Kammermusik „Andante con moto“

 
Epikur
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Kammermusik „Andante con moto“

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Gepostet: 22.08.2014 - 20:27 Uhr  ·  #1
Ich stelle hier einige Kammermusiksätze vor, die als Gemeinsamkeit die Bezeichnung „Andante con moto“ (= „gehend, mit Bewegung“) haben. Warum gerade diese? Also, ich habe kürzlich zufällig festgestellt, dass einige meiner Lieblings-Kammermusiksätze so bezeichnet sind, und da Kammermusik hier noch etwas unterrepräsentiert ist, … nun ja, vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen.
Bei den diskographischen Empfehlungen ist zu beachten, dass ich oft nur eine begrenzte Zahl von Vergleichsaufnahmen zur Verfügung hatte. Aber ich meine, man kann bei der Auswahl von Kammermusik-Aufnahmen normalerweise nicht viel falsch machen, denn man darf bei den professionellen Ensembles sicherlich ein mindestens sehr gutes Niveau unterstellen.

Beethoven (1770 - 1827), Streichquartett C-Dur Op. 59 Nr. 3, II. Andante con moto quasi Allegretto
Beethovens drei Streichquartette, die zum Opus 59 gehören, werden nach ihrem Widmungsträger auch „Rasumowsky“-Quartette genannt (und bilden mit Op. 74 und 95 die „mittleren“ Streichquartette). Während die frühen Streichquartette noch klar an Haydn oder Mozart orientiert sind, hat Beethoven beim Op. 59 seinen eigenen Weg gefunden: Die Mittelstimmen sind aufgewertet, die Sätze sind komplexer und länger. (Die späteren Streichquartette wiederum sind noch anspruchsvoller und auch für fortgeschrittene Hörer nicht unbedingt leicht verdaulich.)

Für alle, die sich für Beethovens Streichquartette interessieren, bieten die Rasumowsky-Quartette also, meiner Meinung nach, einen idealen Einstieg. Und das klingt dann in einer phantastischen Aufnahme mit dem Alban Berg-Quartett so.

Auf unserem Musikserver hätte ich noch zum Vergleich das Melos- und das Guarneri-Quartett, wobei ich bei diesem Satz dem Melos-Quartett klar den Vorzug geben würde. (Das Alban Berg-Quartett gefällt mir hier aber fast noch besser.)

Schubert (1797 – 1828), Streichquartett Nr. 14 d-moll D.810 “Der Tod und das Mädchen”, II. Andante con moto
Dieses Streichquartett entstand 1824 und lässt Schuberts Verzweiflung über berufliche Fehlschläge und die „miserable Wirklichkeit“ seiner damaligen Lebensumstände erkennen. Mehr oder weniger deutlich hat Schubert hier immer wieder eine Todessymbolik hineinkomponiert, am deutlichsten im Andante con moto, einem Variationssatz, dem als Thema das Lied (oder Teile davon) "Der Tod und das Mädchen" D.531 zugrunde liegt.

Harmonik und leidenschaftlicher Ausdruck wirken hier schon ziemlich „romantisch“ und zeigen, wie Schubert sich in seinem „Spätwerk“ (mit ca. 27!) von Beethoven emanzipiert hat (ausführlichere Beschreibung und Analyse im [url=http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1615 ]Kammermusikführer[/url]).
Auch in diesem Fall gibt es auf Youtube eine hervorragende Aufnahme, wieder live mit dem Alban Berg Quartett .
In unserer Sammlung habe ich von diesem Streichquartett nur eine Aufnahme, ebenfalls mit dem ABQ, allerdings eine Studio-Aufnahme; diese ist, wie die live-Aufnahme auf Youtube, exzellent.

Schubert, Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur D.929 (Op. 100), II. Andante con moto
Gibt es vollkommene Musik? Könnte ähnlich klingen wie dieser Satz.
Zumal in einer fabelhaften Interpretation wie hier mit dem Trio Wanderer – die Anzahl der Klicks ist in diesem Fall wohlverdient.
Ich habe in meiner Sammlung bisher eine ebenfalls hervorragende Einspielung mit Frank Braley, Renaud und Gautier Capuçon, aber die Wanderer-Aufnahme habe ich bereits auf meinem Wunschzettel.


Für weitergehende Informationen empfehle ich den gelungenen Artikel im Kammermusikführer .

Brahms (1833 – 1897), Klaviertrio Nr. 2 C-Dur Op. 87, II. Andante con moto
Hier haben wir es wieder mit einem Variationssatz zu tun, diesmal über ein ungarisches (oder ungarisch wirkendes) Thema. Dieses klingt hier aber nicht „schmissig“ wie etwa bei Brahms‘ ungarischen Tänzen sondern eher leicht archaisierend (erinnert vielleicht vage an die „Vier ernsten Gesänge“), ernst und abgeklärt – faszinierende Musik, wenn sie gut gespielt wird.

