- entschuldigung für den langen artikel, aber kürzer krieg ichs nicht hin-
das die Rolling Stones schon lange zu den bands gehören, die man bei
musikdiskussionen nicht mehr erwähnt, verwundert mich sehr.
denn ich rede nicht über eine gruppe von 70-jährigen, die sich
auf 100m breiten bühnen verlieren; mit 2 keyboardern, 5 bläsern
und 10 backup-sängerinnen und deren lps aus der schublade
'alles 1000mal dagewesen' stammen.
es geht dabei nicht um die einschätzungen durch junge fenten, die
vielleicht glauben, die erste lp der Stones wären Undercover
oder Bridges To Babylon gewesen;
nee, es sind vielmehr die veteranen, jene, die ab mitte der 60er mit den
Stones aufwuchsen und die scheinbar vergessen haben, wieviel wirklich
hervorragenden rock'n'roll diese band in den ersten 15 jahren ablieferte.
für mich war es die allererste lieblingsband, im grunde genommen
war es sogar nur eine von zwei bands, die ich kannte.
als sie im februar 1965 The Last Time rausbrachten, hörte ich es
auf einem kleinen transistorradio abends nach dem zubettgehen
und obwohl ich das im alter von 10 1/2 nicht begreifen konnte, war
es für mich tatsächlich das letzte mal, daß ich auf einem radio
etwas anderes zuließ, als satten rock'n'roll.
mir wurde erst jahre später klar, daß ich schon länger nach einer
für mich kompatiblen mucke gesucht hatte und obwohl ich die
Beatles schon kannte, sprang erst bei den Stones der funke über
(ich will hier keine diskussion Beatles v. Stones starten, ich mag
beide).
da gabs harten, rhythmischen rock, dargebracht mit schnoddriger
lässigkeit und rebellischem kopfschütteln, rauh und ungehobelt.
Das Mick nicht wirklich singen konnte, hat keiner von uns je so
richtig wahrgenommen. darauf legten wir absolut keinen wert;
brachte er doch dafür eine magie rüber, die völlig neu und anders
war, als alles, was wir kannten.
sowas hatte niemand von uns je zuvor erlebt, das elektrisierte
so ziemlich jeden jugendlichen, der sich irgendwas aus den
klängen dieser neuen beatwelle machte.
über die Stones mosern, daß taten die alten, vielleicht tatens auch
angepaßte muttersöhnchen aus spießerfamilien; mit denen hatte
man eh nix zu tun; aber ansonsten kann ich mich nicht an jungs
erinnern, die über die Stones stänkerten.
spielten sie doch haargenau die klänge, die man hören wollte,
nur, und das ist das frappierende, wir selbst wußten ja garnicht,
was das war; was wir wollten. Keith, Mick und die anderen haben
einfach instinktiv die richtige musik für uns gemacht.
in den nächsten 3-4 jahren folgte ein hit auf den anderen, es war
nicht ein stück darunter, das mir nicht gefiel.
Satisfaction, Get Off
Of My Cloud, 19th Nervous Breakdown, Mother's Little Helper,
Paint It Black, Have You Seen Your Mother, We Love You,
Jumping Jack Flash, Street Fighting Man uva.,
das waren in meiner clique die absoluten renner.
ich kaufte jede single, für die lps fehlte lange das taschengeld,
und trotzdem:
ich kannte fast jedes stück der ersten 7-8 lps, denn irgend ein kumpel
hatte diese, ein anderer jene, und die wurden abgedudelt, bis wir
auch das letzte riff auswendig konnten.
Die Stones zu mögen brachte dir damals auch die Sympathie jener
etwas älteren jungs ein, die dich vorher noch für einen kleinen
rotzlöffel hielten. sie waren jetzt manchmal sogar bereit, sich mit dir über
musik zu unterhalten oder dir gar eine Stones-lp zum aufnehmen zu
leihen. Eine band, die uns zusammenführte.
Mit ging es hauptsächlich um die musik, die skandale interessierten
mich weniger.
Mick, Keith und Brian mit Drogen..., was wußte ich als 13-jähriger schon
von drogen.
Nackte Mädchen bei den Stones aufgefunden; das fand ich immerhin noch
interessant;
Keith und Mick hinter gittern, für mich waren es trotzdem keine
kriminellen, aber der daraufhin veröffentlichte anti-obrigkeitssong
We Love Youmachte mich fast verrückt, so sehr fuhr ich drauf ab.
