Seit langem schon steht diese CD ungehört im Regal und nach dem heute erfolgten ersten Hördurchgang hätte ich sie fast wieder im Regal versenkt. Zu gemischt waren die Gefühle.
Im Gegensatz zu den beiden genialen Vorgängern THICK AS A BRICK und A PASSION PLAY wurden hier wieder kürzere Songs geboten. Geplant war, das WAR CHILD als Soundtrack für einen Film dienen sollte. Das Drehbuch zu dieser schwarzen Komödie, an dem unter anderem John Cleese mitarbeiten sollte, hatte Anderson wohl bereits geschrieben. Das Projekt wurde jedoch nie realisiert, da keine Produzenten für den Film gewonnen werden konnten.
Alles in allem muss man diesem Album wohl Zeit geben und es langsam erhören. Für mich war es anfänglich schwer, nicht bereits bei dem ersten Song aufzugeben.
JETHRO TULL - WAR CHILD | 1974
Der Titeltrack War Child beginnt ambitioniert mit Sirenengeheul und Kriegsgeräuschen, dazwischen heile Welt-Teetassengeklimper. Mit Piano, Saxophon und einer gesummten Melodie geht es recht melodiös weiter, um dann schnell weniger ambitioniert ins rockige abzugleiten. Der musikalische Aufbau ist irgendwie chaotisch und der Text bringt mich nicht zum Nachdenken. "War child Let me dance in your tea-cup and you shall swim in mine." Die Bedeutung solcher Textzeilen erschließt sich mir nicht.
Was dann mit Queen and Country folgt, gefällt mir ebenso wenig. Die ersten Takte klingen fast wie eine Zirkusmelodie. Die musikalische Entwicklung von Queen And Country bleibt monoton, fast möchte ich schon sagen stumpf. Mir fehlt hier die Dynamik bzw. die Abwechslung. Lichtblick ist Ian Andersons charakteristischer Gesangsstil.
Ladies beginnt vielversprechend folkig mit akustischer Gitarre, geht dann aber schnell in einen langweiligen, streicherlastigen Song über. Zum Ende nimmt der Song etwas Fahrt auf, um dann plötzlich ausgeblendet zu werden. Witziges Highlight in diesem Outro ist die Einblendung des alten Volkliedes Auld Lang Syne.
Im nächsten Song schleichen sich zwölf Engel in typischer Jethro Tull-Manier durch die Hintertür herein. Back-Door Angels ist bis jetzt für mich der beste Song auf dem Album, wird hier doch eine Mischung aus Rock, Folk und progressiven Elementen geboten. Der Fokus liegt hier mehr auf Andersons Flöte und Gesang.
Der folgende Titel Sealion zeichnet sich durch seinen flotten Groove und die orchestralen Passagen aus. Ian Andersons Flöte ist hier wieder sehr präsent, sein Gesang bis hin zum Sprechgesang spannend und abwechslungsreich.
Mit Skating Away on the Thin Ice of the New Day folgt die 1975 erschienene, nur mäßig erfolgreiche zweite Singleauskopplung. Zu Beginn dürfen wir 40 Sekunden jemanden bei der Tee-Zubereitung belauschen. Was dann folgt ist Jethro Tull pur, eine märchenhafte Folk-Rock-Nummer. Der Gesang und die akustische Gitarre stehen im Vordergrund. Wieder einmal tue ich mich mit dem kryptischen Text schwer. Er gefällt mir mit seinen schönen Formulierungen, aber ich musste trotzdem nachlesen, dass er vom Klimawandel handelt – darauf wäre ich nicht unbedingt gekommen. "This was my first song talking about the issue of ecology and, in this specific case, climate change" (Zitat Ian Anderson / Wikipedia).Trotz des ernsten Themas ist der Song doch fröhlich und hoffnungsvoll, und er gehört definitiv zu meinen Favoriten auf diesem Album.
Eingebettetes Medium: https://www.youtube.com/watch?v=FOhD-VGIt_8
Bungle in the Jungle war die erste und erfolgreichere Singleauskopplung. In Amerika erreichte der Song immerhin Platz 12 der Charts. Anderson hielt das Lied für zu kommerziell und für unbedeutend. Mag sein, es hat aber definitiv Ohrwurmqualität.
