Jasper – Ohrenpost

ut M (aus Emden)

 
firebyrd
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Jasper – Ohrenpost

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Gepostet: 28.04.2010 - 08:02 Uhr  ·  #1
Jasper – Ohrenpost

Na, welche Lücke soll denn hier geschlossen werden? So oder ähnlich dachte ich nach dem ersten Hördurchlauf.
Denn diese Töne haben mich doch sehr an Klänge vergangener Tage erinnert, an Musik von Musikern wie Mario Hene oder sogar ein wenig an Reinhard Mey.

Ganz besonders atmet das Album für mich gelegentlich die Stimmung von Sascha Gutzeit , dem leider nicht so bekannt gewordenen Liedermacher aus Wuppertal. Doch Gutzeit hat für mich mehr Pep, Lebensweisheit, Lyrik und feine Beobachtungen in seinen Texten.

Eigentlich müsste ich nun, bedingt dadurch, dass Jasper fast ein Landsmann von mir ist, lebt er doch im nahe gelegenen Emden, nur etwas Positives schreiben, doch will ich lieber aufrichtig sein.

"Neidlos", das war der erste Streich, aus 2009, und nun gibt es Post, "Ohrenpost". Bekannt machte sich Jasper März dadurch, so liest man in der Pressemitteilung, dass er »mit acht Millionen Klicks bei YouTube und 28.000 Kommentaren zu seinen Songs eine neue Singer/Songwriter-Lust in der Online-Welt angestiftet hat.«. Seine Texte sind 'deftig, direkt und geradeaus', z. B. »Krieg doch mal den Arsch hoch!«, gleich im Auftaktsong "So Lala".

»Klipp, klapp - mit dem Klapprad ab durch die Stadt« oder »Butterkekse futternde Gestalten halten Drachen in den Wind«, so im nächsten Song "Unser Sommer", nur - was will Jasper uns damit sagen?
Vielleicht bin ich zu alt, um das eine oder andere in der Welt eines 23-Jährigen nachvollziehen zu können, denn um jugendliche Probleme scheint es sich wohl weitestgehend vorrangig zu handeln, das ist ja auch okay so.

Nun denn, die Texte sind halt flapsig, »Sommer, Sommer, sommer ma' losgehen, bis Du dabei?« ist ein typisches Beispiel dafür. So denke ich ab und zu, dass der Zeitgeist gar nicht mal so schlecht getroffen ist, gelegentlich sind die Wortspiele ja auch ganz lustig und leicht augenzwinkernd geraten.

Im Begleitmaterial zu dieser Platte sind auch des Sängers Gedanken zu den einzelnen Titeln dargestellt und helfen mir bei der Beurteilung.
So erfahre ich, dass er hierbei auch Szenen des eigenen Lebens, eigene Angewohnheiten und Marotten darstellt und diese auch einmal auf die Schippe zu nehmen scheint. Aber nicht nur Lebensfreude und 'Friede, Freude, Eierkuchen', sondern auch Nachdenkliches finden wir und zwar sehr extrem auf "Hätte ich".
In diesem Song, den der junge Sänger bereits im Alter von 16 Jahren schrieb, thematisiert er den schmerzlichen Verlust eines nahe stehenden Menschen und wirft die Frage auf, wie man den Tod hätte verhindern können. Um die Intensität noch konzentrierter darstellen zu können, ist das eine reine Gitarren/Gesangs-Nummer. Ein wirklich guter Song, in dem das Thema gut angegangen wurde, gesanglich für mich der Höhepunkt der Platte. Hier paaren sich Eleganz, Dramatik und Ausdruck auf einem tragischen Terrain.

Weitere persönliche Lieblingstitel sind "Immer noch hier", in dem sich Text und Musik als Einheit verstehen und eine Intensität im Ausdruck verbreiten, wie ich sie mir öfter gewünscht hätte.
Darüber hinaus hat das, was im Verlauf des Titels geschieht, den gewissen Kick und besticht durch seine Individualität.

