Michał Urbaniak Group - Sound Pieces
Mit dieser Sammlung von drei CDs treffen wir auf eine glückliche Konstellation, gleich zwei Original-Platten der Michał Urbaniak Group zu erhalten, sowie in den Genuss eines Live-Konzertes "Live At Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972", zu kommen. Ansonsten handelt es sich um zwei frühere Veröffentlichungen, "Paratyphus B" und "Inactin", die zwischenzeitlich unter dem Titel "The Beginning" auch bereits auf LP wiederveröffentlicht wurden, das war 1976. "Inactin" erblickte 2014 ebenfalls noch einmal das Licht der Welt als CD-Ausgabe.
Unstimmigkeiten gab es wohl mehrfach hinsichtlich der Entstehung dieser beiden Studioalben, wird in der Regel für Beide doch 1973 angegeben. Richtig – aber nur insofern, als beide Alben seinerzeit in Deutschland auf Spiegelei, dem Unterlabel von Intercord, veröffentlicht wurden. Tatsächlich liegt die Geschichte beider Alben weiter zurück, was man hinsichtlich der Musik gut nachvollziehen kann. Forscht man näher nach, dann stammt "Paratyphus B" wahrscheinlich aus 1970 (oder 1971) und "Inactin" aus 1971 (oder 1972). Nun, das macht auch Sinn, denn betrachtet man die Trackliste von CD 2 und CD 3 – die Liveaufnahmen aus Bremen – erblickt man allesamt Songs von den beiden tatsächlich vorher erschienenen LPs, die nun live präsentiert wurden. Darüber hinaus erinnere ich mich persönlich an einen Live-Auftritt vom 6.1.1973, dem ich beiwohnen konnte, und dass beide LPs – aus Polen – damals zum Kauf angeboten wurden. Auf Spiegelei waren sie seinerzeit noch gar nicht erschienen. Insofern kann ich auch den Liner Notes im Innenteil der Verpackung nicht unbedingt Glauben schenken, wenn dort geschrieben steht, dass es einen interessanten Vergleich darstellen kann, wenn man sich den einzelnen Stücken annimmt um festzustellen, wie sie sich dann anschließend, nach dem Livekonzert aus 1972, im Studio entwickelt haben.
Der am 22. Januar 1943 in Warschau geborene Michał Urbaniak studierte Violine und lernte als Autodidakt noch Saxofon. So hatte ich einst das Vergnügen, ihn beim genannten Konzert auch mit diesem Instrument noch live erleben zu können. Später konzentrierte er sich jedenfalls mehr auf die Violine, während er in seinem gemeinsamen Wirken mit Krzysztof Komeda, etwa 1962-1965, tatsächlich nur als Saxofonist mitspielte. Nach einer Station in Skandinavien etablierte Urbaniak, dann wieder zurück in Polen, seine eigene Band, bevor er etwa Mitte der Siebziger gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau Urszula Dudziak in die USA übersiedelte.
Die Musik der beiden Platten auf der ersten CD als auch jene des Livekonzerts auf den CDs 2 und 3, wirkt, im Gegensatz zu den späteren, mehr kommerziellen Einspielungen in den USA, noch viel 'polnischer', folkloristischer, märchenhafter, verspielter, und auch ein wenig gespenstisch ("Valium"), entgegen des Titels eigentlich weniger beruhigend. Wir hören eine gedoppelte Violine mit wilden Aktionen von Urszula Dudziak, und erst nach etwa neun Minuten hat der Song an Form gewonnen. So stellt gerade die Musik auf "Paratyphus B" genau das dar, was sich in der Anfangszeit dieser Formation noch nicht herauskristallisiert hatte: Dass die Musik freier war, sich näher an dem orientierte, was gerade auch aus den USA an Jazz-Impressionen auf Europa zukamen, und das zusammen mit den folkloristischen Ausprägungen, gab der frühen Musik dieses Ensembles eine bisweilen noch recht avantgardistische Prägung. Auch hatte gerade Urszula Dudziak noch entsprechend mehr Gestaltungsfreiraum und stellte mitunter recht wilde und freie Gesangspassagen vor.
Auf "Inactin" war dann ein Wandel spürbar, die Musik wurde strukturierter und ließ bereits erkennen, was sich später auf Platten wie "Atma" oder "Fusion" etabliert hatte. Zwar gab es weiterhin einige recht freie und dahinfliegende Passagen, doch hielten Groove und Funk bereits verstärkt Einzug in die Kompositionen und deren Gestaltung.