Mit Only Solitaire folgt ein kurzer minimalistischer Akustiktitel. Folkig, melodisch, mit gelungenem Rhythmuswechsel nach 60 Sekunden. Der Gesang ist emotional und eindringlich.
The Third Hoorah bietet eine interessante Mischung aus verschiedenen Elementen, die auf mich leider eine gewisse chaotische Wirkung haben. Alles wirkt ein wenig überladen, fast nervig. Marching Drums zu Beginn, Flöte, Bläser, Dudelsack, Gesang, hier fehlt mir das harmonische Zusammenspiel.
Ein Teil der insgesamt 10 Songs stammt aus früheren Aufnahmesessions während der Passion-Play-Tour 1973 bzw. aus noch früheren Aufnahmesitzungen im Jahr 1972. Das gilt auch für das abschließende Stück Two Fingers. Hierbei handelt es sich um eine Neuaufnahme des alten Titels Lick Your Fingers Clean vom Album AQUALUNG. Die Arrangements beider Einspielungen unterscheiden sich jedoch stark in ihrer musikalischen Herangehensweise. Lick Your Fingers Clean gefällt mir wesentlich besser. Es strotzt insgesamt mehr vor Energie, der Gesang ist kraftvoller, die Querflöte mitreißend. Two Fingers klingt dagegen müde und monoton.
Während das reguläre Album 10 Tracks enthält, erschien 2002 ein Remaster mit 7 Bonustracks.
2014 zum 40ten Jahrestag des Albums erschien eine Box mit 2 CDs und 2 DVDs, u.a. mit Stereo-Abmischungen von Steven Wilson.
Insgesamt ist WAR CHILD mit seiner Mischung aus Rock, ein wenig Folk und Klassik sowie dem proggigen Anstrich sicher ein interessantes Album. Die Instrumentierung mit Saxophon, Akkordeon und Streichern sowie den zahlreichen Soundeffekten ist auffallend. Ein Album mit Höhen und Tiefen. Für mich überwiegen die Tiefen, wirkt das Ganze doch oft überladen und chaotisch. Zudem kommt mir der Folk etwas zu kurz. Die textlichen Botschaften der Songs, u.a. rund um das anspruchsvolle Thema Krieg, erreichen mich ebenfalls nicht. Sie sind mir zu kryptisch, zu geheimnisvoll – eventuell bin ich hier aber mit meinen Englischkenntnissen auch am Ende angelangt.
Ja, und wenn ich schon mal beim Meckern bin, auch das Cover spricht mich nicht an. Ich finde es nichtssagend und uninspiriert. Vorne sehen wir Ian Anderson in ablehnender Pose mit Kriegsstandarte (ist das der richtige Begriff?). Auf der Rückseite sind Personen abgebildet, die in den Songs besungen werden, dargestellt von Bandmitgliedern, Kollegen, Familienangehörigen und Freunden.
Ich hätte mir gewünscht, dass AQUALUNG oder aber THICK AS A BRICK im Jahr 2024 ihr Jubiläum gefeiert hätten. Diese Rezensionen hätten mir mehr Freude bereitet. Sicher gehört WAR CHILD in die Sammlung eines Fans (obwohl ich zwischendurch tatsächlich an Trennung dachte). Definitiv ist dieses Album nicht als Einstiegsalbum geeignet.
Songs:
War Child 4:35
Queen and Country 3:00
Ladies 3:17
Back-Door Angels 5:30
Sealion3:37
Skating Away on the Thin Ice of the New Day 4:09
Bungle in the Jungle 3:35
Only Solitaire 1:38
The Third Hoorah 4:49
Two Fingers 5:07
Besetzung:
Ian Anderson – vocals, flute, acoustic guitar, alto, soprano and sopranino saxophones
Martin Barre – electric guitar, Spanish guitar
John Evan – piano, organ, synthesizers, accordion
Jeffrey Hammond –bass guitar, string bass
Barriemore Barlow – drums, percussion, glockenspiel, marimba
Dee Palmer – orchestral arrangements
Robin Black – sound engineer
Im Gegensatz zu den beiden genialen Vorgängern THICK AS A BRICK und A PASSION PLAY wurden hier wieder kürzere Songs geboten. Geplant war, das WAR CHILD als Soundtrack für einen Film dienen sollte. Das Drehbuch zu dieser schwarzen Komödie, an dem unter anderem John Cleese mitarbeiten sollte, hatte Anderson wohl bereits geschrieben. Das Projekt wurde jedoch nie realisiert, da keine Produzenten für den Film gewonnen werden konnten.
