
06:Weißes Brot (3:10)
07:Hypothekenpolka (3:12)
08:Dumm gelaufen (3:54)
09:Heut' Nacht (Küss mich Polka) (3:50)
10:ANNA (Lass mich rein lass mich raus) (2:42)
11:Spare Ribs (3:38)
12:Aber manchmal (3:08)
13:Tritsch-Tratsch Polka (op.214) (3:26)


http://www.polkaholix.com/

Wolfgang
freaksound
Toningenieur
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: Oberbayern
Alter: 59
Beiträge: 5140
Dabei seit: 05 / 2006
Betreff:

Re: Polkaholix – Polkaface

 · 
Gepostet: 19.07.2010 - 11:05 Uhr  ·  #2
ein Freund hatte mit mal ein par Lieder vorgespielt - ging mir ähnlich wie dir.

Witzige Idee, welche sich wegen mangelnder Abwechslung und zu bemühter Witzigkeit schnell totläuft.
Gewählte Zitate für Mehrfachzitierung:   0

Registrierte in diesem Topic

Aktuell kein registrierter in diesem Bereich

Die Statistik zeigt, wer in den letzten 5 Minuten online war. Erneuerung alle 90 Sekunden.