Anita Pallenberg und Marianne Faithful, ich fand sie nett anzuschauen,
aber die lässigen klamotten von Brian und den anderen interessierten
uns mehr (wir mußten noch im anzug zur schule gehen); wir wollten
auch diese karrierten hosen und Beatle-Boots (das die dinger auch
ausgerechnet Beatle-Boots heißen mußten).
Auf den frühen lps coverten sie eine Menge schwarzer helden;
Chuck Berry, Howlin' Wolf, Jimmy Reed, Willie Dixon, aber weder
ich noch irgend einer meiner freunde hatte damals die geringste
kenntnis von den originatoren; für uns waren das alles Stones-
nummern, wir hätten uns nicht vorstellen können, daß ein musiker
nicht seine eigenen stücke spielt.
aber es waren die lehrjahre des rock; es wäre damals ohne
coverversionen nicht gegangen. und es dauerte auch nur sehr kurze zeit,
bis Nanker/Phelge, bzw. Jagger/Richards unter den titeln stand.
(übrigens: natürlich hat auch ein Chuck Berry sich durch irgendwen
inspirieren lassen).
Das eigene ideen vorhanden waren und es an innovationen nicht
fehlte, daß bewiesen sie in den nachfolgenden jahren doch zur
genüge. nehmen wir nur mal Aftermath, auf der sie bereits 1966
einen 11-minütigen jam hinlegten (Goin' Home), wie ihn zu diesem
zeitpunkt selbst die Grateful Dead noch nicht brachten.
nehmen wir mal 2000 Light Years From Home, das vermutlich
erste stück psychedelischen spacerocks überhaupt (macht micht heute
noch ganz kirre).
Mit Beggar's Banquet legten sie eine fast akkustisch anmutendes
werk vor; rural rock sollte man diesen stil später nennen. es war die
erste lp, die ich mir sofort bei veröffentlichung leisten konnte und nach
Aftermath die 2., auf der mich jedes stück vom hocker haute.
10 volltreffer auf einer lp, wo gibts das sonst.
und wenn Mick Jagger an ende von Dear Doctor 'tears of relief'
heulte, weil ihm die heirat mit einer fetten sau erspart blieb,
dann heulte ich mit und freute mich mit.
Als Brian starb, waren wir alle sehr geschockt, aber im grunde
verstanden wir die umstände nicht. es gab zu viele verschiedene
versionen der geschichte und was hinter den kulissen abgelaufen
war, wird uns für immer verborgen bleiben.
Aber plötzlich war dieser neue strahlende junge gott Mick Taylor an bord;
Mick J. ließ ein paar hundert tauben fliegen und dann kam die nächste
granate: Honky Tonk Women. dieses riff traf mich ins mark und der
text ist mir seit damals nicht mehr aus dem kopf gegangen; alles genau
auf jede faser meines körpers zugeschnitten.
schließlich spielten sie es noch als country rock-version ein
(Country Honk); schon diese honkende autohupe zu beginn des
stückes ist ein geniestreich.
aber es kamen immer noch bessere sachen nach.
plötzlich war da dieses unglaubliche gezupfte intro, bald gefolgt von einer
slide, die wohl nur Ry Cooder gespielt haben kann (ich weiß es bis heute
nicht ganz genau) und einer wunderschön heulenden harmonika:
Gimme Shelter.
nochmal einen zacken mehr, nochmal eine steigerung;
ja wie ist das überhaupt möglich?.
in meiner clique gab es niemanden, der die dazugehörende
Let It Bleed nicht pausenlos durchorgelte.
kann man sich das heute noch vorstellen, eine welt voller musikalischer
harmonie, in der eine ganze bande halbverrückter typen sich über eine
sache einig waren: es mußte Let it Bleed gespielt werden.
es war die zeit von Altamont, aber wieder mal haben die meisten von uns
nicht so ganz genau verstanden, was abgelaufen war.
Den dazugehörenden film sahen wir erst jahre später, als alles längst vorbei war;
da wird zum ersten male eine band gezeigt, die überhaupt nicht mehr
herr der lage ist und die keinesfalls kraft hat, massen zu kontrollieren.
sieht man Mick mit seinem cape vor den Hells Angels auf der bühne
herumtänzeln, dann sieht man ein angstbebendes bündel, ein 'hemd', wie
wir damals sagten.
neben Grace Slick, die immerhin versucht hat, die prügeleien
zu stoppen, wirkt unser Mick recht schwach auf der brust.
worte ja, taten nein.
aber wie gesagt, daß wußten wir damals noch lange nicht, das tat der
achtung vor der band noch keinen abbruch.
und musikalisch imponierten uns die Stones noch viele weitere jahre..
