THE TANGENT - A place in the queue

 
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THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 01.08.2006 - 19:06 Uhr  ·  #1
Der Sound von The Tangent war mir bisher schon sehr willkommen. Jetzt ist er es noch ein großes Stück mehr. Tatsächlich hat Stolts Abgang Tillison aus der Reserve gelockt. Irgendwie lockerer, verspielter erscheint mir der Stil nun. Und ja, auch eigenständiger, eindeutig. Wenngleich Referenzen rauszuhören sind und auch gehört werden sollen, so geht er nun mehr einen eigenen Weg. Und das ist ja schon mal nie verkehrt.

Mehr Piano, mehr Keyboards allgemein, auch mehr Gebläse prägt nun das Soundbild. So gefallen mir beide 20-Minüter bisher von all diesen Mammut-Tangents am besten. Beide sind wesentlich abwechslungsreicher und spannender/dramatischer inszeniert als ihre Vorgänger. Theo Travis bekommt Raum und das tut gut. Harte Rockeinlagen wie noch bei „Up-Hill from here“ vom Debut fehlen völlig und auch das tut gut.

Das leicht schräge „DIY Surgery“, das kraftvolle „GPS Culture“ mit netten kleinen Yes-Reminiszenzen z.B. in kurzen Tastenspielereien, das wunderbar ironisch betitelte „Follow your leaders“ – alles dicke Volltreffer. Ganz besonders gefällt mir auch die ungewöhnliche Auflockerung hier, in Form der End-70er-Disco-Funk-Rock Nummer „The sun in my eyes“. Diesen Text (Tillison erinnert sich hier an seine Schulzeit und dass er wegen seines Prog-Geschmacks Probleme mit Mitschülern hatte – etwas das ich ihm 100% nachfühlen kann) in so eine Art Musik zu verpacken und ihn damit zu konterkarieren, ist schlitzohrig. Hut ab! Der Song ist aber auch einfach gut gemacht. Wenn Tillison ein etwas ausdrucksstärkerer Sänger wäre, könnte das fast im Radio laufen.

Ganz besonders gefallen mir auch die Liner Notes. Andy Tillison reflektiert die 70er Jahre und sein erstes Erlebnis mit dem wunderbaren „Tales from topographic oceans“. Das geht sogar soweit, dass ein Foto von ihm von 1973 drin ist und er dazu schrieb, das wäre das Jahr, in welchem er die Idee zu diesem vorliegenden Album hat. Humor, Melancholie, etwas Wehmut wechseln sich in den angenehmen Notizen von ihm ab.

ABSCHWEIFUNG – kleine Gedanken zu den Booklet-Bemerkungen: Tillisons nachdenkliche Ausführungen zur Rezeptur von Prog-Songs im Booklet (und die Tatsache, dass die großen Alten es leichter hatten, weil sie diese Rezeptur erst erfanden) kann ich absolut nachvollziehen. Denn selbstverständlich ist Prog-Rock heute ein Genre wie viele andere im Musikbusiness. Wir Käufer sind Kunden, die bedient werden sollen und wollen damit die Maschine für Musiker, Plattenfirmen und Hörer läuft. Progressiv im eigentlichen Wortsinne ist da vieles nicht mehr, aber das ist an sich ja auch noch nicht ein Verlust, solange dabei gute Musik rauskommt. Es gibt gottseidank genügend Künstler, die es sich permanent abverlangen, immer etwas Neues zu kreieren, und das ist auch gut und schön so, und ich möchte es nicht missen. Wenn dann jemand allerdings her geht und „nur“ Rezepturen bedient und Bedürfnisse befriedigt, und das am Ende geschmacklich hinhaut, was soll man da kritisieren? Das wäre Jammern auf hohem Niveau. Ich gehe z.B. sehr gerne essen und probiere unbekannte Restaurants und Geschmacksrichtungen aus. Und manchmal esse ich eben gerne ……Kartoffelsalat ;-) Ja – na und? Muss ich denn meinen Kartoffelsalat nun mit Kokos würzen damit er mal ganz was Neues ist? Mir ist gutgemachte, von Herzen kommende Musik (und dies hier ist ihm eine Herzensangelegenheit gewesen), die schonmal dagewesen ist und eine bestimmte Nachfrage befriedigt, allemal lieber, als ein Musiker, der meint, er müsste unbedingt etwas Neues, nie dagewesenes schaffen und ob dieser intellektuellen Verkrampfung dann einfach langweilt. Auch Prog braucht für mich Bauch und Herz, und wenn der Kopf dann mal zurücksteht, ist es kein Beinbruch. ABSCHWEIFUNG - Ende

Die Verpackung ist für mich ein Augenschmaus. Die Art von CD-Gestaltung, bei denen ich immer schwach werde. Und Roine sollte hier mal ein Auge riskieren, nach dem furchtbar tumben „Adam & Eve“ Cover. Die an Escher angelehnte Collage im Booklet, welche sich auf den entsprechenden Teil im Titelsong bezieht (The Escher staircase), sieht z.B. wie ein düsteres Computer-Spiel aus und verlockt mich gleich in diese Welt einzusteigen.

Die Bonus CD beginnt leider etwas schwächer. „Promises were made“ kann mich gar nicht begeistern. Ich mag Sam Baines Gesang nicht und auch der Song geht mir zu sehr in den schwerfälligen 70er Rock. Das leichtfüßige des eigentlichen Albums fehlt hier völlig und ist vielleicht ein Grund warum das Stück auf die Bonus-CD „verbannt“ wurde. „The first day at school“ ist eine wunderbar melancholische Piano-Ballade und gefällt gut, hat auch überhaupt keinen Demo-Charakter im Sound. Bei „Forsaken cathedrals“ erhöre ich typische Roine Stolt Gesangslinien, auch das Stück gefällt.

