Im Jahre 1986 begann Frank Zappa, seine Alben aus den 1960er und frühen 70er Jahren für die damals noch junge CD neu herauszugeben.
Ich selbst, 1986 im fortgeschrittenen Teenager-Alter, hatte einen ersten Anlauf gestartet, die populäre Musik zu erkunden, und war irgendwie auf Zappa gestoßen – schien vielversprechend zu sein. Begierig auf Neues und Anderes investierte ich also einen Teil meines Taschengeldes in das Album „We’re Only In It For The Money“. Auf der 1986er-CD war zusätzlich Zappas Album „Lumpy Gravy“ enthalten, wovon hier aber nicht die Rede sein wird.
Schräger Humor, Ironie, musikalisch abwechslungsreich – das war genau mein Ding. Dazu erwies Zappas Musik sich als erfreulich effektiver Elternschreck – aus damaliger Sicht ein nicht zu unterschätzender Bonus. Diese CD wurde Grundstock für eine recht umfangreiche Zappa-Diskothek.
„We’re Only In It For The Money“ habe ich im Laufe der Jahre immer mal wieder abgespielt, ohne dass ich mir Gedanken über Hintergründe und Entstehungsgeschichte machte. Ist normalerweise ja auch nicht nötig. Meine Neugier wurde geweckt, als ich erfuhr, dass mein altes „We’re Only In It For The Money“-Album ein Remix sei, das an das „Original“ von 1968 nicht herankomme. Diese „Originalfassung“ ist seit Längerem auf einer neueren CD-Edition verfügbar.
Letztlich führte kein Weg daran vorbei, eine weitere CD des Albums zu beschaffen – also das „Original“ – und mit der 1986er-CD zu vergleichen. Anlass genug für eine kleine Wiederentdeckung, denke ich.
USA in den 1960er Jahren: Bürgerrechtsbewegung, JFK-Attentat, Vietnamkrieg, Wettlauf zum Mond, sexuelle Revolution, Beatlemania, Drogen, Hippiebewegung – bewegte Zeiten, sogar aus heutiger Sicht.
Das ist der Kontext des satirischen Albums „We’re Only In It For The Money“, das Frank Zappa 1967 mit seinen Mothers Of Invention als drittes Studioalbum aufnahm und das im März 1968 auf MGM-Verve erschien.
Mit eigenem Geld hatte Zappa ein aufwendiges Coverbild machen lassen, das auffällig am Coverbild des Sgt. Peppers-Albums angelehnt ist, allerdings mit einer Ästhetik des Hässlichen: Angebissene Melonen, kaputte Schaufensterpuppen, Klamotten wie aus dem Altkleidercontainer.
Die Beatles-Parodie war MGM aus urheberrechtlichen Gründen aber zu heikel, und das Album musste zuerst mit einem anderen Cover erscheinen. Die Sgt. Pepper-Parodie war immerhin auf der Innenseite zu sehen.
Das sah damals so aus (Internet-Fundstücke):
Zusammen mit dem Titel „We’re Only In It For The Money” sollte das Cover aussagen: „Den Beatles geht es auch nur ums Geld“. Das ist naheliegend, wurde aber zumindest anfangs nicht so verstanden. In einem Interview auf Radio Sweden (1. Juni 1976) sagte Frank Zappa dazu:
Beatlemania: Das waren hysterische Teenager und ihre Idole – dachte ich, bevor ich zu diesem Artikel hier recherchiert habe. Aber die Auswirkung der Beatles auf die US-amerikanische Kultur und Gesellschaft war wohl erheblich tiefgreifender, wie es zum Beispiel der Artikel Sgt. Pepper and the Rise of the Counterculture nahelegt. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Beatles in den USA in dieser Zeit als heilige Kühe galten und über Kritik erhaben waren.
Diese Form der Beatles-Verehrung war Zappa ein Dorn im Auge, zumal er ihre Musik für nur mittelmäßig hielt; daher waren die Beatles als Ziel seines satirischen Spotts eigentlich eine naheliegende Wahl. Dass die Beatles mit Sgt. Pepper seine Idee eines Konzeptalbums von seinem Debütalbum „Freak Out!“ übernommen hatten, störte ihn wohl weniger.
Inhaltlich – in den Songtexten – zielte Zappa in „We’re Only In It For The Money“ auf Hippies und vor allem Möchtegern-Hippies (das Schlüsselwort lautet hier „phoney“). Dass er sich mit der Kritik an der Hippie-Kultur damals auch nicht unbedingt beliebt machte, nahm er in Kauf.