Ja, und nun warten noch zwei CDs, eben mit jenem Konzert aus Bremen vom 21. Januar 1972. Zunächst kann ich erfreut feststellen, dass es in einem sehr angenehmen Klanggewand vorgestellt wird. Und gleich ist man mittendrin, wenn sich Urszula Dudziak mit wildem Ausdruck und hohem Gesang in Szene setzt, von Bass, Keyboards unterstützt, bis dann bald Czeslaw Bartkowski mit einem eruptiven Schlagzeugsolo Akzente setzt! Welch ein furioser Auftakt dieses Konzerts!
Doch war das ja nur ein kurzer Abriss von etwas über vier Minuten. Denn nun stellt sich Urbaniak selbst einleitend für das gut achtundzwanzig Minuten lange "Introduction/Valium" vor. Und hier ist es für mich auch sehr interessant, einen Vergleich anzustellen, hat Urbaniak den Song "Valium" doch am 7.11.1971 in Berlin anlässlich des 'New Violin Summits' ebenfalls vorgestellt. Und hier klingt es dann wieder anders, auch ein wenig anders als in der Studioversion auf "Paratyphus B". Denn nun hat die Band über gut zwanzig Minuten Zeit für deren Gestaltung und nutzt diese auch äußerst kreativ. Für Liebhaber der Fusion-Bewegung der Siebziger mag das dann vielleicht gar schon zu frei sein, und es ist in der Tat aufregend, wie viel Freiraum sich die Band noch nahm, bevor man sich für die späteren Aufnahmen in den USA wesentlich strukturierter und weniger frei bewegte. Also – fließen lassen und genießen!
Die erfreuliche Tatsache, dass dieses Konzert aus Bremen als dermaßen gut erhaltenes Tondokument nun zur Verfügung gestellt wurde, wird durch die Musik auf der dritten CD dann noch einmal eindrucksvoll untermauert. Mit einer Spielzeit von 34:08 sind im dritten Titel drei Einzelsongs zusammengefasst worden und das spiegelt genau das wider, was auch ich anlässlich meines gut ein Jahr späteren Konzerteindrucks erleben durfte, inklusive dessen, dass Michał Urbaniak auch noch einmal als Interpret auf dem Saxofon zu hören ist, hier mit einer schönen Einleitung auf der Live-Version von "Sound Pieces"! Mit dieser Liveeinspielung ist in der Tat ein wahrer Schatz zu Tage gefördert worden! Denn das, was die Musiker hier live vorstellten, zeugt von einer Kombination großer Professionalität und Enthusiasmus im Spiel, geprägt von Emotionen und Leidenschaft. Und Urbaniak selbst zeigt sich in beeindruckender und bestechender Form und belegt seinen hohen und wichtigen Stellenwert als einer der besten Violinisten in der Geschichte des Jazz/Jazz Rocks und der Fusion-Bewegung!
"Paratyphus B":
Michał Urbaniak (electric violin, soprano sax, tenor sax, flute)
Urszula Dudziak (voice, percussion)
Adam Makowicz (electric piano)
Paweł Jarzębski (bass)
Czeslaw Bartkowski (drums)
Branislav Kovacev (congas, drums)
"Inactin":
Michał Urbaniak (Barcus Berry violin, violectra, soprano saxophone)
Urszula Dudziak (vocals, Dynacord echocord, percussion)
Adam Makowicz (Fender piano, Hohner clavinet)
Roman Dylag (Barcus Berry bass and acoustic bass)
Czeslaw Bartkowski (drums, Paiste cymbals)
Branislav Kovacev (congas, drums)
"Live at Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972" :
Michał Urbaniak (electric violin, tenor saxophone)
Urszula Dudziak (vocals, percussion, sound effects)
Adam Makowicz (electric piano)
Paweł Jarzębski (bass)
Czeslaw Bartkowski (drums)
CD 1 "Paratyphus B" (#1-5) & "Inactin" (#6-12):
1 Paratyphus B (3:46)
2 Valium (12:51)
3 Irena (3:27)
4 Winter Piece (3:45)
5 Sound Pieces (15:07)
6 Inactin (6:57)
7 Alu (3:59)
8 Ekim (5:48)
9 Silence (3:30)
10 Fall (7:40)
11 Groovy Desert (4:56)
12 Lato (8:02)
CD 2 "Live at Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972" :
1 Winter Piece (4:34)
2 Introduction / Valium (28:13)
3 Irena (17:44)
CD 3 "Live at Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972" :
1 Paratyphus B (3:10)
2 Sound Pieces (11:07)
3 Groovy Desert/Silence/Lato (34:08)
Mit dieser Sammlung von drei CDs treffen wir auf eine glückliche Konstellation, gleich zwei Original-Platten der Michał Urbaniak Group zu erhalten, sowie in den Genuss eines Live-Konzertes "Live At Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972", zu kommen. Ansonsten handelt es sich um zwei frühere Veröffentlichungen, "Paratyphus B" und "Inactin", die zwischenzeitlich unter dem Titel "The Beginning" auch bereits auf LP wiederveröffentlicht wurden, das war 1976. "Inactin" erblickte 2014 ebenfalls noch einmal das Licht der Welt als CD-Ausgabe.
