Pete Sinfield - Stillusion

 
hmc
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Pete Sinfield - Stillusion

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Gepostet: 17.02.2009 - 14:01 Uhr  ·  #1
Pete Sinfield - Stillusion
(1973)
Leidenschaft scheint dieser Mensch als Nahrung zu sich zu nehmen wie andere Menschen die Brötchen zum Frühstück - Peter Sinfield zehrt von den Eindrücken und zarten Beobachtungen der großen weiten Welt um sich, als machten sie es zu seinem Lebenselixier; im Mittelalter hätte man ihm wahrscheinlich einen zu scharfen, stark suggerierenden Blick vorgeworfen und ihn anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt:
Peter Sinfield ist wahrscheinlich aber kein Zauberer, hat ihn nur die Vielfalt dieses Planeten, mit all den Farben und guten wie auch schlechten Seiten des Lebens, zu einem Räuber gemacht, der mit tausend Augen ausgerüstet alles Farbe in sich aufsaugt, um es anschließend in Musik umzuwandeln. Seine Art von Musikverständnis hatten der Band King Crimson Anfang der siebziger Jahre schließlich mit zu weltweitem Ruhm verholfen, bewegte sich dieser Mann doch in ihrer Runde wie ein Adeliger, auch wenn nicht selbst ein Instrument spielend, doch mit kompakten einzigartigen Ideen den Mitgliedern von King Crimson wie ihr persönlicher Inspirator auflauernd.
Leidenschaft war es auch, die den Engländer dazu verleitete einmal selbst ins Studio zu gehen, so um `73, um gar von King Crimson abschweifend eine ganz spezielle Lobhymne an die Musik und an das Leben an sich zu richten.
Also sang Pete Sinfield, sang, obgleich er weder erfahrenen Crimson-Virtuosen wie Greg Lake, Boz Borell, noch einer Bährenwuchtigen Simme wie John Wetton das Wasser reichen konnte, da er eben kein Sänger war - nur ein Poet, ein Dichter, Tagträumer, Visionär - und Komponist, der darüber hinaus auch noch die farbengewaltigen Lightshows auf King Crimson-Konzerten konzipierte.

Auf "Stillusion" griff Pete Sinfield hier auch einmal selbst in die Saiten, auf einer schnurrigen 12 String Acoustic Guitar, versuchte sich am Synthesizer und prompt, ließ er auch ein paar von seinen Freunden bei sich eintreten, 18 an der Zahl, die man im Booklet schließlich als Gastmusiker vorfinden wird (aber ohne Bier- und Wein- und Cognak-Flecken...,) darunter Mel Collins, Robin Miller, John Wetton oder Greg Lake.

Der erste Song "Can You Forgive A Fool?" deutet schon vage an, in was für Gefilde uns Pete Sinfield auf seinem Debutalbum hineinführen wird. Der Song fesselt durch leichte warme Atmosphäre, die losgelöst von Schwere oder krasser aufpolierter Instrumentation, so wie man es ja gewöhnlich von King Crimson her kennt, den Hörer durch eine luftig laue Ballade über Liebe und Eifersucht wie mit Vogelschwingen spazieren führt.

Nach spätestens drei Mal Anhören entwickelt es dabei klassischen Ohrwurmcharakter; so im Prinzip auch die meisten Songs, die sich über das gesamte Album hinweg im Allgemeinen kurz halten.

Mit "The Night People" fegt dann allerdings ein ganz anderer Wind aus dem Nightlife-Ventilator Londons und wirbelt ein quietschlebendiges Stück galligen Jazz`s hervor, das sehr Crimson-orientiert an alte verwegene Nummern wie "Pictures Of A city" oder "21st Schizoid Man" erinnert. Kommt es dann auch mal vor, dass Pete Sinfield waghalsig in dem von Neonlicht- und Saxophon-durchtriebenden "Night People" seine Stimme fast überschlägt, bekommt das Ganze sogar eine ziemlich abgedrehte, pfiffige Note.

Sicherlich werden die nächsten zwei Songs, das fröh-liche "Will It Be You" und folgend das eher ruhigere "Hanging Fire" (Sinfield singt:
Tsch-Tsch-Tsch-Tsch-kk!), treuen Crimson-Fans großen Spaß bereiten, bevor es in "A House Of Hopes And Dreams", allerdings einen Gang ins ernsthafte Fach herunterschaltend, zu einem großen Highlight auf diesem Album kommt. Allen voran wird der Zuhörer auf ein Meer von Melancholie getrieben, das durch dunkle emotionale Tiefen führend unter anderem den Beweis dafür liefert, warum eine sich zum Unerträglichen hin wendende Beziehung nicht immer gleich das jähe Ende bedeutet, sondern auch Basis für ein Haus voll Hoffnungen und Träume ist...

Nach dieser Etappe reiner zwischenmenschlicher Gefühle, driftet Sinfield urplötzlich mit "Wholefood Boogie" in seine schräge, unverblümte Welt des nie aufhörenden Spaßes zurück, begleitet von hart angeschlagenden Klaviaturen und fröhlich groovendem Trompetenspiel, während Sinfield von drei Gastmusikern unterstützt, den Fastfoodkonsum und dazu auch gleich den gesunden Menschenverstand wie ein johlender Hund aufs Korn nimmt.
Im Anschluss daran setzen "The Piper" und "Under The Sky" dann sehr subtile, märchenhafte Akzente, welche als die seichten Vorreiter zu "Envelopes Of Yestersay" eher blass und zerbrechlich wie die Ruhe vor dem großen Sturm erscheinen.

Wer dann zu meinen glaubt (so wie ich auch zunächst dachte), nach dem anheizendem "Envelopes of Yesterday" gebe es keine Steigerung mehr, der hat sich geirrt. Das Finale bilden zwei weitere großartige Songs - Mit leicht schemenhaftem Gesang prunkt das mit Metaphern ausgeschmückte "The Song Of The Sea Goat" beinahe im Einklang zu dem etwas esoterisch angehauchten "Still", auf dem sich Greg Lake (hier mit glasklarer, kräftiger Stimme) des Refrains- und somit dem größten Teil dieses Liedes bedient, wobei er es stolz und graziös, wie ein von ihm besungener Pharao, zu Ende führt.

Insgesamt liegt "Stillusion" einer sehr schönen, pittoresken Atmosphäre zu Grunde, der ich mich kaum, eigentlich überhaupt nicht, entziehen mag. Pete Sinfield hat - ohne letztlich wie King Crimson zu sein - die Feuertaufe seines Debutalbums durch einige sehr schöne Songs, aber auch durch angejazzte, rockige Klänge, mit Bravour überstanden - leider blieb es bei dem letzten Album von ihm - schade, wie ich finde, einen Nachfolger hätte es mit Sicherheit verdient, denn stellt "Stillusion" für mich persönlich eines der interessantesten, gelungensten Solowerke seiner Zeit dar.

13 Punkte

TO für den Musikzirkus.
YETI
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Re: Pete Sinfield - Stillusion

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Gepostet: 17.02.2009 - 17:20 Uhr  ·  #2
ich habe eine Lp namens Still mit einem sehr schön gestalteten Foc. Ich denke das die der Stillusion CD entspricht.
Ich hätte es besser gefunden wenn Greg Lake den Gesang komplett übernommen hätte aber auch so ist das eine wirklich gute Platte.
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