Die neunzehn Songs sind in musikalischer Hinsicht mindestens abwechslungsreich. Stilistisch wahrscheinlich am ehesten unter „Psychedelic Rock“ einzuordnen, gibt es auch Passagen, die der zeitgenössischen E-Musik entstammen könnten, oder collagenartige mit gesprochener Sprache und Geräuschen. Zappa experimentierte hier auch z. B. mit erhöhten Bandgeschwindigkeiten oder rückwärts abgespielten Tonband-Schnipseln. Am besten selbst hören, Youtube-Links sind unten zu finden.
Editionen
Es gibt von „We’re Only In It For The Money“ eine beachtliche Anzahl von Versionen, die sich aus unterschiedlicher Zensur, Cover-Gestaltung und Abmischung ergeben. Schon das erste Release erschien „mild zensiert“: Auf Druck von MGM-Verve hatte Frank Zappa Passagen in „Harry, You’re A Beast“ und „Mother People“ entschärft.
Für “We’re Only In It For The Money” wurde Frank Zappa 1968 der Edison Award (niederländischer Musikpreis ähnlich dem Grammy) verliehen; als er bei diesem Anlass bemerkte, dass die europäische Version des Albums ohne sein Einverständnis massiv zensiert worden war und der Preis sich auf diese Version des Albums bezog, gab er den Preis umgehend wieder zurück und meinte, der Verantwortliche bei MGM verdiene den Preis „Top Fascist Of The Year“.
Die erste CD-Edition des Albums (1986) war ein umfangreicher Remix, zu dem Zappa Bass und Schlagzeug neu aufgenommen hatte. Das ursprüngliche Masterband konnte – laut Zappa – nicht mehr verwendet werden: Es war in so schlechtem Zustand, dass die Magnetschicht begonnen hatte, sich abzulösen. Mit den originalen Mehrspurbändern sah es wohl besser aus, aber der Perfektionist Frank Zappa war insbesondere mit dem Schlagzeug nicht zufrieden, technisch – es hatte 1967 nur eine Mono-Spur dafür zur Verfügung gestanden – und musikalisch. Er wollte mit dem Remix wohl auch dem Geschmack der 80er-Jahre näherkommen.
Die Meinungen über das Resultat gehen auseinander. Puristen rümpfen über die 1986er-CD die Nase, und in der Tat wirkt der Klang nicht ganz homogen. Dafür lassen sich Schlagzeug und Bass hier gut hören, und es wurden auch einige Zensurmaßnahmen der Originalversion rückgängig gemacht:
We're Only In It For The Money - 1986
In den frühen 1990ern tauchten die originalen Rhythmus-Masterbänder wieder auf (MOTHER LOVE: ZAPPA BY THE DOZEN - The Washington Post), und 1995 erschien eine neue CD-Ausgabe, die der ersten LP-Ausgabe entsprach, inklusive zensiertem Coverbild. Die 2012er-Edition, die klanglich der 1995er entspricht, hat wiederum das Sgt. Pepper-Parodie-Coverbild. (Kommen noch alle mit?)
We're Only In It For The Money - 1968 (müsste weitgehend der 68er/95er Edition entsprechen, könnte klanglich von MFSL aber verändert sein)
Es hat sich außerdem jemand die Mühe gemacht, die 1968er Fassung zu ent-zensieren. Das Resultat kann man sich auf Youtube anhören:
We're Only In It For The Money - 1968 ent-zensiert
Mein persönliches Fazit zu den Versionen: Die 1995er/2012er-Version klingt in der Tat „homogener“, aber Schlagzeug und vor allem Bass sind hier klanglich wirklich unbefriedigend. Insofern hat die 1986er Edition meiner Meinung nach durchaus noch ihre Berechtigung. Original, d. h. von Zappa, sind beide.
Quellen
Viele der oben erwähnten Fakten und vor allem die Zitate sind dem „Zappa-Referenzhandbuch“ „The Big Note – A Guide To The Recordings Of Frank Zappa” von Charles Ulrich, Vancouver 2020, entnommen.
Sehr hörenswert ist die Folge Frank Zappa und The Mothers of Invention – "We're Only In It For The Money" des Podcasts „SWR1 Meilensteine“. (Die Hörbeispiele sind hier übrigens der 1968er CD entnommen.)
Ich selbst, 1986 im fortgeschrittenen Teenager-Alter, hatte einen ersten Anlauf gestartet, die populäre Musik zu erkunden, und war irgendwie auf Zappa gestoßen – schien vielversprechend zu sein. Begierig auf Neues und Anderes investierte ich also einen Teil meines Taschengeldes in das Album „We’re Only In It For The Money“. Auf der 1986er-CD war zusätzlich Zappas Album „Lumpy Gravy“ enthalten, wovon hier aber nicht die Rede sein wird.