Unstimmigkeiten gab es wohl mehrfach hinsichtlich der Entstehung dieser beiden Studioalben, wird in der Regel für Beide doch 1973 angegeben. Richtig – aber nur insofern, als beide Alben seinerzeit in Deutschland auf Spiegelei, dem Unterlabel von Intercord, veröffentlicht wurden. Tatsächlich liegt die Geschichte beider Alben weiter zurück, was man hinsichtlich der Musik gut nachvollziehen kann. Forscht man näher nach, dann stammt "Paratyphus B" wahrscheinlich aus 1970 (oder 1971) und "Inactin" aus 1971 (oder 1972). Nun, das macht auch Sinn, denn betrachtet man die Trackliste von CD 2 und CD 3 – die Liveaufnahmen aus Bremen – erblickt man allesamt Songs von den beiden tatsächlich vorher erschienenen LPs, die nun live präsentiert wurden. Darüber hinaus erinnere ich mich persönlich an einen Live-Auftritt vom 6.1.1973, dem ich beiwohnen konnte, und dass beide LPs – aus Polen – damals zum Kauf angeboten wurden. Auf Spiegelei waren sie seinerzeit noch gar nicht erschienen. Insofern kann ich auch den Liner Notes im Innenteil der Verpackung nicht unbedingt Glauben schenken, wenn dort geschrieben steht, dass es einen interessanten Vergleich darstellen kann, wenn man sich den einzelnen Stücken annimmt um festzustellen, wie sie sich dann anschließend, nach dem Livekonzert aus 1972, im Studio entwickelt haben.
Der am 22. Januar 1943 in Warschau geborene Michał Urbaniak studierte Violine und lernte als Autodidakt noch Saxofon. So hatte ich einst das Vergnügen, ihn beim genannten Konzert auch mit diesem Instrument noch live erleben zu können. Später konzentrierte er sich jedenfalls mehr auf die Violine, während er in seinem gemeinsamen Wirken mit Krzysztof Komeda, etwa 1962-1965, tatsächlich nur als Saxofonist mitspielte. Nach einer Station in Skandinavien etablierte Urbaniak, dann wieder zurück in Polen, seine eigene Band, bevor er etwa Mitte der Siebziger gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau Urszula Dudziak in die USA übersiedelte.
Die Musik der beiden Platten auf der ersten CD als auch jene des Livekonzerts auf den CDs 2 und 3, wirkt, im Gegensatz zu den späteren, mehr kommerziellen Einspielungen in den USA, noch viel 'polnischer', folkloristischer, märchenhafter, verspielter, und auch ein wenig gespenstisch ("Valium"), entgegen des Titels eigentlich weniger beruhigend. Wir hören eine gedoppelte Violine mit wilden Aktionen von Urszula Dudziak, und erst nach etwa neun Minuten hat der Song an Form gewonnen. So stellt gerade die Musik auf "Paratyphus B" genau das dar, was sich in der Anfangszeit dieser Formation noch nicht herauskristallisiert hatte: Dass die Musik freier war, sich näher an dem orientierte, was gerade auch aus den USA an Jazz-Impressionen auf Europa zukamen, und das zusammen mit den folkloristischen Ausprägungen, gab der frühen Musik dieses Ensembles eine bisweilen noch recht avantgardistische Prägung. Auch hatte gerade Urszula Dudziak noch entsprechend mehr Gestaltungsfreiraum und stellte mitunter recht wilde und freie Gesangspassagen vor.
Auf "Inactin" war dann ein Wandel spürbar, die Musik wurde strukturierter und ließ bereits erkennen, was sich später auf Platten wie "Atma" oder "Fusion" etabliert hatte. Zwar gab es weiterhin einige recht freie und dahinfliegende Passagen, doch hielten Groove und Funk bereits verstärkt Einzug in die Kompositionen und deren Gestaltung.