Mit Get Yer Ya-Ya's Out hauten sie eine live-scheibe raus, die uns
einmal mehr suggerierte, die Stones könnte eine angriffsbereite truppe
Angels von der bühne fegen (wie gesagt, wir wußten noch nicht, daß dies
nur wunschdenken war).
es war eine der ersten scheiben, die in unserer stammdisco durchgehend
abgepielt wurde. Zwischen Jumping Jack Flash und Street Fighting
Man wurde die tanzfläche niedergewalzt.
wie wichtig war es für uns, den partien zu zeigen, daß wir absolut voll drauf waren.
Hinterher lehnten wir gegen die wand, schweißtropfend, flasche bier in
der pranke; 'hey Honky Tonk Woman, ich bin der macker, den du suchst'.
Man darf nicht denken, daß wir nicht jede menge anderer bands hörten,
aber auf den parties gab es immer erstmal Stones satt;
das kollektive 'huuuuh' zu Little Queenie war pflicht, auch wenn wir
blödmänner erst jahre später rafften, das Mick mit dieser Queenie eine
schwuchtel besang. sauber reingelegt hatte er uns da wiedermal.
Sticky Fingers und Exile On Main Street zeigten die band
in ihrer steuerflüchtlingsphase; französisches exil, vollgeknallt mit alk und
heroin, aber auch das wurde nicht so publik, wie man es heute weiß;
natürlich hörten wir davon, aber wer wollte einzelheiten wissen. für uns
machten die Stones einfach nur eine geile scheibe nach der anderen.
Goat's Head Soup hatte zunächst nicht die beste presse;
die journalisten erdreisteten sich, etwas vage zu urteilen.
aber wir sahen das anders. meine clique war 1975 auf ihrem absoluten
zenit: wir waren alle zwischen 19 und 21, hatten feste freundinnen,
erste autos, durften machen was wir wollten und hatten langsam auch ein
bißchen geld in den fingern. wenn wir jetzt feierten, ging die post aber
richtig ab und wieder mal wurde eine Stones-platte von a bis z
durchgeorgelt. jungs und mädels gemeinsam, so hauchten wir unser
Angie raus und brüllten uns ein Starfucker zu. Wir
gingen 'Dancing With Mr. D' und nannten uns gegenseitig 'Doo Doo Doo
Doo Doo Heartbreaker'. Noch nie zuvor hatten wir das leben so genossen.
Wir hatten nur noch eine platte zusammen; It's Only Rock'nRoll
war der letzte höhepunkt für die bald sterbende gang,
Nochmal packten wir die tanzfläche in unserer disco voll.
es gab da noch eine andere gang, etwas älter als wir, aber wir waren
befreundet und gemeinsam forderten wir den d.j. auf, die lp ganz
durchlaufen zu lassen; und der d.j. war auch ein kumpel, er tat uns den
gefallen, ging ein bier trinken und mit mädels schäkern, während wir das
nun fast letzte 'It's Only Rock'n'Roll' aus uns herauspreßten.
Ein jahr später war die clique kaputt. einige studierten in fremden städten
um nie zurückzukehren. andere kriegten von ihren freundinnen
hausarrest; es waren die selben mädchen, die jahrelang mitgerockt
hatten; plötzlich hieß es: aus mit rock'n'roll; stattdessen sparen für die
aussteuer.
die jungs wolllten ganz plötzlich handwerksmeister, diplomingenieur
oder rechtsanwalt werden. wollten erwachsen und ernsthaft sein.
ich hätte am liebsten mit einer maschinenpistole reingeschossen,
besaß aber keine. ich war ziemlich fertig und schon auf dem weg nach
dublin (diesmal endgültig, ich werd nie, nie wiederkommen, und wenn
ihr noch so bettelt, ihr verräter...).
natürlich, es hat keiner gebettelt und daß irgedwann Black And Blue
rauskam, war mir ziemlich egal. wollt ich erst garnicht haben. warum
sollte ich mir das noch antun. White Boy Reggae (Hey Negrita), ich hab
mich erst langsam dran gewöhnen müssen.
auch hatte ich längst den Altamont-film gesehen, hatte begriffen,
daß Mick kein linker sozialrevolutionär, sondern ein eiskalter
geschäftsmann war und Keith ein haltloser junkie, hatte begriffen,
daß diese band mich weder retten konnte, noch wollte.
irgendwann verfliegen die heilewelt-träume der jugend eben.
es waren sicherlich nicht mehr die Stones meiner jugendtage, aber
irgendwie gefiel mir Black & Blue doch noch.
meine neue dubliner gang zeigte nicht mehr diese begeisterung für Mick
und Keith und Frau Badger fuhr auch nicht drauf ab.
