Emma und Paul

Eine Weihnachtsgeschichte, nicht nur für Kinder

 
Moniek
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Emma und Paul

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Gepostet: 06.11.2017 - 15:29 Uhr  ·  #1
In einem Monat ist Nikolaus.
Eine Geschichte zur Einstimmung auf die geheimnisvolle Zeit der Vorweihnacht.


Emma und Paul

Liebe – wenn Paul das schon hörte. Mit seinen bald 7 Jahren meinte er schon soviel davon zu verstehen, dass er auch seinen Vater nicht verstehen konnte, der sich gerade neu verliebt hatte.
Ne ne ne ne – kennen lernen wollte er die Frau erst gar nicht.
Einmal hatte er sie flüchtig gesehen, aber nur die langen Haare und den dunklen
Mantel.
Ab und zu schielte er mal zu Emma hinüber, die mit ihm zusammen in einer Klasse war.
Sie mochte er, die war nicht so albern, wie die anderen Mädchen, mit ihr konnte man auch Höhlen bauen und Cowboy spielen.
Die langen Haare hatte sie zum Zopf zusammengebunden und meistens trug sie Jeans.
Emma war heute sehr nachdenklich und bemerkte nicht, dass Paul sie beobachtete.
Was war nur mit ihrer Mutter los? Immer öfter ging sie abends weg, traf sich mit ihren Freundinnen, sagte sie.
Aber immer so schick angezogen? Und immer so gut duftend?
Es machte Emma auch nichts aus, dass dann die nette Frau Hilden auf sie aufpasste, die Nachbarin. Die war zu ihr, wie eine Oma.
Als sie Pauls Blicke bemerkte, lächelte sie ihm kurz zu
Heute war der letzte Schultag vor Weihnachten und auf das Fest freuten sich die Kinder sehr.
Für den nächsten Tag war Emma und Paul noch eine Überraschung versprochen worden, aber sie durften nicht darüber reden.
Das fiel beiden sehr schwer, denn sie hatten ein Stück einen gemeinsamen Schulweg und wohnten nicht weit voneinander entfernt.
Zuhause angekommen, wurden die letzten Vorbereitungen getroffen, der Baum aufgestellt und geschmückt, Geschenke eingepackt, Kekse gebacken.
Als sie alles fertig hatten, war Emma so müde, dass sie freiwillig ins Bett ging.
Bei Paul war erst einmal Zimmer aufräumen angesagt, Müll raus bringen und den Tisch für das Abendbrot decken gehörte auch zu seinen Aufgaben.
Danach schlüpfte er in seinen Schlafanzug und putzte sich die Zähne.
Ein wenig fernsehen noch und dann ins Bett.
Emmas Mutter und Pauls Vater griffen fast gleichzeitig zum Telefon. Ein langes Gespräch folgte, denn die beiden kannten sich schon einige Zeit, nur ihre Kinder wussten nichts davon.
Morgen wollten sie ihnen die Wahrheit sagen, aber erst nach der Bescherung.
Am nächsten Morgen war der versprochene Schnee immer noch nicht gefallen.
Nach einem gemütlichen und ausgiebigen Frühstück machten sich Emma und ihre Mutter, sowie Paul und sein Vater auf den Weg zum Bahnhof.
Eine besondere Reise war auf großen Plakaten angekündigt worden, eine Reise in das Märchenland.
– Nur für Kinder.
Auf dem Bahnsteig waren schon viele Kinder mit Eltern versammelt und auf den Schienen stand eine kunterbunte Lok, mit ebenso kunterbunten Waggons.
In die kleinen Wagen passten immer nur 2 Kinder und da Emma und Paul als letzte ankamen, war nur noch der Wagen hinter der Lok frei, in den sie hastig hinein geschoben wurden. Paul sah gerade noch, wie sich Emmas Mutter verabschiedete und erkannte im selben Moment die Frau wieder, die er neulich bei seinem Vater gesehen hatte.
Er sah Emma neben sich sitzen, die anscheinend keine Ahnung hatte, oder doch?
Ziemlich aggressiv, sprach er sie an. Das hätten sich die Eltern ja wohl fein ausgedacht, die Kinder abschieben und sich einen fröhlichen Nachmittag machen.
Emma schaute ihn erstaunt an, wollte etwas sagen, aber Paul meckerte weiter, bis auch sie sauer wurde und ihrerseits schimpfte.
Während die bunte Lok losfuhr und die anderen Kinder in den Wagen hinter ihnen lustig und vergnügt die Reise genossen, sprachen Emma und Paul kein Wort mehr miteinander und schauten angestrengt aus dem Fenster.
So merkten sie auch nicht, dass die Lok kurz an einer großen Halle hielt, wo die Wagen abgekoppelt wurden, nur der Wagen direkt hinter der Lok nicht – und wer saß darin?
Emma und Paul natürlich.
Kurz darauf gab es einen Ruck und die Lok fuhr weiter.
Als sie an dem großen Wald ankamen, fiel der Schnee in dichten Flocken, so dass man keinen Meter weit sehen konnte.
Die Lok fuhr ohne Halt weiter, bis sie zu einer großen Lichtung kam.
Die Kinder hatten erstaunt aus dem Fenster geschaut und auch bemerkt, dass sie in dem einzigen Wagen saßen, der noch von der Lok gezogen wurde.
Ein mulmiges Gefühl beschlich sie, aber miteinander sprechen kam ja gar nicht infrage.
Als die kleine kunterbunte Lok mit einem Ruck hielt, fassten sie automatisch nach der Hand des anderen, um sich gegenseitig Mut zu machen.
Da es nicht weiterging beschlossen sie, auszusteigen.
Die Jacken fest geschlossen, den Schal zweimal um den Hals gewickelt, die Mütze zurechtgerückt und dann noch die Handschuhe angezogen - so verließen sie den Wagen.
Etwas ratlos standen sie dann vor der Lok, aber dort war niemand, kein Fahrer.
Zögernd machten sich Emma und Paul auf den Weg. Nur – wohin, dass wussten beide nicht.
Sie gingen einfach los.
Es war sehr still im Wald. Hier lag überall Schnee, auf den Bäumen, Sträuchern und dem Waldboden.
Vom Himmel fielen jetzt keine Flocken mehr, die Natur hielt den Atem an, denn hier passierte etwas, was nicht jeden Tag geschieht.
Eine Pause im Lauf der Zeit, in der Ungewöhnliches geschieht und Wunder wahr werden.
Auch die beiden waren ganz still, hielten sich wieder an den Händen und gingen vorsichtig den Weg entlang, der von der Lichtung wegführte.