Auch "Lautlos" ist ein Stück, das mich berührt. Hier ist die Stimmung sehr gut eingefangen und interpretiert, ebenso auf "Noch nicht müde".
Jaspers persönliches Lieblingslied ist "Letzter Tag am Strand", weil der Song durch seine Leichtigkeit besticht und eine innere Ruhe ausstrahlt, die den Zuhörer abholen soll.
Sorry, Jasper, mich hast Du hier nicht abgeholt, auch eine innere Ruhe und Leichtigkeit empfinde ich nicht. Dazu ist das grundsätzlich sehr schöne Thema mit dem Ende eines Urlaubs und einer damit verbundenen 'Saisonuntergangsstimmung' für mich nicht getroffen.
Es fehlt mir die gesanglich notwendige Melancholie, hier ist mir der 'Fast-Schon-Sprechgesang' im Weg. Vielleicht sollte man diesen Song noch einmal aufnehmen???

Gelegentlicher Schwachpunkt ist aus meiner Sicht der Gesang, bei dem eine klare Entscheidung zwischen emotionsgeladenen Vocals und ausdruckslosen Sprechtönen oft nicht getroffen wird.
Außerdem sollten die Texte etwas fließender vorgetragen werden. Mir klingt das alles manchmal zu 'hackig', und dadurch gerät so mancher Song zu einem ausdruckslosen und steifen Vortrag. Nun gut, es ist auch nicht einfach, die deutsche Sprache in fließenden Gesang umzusetzen, doch, wenn das schon nicht im Einzelfall geht, sollte man mehr Druck auf die Worte setzen.
Hier werden die Texte oft Spielball der gesanglichen Ausgestaltung und das finde ich schade.
Diese Eigenart weisen viele Stücke von Reinhard Mey ebenfalls auf, doch mit seinem Ausdruck, seine Texte als Chansons darzustellen, bildete er eine bessere Einheit als es auf dieser Platte musikalisch geboten wird.
Hier passt das oft nicht. Ganz besonders auffällig ist das bei dem Song "Wie immer", wo Gesang und Musik absolut keine Einheit bilden. Beides läuft total nebeneinander ab, jedenfalls empfinde ich das so.
Bei einigen Titeln harmonieren Sänger und Band nicht unbedingt in vollem Umfang. Am Gelungensten halte ich daher jene Titel, wo die Instrumentierung sehr spartanisch gehalten wird. Da passt es dann wunderbar. Bei "Gewittertierchen" kommt mir noch einmal Reinhard Mey in den Sinn, denn dieser Titel hätte auch ohne weiteres von ihm komponiert und vorgetragen sein können.

Für alle, die Songs in deutscher Sprache zugetan sind, ist Jasper eine gute Alternative zu rockenden Bands.
Hier ist ein Musiker auf dem besten Weg, seine persönlichen Alltagsbeobachtungen und Empfindungen musikalisch umzusetzen.
Die Direktheit und Unkompliziertheit in den Texten sollte so bleiben, doch mehr Tiefe und Emotion, mehr Leidenschaft müsste noch in die Songs, dann wird Jasper sicherlich schnell ein Begriff in der deutschen Szene.
Grundsätzlich und objektiv gesehen ist er schon jetzt eine positive Erscheinung in dieser Musiklandschaft.
Aber noch fehlt mir das 'Tüpfelchen auf dem i'!

Die Musiker:

Jasper März (Gesang, Gitarre)
Detlef Wiedeke (Bass, Gitarre)
Nick Oosterhuis (Wurlitzer Piano, Gitarre)
Andreas Bohnenkamp (Drums, Percussion)
Uli Kringler (Banjo - #2)

Die Titel:

01:So Lala (3:30)
02:Unser Sommer (3:33)
03:Jenny (3:32)
04:Immer noch hier (3:39)
05:Letzter Tag am Strand (2:26)
06:Hätte ich (5:00)
07:Wann (3:48)
08:Ich schlaf erst ein (2:30)
09:Wie immer (3:05)
10:Gewittertierchen (2:35)
11:Lautlos (2:51)
12:Noch nicht müde (3:30)
13:Dörte D. (live) (5:08)


website:

http://www.jaspermusik.de/


Wolfgang
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