Von jetzt ab waren es wirklich nur noch MEINE Stones und nicht
mehr die band aller meiner freunde.
nicht mehr meine alleinige lieblingsband, da waren längst die
Allmans, Dead, Doors, Airplane usw., aber sie waren immer noch meine
jungs.
Und sie schafften es tatsächlich, noch einmal voll aufzutrumpfen.
Mit Some Girls brachten sie mich tatsächlich ans schwitzen,
ganz wie in alten tagen.
es waren die tage des punk; gings du durch die stadt, dann klangen dir
aus den Boutiquen und Plattenläden die Pistols, Jam und Clash
(die letzteren waren ja schon als die neuen Stones deklariert worden)
entgegen. aber dazwischen mischten sich Miss You, Beast Of Burden,
Far Away Eyes, und natürlich,
Some Girls (Wanna Get Fucked All Night).
wie wahr, wie wahr.
Frau Badger runzelte die stirn; es würde sicher nicht dazu kommen, daß
wir auf diese titel mit der dubliner gang so abrocken würden, wie mit der
alten clique.
jetzt wurde die lp nach ein, zwei stücken runtergenommen.
(okay, ich freute mich ja auch, wenn stattdessen die Clash liefen).
Tattoo You war recht nett, kam aber an Some Girls nicht heran.
Und dann folgte Undercover; ich legte die scheibe auf und war entsetzt!
Disco-gewichse; mit diesem idiotenbeat, der in den 80ern plötzlich so
omnipresent wurde; eins-paff; zwei-paff.
e-kel-haft! nicht auszuhalten!
das war das ende.
eine neue studio-lp hab ich nie mehr gekauft und von keiner der
folgenden platten je mehr als 3-4 stücke gehört. es warvorbei;
die kinder bleiben bei mama; papa zieht aus und zahlt,
feierabend!
nein, nicht ganz feierabend. die Stones sind tot, es leben die Stones.
meine alten Stones. und die habe ich seit jener katastrophalen
Undercover immer weiter komplettiert;
live-scheiben, outtakes, studiojams, archivmaterial; man muß es nicht
unbedingt haben, aber für den fan sind perlen darunter.
die alten lps laufen immer noch, besonders auf ultralangen urlaubsfahrten.
Mick ist mir schon lange egal und Keith..., ich weiß nicht, warum er all
diese drogenexzesse überlebt. Brian und Mick Taylor waren mir wichtig,
Ron Wood hab ich kaum noch wahrgenommen. Charlie war ein guter
drummer (wenn er wollte) und Bill..., seine stärkste leistung war wohl,
daß er eine 13-jährige genagelt hat und damit durchkam..
trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ich werd nie diskutieren mit
leuten, die 10, 20, 30 jahre zu spät auf die welt kamen und
herumstänkern, weil sie nicht begreifen, wie sehr diese band
unsere vormals mono-tone, schwarz-weiße, trevira-mantel-existenz
mit ihren adaptionen des rhythm'n'blues bestimmte und veränderte.
ich bin schon lange wieder, wo ich nie mehr sein wollte. auch die
dubliner clique ist kaputtgegangen; vor zwei monaten hat sich mein
zweitbester kumpel freiwillig aus dem leben verabschiedet.
Nie mehr 'Faraway Eyes', nie mehr 'Some Girls Want To Get Fucked
All Night'.
Von den älteren jungs, die uns einst zum Stones-hören ermutigten,
oder von meiner allerersten clique habe ich nie wieder jemand gesehen.
Deswegen tut's manchmal weh, wenn ich The Last Time auflege.
