TRACY CHAPMAN – Same | 1988

 
caramel
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TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 25.05.2024 - 17:28 Uhr  ·  #1
Eines der zeitlosesten Alben, welches ich kenne, ist das Debüt der Singer/Songwriterin Tracy Chapman aus dem Jahr 1988. Mit diesem selbstbetitelten Album schaffte sie auf Anhieb den kommerziellen Durchbruch und landete in Deutschland, Österreich, Schweiz, UK und USA auf Platz 1 der Albumcharts. Für den Erfolg des Albums war wahrscheinlich auch Chapmans Auftritt 1988 beim Nelson Mandela Konzert im Londoner Wembley-Stadion mitverantwortlich. Dort vertrat sie - nach ihrem eigentlichen Auftritt - spontan den wegen technischer Probleme verhinderten Stevie Wonder. Bescheiden und fast schüchtern stand sie ein zweites Mal auf der Bühne und trug, nur durch ihre Akustikgitarre begleitet, weitere Songs vor.

Eingebettetes Medium: https://www.youtube.com/watch?v=wGmHpn-prd0


Auch in meinem damaligen Freundeskreis wurde das Album mit Begeisterung aufgenommen. Höre ich es mir heute an, so hat es nichts von seiner Frische und Intensivität verloren.

In unserem Musikforum findet sich unter Unsere Debütalben wenigstens eine kleine Vorstellung aus dem Jahr 2013, die leider nur mäßige Beachtung fand. Dieses Schicksal erleiden hier so einige Künstler / Bands, die zu sehr im Mainstream schwimmen und nicht ganz außergewöhnlich unbekannt sind.

Nichtsdestotrotz möchte ich dieses Album noch einmal vorstellen, Mainstream hin oder her.

TRACY CHAPMAN – Same - 1988

Tracy Chapmans Debüt wurde zu einer Zeit veröffentlicht, als die Welt bereits voll von überproduzierter, überkandidelter und aufgemotzter Musik war. Dagegen erschien die Musik dieser sehr jungen, bescheidenen Frau wie eine Wohltat. Die Art und Weise wie sie Ihre Geschichten über Gerechtigkeit, Rassenprobleme, häusliche Gewalt, Chancenlosigkeit von Frauen, Liebe - kurz, Geschichten aus dem Leben - in Melodien verpackt und sie mit warmer Stimme vorträgt, klingt einfach glaubhaft und ehrlich. Die akustischen Arrangements sind einfach, unaufdringlich und auf das Wesentliche reduziert, bestehen oft nur aus wenigen Akkorden oder einem einzigen Riff, sodass ihre Stimme und die Botschaft der sozialkritischen Texte im Mittelpunkt stehen. Darin liegt die Schönheit und Stärke dieses Albums.

Irgendwo meine ich gelesen zu haben, dass Tracy Chapman nie als Protestsängerin bezeichnet werden wollte. Trotzdem würde ich Talkin’ Bout a Revolution, Across the Lines, Behind the Wall, Why?, Mountains O' Things als Protestsongs bezeichnen.

Talkin‘ Bout a Revolution schrieb Chapman bereits als Teenager in den 70er Jahren. Schon mit diesem Eröffnungssong macht sie eine soziale Aussage:

„Poor people gonna rise up
And get their share
Poor people gonna rise up
And take what's theirs“.


In Across the Lines geht es um Rassenunruhen

"Tonight the riots begin
On the back streets of America
They kill the dream of America
Little black girl gets assaulted ".


Der A-cappella-Song Behind the Wall, ein Lied über häusliche Gewalt, ist eine Anklage an die Polizei, die "immer zu spät kommt und nichts tun kann".

Mountains O' Things mit seinem interessanten Afro Groove handelt von Gier, Eitelkeit der einen und Ausbeutung, Unterdrückung, Wunschträumen der anderen.

Und schließlich Why? Viele Fragen, auf die eine Antwort verlangt wird: "But somebody's gonna have to answer".

Dann sind da noch die Songs, in denen es um falsche Liebe, Missbrauch, Befreiung und Neuanfang geht, wie zum Beispiel She's Got Her Ticket mit seinem dezenten Reggae Groove oder aber Fast Car, das nicht wirklich von Rennautos handelt. Das schnelle Auto ist hier wohl eher ein Sinnbild für die Geschwingkeit, mit der man im Abgrund landen kann. Fast Car erzählt vom Streben nach einem besseren Leben.

Das beschwingte If Not Now und das mit klagender Stimme vorgetragene For You sind Liebeslieder, aber DAS Liebeslied schlechthin ist sicherlich Baby Can I Hold You. Hierzu habe ich in unserer Rubrik Edelschnulzen folgende Aussage gefunden: "Eine wunderbare Künstlerin hier in einer Liveversion". Die Bezeichnung "Edelschnulze" trifft m. E. eher auf diese Version von Boyzone zu. Beim Konzert Pavarotti & Friends für Kambodscha und Tibet im Jahr 2000 sangen Luciano Pavarotti und Chapman den Song zweisprachig im Duett.

