Wenn aus meiner Playlist ein Song eines bestimmten Künstlers aus den Boxen perlte und eine spezielle Bekannte anwesend war, gab es unvermittelt spöttische Bemerkungen. Begleitet von Augenrollen, an mich gerichtetes mitleidiges Lächeln und meist auch den Kommentar "...der kann doch gar nicht singen". "Stimmt", dachte ich regelmäßig, wenn diese Reaktionen erfolgten, "ebenso wenig wie Dylan, Springsteen, Coyne oder andere Barden, die sich in diese Riege der Nicht-Stimmakrobaten einreihen dürfen". "Aber er komponiert einfach traumhafte Melodien", sagte ich jedesmal als Erwiderung auf diesen Verbalangriff.
Die Rede ist an dieser Stelle von niemand anderem als von Tom Waits. Natürlich würde eine Opernsängerin wie Montserrat Caballé keinen Waits neben sich dulden - da muss schon ein Freddy Mercury her. Aber - dies wäre auch gar nicht die Umgebung, in der man sich einen Tom Waits vorstellen könnte. Dieser knarzige Typ, auf der Bühne meist in scheinbarer Second-Hand-Garderobe, Zigarette im Mundwinkel und tief in das Gesicht geschobenem Hut auftretende Künstler dürfte sich eher in heruntergekommenen Spelunken unter Loosern, Melancholikern oder einsam vor sich hinsinierenden Gestalten wohlfühlen. So passt auch treffend ein Zitat über sich selber zu seinen Texten über meist verlorene Typen, unglückliche Beziehungen, Huren und Spielern oder Orten, an denen sich eigentlich niemand aufhalten möchte. Als ehemaliger Türsteher im Nightclub Heritage verarbeitete er aufgeschnappte Wortfetzen in seinen Songs und nannte sich daher selber "Privatdetektiv der Nacht". Fast möchte ich wetten, dass einige dieser Wortfetzen auf seinem Debütalbum zu finden sind.
Tom Waits - Closing Time |USA 1973 |Folkrock, Folk, Blues, Jazz
Auf "Closing Time" wie auch auf einigen Folgealben ist Waits noch mit seiner "reinen" Stimme zu hören. Später wandelte er diese gekonnt in seinen typischen, kehligen Pressgesang, welcher neben seinen speziellen Bühnenperformances als sein Markenzeichen gelten dürfte. "Closing Time" wurde auf Asylum Records veröffentlicht und produziert von Jerry Yester (THE LOVIN' SPOONFUL).
Das Cover zeigt einen Waits - ganz im Geiste seiner Songs - der verloren und nachdenklich scheinend am leicht schäbigen Piano hockt, darauf abgestellt eine Flasche wohl hochprozentigen Inhalts. Was das Cover verspricht, wird die Musik auch halten - verloren wirkende, melancholische Lieder bereits erwähnter Typen und Lebensumstände.
In dem Opener ---> Ol '55, mittlerweile zu einem der vielen seiner Klassiker avanciert, sinniert Waits über den Abschied von einer Beziehung und der ungewissen Reise in eine unbestimmte Zukunft - natürlich melancholisch untermalt hauptsächlich von Piano und Streichern. Dieser Song wurde übrigens erstmals von THE EAGLES gecovert (---> EAGLES - Ol'55). Dies schien Waits nicht davon abzuhalten, über THE EAGLES das wenig charmante Statement "Ich kann die Eagles nicht ausstehen. Sie zu hören ist ungefähr so aufregend wie zuzusehen, wie Farbe trocknet" rauszuhauen. Vielleicht lag es daran, dass er die Coverversion der Eagles nicht mochte. Apropos Coverversionen - keiner der auf diesem Album vorhandenen Songs wurde nicht von anderen Künstlern übernommen.
Nachdem Waits, wie auch auf Ol'55, den zweiten Song mit "One, Two, Three, Four" angezählt hat, startet ---> I Hope That I Don't Fall In Love With You. Ein Lied über einen Mann, der hin- und hergerissen ist zwischen der Entscheidung, sich auf eine Liebe einzulassen oder aus Angst vor eventuellem Schmerz und Enttäuschung, die eine Liebe mit sich bringen kann, sich dagegen entscheidet. Auch hier gibt es eine sehr schöne Coverversion des Countrysängers Rodney Hayden (---> Rodney Hayden - I Hope That I Don't Fall In Love With You).