Es wird aber trotzdem noch lange nicht enden, denn ich höre auch
regelmäßig Not Fade Away. und wißt ihr was; ich hör das stück von
den Dead, die es sehr superp covern und mir zu verstehen geben, daß
von den Stones zu den Dead und von da zur nächsten gruppe, es immer
irgendwie weitergehen wird;
Not Fade Away; nichts wird verblassen!
das die Rolling Stones schon lange zu den bands gehören, die man bei
musikdiskussionen nicht mehr erwähnt, verwundert mich sehr.
denn ich rede nicht über eine gruppe von 70-jährigen, die sich
auf 100m breiten bühnen verlieren; mit 2 keyboardern, 5 bläsern
und 10 backup-sängerinnen und deren lps aus der schublade
'alles 1000mal dagewesen' stammen.
es geht dabei nicht um die einschätzungen durch junge fenten, die
vielleicht glauben, die erste lp der Stones wären Undercover
oder Bridges To Babylon gewesen;
nee, es sind vielmehr die veteranen, jene, die ab mitte der 60er mit den
Stones aufwuchsen und die scheinbar vergessen haben, wieviel wirklich
hervorragenden rock'n'roll diese band in den ersten 15 jahren ablieferte.
für mich war es die allererste lieblingsband, im grunde genommen
war es sogar nur eine von zwei bands, die ich kannte.
als sie im februar 1965 The Last Time rausbrachten, hörte ich es
auf einem kleinen transistorradio abends nach dem zubettgehen
und obwohl ich das im alter von 10 1/2 nicht begreifen konnte, war
es für mich tatsächlich das letzte mal, daß ich auf einem radio
etwas anderes zuließ, als satten rock'n'roll.
mir wurde erst jahre später klar, daß ich schon länger nach einer
für mich kompatiblen mucke gesucht hatte und obwohl ich die
Beatles schon kannte, sprang erst bei den Stones der funke über
(ich will hier keine diskussion Beatles v. Stones starten, ich mag
beide).
da gabs harten, rhythmischen rock, dargebracht mit schnoddriger
lässigkeit und rebellischem kopfschütteln, rauh und ungehobelt.
Das Mick nicht wirklich singen konnte, hat keiner von uns je so
richtig wahrgenommen. darauf legten wir absolut keinen wert;
brachte er doch dafür eine magie rüber, die völlig neu und anders
war, als alles, was wir kannten.
sowas hatte niemand von uns je zuvor erlebt, das elektrisierte
so ziemlich jeden jugendlichen, der sich irgendwas aus den
klängen dieser neuen beatwelle machte.
über die Stones mosern, daß taten die alten, vielleicht tatens auch
angepaßte muttersöhnchen aus spießerfamilien; mit denen hatte
man eh nix zu tun; aber ansonsten kann ich mich nicht an jungs
erinnern, die über die Stones stänkerten.
spielten sie doch haargenau die klänge, die man hören wollte,
nur, und das ist das frappierende, wir selbst wußten ja garnicht,
was das war; was wir wollten. Keith, Mick und die anderen haben
einfach instinktiv die richtige musik für uns gemacht.
in den nächsten 3-4 jahren folgte ein hit auf den anderen, es war
nicht ein stück darunter, das mir nicht gefiel.
Satisfaction, Get Off
Of My Cloud, 19th Nervous Breakdown, Mother's Little Helper,
Paint It Black, Have You Seen Your Mother, We Love You,
Jumping Jack Flash, Street Fighting Man uva.,
das waren in meiner clique die absoluten renner.
ich kaufte jede single, für die lps fehlte lange das taschengeld,
und trotzdem:
ich kannte fast jedes stück der ersten 7-8 lps, denn irgend ein kumpel
hatte diese, ein anderer jene, und die wurden abgedudelt, bis wir
auch das letzte riff auswendig konnten.
Die Stones zu mögen brachte dir damals auch die Sympathie jener
etwas älteren jungs ein, die dich vorher noch für einen kleinen
rotzlöffel hielten. sie waren jetzt manchmal sogar bereit, sich mit dir über
musik zu unterhalten oder dir gar eine Stones-lp zum aufnehmen zu
leihen. Eine band, die uns zusammenführte.
Mit ging es hauptsächlich um die musik, die skandale interessierten
mich weniger.
Mick, Keith und Brian mit Drogen..., was wußte ich als 13-jähriger schon
von drogen.
Nackte Mädchen bei den Stones aufgefunden; das fand ich immerhin noch
interessant;
Keith und Mick hinter gittern, für mich waren es trotzdem keine
kriminellen, aber der daraufhin veröffentlichte anti-obrigkeitssong
We Love Youmachte mich fast verrückt, so sehr fuhr ich drauf ab.