Und das ist offenbar gar nicht so selbstverständlich: Mir scheint, Brahms hat als eingefleischter Pianist auf die Streicher nicht allzu viel Rücksicht genommen (die Youtube-Videos zu diesem Stück lassen zumindest einige bogentechnische Schwierigkeiten erahnen), was man auch hört; insbesondere ist die Artikulation nicht immer so, wie ich sie mir vorstelle. Nach einigem Suchen fand ich eine meiner Meinung nach sehr gute Aufnahme mit Bashkirova, Vengerov und Pergamenchikov. Am besten gefällt mir bei diesem Stück aber immer noch das Trio Parnassus in unserer Sammlung.

Antonín Dvořák (1841 – 1904), Klavierquintett A-Dur Op. 81, II. Dumka. Andante con moto
Zum Abschluss dieser kleinen Auswahl ist dies noch ein wunderschöner Kammermusiksatz, und zwar in der Art einer Dumka, womit eine Gattung von Volksliedern bezeichnet wird, für die der Wechsel von introvertierten und heiteren Abschnitten charakteristisch ist (siehe Wikipedia ). Dvořák hatte wohl für Dumkas (oder heißt es „Dumken“?) eine gewisse Schwäche, denn in seinen Werken finden sich einige von ihnen.
Es heißt, bei Dvořák könne nicht viel schiefgehen (oder so ähnlich), und so findet sich auf Youtube auch leicht eine sehr gute Interpretation dieses Satzes, etwa vom Jerusalem Quartet mit Stefan Vladar. In unserer Sammlung habe ich dieses Klavierquintett in zwei - tadellosen - Aufnahmen gefunden, und zwar mit dem Borodin Quartett und Sviatoslav Richter einerseits und dem Juilliard String Quartet und Rudolf Firkusny andererseits.
sunny
 
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Re: Kammermusik „Andante con moto“

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Gepostet: 23.08.2014 - 07:50 Uhr  ·  #2
danke für die Vorstellung,
in der besinnlichen Zeit darf es auch „Andante con moto“ sein. :D
Mr. Upduff
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Re: Kammermusik „Andante con moto“

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Gepostet: 23.08.2014 - 19:37 Uhr  ·  #3
...schön, daß auch die Klassik hier seinen Platz findet...

...ich hoffe es wird nicht als Sakrileg empfunden, wenn ich dem ein wenig rondovenizianisches vielleicht auch als Türöffner zum Einstieg in das Schaffen der Altvorderen hier einstelle:

frimp
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Re: Kammermusik „Andante con moto“

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Gepostet: 24.08.2014 - 16:37 Uhr  ·  #4
So puristisch muss man im Musikzirkus ja auch nicht sein, oder?
Friedrich Gulda hat auch eigene Werke mit Sinfonieorchester sowie E-Gitarre und Schlagzeug aufgeführt. Gestört hat das nur die Elbvorortler mit ihren Abokarten.
Wobei Rondo V. nun auch nicht unbedingt sein muss...
Epikur
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Re: Kammermusik „Andante con moto“

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Gepostet: 26.08.2014 - 18:35 Uhr  ·  #5
Zitat geschrieben von frimp

So puristisch muss man im Musikzirkus ja auch nicht sein, oder?
Friedrich Gulda hat auch eigene Werke mit Sinfonieorchester sowie E-Gitarre und Schlagzeug aufgeführt. Gestört hat das nur die Elbvorortler mit ihren Abokarten.
Wobei Rondo V. nun auch nicht unbedingt sein muss...


Das sehe ich auch so (Purismus und Rondo Veneziano).

Ich finde, die europäische Klassik (oder E-Musik) ist nicht heilig und gehört auch nicht aufs hohe Ross. Aber es ist eine Tradition, die Einiges an guter Musik hervorgebracht hat. Anders gesagt, es gibt gute und schlechte Musik, egal in welcher Kategorie (E oder U). Gut oder schlecht ist hier letztlich Geschmackssache; was mich betrifft, höre ich je nach Stimmung eher in der einen oder anderen Richtung.

Es gibt eine ganze Reihe gelungener Klassik-Adaptionen, ich denke zum Beispiel an Miles Davis / Gil Evans (genial), ELP oder Collegium Musicum (neulich im Songcontest). Für Rondo Veneziano, André Rieu und dergleichen konnte ich mich bisher nicht so erwärmen, diese Art „Klassik-Pop“ scheint mir auch eher kommerziell motiviert zu sein. Ich gönne es allen, die hieran ihre Freude haben; ich vermute aber, bei der Zielgruppe dieser Musik wird selbige nur in Ausnahmefällen ein weitergehendes Interesse für klassische Musik wecken. (Ist ja vielleicht auch nicht nötig.)
Mr. Upduff
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Re: Kammermusik „Andante con moto“

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Gepostet: 26.08.2014 - 19:54 Uhr  ·  #6
...Rondo Veniziano....wie sind die denn hier nur reingeraten¿...ich hab damit NICHTS zu tun...
Moniek
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Re: Kammermusik „Andante con moto“

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Gepostet: 26.08.2014 - 23:55 Uhr  ·  #7
Das passt hier auch rein:

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