Neben diesen beiden Songs gehört das alles überstrahlende ---> Martha zu meinen Lieblingsstücken des Albums. Begleitet von einem leiernden Klavier singt sich Waits den Schmerz aus der Seele. Kaum zu glauben, dass jemand mit gerade einmal 23 Jahren einen solchen Text, ein solches Lebensgefühl hinlegen kann. Nach 40 Jahren erinnert sich ein Mann schmerzvoll an seine alte Liebe, ruft sie an und bittet sie unter Tränen, sich noch einmal mit ihm auf einen Kaffee zu treffen und sagt "And those were the days of roses, poetry and prose / And, Martha, all I had was you, and all you had was me" (Das waren die Tage der Rosen, der Poesie und der Prosa, und, Martha, alles, was ich hatte, warst Du, und alles, was Du hatte, war ich). Ein ergreifend schöner Song - der natürlich auch (nicht nur einmal) gecovert wurde (---> Tim Buckley - Martha).
Herrlich diese gedämpfte Trompete auf dem dahinschlendernden Blues ---> Virginia Avenue. Das scheinbar verstimmte Klavier fehlt hier ebenso wenig wie eine Coverversion mit fein leiernder Orgel (---> Knoxville Girls - Virginia Avenue).
Neben all den weiteren mehr oder wenig melancholischen, nach Einsamkeit klingenden Liedern wirkt das schmissig swingende ---> Ice Cream Man schon fast fehl am Platze - sorgt allerdings für ein wenig Erlösung nach all der Schwermut. Eine Steilvorlage für eine weitere Coverversion (---> Screamin Jay Hawkins - Ice Cream man).
Um die Erinnerung an dieses Albums jedoch mit einer Ballade abzuschließen, sei noch ---> Grateful Moon erwähnt. Eine Melodie, die fast dazu angetan ist, in eigentlich nicht vorhandenen Erinnerungen zu schwelgen und sich ganz seinem Blues hinzugeben. Irgendwie scheint es Waits zu verstehen, jeden auf seinen Reisen mitzunehmen - je nach Stimmung, in der man sich natürlich gerade befindet. Aber - in bester Laune wird dieses Album sicher nicht den Weg auf respektive in den Player finden. Achso, ...die Coverversion. Natürlich ist auch diese vorhanden (Nanci Griffith - Grapefruit Moon).
"Closing Time" darf zweifelsohne als ein Klassiker des Singer-Songwriter-Genres bezeichnet werden. Gespickt mit melancholischen und berührenden Texten sowie vorgetragen mit seiner einzigartigen Stimme ist es ein Album bestehend aus einer perfekten Mischung aus Jazz, Blues, Folk und Rock. Die Anzahl der zu findenden Coverversionen deutet auf den großen Einfluss, den Waits auf spätere Künstler bis heute hat. "Closing Time" darf als ein zeitloses und beeindruckendes Werk von Tom Waits und als ein hervorragendes Debüt angesehen werden.