Anita Pallenberg und Marianne Faithful, ich fand sie nett anzuschauen,
aber die lässigen klamotten von Brian und den anderen interessierten
uns mehr (wir mußten noch im anzug zur schule gehen); wir wollten
auch diese karrierten hosen und Beatle-Boots (das die dinger auch
ausgerechnet Beatle-Boots heißen mußten).
Auf den frühen lps coverten sie eine Menge schwarzer helden;
Chuck Berry, Howlin' Wolf, Jimmy Reed, Willie Dixon, aber weder
ich noch irgend einer meiner freunde hatte damals die geringste
kenntnis von den originatoren; für uns waren das alles Stones-
nummern, wir hätten uns nicht vorstellen können, daß ein musiker
nicht seine eigenen stücke spielt.
aber es waren die lehrjahre des rock; es wäre damals ohne
coverversionen nicht gegangen. und es dauerte auch nur sehr kurze zeit,
bis Nanker/Phelge, bzw. Jagger/Richards unter den titeln stand.
(übrigens: natürlich hat auch ein Chuck Berry sich durch irgendwen
inspirieren lassen).
Das eigene ideen vorhanden waren und es an innovationen nicht
fehlte, daß bewiesen sie in den nachfolgenden jahren doch zur
genüge. nehmen wir nur mal Aftermath, auf der sie bereits 1966
einen 11-minütigen jam hinlegten (Goin' Home), wie ihn zu diesem
zeitpunkt selbst die Grateful Dead noch nicht brachten.
nehmen wir mal 2000 Light Years From Home, das vermutlich
erste stück psychedelischen spacerocks überhaupt (macht micht heute
noch ganz kirre).
Mit Beggar's Banquet legten sie eine fast akkustisch anmutendes
werk vor; rural rock sollte man diesen stil später nennen. es war die
erste lp, die ich mir sofort bei veröffentlichung leisten konnte und nach
Aftermath die 2., auf der mich jedes stück vom hocker haute.
10 volltreffer auf einer lp, wo gibts das sonst.
und wenn Mick Jagger an ende von Dear Doctor 'tears of relief'
heulte, weil ihm die heirat mit einer fetten sau erspart blieb,
dann heulte ich mit und freute mich mit.
Als Brian starb, waren wir alle sehr geschockt, aber im grunde
verstanden wir die umstände nicht. es gab zu viele verschiedene
versionen der geschichte und was hinter den kulissen abgelaufen
war, wird uns für immer verborgen bleiben.
Aber plötzlich war dieser neue strahlende junge gott Mick Taylor an bord;
Mick J. ließ ein paar hundert tauben fliegen und dann kam die nächste
granate: Honky Tonk Women. dieses riff traf mich ins mark und der
text ist mir seit damals nicht mehr aus dem kopf gegangen; alles genau
auf jede faser meines körpers zugeschnitten.
schließlich spielten sie es noch als country rock-version ein
(Country Honk); schon diese honkende autohupe zu beginn des
stückes ist ein geniestreich.
aber es kamen immer noch bessere sachen nach.
plötzlich war da dieses unglaubliche gezupfte intro, bald gefolgt von einer
slide, die wohl nur Ry Cooder gespielt haben kann (ich weiß es bis heute
nicht ganz genau) und einer wunderschön heulenden harmonika:
Gimme Shelter.
nochmal einen zacken mehr, nochmal eine steigerung;
ja wie ist das überhaupt möglich?.
in meiner clique gab es niemanden, der die dazugehörende
Let It Bleed nicht pausenlos durchorgelte.
kann man sich das heute noch vorstellen, eine welt voller musikalischer
harmonie, in der eine ganze bande halbverrückter typen sich über eine
sache einig waren: es mußte Let it Bleed gespielt werden.
es war die zeit von Altamont, aber wieder mal haben die meisten von uns
nicht so ganz genau verstanden, was abgelaufen war.
Den dazugehörenden film sahen wir erst jahre später, als alles längst vorbei war;
da wird zum ersten male eine band gezeigt, die überhaupt nicht mehr
herr der lage ist und die keinesfalls kraft hat, massen zu kontrollieren.
sieht man Mick mit seinem cape vor den Hells Angels auf der bühne
herumtänzeln, dann sieht man ein angstbebendes bündel, ein 'hemd', wie
wir damals sagten.
neben Grace Slick, die immerhin versucht hat, die prügeleien
zu stoppen, wirkt unser Mick recht schwach auf der brust.
worte ja, taten nein.
aber wie gesagt, daß wußten wir damals noch lange nicht, das tat der
achtung vor der band noch keinen abbruch.
und musikalisch imponierten uns die Stones noch viele weitere jahre..