Alles in allem muss man diesem Album wohl Zeit geben und es langsam erhören. Für mich war es anfänglich schwer, nicht bereits bei dem ersten Song aufzugeben.
JETHRO TULL - WAR CHILD | 1974
Der Titeltrack War Child beginnt ambitioniert mit Sirenengeheul und Kriegsgeräuschen, dazwischen heile Welt-Teetassengeklimper. Mit Piano, Saxophon und einer gesummten Melodie geht es recht melodiös weiter, um dann schnell weniger ambitioniert ins rockige abzugleiten. Der musikalische Aufbau ist irgendwie chaotisch und der Text bringt mich nicht zum Nachdenken. "War child Let me dance in your tea-cup and you shall swim in mine." Die Bedeutung solcher Textzeilen erschließt sich mir nicht.
Was dann mit Queen and Country folgt, gefällt mir ebenso wenig. Die ersten Takte klingen fast wie eine Zirkusmelodie. Die musikalische Entwicklung von Queen And Country bleibt monoton, fast möchte ich schon sagen stumpf. Mir fehlt hier die Dynamik bzw. die Abwechslung. Lichtblick ist Ian Andersons charakteristischer Gesangsstil.
Ladies beginnt vielversprechend folkig mit akustischer Gitarre, geht dann aber schnell in einen langweiligen, streicherlastigen Song über. Zum Ende nimmt der Song etwas Fahrt auf, um dann plötzlich ausgeblendet zu werden. Witziges Highlight in diesem Outro ist die Einblendung des alten Volkliedes Auld Lang Syne.
Im nächsten Song schleichen sich zwölf Engel in typischer Jethro Tull-Manier durch die Hintertür herein. Back-Door Angels ist bis jetzt für mich der beste Song auf dem Album, wird hier doch eine Mischung aus Rock, Folk und progressiven Elementen geboten. Der Fokus liegt hier mehr auf Andersons Flöte und Gesang.
Der folgende Titel Sealion zeichnet sich durch seinen flotten Groove und die orchestralen Passagen aus. Ian Andersons Flöte ist hier wieder sehr präsent, sein Gesang bis hin zum Sprechgesang spannend und abwechslungsreich.
Mit Skating Away on the Thin Ice of the New Day folgt die 1975 erschienene, nur mäßig erfolgreiche zweite Singleauskopplung. Zu Beginn dürfen wir 40 Sekunden jemanden bei der Tee-Zubereitung belauschen. Was dann folgt ist Jethro Tull pur, eine märchenhafte Folk-Rock-Nummer. Der Gesang und die akustische Gitarre stehen im Vordergrund. Wieder einmal tue ich mich mit dem kryptischen Text schwer. Er gefällt mir mit seinen schönen Formulierungen, aber ich musste trotzdem nachlesen, dass er vom Klimawandel handelt – darauf wäre ich nicht unbedingt gekommen. "This was my first song talking about the issue of ecology and, in this specific case, climate change" (Zitat Ian Anderson / Wikipedia).Trotz des ernsten Themas ist der Song doch fröhlich und hoffnungsvoll, und er gehört definitiv zu meinen Favoriten auf diesem Album.
Eingebettetes Medium: https://www.youtube.com/watch?v=FOhD-VGIt_8
Bungle in the Jungle war die erste und erfolgreichere Singleauskopplung. In Amerika erreichte der Song immerhin Platz 12 der Charts. Anderson hielt das Lied für zu kommerziell und für unbedeutend. Mag sein, es hat aber definitiv Ohrwurmqualität.