Die lange Version von „The sun in my eyes“ gewinnt noch mehr. Tillison soliert hier viel mehr mit seinen Synthies und durch die Länge des Songs groovt sich das Stück erst so richtig ein. Ein Knaller um in der Rock-Disco zu laufen. Mein heimlicher Favorit des Albums. Komplett unproggy und groovig wie Hölle.

„Grooving on Mars“ ist ein schönes, leicht spaciges Live-Instrumental, bei welchem Tillison einfühlsam Theo Travis unterstützt. Wunderbar das kleine Zitat von „Riders on the storm“ mit dem perlenden Piano am Ende.

Nachdem Herr Tillison ja schon auf dem Vorgänger-Album mit der sehr gelungenen Tangerine Dream Referenz „Exponenzgesetz“ seine Liebe zum Krautrock deutlich machte, schiebt er hier mit der Titelvergabe „Kartoffelsalat im Unterseeboot“ noch einen nach. Amon Düül II wären stolz gewesen auf so nen Titel ;-)

Spacige Spielereien gibt’s zum Salat im U-Boot und es schmeckt mir. Ein Stück für Psychedelic und Spacerock-Fans die Electronic-Sounds auch genießen. Also z.B. für mich ;-)

Alle Aspekte zusammengenommen, ohne jeden Zweifel, das beste Album von The Tangent bisher.

Trackliste:

Disc 1
1. In Earnest 20:03
2. Lost In London 8:08
3. DIY Surgery 2:16
4. GPS Culture 10:07
5. Follow Your Leaders 9:21
6. The Sun In My Eyes 3:44
7. A Place In The Queue 25:19


Disc 2
1. Promises Were Made (Bonus-CD der Special Edition) 7:26
2. The First Day At School (Demo) 5:30
3. Forsaken Cathedrals 4:54
4. The Sun In My Eyes (Extended Mix) 9:12
5. Grooving On Mars (Live at Karlsruhe 2005) 6:16
6. Kartoffelsalat im Unterseeboot 13:37

Besetzung:
Andy Tillison organ, piano, moog synthesizer, guitar, 'principal' voice
Sam Baine piano, synthesizer, voice
Jonas Reingold bass
Theo Travis saxophone, flute, clarinet, voice

Guy Manning acoustic guitar, mandolin, voice
Jaime Salazar drums
Krister Jonsson guitar

Jahr: 2006
Label: Inside Out

Jerry

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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 01.08.2006 - 20:37 Uhr  ·  #2
Junge bist Du fix...,

mein Statement zur klasse Scheibe folgt natürlich.
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 02.08.2006 - 09:28 Uhr  ·  #3
:D :D :D na so fix kann ich gar nicht sein. Die Rezi hatte ich mal für die Babyblauen geschrieben und nur ein ganz klein wenig jetzt überarbeitet.

Jerry
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 10.10.2006 - 18:11 Uhr  ·  #4
Habe die CD heute einmal etwas genauer erhört, sie ist dem Debut gewachsen, das einzige was hier anders auf mich wirkt, ist der moderne Inhalt.

Der Spaßfaktor ist beim Debut etwas größer, musikalisch aber ist dieses Werk reifer.
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 10.10.2006 - 18:43 Uhr  ·  #5
Inwiefern moderner meinst du ?

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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 10.10.2006 - 18:46 Uhr  ·  #6
Die erste hat mich mit auf eine Zeitreise genommen, das meinte ich.

Das Dritte Werk klingt ausgereifter, moderner, es fesselt mich aber auch.
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 11.10.2006 - 20:44 Uhr  ·  #7
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 11.10.2006 - 23:33 Uhr  ·  #8
Siehste, sag ich ja. Die größere Key-Dominanz und die stärkeren Jazzeinflüsse machen das ganz klar zum besten Album. Auch stimmen die Songs einfach. So kanns auch in die Zukunft weitergehen. Obwohl ich Csörsz sehr vermisse, einen der besten Drummer im Progrock überhaupt weit und breit.

Jerry
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 12.10.2006 - 12:49 Uhr  ·  #9
@Jerry, heute abend gibt es ein Tangent Festival bei mir.
Ich muss anlässlich meines 50. etwas für meine Arbeitskollegen kochen, der Vorteil bei mir ist, das ich Küche und Musikzimmer nicht getrennt habe und so beim brutzeln gut hören kann.

Haben wir uns eigentlich schon über die 2. CD von ihnen unterhalten?
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 12.10.2006 - 12:52 Uhr  ·  #10
Nä haben wir nicht, die geht immer etwas unter. Und übers erste Livealbum auch noch nicht. Das zweite Livealbum erscheint demnächst übrigens.

Jerry
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 12.10.2006 - 13:13 Uhr  ·  #11
wie ist die livescheibe denn?
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 12.10.2006 - 13:34 Uhr  ·  #12
Ich find sie nicht schlecht, aber kein Muß. Ist nur in kleiner Auflage über die Band selbst erschienen. Die Stücke sind schon okay, aber auch nicht so unterschiedlich gegenüber den Studioversionen. Was aber total nervt wenn sie eh nur so ne Einzel CD machen, da dann noch eine Coverversion von Lucky Man draufzupacken. Der Song ist eh schon fast totgedudelt da braucht man den nicht auch noch von Tangent auf CD.

Jerry
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Re: THE TANGENT - A place in the queue

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Gepostet: 27.04.2007 - 17:02 Uhr  ·  #13
ich finde sie auch nicht schlecht, eigentlich eher gut, aber so richtig
anfreunden kann ich mich auch wieder nicht mit der CD.
ist viel zu glatt die musik, es bleibt nichts hängen.
wie gesagt sehr brauchbar aber wirklich kein muß.

dieter
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