[Die Musiker]
* Tom Waits – vocals, piano, guitar, harmonium, harpsichord, celeste
* Delbert Bennett – trumpet
* Shep Cooke – guitar, backing vocals on "Old Shoes (& Picture Postcards)"
* Peter Klimes – guitar, pedal steel guitar on "Rosie"
* Bill Plummer – double bass
* John Seiter – drums; backing vocals on "Ol' 55" and "Rosie"
Gastmusiker
* Arni Egilsson – bass guitar on "Closing Time"
* Jesse Ehrlich – cello on "Martha"
* Tony Terran – trumpet solo on "Closing Time"
[Die Songs]
01 - Ol' '55 - 3:55
02 - I Hope That I Don't Fall In Love With You - 3:52
03 - Virginia Avenue - 3:22
04 - Old Shoes (& Picture Postcards) - 3:41
05 - Midnight Lullaby - 3:10
06 - Martha - 4:26
07 - Rosie - 3:56
08 - Lonely - 3:11
09 - Ice Cream Man - 3:05
10 - Little Trip To Heaven (On The Wings Of Your Love) - 3:55
11 - Grapefruit Moon - 4:46
12 - Closing Time - 3:58
Die Rede ist an dieser Stelle von niemand anderem als von Tom Waits. Natürlich würde eine Opernsängerin wie Montserrat Caballé keinen Waits neben sich dulden - da muss schon ein Freddy Mercury her. Aber - dies wäre auch gar nicht die Umgebung, in der man sich einen Tom Waits vorstellen könnte. Dieser knarzige Typ, auf der Bühne meist in scheinbarer Second-Hand-Garderobe, Zigarette im Mundwinkel und tief in das Gesicht geschobenem Hut auftretende Künstler dürfte sich eher in heruntergekommenen Spelunken unter Loosern, Melancholikern oder einsam vor sich hinsinierenden Gestalten wohlfühlen. So passt auch treffend ein Zitat über sich selber zu seinen Texten über meist verlorene Typen, unglückliche Beziehungen, Huren und Spielern oder Orten, an denen sich eigentlich niemand aufhalten möchte. Als ehemaliger Türsteher im Nightclub Heritage verarbeitete er aufgeschnappte Wortfetzen in seinen Songs und nannte sich daher selber "Privatdetektiv der Nacht". Fast möchte ich wetten, dass einige dieser Wortfetzen auf seinem Debütalbum zu finden sind.
Tom Waits - Closing Time |USA 1973 |Folkrock, Folk, Blues, Jazz
Auf "Closing Time" wie auch auf einigen Folgealben ist Waits noch mit seiner "reinen" Stimme zu hören. Später wandelte er diese gekonnt in seinen typischen, kehligen Pressgesang, welcher neben seinen speziellen Bühnenperformances als sein Markenzeichen gelten dürfte. "Closing Time" wurde auf Asylum Records veröffentlicht und produziert von Jerry Yester (THE LOVIN' SPOONFUL).
Das Cover zeigt einen Waits - ganz im Geiste seiner Songs - der verloren und nachdenklich scheinend am leicht schäbigen Piano hockt, darauf abgestellt eine Flasche wohl hochprozentigen Inhalts. Was das Cover verspricht, wird die Musik auch halten - verloren wirkende, melancholische Lieder bereits erwähnter Typen und Lebensumstände.
In dem Opener ---> Ol '55, mittlerweile zu einem der vielen seiner Klassiker avanciert, sinniert Waits über den Abschied von einer Beziehung und der ungewissen Reise in eine unbestimmte Zukunft - natürlich melancholisch untermalt hauptsächlich von Piano und Streichern. Dieser Song wurde übrigens erstmals von THE EAGLES gecovert (---> EAGLES - Ol'55). Dies schien Waits nicht davon abzuhalten, über THE EAGLES das wenig charmante Statement "Ich kann die Eagles nicht ausstehen. Sie zu hören ist ungefähr so aufregend wie zuzusehen, wie Farbe trocknet" rauszuhauen. Vielleicht lag es daran, dass er die Coverversion der Eagles nicht mochte. Apropos Coverversionen - keiner der auf diesem Album vorhandenen Songs wurde nicht von anderen Künstlern übernommen.
Nachdem Waits, wie auch auf Ol'55, den zweiten Song mit "One, Two, Three, Four" angezählt hat, startet ---> I Hope That I Don't Fall In Love With You. Ein Lied über einen Mann, der hin- und hergerissen ist zwischen der Entscheidung, sich auf eine Liebe einzulassen oder aus Angst vor eventuellem Schmerz und Enttäuschung, die eine Liebe mit sich bringen kann, sich dagegen entscheidet. Auch hier gibt es eine sehr schöne Coverversion des Countrysängers Rodney Hayden (---> Rodney Hayden - I Hope That I Don't Fall In Love With You).
