
Wie mag sich der Sound zu dieser weiten, in goldenes Licht getauchten Wüstenlandschaft anfühlen? Welche CD schiebe ich in den Player des staubigen Oldsmobile - natürlich offen und im American Style - bevor die Fahrt losgeht? Der Sechszylinder tuckert gemächlich über die endlosen Straßen dieser endlosen Weite, die fetten Reifen wirbeln den feinen Wüstenstaub auf, der sich ob der schlendernden Fahrt schnell wieder niederlegt. Wir cruisen und cruisen und cruisen, scheinen aber der langsam untergehenden Sonne nicht näherzukommen. Währenddessen vergehen die 40 Minuten dieses Albums wie im Flug.
SUSS - Promise | USA | 2020 | Ambient Americana
Genau dieses Landschaftsbild hatte ich vor Augen, als ich die CD erstmals hörte. Noch etwas kam mir in den Sinn. Twin Peaks, dieser undurchschaubare, leicht verstörende Film von David Lynch. Parallelen zu dem Titelsong taten sich auf. Und auch, dass viele der Melodien auf Promise diesem Film hervorragend zu Gesicht gestanden hätten.

Für mein Empfinden haben SUSS mit diesem Cover die uns erwartende Musik gut bebildert. Die vier New Yorker haben auf Promise insgesamt acht Songs verewigt, einen surreal klingenden Soundtrack. Sie selber bezeichnen diese Art der Musik als "pastoralen Psychedelizismus". So können die Begriffe "surreal" und "psychedelisch" gerne in einem Atemzug genannt werden.
Der Motor ist angeworfen, die Fahrt startet mit Midnight. Ein träge wabernder, immer wieder abschwellender Synthiesizer gibt die Grundstimmung vor. Gelegentlich wird über die Saiten der Akustikgitarre gestrichen, eine Steelguitar lauert um die Ecke. Westernfeeling wird durch die immer wieder auftauchende Mundharmonika vermittelt. Der Song lässt einen Druck auf das Gaspedal gar nicht erst zu. Ebenso, wie in Zeitlupe, folgt Drift und scheint uns in Trance versetzen zu wollen, und ebenso scheinen wir in unserem Oldsmobile wie in Zeitlupe durch die Landschaft zu schweben.
Leichtes Unbehagen und eine nicht greifbare Spannung erzeugt No Man's Land, hervorgerufen durch die sägenden, verzerrten Geigenklänge sowie das leiernde, keuchende Harmonium. Ebenso entlässt der folgende Song, Mission, nicht aus dieser Stimmung. War während der Fahrt an eine Beschleunigung gar nicht zu denken, scheint das Gas jetzt noch ein wenig zurückgenommen. Tempo wird durch Spannung ersetzt, die Bilder, die Songs scheinen aufgesaugt werden zu wollen.
Promise nimmt mit auf eine Reise durch weite, unwirklich wirkende Räume und Landschaften. Wehmut und Sehnsucht machen sich breit, anfängliches Unbehagen weicht einer nicht beschreibbaren Gelassenheit und Ruhe. Zeit spielt keine Rolle, geduldig wird Meile um Meile heruntergespult. Begleitet von den berauschenden Klängen der Steelguitar, des Synthies, der Harmonica oder des Harmoniums. Am Ende der Reise vernehmen wir die letzten Klänge von Nightlight, gerade vor dem Motel einparkend. Entnehmen die CD aus dem Player, steigen aus unserem Cadillac Series 62 Convertible und schlendern gemächlich zur Rezeption.
Glücklicherweise befindet sich in unserem Zimmer des Motels eine Musikanlage. Abermals wird die CD eingeschoben. Die nunmehr vertrauten, Ruhe ausstrahlenden Töne helfen bestens, ganz langsam, wie in Trance, in den Schlaf zu gleiten.
[Die Band]
• Jonathan Gregg: Pedal Steel, dobro
• Bob Holmes: Mandolin, baritone guitar, acoustic guitar, harmonica, violin
• Pat Irwin: Electric guitars, National guitar, eBow, harmonium, keyboards, melodica, loops
• Gary Leib: Keyboards, looping
[Die Songs]
♪ Midnight - 4:10
♪ Drift - 5:27
♪ Home - 5:37
♪ No Man's Land - 4:39
♪ Mission - 4:11
♪ Echo Lake - 4:33
♪ Winter Light - 5:56
♪ Nightlight - 6:06
[Im Netz]
Homepage der Band
Auf Bandcamp
Interview auf "Stereogum" (englischsprachig)