Schräger Humor, Ironie, musikalisch abwechslungsreich – das war genau mein Ding. Dazu erwies Zappas Musik sich als erfreulich effektiver Elternschreck – aus damaliger Sicht ein nicht zu unterschätzender Bonus. Diese CD wurde Grundstock für eine recht umfangreiche Zappa-Diskothek.
„We’re Only In It For The Money“ habe ich im Laufe der Jahre immer mal wieder abgespielt, ohne dass ich mir Gedanken über Hintergründe und Entstehungsgeschichte machte. Ist normalerweise ja auch nicht nötig. Meine Neugier wurde geweckt, als ich erfuhr, dass mein altes „We’re Only In It For The Money“-Album ein Remix sei, das an das „Original“ von 1968 nicht herankomme. Diese „Originalfassung“ ist seit Längerem auf einer neueren CD-Edition verfügbar.
Letztlich führte kein Weg daran vorbei, eine weitere CD des Albums zu beschaffen – also das „Original“ – und mit der 1986er-CD zu vergleichen. Anlass genug für eine kleine Wiederentdeckung, denke ich.
USA in den 1960er Jahren: Bürgerrechtsbewegung, JFK-Attentat, Vietnamkrieg, Wettlauf zum Mond, sexuelle Revolution, Beatlemania, Drogen, Hippiebewegung – bewegte Zeiten, sogar aus heutiger Sicht.
Das ist der Kontext des satirischen Albums „We’re Only In It For The Money“, das Frank Zappa 1967 mit seinen Mothers Of Invention als drittes Studioalbum aufnahm und das im März 1968 auf MGM-Verve erschien.
Mit eigenem Geld hatte Zappa ein aufwendiges Coverbild machen lassen, das auffällig am Coverbild des Sgt. Peppers-Albums angelehnt ist, allerdings mit einer Ästhetik des Hässlichen: Angebissene Melonen, kaputte Schaufensterpuppen, Klamotten wie aus dem Altkleidercontainer.
Die Beatles-Parodie war MGM aus urheberrechtlichen Gründen aber zu heikel, und das Album musste zuerst mit einem anderen Cover erscheinen. Die Sgt. Pepper-Parodie war immerhin auf der Innenseite zu sehen.
Das sah damals so aus (Internet-Fundstücke):
Zusammen mit dem Titel „We’re Only In It For The Money” sollte das Cover aussagen: „Den Beatles geht es auch nur ums Geld“. Das ist naheliegend, wurde aber zumindest anfangs nicht so verstanden. In einem Interview auf Radio Sweden (1. Juni 1976) sagte Frank Zappa dazu:
„… And to show you how well that parody went over, nobody in the United States got it. People come up to me now and still ask me whether we’re in it for the money. They’d never presumed for a minute that there could be anything wrong with The Beatles or that anybody should take exception to what they were doing. But during that whole flower power era in the United States around 1967, it was so ridiculous the way people were behaving. I felt that somebody had to say that it was full of shit. Otherwise, it just wouldn’t be right. …”
Beatlemania: Das waren hysterische Teenager und ihre Idole – dachte ich, bevor ich zu diesem Artikel hier recherchiert habe. Aber die Auswirkung der Beatles auf die US-amerikanische Kultur und Gesellschaft war wohl erheblich tiefgreifender, wie es zum Beispiel der Artikel Sgt. Pepper and the Rise of the Counterculture nahelegt. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Beatles in den USA in dieser Zeit als heilige Kühe galten und über Kritik erhaben waren.
Diese Form der Beatles-Verehrung war Zappa ein Dorn im Auge, zumal er ihre Musik für nur mittelmäßig hielt; daher waren die Beatles als Ziel seines satirischen Spotts eigentlich eine naheliegende Wahl. Dass die Beatles mit Sgt. Pepper seine Idee eines Konzeptalbums von seinem Debütalbum „Freak Out!“ übernommen hatten, störte ihn wohl weniger.
Inhaltlich – in den Songtexten – zielte Zappa in „We’re Only In It For The Money“ auf Hippies und vor allem Möchtegern-Hippies (das Schlüsselwort lautet hier „phoney“). Dass er sich mit der Kritik an der Hippie-Kultur damals auch nicht unbedingt beliebt machte, nahm er in Kauf.