Neben diesen beiden Songs gehört das alles überstrahlende ---> Martha zu meinen Lieblingsstücken des Albums. Begleitet von einem leiernden Klavier singt sich Waits den Schmerz aus der Seele. Kaum zu glauben, dass jemand mit gerade einmal 23 Jahren einen solchen Text, ein solches Lebensgefühl hinlegen kann. Nach 40 Jahren erinnert sich ein Mann schmerzvoll an seine alte Liebe, ruft sie an und bittet sie unter Tränen, sich noch einmal mit ihm auf einen Kaffee zu treffen und sagt "And those were the days of roses, poetry and prose / And, Martha, all I had was you, and all you had was me" (Das waren die Tage der Rosen, der Poesie und der Prosa, und, Martha, alles, was ich hatte, warst Du, und alles, was Du hatte, war ich). Ein ergreifend schöner Song - der natürlich auch (nicht nur einmal) gecovert wurde (---> Tim Buckley - Martha).
Herrlich diese gedämpfte Trompete auf dem dahinschlendernden Blues ---> Virginia Avenue. Das scheinbar verstimmte Klavier fehlt hier ebenso wenig wie eine Coverversion mit fein leiernder Orgel (---> Knoxville Girls - Virginia Avenue).
Neben all den weiteren mehr oder wenig melancholischen, nach Einsamkeit klingenden Liedern wirkt das schmissig swingende ---> Ice Cream Man schon fast fehl am Platze - sorgt allerdings für ein wenig Erlösung nach all der Schwermut. Eine Steilvorlage für eine weitere Coverversion (---> Screamin Jay Hawkins - Ice Cream man).
Um die Erinnerung an dieses Albums jedoch mit einer Ballade abzuschließen, sei noch ---> Grateful Moon erwähnt. Eine Melodie, die fast dazu angetan ist, in eigentlich nicht vorhandenen Erinnerungen zu schwelgen und sich ganz seinem Blues hinzugeben. Irgendwie scheint es Waits zu verstehen, jeden auf seinen Reisen mitzunehmen - je nach Stimmung, in der man sich natürlich gerade befindet. Aber - in bester Laune wird dieses Album sicher nicht den Weg auf respektive in den Player finden. Achso, ...die Coverversion. Natürlich ist auch diese vorhanden (Nanci Griffith - Grapefruit Moon).
"Closing Time" darf zweifelsohne als ein Klassiker des Singer-Songwriter-Genres bezeichnet werden. Gespickt mit melancholischen und berührenden Texten sowie vorgetragen mit seiner einzigartigen Stimme ist es ein Album bestehend aus einer perfekten Mischung aus Jazz, Blues, Folk und Rock. Die Anzahl der zu findenden Coverversionen deutet auf den großen Einfluss, den Waits auf spätere Künstler bis heute hat. "Closing Time" darf als ein zeitloses und beeindruckendes Werk von Tom Waits und als ein hervorragendes Debüt angesehen werden.
[Die Musiker]
* Tom Waits – vocals, piano, guitar, harmonium, harpsichord, celeste
* Delbert Bennett – trumpet
* Shep Cooke – guitar, backing vocals on "Old Shoes (& Picture Postcards)"
* Peter Klimes – guitar, pedal steel guitar on "Rosie"
* Bill Plummer – double bass
* John Seiter – drums; backing vocals on "Ol' 55" and "Rosie"
Gastmusiker
* Arni Egilsson – bass guitar on "Closing Time"
* Jesse Ehrlich – cello on "Martha"
* Tony Terran – trumpet solo on "Closing Time"
[Die Songs]
01 - Ol' '55 - 3:55
02 - I Hope That I Don't Fall In Love With You - 3:52
03 - Virginia Avenue - 3:22
04 - Old Shoes (& Picture Postcards) - 3:41
05 - Midnight Lullaby - 3:10
06 - Martha - 4:26
07 - Rosie - 3:56
08 - Lonely - 3:11
09 - Ice Cream Man - 3:05
10 - Little Trip To Heaven (On The Wings Of Your Love) - 3:55
11 - Grapefruit Moon - 4:46
12 - Closing Time - 3:58