Bleibt noch die wunderschöne Ballade For My Lover zu nennen, ein Song über die bedingungslose Liebe, die auch in schwierigen Zeiten Bestand hat. Wie Chapman mit ihrer unverkennbar eigenen Altstimme am Ende einer Strophe immer wieder "You, you, you..." wiederholt, verstärkt ihre Botschaft, gibt dieser einen emotionalen Nachdruck und ist absolut kein Lückenfüller. Die Gitarre erinnert mich an den früheren Neil Young, die Mundharmonika und das recht prominente Schlagzeug spiegeln die schweren Zeiten, durch die diese Liebe geht.

Eingebettetes Medium: https://www.youtube.com/watch?v=Ng9jjx8oI-g

Eigentlich wollte Tracy Chapman nie auf die großen Bühnen der Welt. Als Teenager musizierte sie auf der Straße, während ihrer Uni-Zeit in Cafés und Klubs vor kleinem Publikum, bevor sie dann 24-jährig entdeckt wurde. In den letzten Jahren ist es still um die aber immerfort sozial engagierte Künstlerin geworden. Dank einer wunderschönen Coverversion ihres Hits Fast Car des Countrysängers Luke Combs ist sie im Jahr 2024 wieder in aller Munde. Combs' Version gewann bei den Country Music Association Awards im 2023 zwei Preise und Tracy Chapmann als erste Schwarze den Country Music Association Award für den besten Song. 2024 traten die zwei anlässlich der Preisverleihung zusammen auf der Bühne auf... ein Gänsehautauftritt.


Die Songs
1. Talkin’ Bout a Revolution – 2:38
2. Fast Car – 4:58
3. Across the Lines – 3:22
4. Behind the Wall – 1:46
5. Baby Can I Hold You – 3:16
6. Mountains o’ Things – 4:37
7. She’s Got Her Ticket – 3:56
8. Why? – 2:01
9. For My Lover – 3:15
10. If Not Now… – 2:55
11. For You – 3:09


Texte, Musik stammen ausschließlich von Tracy Chapman

Muikalisch wird sie von einer Vielzahl von Musikern unterstützt:
Ed Black - Steel Guitar
Paulinho Da Costa - Percussion
Denny Fongheiser - Drums
Jack Holder - Dulcimer, Guitars, Organ, Piano, Sitar
Steve Kaplan - Harmonica, Keyboards
Larry Klein - Bass
David LaFlamme - Electric Violin
Bob Marlette - Keyboards
Triskell
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Re: TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 25.05.2024 - 22:54 Uhr  ·  #2
Im Telegramstil:
Punkt! Nichts hinzu zu fügen. Bin da ganz bei Dir. Auch mein empfinden. Danke!
Trurl
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Re: TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 25.05.2024 - 23:58 Uhr  ·  #3
Maddrax
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Re: TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 26.05.2024 - 05:42 Uhr  ·  #4
eine der ganz wenigen Platten aus den 1980gern (mittlerweile habe ich die CD), die ich mir auch Heute noch mit Freude und Spaß anhören kann !
Und das sind echt nur eine handvoll.

Danke für die schöne Plattenkritik
xanadu
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Re: TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 27.05.2024 - 22:53 Uhr  ·  #5
Vielen Dank Christa,
für die tolle mit Herzblut geschriebene Besprechung.
Ich mochte das Album total damals, auch gleich. Auf MTV gesehen und die LP gekauft wo es rausgekommen ist.
Wie du schriebst, die Musik damals aufgebläht bis zum geht nicht mehr und da kam diese ruhige, schöne zeitlose Musik genau richtig.
Jeder einzelne Song ein Genuß.
Ich mag total neben "Talkin ..." Vor allem "For my Lover"

Danke
holger_fischer
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Re: TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 28.05.2024 - 20:47 Uhr  ·  #6
Hallo Christa,
danke für die sehr schöne Rezi. Ich habe die LP auch (sie ist irgendwie zu mir gekommen, wie weiß ich nicht mehr), muss aber sagen, dass T.C. nicht so mein Geschmack ist. Eine ausdrucksstarke Stimme hat sie zweifellos.
hmc
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Re: TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 31.05.2024 - 10:41 Uhr  ·  #7
Auch bei mir hat das Werk einen festen Platz.
Klanglich auch ein Leckerbissen.

Ich erinnere noch gut, als ich die Dame am Bühnenrand erstmal wahrnehmen durfte.
Zeitlos; das passt genau.
badMoon
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Re: TRACY CHAPMAN – Same | 1988

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Gepostet: 13.06.2024 - 15:25 Uhr  ·  #8
Manchmal möchte ich Musik hören, weiß aber nicht genau was. Dann stehe ich ziemlich planlos vor dem Regal. Eine Scheibe derer, die immer passen, ist die hier rezensierte. Zeitlos schöne Musik, anspruchsvoll und dennoch nicht verkopft. Unvergessen ihr Auftritt (und dies war der Zeitpunkt meiner Entdeckung) auf dem Mandela-Konzert neben Größen wie Peter Gabriel, Sting, Phil Collins, Harry Belafonte, den Simple Minds oder Whitney Houston.
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