„I was like a villain to everybody because I dared to say flower power sucked … They really thought they were going to rule the world with a flower in their hand … They were just so full of dope that they were going blindly their own way, not thinking for a moment that the origin of LSD was in the CIA …” (Frank Zappa in einem Interview mit Scott Cohen “Frank Zappa: Outraged Consumer“, Circus Raves, Dezember 1975)
„If you stop and think about it, putting out an album like that would be a very courageous thing in the middle of hippie hysteria. I did two things that were definitely a no-no then. One, making fun of The Beatles, and you couldn’t do that; and two, I made fun of hippies, and you couldn’t do that either. All the other satirical comments in the first two albums had been directed toward their parents, and none of those kids wanted to hear anything about themselves. Looking at it now, maybe it was an easy target. But you try it in 1967.” (Frank Zappa in einem Interview mit Steve Simels “A Little Visit With Frank Zappa”, Stereo Review, April 1979)
Die neunzehn Songs sind in musikalischer Hinsicht mindestens abwechslungsreich. Stilistisch wahrscheinlich am ehesten unter „Psychedelic Rock“ einzuordnen, gibt es auch Passagen, die der zeitgenössischen E-Musik entstammen könnten, oder collagenartige mit gesprochener Sprache und Geräuschen. Zappa experimentierte hier auch z. B. mit erhöhten Bandgeschwindigkeiten oder rückwärts abgespielten Tonband-Schnipseln. Am besten selbst hören, Youtube-Links sind unten zu finden.
Editionen
Es gibt von „We’re Only In It For The Money“ eine beachtliche Anzahl von Versionen, die sich aus unterschiedlicher Zensur, Cover-Gestaltung und Abmischung ergeben. Schon das erste Release erschien „mild zensiert“: Auf Druck von MGM-Verve hatte Frank Zappa Passagen in „Harry, You’re A Beast“ und „Mother People“ entschärft.
Für “We’re Only In It For The Money” wurde Frank Zappa 1968 der Edison Award (niederländischer Musikpreis ähnlich dem Grammy) verliehen; als er bei diesem Anlass bemerkte, dass die europäische Version des Albums ohne sein Einverständnis massiv zensiert worden war und der Preis sich auf diese Version des Albums bezog, gab er den Preis umgehend wieder zurück und meinte, der Verantwortliche bei MGM verdiene den Preis „Top Fascist Of The Year“.
Die erste CD-Edition des Albums (1986) war ein umfangreicher Remix, zu dem Zappa Bass und Schlagzeug neu aufgenommen hatte. Das ursprüngliche Masterband konnte – laut Zappa – nicht mehr verwendet werden: Es war in so schlechtem Zustand, dass die Magnetschicht begonnen hatte, sich abzulösen. Mit den originalen Mehrspurbändern sah es wohl besser aus, aber der Perfektionist Frank Zappa war insbesondere mit dem Schlagzeug nicht zufrieden, technisch – es hatte 1967 nur eine Mono-Spur dafür zur Verfügung gestanden – und musikalisch. Er wollte mit dem Remix wohl auch dem Geschmack der 80er-Jahre näherkommen.
Die Meinungen über das Resultat gehen auseinander. Puristen rümpfen über die 1986er-CD die Nase, und in der Tat wirkt der Klang nicht ganz homogen. Dafür lassen sich Schlagzeug und Bass hier gut hören, und es wurden auch einige Zensurmaßnahmen der Originalversion rückgängig gemacht:
We're Only In It For The Money - 1986
In den frühen 1990ern tauchten die originalen Rhythmus-Masterbänder wieder auf (MOTHER LOVE: ZAPPA BY THE DOZEN - The Washington Post), und 1995 erschien eine neue CD-Ausgabe, die der ersten LP-Ausgabe entsprach, inklusive zensiertem Coverbild. Die 2012er-Edition, die klanglich der 1995er entspricht, hat wiederum das Sgt. Pepper-Parodie-Coverbild. (Kommen noch alle mit?)
We're Only In It For The Money - 1968 (müsste weitgehend der 68er/95er Edition entsprechen, könnte klanglich von MFSL aber verändert sein)
Es hat sich außerdem jemand die Mühe gemacht, die 1968er Fassung zu ent-zensieren. Das Resultat kann man sich auf Youtube anhören:
We're Only In It For The Money - 1968 ent-zensiert
Mein persönliches Fazit zu den Versionen: Die 1995er/2012er-Version klingt in der Tat „homogener“, aber Schlagzeug und vor allem Bass sind hier klanglich wirklich unbefriedigend. Insofern hat die 1986er Edition meiner Meinung nach durchaus noch ihre Berechtigung. Original, d. h. von Zappa, sind beide.
Quellen
Viele der oben erwähnten Fakten und vor allem die Zitate sind dem „Zappa-Referenzhandbuch“ „The Big Note – A Guide To The Recordings Of Frank Zappa” von Charles Ulrich, Vancouver 2020, entnommen.
Sehr hörenswert ist die Folge Frank Zappa und The Mothers of Invention – "We're Only In It For The Money" des Podcasts „SWR1 Meilensteine“. (Die Hörbeispiele sind hier übrigens der 1968er CD entnommen.)