Mit Get Yer Ya-Ya's Out hauten sie eine live-scheibe raus, die uns
einmal mehr suggerierte, die Stones könnte eine angriffsbereite truppe
Angels von der bühne fegen (wie gesagt, wir wußten noch nicht, daß dies
nur wunschdenken war).
es war eine der ersten scheiben, die in unserer stammdisco durchgehend
abgepielt wurde. Zwischen Jumping Jack Flash und Street Fighting
Man wurde die tanzfläche niedergewalzt.
wie wichtig war es für uns, den partien zu zeigen, daß wir absolut voll drauf waren.
Hinterher lehnten wir gegen die wand, schweißtropfend, flasche bier in
der pranke; 'hey Honky Tonk Woman, ich bin der macker, den du suchst'.
Man darf nicht denken, daß wir nicht jede menge anderer bands hörten,
aber auf den parties gab es immer erstmal Stones satt;
das kollektive 'huuuuh' zu Little Queenie war pflicht, auch wenn wir
blödmänner erst jahre später rafften, das Mick mit dieser Queenie eine
schwuchtel besang. sauber reingelegt hatte er uns da wiedermal.
Sticky Fingers und Exile On Main Street zeigten die band
in ihrer steuerflüchtlingsphase; französisches exil, vollgeknallt mit alk und
heroin, aber auch das wurde nicht so publik, wie man es heute weiß;
natürlich hörten wir davon, aber wer wollte einzelheiten wissen. für uns
machten die Stones einfach nur eine geile scheibe nach der anderen.
Goat's Head Soup hatte zunächst nicht die beste presse;
die journalisten erdreisteten sich, etwas vage zu urteilen.
aber wir sahen das anders. meine clique war 1975 auf ihrem absoluten
zenit: wir waren alle zwischen 19 und 21, hatten feste freundinnen,
erste autos, durften machen was wir wollten und hatten langsam auch ein
bißchen geld in den fingern. wenn wir jetzt feierten, ging die post aber
richtig ab und wieder mal wurde eine Stones-platte von a bis z
durchgeorgelt. jungs und mädels gemeinsam, so hauchten wir unser
Angie raus und brüllten uns ein Starfucker zu. Wir
gingen 'Dancing With Mr. D' und nannten uns gegenseitig 'Doo Doo Doo
Doo Doo Heartbreaker'. Noch nie zuvor hatten wir das leben so genossen.
Wir hatten nur noch eine platte zusammen; It's Only Rock'nRoll
war der letzte höhepunkt für die bald sterbende gang,
Nochmal packten wir die tanzfläche in unserer disco voll.
es gab da noch eine andere gang, etwas älter als wir, aber wir waren
befreundet und gemeinsam forderten wir den d.j. auf, die lp ganz
durchlaufen zu lassen; und der d.j. war auch ein kumpel, er tat uns den
gefallen, ging ein bier trinken und mit mädels schäkern, während wir das
nun fast letzte 'It's Only Rock'n'Roll' aus uns herauspreßten.
Ein jahr später war die clique kaputt. einige studierten in fremden städten
um nie zurückzukehren. andere kriegten von ihren freundinnen
hausarrest; es waren die selben mädchen, die jahrelang mitgerockt
hatten; plötzlich hieß es: aus mit rock'n'roll; stattdessen sparen für die
aussteuer.
die jungs wolllten ganz plötzlich handwerksmeister, diplomingenieur
oder rechtsanwalt werden. wollten erwachsen und ernsthaft sein.
ich hätte am liebsten mit einer maschinenpistole reingeschossen,
besaß aber keine. ich war ziemlich fertig und schon auf dem weg nach
dublin (diesmal endgültig, ich werd nie, nie wiederkommen, und wenn
ihr noch so bettelt, ihr verräter...).
natürlich, es hat keiner gebettelt und daß irgedwann Black And Blue
rauskam, war mir ziemlich egal. wollt ich erst garnicht haben. warum
sollte ich mir das noch antun. White Boy Reggae (Hey Negrita), ich hab
mich erst langsam dran gewöhnen müssen.
auch hatte ich längst den Altamont-film gesehen, hatte begriffen,
daß Mick kein linker sozialrevolutionär, sondern ein eiskalter
geschäftsmann war und Keith ein haltloser junkie, hatte begriffen,
daß diese band mich weder retten konnte, noch wollte.
irgendwann verfliegen die heilewelt-träume der jugend eben.
es waren sicherlich nicht mehr die Stones meiner jugendtage, aber
irgendwie gefiel mir Black & Blue doch noch.
meine neue dubliner gang zeigte nicht mehr diese begeisterung für Mick
und Keith und Frau Badger fuhr auch nicht drauf ab.