Mit Only Solitaire folgt ein kurzer minimalistischer Akustiktitel. Folkig, melodisch, mit gelungenem Rhythmuswechsel nach 60 Sekunden. Der Gesang ist emotional und eindringlich.
The Third Hoorah bietet eine interessante Mischung aus verschiedenen Elementen, die auf mich leider eine gewisse chaotische Wirkung haben. Alles wirkt ein wenig überladen, fast nervig. Marching Drums zu Beginn, Flöte, Bläser, Dudelsack, Gesang, hier fehlt mir das harmonische Zusammenspiel.
Ein Teil der insgesamt 10 Songs stammt aus früheren Aufnahmesessions während der Passion-Play-Tour 1973 bzw. aus noch früheren Aufnahmesitzungen im Jahr 1972. Das gilt auch für das abschließende Stück Two Fingers. Hierbei handelt es sich um eine Neuaufnahme des alten Titels Lick Your Fingers Clean vom Album AQUALUNG. Die Arrangements beider Einspielungen unterscheiden sich jedoch stark in ihrer musikalischen Herangehensweise. Lick Your Fingers Clean gefällt mir wesentlich besser. Es strotzt insgesamt mehr vor Energie, der Gesang ist kraftvoller, die Querflöte mitreißend. Two Fingers klingt dagegen müde und monoton.
Während das reguläre Album 10 Tracks enthält, erschien 2002 ein Remaster mit 7 Bonustracks.
2014 zum 40ten Jahrestag des Albums erschien eine Box mit 2 CDs und 2 DVDs, u.a. mit Stereo-Abmischungen von Steven Wilson.
Insgesamt ist WAR CHILD mit seiner Mischung aus Rock, ein wenig Folk und Klassik sowie dem proggigen Anstrich sicher ein interessantes Album. Die Instrumentierung mit Saxophon, Akkordeon und Streichern sowie den zahlreichen Soundeffekten ist auffallend. Ein Album mit Höhen und Tiefen. Für mich überwiegen die Tiefen, wirkt das Ganze doch oft überladen und chaotisch. Zudem kommt mir der Folk etwas zu kurz. Die textlichen Botschaften der Songs, u.a. rund um das anspruchsvolle Thema Krieg, erreichen mich ebenfalls nicht. Sie sind mir zu kryptisch, zu geheimnisvoll – eventuell bin ich hier aber mit meinen Englischkenntnissen auch am Ende angelangt.
Ja, und wenn ich schon mal beim Meckern bin, auch das Cover spricht mich nicht an. Ich finde es nichtssagend und uninspiriert. Vorne sehen wir Ian Anderson in ablehnender Pose mit Kriegsstandarte (ist das der richtige Begriff?). Auf der Rückseite sind Personen abgebildet, die in den Songs besungen werden, dargestellt von Bandmitgliedern, Kollegen, Familienangehörigen und Freunden.
Ich hätte mir gewünscht, dass AQUALUNG oder aber THICK AS A BRICK im Jahr 2024 ihr Jubiläum gefeiert hätten. Diese Rezensionen hätten mir mehr Freude bereitet. Sicher gehört WAR CHILD in die Sammlung eines Fans (obwohl ich zwischendurch tatsächlich an Trennung dachte). Definitiv ist dieses Album nicht als Einstiegsalbum geeignet.
Songs:
War Child 4:35
Queen and Country 3:00
Ladies 3:17
Back-Door Angels 5:30
Sealion3:37
Skating Away on the Thin Ice of the New Day 4:09
Bungle in the Jungle 3:35
Only Solitaire 1:38
The Third Hoorah 4:49
Two Fingers 5:07
Besetzung:
Ian Anderson – vocals, flute, acoustic guitar, alto, soprano and sopranino saxophones
Martin Barre – electric guitar, Spanish guitar
John Evan – piano, organ, synthesizers, accordion
Jeffrey Hammond –bass guitar, string bass
Barriemore Barlow – drums, percussion, glockenspiel, marimba
Dee Palmer – orchestral arrangements
Robin Black – sound engineer