Dunkel war es nicht, da der Mond schien und die Sterne am Himmel standen.
Nach einiger Zeit, Emma und Paul hatten keine Uhr dabei, sahen sie einen dunklen Fleck im Gebüsch und als sie näher kamen, erkannten sie, dass dort ein Hund angebunden war.
Er war voller Schnee und zitterte am ganzen Körper.
Vorsichtig gingen sie näher, doch der Hund war so schwach, dass er kaum noch winseln konnte. Sie lösten den Strick, mit dem das Tier angebunden war und probierten, ob der Kleine selbst laufen konnte.
Als sie merkten, dass das nicht klappte, wickelten sie ihn in Emmas Schal und trugen ihn behutsam den Weg zurück zur Lok, in der Hoffnung, dass die wieder zurückfahren würde.
Auf der Lichtung standen immer noch die Lok und der kunterbunte Wagen, als wenn sie auf die Kinder gewartet hätten.
Schnell stiegen sie ein und sofort setzte sich der Zug in Bewegung.
Ohne Halt zu machen, fuhren sie zu der Halle, in der die anderen Kinder beim Toben und Spielen den Nachmittag verbracht hatten. Sie saßen schon wieder in den kleinen Wagen, die schnell angekoppelt wurden.
Nun ging es durch die zauberhafte Winterlandschaft zurück zum Bahnhof, wo schon die Eltern auf sie warteten.
Auch Emmas Mutter und Pauls Vater standen dort. Die beiden Kinder liefen auf sie zu und erzählten die ganze Geschichte, der Hund wurde gezeigt und auch Paul ließ es zu, dass Emmas Mutter ihn in den Arm nahm. Der Vater ging voraus zum Auto, den Hund im Arm, die Mutter hinterher und die beiden Kindern liefen aufgeregt hin und her.
Was sollte nun mit dem Hund geschehen?
Die Eltern fuhren erst einmal zum Tierheim hinaus. Dort erzählten die Kinder noch einmal, wie sie den Hund vorgefunden hatten.
Eine Tierpflegerin nahm den Kleinen und versprach, sich sofort um alles zu kümmern und morgen würde auch der Tierarzt nach ihm sehen.
Nach den Feiertagen dürften sie ihn dann besuchen.
Weil sie den Hund gefunden hatten, sollten sie sich auch schon mal einen Namen überlegen.
Auf dem Heimweg waren Emma und Paul sehr still.
Auf dem Parkplatz trennten sich alle, denn es sollte ja jetzt die Bescherung stattfinden.
Aber Emma und Paul hatten gar keine Lust, sich ihre Geschenke anzusehen, denn der kleine Hund ging ihnen nicht aus dem Kopf.
Kurz entschlossen nahm Paul das Telefon und verzog sich in sein Zimmer. Was er mit Emma verabredete, haben die Erwachsenen nicht mitbekommen - nur wollte auf einmal Emma unbedingt Paul besuchen, heute noch. Die Geschenke lagen weiterhin unausgepackt unter dem Baum.
Die Kinder verschwanden gleich in Pauls Zimmer aber kamen nach kurzer Zeit in die Küche, wo die Eltern einen Kaffee tranken.
Für die Kinder hatten sie Kakao und Kekse hingestellt, aber auch das blieb unberührt.
Dann fingen die Kinder an, zu sprechen, wobei beide nacheinander, durcheinander und miteinander, jedenfalls einstimmig sagten, sie würden auf ihre Weihnachtsgeschenke verzichten, wenn sie dafür den kleinen Hund bekämen.
Die Mutter und der Vater redeten davon, dass niemand richtig Zeit hätte und wie sie sich das vorstellten, da ja der Hund nicht bei beiden wohnen konnte.
Emma und Paul schüttelten den Kopf - Warum waren die Erwachsenen nur so kompliziert??
Sie riefen, als wenn es längst beschlossene Sache wäre, „Natürlich ziehen wir zusammen in eine große Wohnung.“
Während sich die Erwachsenen noch erstaunt ansahen, waren die Kinder schon damit beschäftigt, alles zu planen.
Es wurde ein langer Abend mit Gesprächen und vielen „wenn“ und „aber“.
Zuerst sagten die Eltern, dass sie die Geschenke beruhigt auspacken könnten, denn ob sie den Hund bekämen oder nicht, hätte nichts damit zu tun.
Sie einigten sich darauf, nach den Feiertagen ins Tierheim zu fahren und dort den kleinen Hund zu besuchen. Sie hatten sich außerdem den Namen Luna ausgedacht, weil der Mond schien, als sie ihn gefunden hatten.
Nach einem langen Abend gingen Emma und ihre Mutter wieder heim, doch die Geschenke wurden erst am nächsten Morgen ausgepackt.
Nach dem Frühstück trafen sie die vier wieder, um den Tag miteinander zu verbringen und am nächsten Tag waren sie dann bei Emma zu Besuch.
Dann stand der Besuch im Tierheim bevor und die beiden Kinder waren aufgeregt und zappelig.
Natürlich ging es dem kleinen Hund besser, er war auch nicht krank oder verletzt, nur ein wenig unterkühlt und schwach gewesen.
Der Name Luna wurde gleich notiert und der Kleine dann ausgiebig gestreichelt.
Die Eltern hatten ein langes Gespräch mit der Leiterin des Tierheims. Sie sagten ihr, dass sie den Hund eventuell zu sich nehmen würden, wenn sich niemand fand, dem er gehörte und sie die größere, gemeinsame Wohnung bezogen hätten. Außerdem musste ja eine Betreuung für die Kinder und den Hund gefunden werden, während die Eltern arbeiteten.
Der Hund sollte also so lange im Tierheim bleiben, bis alles geregelt war, aber sie durften ihn besuchen, so oft sie wollten.
3 Monate später, im Frühling, sah man Vater, Mutter, Sohn und Tochter gemeinsam mit einem kleinen Hund spazieren gehen und niemand würde auf die Idee kommen, dass noch vor Weihnachten Emma mit ihrer Mutter und Paul mit seinem Vater in verschiedenen Wohnungen zuhause waren – und der kleine Hund im Wald auf die Kinder wartete.
Übrigens, die kunterbunte Lok und ihre kleinen Wagen fuhren danach nie mehr weiter, als bis zu der großen Halle, in der Kinder spielen und toben konnten.
Ja----und über die Liebe dachte Paul inzwischen auch anders, weil er sah, wie gut sich die Eltern verstanden und manchmal sagte er, so ganz aus Versehen, Mama zu Emmas Mutter.
kraut-brain
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Re: Emma und Paul

