
Was war das für ein Erlebnis bei der Rockpalast Nacht 1980 – drei bärtige Zausel aus Texas (ausgerechnet der mit der kümmerlichsten Gesichtsbehaarung heißt „Frank Beard“) räumten aber mal so richtig ab. Ab diesem Gig, der in der damals noch spärlichen Fernsehlandschaft auch eine entsprechende Breitenwirkung hatte, waren William Frederick (Billy) Gibbons, Joe Michael (Dusty) Hill und eben Frank Beard, in deutschen Landen keine Unbekannten mehr. Höchste Zeit auch für mich damals, sich die Frühwerke an Land zu ziehen, selbstverständlich als Vinyl.
In ihrer Heimat war die „little ol‘ band from Texas“ natürlich schon längst ein fester Begriff, spätestens seit ihrem dritten Studioalbum „Tres Hombres“, mit dem sie 1973 erstmals die Top Ten der Billboard 200 entern konnten (Platz 8 war die beste Platzierung). Auf der Scheibe befand sich traditioneller, kernig-saftiger Blues Rock mit ordentlicher Boogieschlagseite und Südstaatengeruch.
Das in Tyler, Texas und Memphis, Tennessee weist gleich zu Beginn eine kuriose „Besonderheit“ auf: Waitin‘ For The Bus und Jesus Just Left Chicago gehen praktisch ineinander über, obwohl sie – auch vom Takt her – doch recht unterschiedlich sind. Schuld daran war ein Versehen des Toningenieurs, der die Songs unfreiwillig aneinanderkoppelte. Typisch ZZ Top machte man das sich sofort zu Nutze und spielte fortan auch live beide Songs immer im Doppelpack.
Auch Beer Drinkers And Hell Raisers ist ein Klassiker der Bandgeschichte, der eher Richtung Hard Rock geht und daher auch später von MOTÖRHEAD gecovert werden sollte. Bei allem struppigen Bartwuchs, der ja auch als Markenzeichen gepflegt und gehegt wurde, kann Gibbons auf „Tres Hombres“, wo er erstmals mit Obertönen spielte, auch richtig unter Beweis stellen, was für ein famoser Gitarrist er ist.
Etwas gemäßigter dann Master Of Sparks, dafür auch mit dieser unnachahmlichen Extraportion Coolness. Hot, Blue And Righteous ist der traditionelle Slow Blues. Bei Move Me On Down The Line wird das Tempo wieder angezogen, der Song brennt sich aber nicht nachhaltig ins Gedächtnis.
Das sollte aber bei den nachfolgenden Songs ganz anders aussehen: der drängelnde Stampfer Precious And Grace bereitet den Weg für den Song, der gewissermaßen der Benchmark-Titel für ZZ Top sein sollte: La Grange, der Song über das Bordell Chicken Ranch, am Stadtrand von La Grange, der Hauptstadt des Fayette Countys in Texas. Musikalisch ist das Stück mehr als nur beeinflusst von Boogie Chillen, einem Song den John Lee Hooker 1948 aufgenommen hatte und dessen charakteristisches Riff stetig wiederkehrt. 1992 kam es deshalb ja auch zu einem Rechtestreit zwischen ZZ Top und Bernhard Besman, dem Mitautor von Boogie Chillen, der aber vom Gericht wegen Ablauf des Urheberrechts zum Zeitpunkt des Entstehens von La Grange zu Gunsten von ZZ Top entschieden wurde. Das Stück wurde der erste Top 40 Hit der Band und wurde vom Rolling Stone 2008 auf Platz 74 der 100 besten Gitarrensongs aller Zeiten gelistet.
Auch der lakonische Blues Rocker Shiek zierte jede Setlist der frühen Gigs der Band, bevor zum Abschluss mit Have You Heard? noch ein optimistischer Gospelsong erklingt.
Textlich gehen ZZ TOP im Übrigen auch etwas andere Wege. Die Lyrics folgen nicht dem üblichen Blues-Schema nach dem Motto Ärger mit Frauen, Ärger beim Beruf, Heimweh und Depression, sondern handeln von Kritik an örtlichen Verkehrsmitteln (Waitin‘ For The Bus), optimistischen spirituellen Begegnungen (Hot, Blue And Righteous, Have You Heard), den Ritualen der „Mannwerdung“ in den Südstaaten (La Grange) oder schlichtweg albernen Einfällen (Jesus Just Left Chicago, Master Of Sparks). Keep it simple ist dabei die Devise und insgesamt machen sie ihrem damaligen Spitznamen als „die Aufschneider von Texas“ durchaus alle Ehre.
Wie schon erwähnt war „Tres Hombres“ der kommerzielle Durchbruch der Band und auch wenn sie nach einer Auszeit nach jahrelangem stressigen Touren 1977 bei ihrem 80er Jahre Comeback mit Eliminator, das endgültig Weltruhm bedeutete, in Richtung Las Vegas abzudriften begannen, sind sie sich immer irgendwie treu geblieben mit ihrem Südstaaten Blues Rock N‘ Roll. Dabei sind sie nach Hochglanzproduktionen auch immer wieder zu raueren, ursprünglichen Klängen zurückgekehrt (Rhythmeen, XXX). Auch der Tod von Dusty Hill am 28.07.2021 war zwar natürlich ein schwerwiegende Zäsur in der Bandhistorie, aber mit dem ehemaligen Gitarrentechniker von Dusty, Elwood Francis, hatte man alsbald einen Ersatz installiert, dessen Bart auch immer länger wird. Die Geschichte der „little ol‘ band from Texas“ (so auch der Titel der britisch-amerikanisch-kanadischen Dokumentation, in deren Zusammenhang die größten Banderfolge mit dem Album Raw – noch mit Dusty Hill - neu eingespielt wurden) ist noch nicht zu Ende.
Audio-Video “Waitin For The Bus”: https://www.youtube.com/watch?v=wnXSzgNe4xE
Audio-Video “Jesus Just Left Chicago”: https://www.youtube.com/watch?v=L2UTjoVVVb4
Audio-Video “Beer Drinkers And Hell Raisers: https://www.youtube.com/watch?v=wzZcBceUZJw
Audio Video “La Grange”: https://www.youtube.com/watch?v=Lttd4qEU2do
Full Album: https://www.youtube.com/watch?v=4BNjy4LRWo8
ZZ Top
Tres Hombres, London Records, 1972
Billy Gibbons Guitar & Vocals
Dusty Hill Bass & Vocals
Frank Beard Drums
Produzent: Bill Ham
Spieldauer:33:26 Minuten
01. Waitin‘ For The Bus
02. Jesus Just Left Chicago
03.Beer Drinkers And Hell Raisers
04. Master Of Sparks
05. Hot, Blue And Righteous
06. Move Me On Down The Line
07. Precious And Gone
08. La Grange
09. Shiek
10. Have You Heard?