Ja, und nun warten noch zwei CDs, eben mit jenem Konzert aus Bremen vom 21. Januar 1972. Zunächst kann ich erfreut feststellen, dass es in einem sehr angenehmen Klanggewand vorgestellt wird. Und gleich ist man mittendrin, wenn sich Urszula Dudziak mit wildem Ausdruck und hohem Gesang in Szene setzt, von Bass, Keyboards unterstützt, bis dann bald Czeslaw Bartkowski mit einem eruptiven Schlagzeugsolo Akzente setzt! Welch ein furioser Auftakt dieses Konzerts!
Doch war das ja nur ein kurzer Abriss von etwas über vier Minuten. Denn nun stellt sich Urbaniak selbst einleitend für das gut achtundzwanzig Minuten lange "Introduction/Valium" vor. Und hier ist es für mich auch sehr interessant, einen Vergleich anzustellen, hat Urbaniak den Song "Valium" doch am 7.11.1971 in Berlin anlässlich des 'New Violin Summits' ebenfalls vorgestellt. Und hier klingt es dann wieder anders, auch ein wenig anders als in der Studioversion auf "Paratyphus B". Denn nun hat die Band über gut zwanzig Minuten Zeit für deren Gestaltung und nutzt diese auch äußerst kreativ. Für Liebhaber der Fusion-Bewegung der Siebziger mag das dann vielleicht gar schon zu frei sein, und es ist in der Tat aufregend, wie viel Freiraum sich die Band noch nahm, bevor man sich für die späteren Aufnahmen in den USA wesentlich strukturierter und weniger frei bewegte. Also – fließen lassen und genießen!
Die erfreuliche Tatsache, dass dieses Konzert aus Bremen als dermaßen gut erhaltenes Tondokument nun zur Verfügung gestellt wurde, wird durch die Musik auf der dritten CD dann noch einmal eindrucksvoll untermauert. Mit einer Spielzeit von 34:08 sind im dritten Titel drei Einzelsongs zusammengefasst worden und das spiegelt genau das wider, was auch ich anlässlich meines gut ein Jahr späteren Konzerteindrucks erleben durfte, inklusive dessen, dass Michał Urbaniak auch noch einmal als Interpret auf dem Saxofon zu hören ist, hier mit einer schönen Einleitung auf der Live-Version von "Sound Pieces"! Mit dieser Liveeinspielung ist in der Tat ein wahrer Schatz zu Tage gefördert worden! Denn das, was die Musiker hier live vorstellten, zeugt von einer Kombination großer Professionalität und Enthusiasmus im Spiel, geprägt von Emotionen und Leidenschaft. Und Urbaniak selbst zeigt sich in beeindruckender und bestechender Form und belegt seinen hohen und wichtigen Stellenwert als einer der besten Violinisten in der Geschichte des Jazz/Jazz Rocks und der Fusion-Bewegung!
"Paratyphus B":
Michał Urbaniak (electric violin, soprano sax, tenor sax, flute)
Urszula Dudziak (voice, percussion)
Adam Makowicz (electric piano)
Paweł Jarzębski (bass)
Czeslaw Bartkowski (drums)
Branislav Kovacev (congas, drums)
"Inactin":
Michał Urbaniak (Barcus Berry violin, violectra, soprano saxophone)
Urszula Dudziak (vocals, Dynacord echocord, percussion)
Adam Makowicz (Fender piano, Hohner clavinet)
Roman Dylag (Barcus Berry bass and acoustic bass)
Czeslaw Bartkowski (drums, Paiste cymbals)
Branislav Kovacev (congas, drums)
"Live at Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972" :
Michał Urbaniak (electric violin, tenor saxophone)
Urszula Dudziak (vocals, percussion, sound effects)
Adam Makowicz (electric piano)
Paweł Jarzębski (bass)
Czeslaw Bartkowski (drums)
CD 1 "Paratyphus B" (#1-5) & "Inactin" (#6-12):
1 Paratyphus B (3:46)
2 Valium (12:51)
3 Irena (3:27)
4 Winter Piece (3:45)
5 Sound Pieces (15:07)
6 Inactin (6:57)
7 Alu (3:59)
8 Ekim (5:48)
9 Silence (3:30)
10 Fall (7:40)
11 Groovy Desert (4:56)
12 Lato (8:02)
CD 2 "Live at Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972" :
1 Winter Piece (4:34)
2 Introduction / Valium (28:13)
3 Irena (17:44)
CD 3 "Live at Lila Eule, Bremen/Germany, January 21,1972" :
1 Paratyphus B (3:10)
2 Sound Pieces (11:07)
3 Groovy Desert/Silence/Lato (34:08)