Von jetzt ab waren es wirklich nur noch MEINE Stones und nicht
mehr die band aller meiner freunde.
nicht mehr meine alleinige lieblingsband, da waren längst die
Allmans, Dead, Doors, Airplane usw., aber sie waren immer noch meine
jungs.
Und sie schafften es tatsächlich, noch einmal voll aufzutrumpfen.
Mit Some Girls brachten sie mich tatsächlich ans schwitzen,
ganz wie in alten tagen.
es waren die tage des punk; gings du durch die stadt, dann klangen dir
aus den Boutiquen und Plattenläden die Pistols, Jam und Clash
(die letzteren waren ja schon als die neuen Stones deklariert worden)
entgegen. aber dazwischen mischten sich Miss You, Beast Of Burden,
Far Away Eyes, und natürlich,
Some Girls (Wanna Get Fucked All Night).
wie wahr, wie wahr.
Frau Badger runzelte die stirn; es würde sicher nicht dazu kommen, daß
wir auf diese titel mit der dubliner gang so abrocken würden, wie mit der
alten clique.
jetzt wurde die lp nach ein, zwei stücken runtergenommen.
(okay, ich freute mich ja auch, wenn stattdessen die Clash liefen).
Tattoo You war recht nett, kam aber an Some Girls nicht heran.
Und dann folgte Undercover; ich legte die scheibe auf und war entsetzt!
Disco-gewichse; mit diesem idiotenbeat, der in den 80ern plötzlich so
omnipresent wurde; eins-paff; zwei-paff.
e-kel-haft! nicht auszuhalten!
das war das ende.
eine neue studio-lp hab ich nie mehr gekauft und von keiner der
folgenden platten je mehr als 3-4 stücke gehört. es warvorbei;
die kinder bleiben bei mama; papa zieht aus und zahlt,
feierabend!
nein, nicht ganz feierabend. die Stones sind tot, es leben die Stones.
meine alten Stones. und die habe ich seit jener katastrophalen
Undercover immer weiter komplettiert;
live-scheiben, outtakes, studiojams, archivmaterial; man muß es nicht
unbedingt haben, aber für den fan sind perlen darunter.
die alten lps laufen immer noch, besonders auf ultralangen urlaubsfahrten.
Mick ist mir schon lange egal und Keith..., ich weiß nicht, warum er all
diese drogenexzesse überlebt. Brian und Mick Taylor waren mir wichtig,
Ron Wood hab ich kaum noch wahrgenommen. Charlie war ein guter
drummer (wenn er wollte) und Bill..., seine stärkste leistung war wohl,
daß er eine 13-jährige genagelt hat und damit durchkam..
trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ich werd nie diskutieren mit
leuten, die 10, 20, 30 jahre zu spät auf die welt kamen und
herumstänkern, weil sie nicht begreifen, wie sehr diese band
unsere vormals mono-tone, schwarz-weiße, trevira-mantel-existenz
mit ihren adaptionen des rhythm'n'blues bestimmte und veränderte.
ich bin schon lange wieder, wo ich nie mehr sein wollte. auch die
dubliner clique ist kaputtgegangen; vor zwei monaten hat sich mein
zweitbester kumpel freiwillig aus dem leben verabschiedet.
Nie mehr 'Faraway Eyes', nie mehr 'Some Girls Want To Get Fucked
All Night'.
Von den älteren jungs, die uns einst zum Stones-hören ermutigten,
oder von meiner allerersten clique habe ich nie wieder jemand gesehen.
Deswegen tut's manchmal weh, wenn ich The Last Time auflege.
Es wird aber trotzdem noch lange nicht enden, denn ich höre auch
regelmäßig Not Fade Away. und wißt ihr was; ich hör das stück von
den Dead, die es sehr superp covern und mir zu verstehen geben, daß
von den Stones zu den Dead und von da zur nächsten gruppe, es immer
irgendwie weitergehen wird;
Not Fade Away; nichts wird verblassen!