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Gepostet: 07.11.2017 - 16:09 Uhr  ·  #2
Ein wirklich sehr schönes vorweihnachtliches Märchen ist dir mit der Geschichte "Emma und Paul" gelungen. Es ist einfach faszinierend, wie du diese Geschichte entwickelt und letztlich zu einem harmonischen Ende gebracht hast.

Danke dafür .... :)
Tom Cody
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Re: Emma und Paul

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Gepostet: 10.11.2017 - 12:55 Uhr  ·  #3
Moni, eine äußerst schöne Vorweihnachtsgeschichte ist dir aus der Feder geschlüpft - mit "Happy End"! Ich habe deine Zeilen sehr gerne gelesen. Besten Dank dafür! :)
Moniek
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Re: Emma und Paul

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Gepostet: 10.11.2017 - 16:39 Uhr  ·  #4
Dankeschön =)
White Bird
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Re: Emma und Paul

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Gepostet: 11.11.2017 - 10:46 Uhr  ·  #5
Hallo Moni,

wieder beschenkt du uns mit einer sehr berührenden Weihnachtsgeschichte. Es hat Spaß gemacht deinen Zeilen zu folgen.

Danke, danke ....


LG White Bird
Moniek
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Re: Emma und Paul

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Gepostet: 11.11.2017 - 18:19 Uhr  ·  #6
Danke, ich freue mich :-)
sunny
 
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Re: Emma und Paul

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Gepostet: 11.12.2017 - 19:10 Uhr  ·  #7
wow Moni, schöne Weihnachtsgeschichte.
danke dafür :D
Moniek
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Re: Emma und Paul

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Gepostet: 11.12.2017 - 20:30 Uhr  ·  #8
Danke Sunny.

Liebe Grüße :D
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