Astreine Scheibe. Kann ich nur bestätigen.
Auch das Nachfolgealbum, "Show Some Emotion" ist von hoher Klasse.
Und die Rockpalast DVD von 2005, auf welcher der alteStudio L Gig und auch der etwas später aufgezeichnete Rockpalast-Nacht-Gig aus Essen/Grugahalle enthalten sind, bereiten sehr viel Spass.
http://www.home-of-rock.de/CD-…alast.html
Die Wiederveröffentlichungen dieser liebgewonnenen Klassiker aus den Siebzigern bzw. Achtzigern nehmen ihre zweite Runde. Wurde aber auch Zeit, denn die VHS-Cassetten, die man während der ersten Wiederholungen im Laufe der Jahre danach mitgeschnitten hatte, zersetzen sich so langsam in ihre Bestandteile.
Ach, wie schön in seinen Erinnerungen zu kramen und die gute alte Zeit zu glorifizieren. Die alten Rockpalast-Freaks der ersten Stunde (und dazu zähle ich mich auch) sind ja mittlerweilen im Schnitt so zwischen 40 und 50 Jahre alt. Ja, da denkt man schon mal wehmütig an seine wilden Jahre zurück.
Joan Armatrading war jedoch gar nicht so wild. Sondern agierte seit jeher mit mildem und kontemplativem Ton. Zart, zärtlich, sehr emotional. Liebeslieder schrieb sie zumeist und man nahm sie ihr immer ab. Denn sie waren und sind bei aller Emotionalität und Beschaulichkeit immer sehr lebhaft und lebendig. Bis heute.
Eine Reihe ihrer schönsten Songs spielte sie auch im Februar 1979 mit ihrer vortrefflichen Backing-Band im kleinen Studio-L des WDR. Ein paar Monate zuvor hatte ich mir die "Show Some Emotion"-Lp zugelegt, weil sie mir ein Schulkollege vorspielte und sie mir ausnehmend gut gefiel.
Und glücklicherweise folgte dieser TV-Gig. In jenem für Rockbands so untypischen Ambiente. Ein weitläufiger Saal mit achtzig Zuschauern, die zudem zig Meter von der Bühne entfernt platziert wurden. Merkwürdig. Intim... jedoch mit Berührungsängsten.
Irgendwie fand ich die Fernsehaufzeichnung damals schon klasse und blieb für die nächsten sechs, sieben Jahre intensiver Beobachter von Joans Karriere.
Die kleine Schar Zuschauer wirkte zunächst, wie so häufig im Studio-L, wie ein elender Haufen schlecht bezahlter Statisten. Höflicher Applaus nach jedem Titel zwar, aber die anfangs sehr konzentrierte, später in lustvolles Musizieren driftende Band, wurde leider erst gegen Ende des Gigs so richtig gewürdigt. Der Knoten löste sich bei Kissin' and a huggin' allmählich auf und beflügelte die bis dahin schon gut eingegroovte Combo zu ihrem finalem Höhenrausch.
Obwohl der Gig rein musikalisch schon so grandios mit den Van Morrisson-beseelten Titeln Down to zero, Barefoot and pregnant und Cool blue stole my heart begann, kämpfte Joan lange gegen die Reserviertheit des Saalpublikums an und versuchte sich wohl selbst auszureden, sie spräche mit einer extraterrestrischen Spezies, Heimatstern Köln.
"Hey, what's my name?", versuchte Armatrading das Volk aus der Reserve zu locken. Nichts. Totenstille. Und danach: "I got used to feelin' lonely... talkin' to myself"; diese Zeilen aus Let it last passten ironischerweise ganz vortrefflich.
Doch das Konzert geriet trotz allem ganz beindruckend. Die Band machte einen unheimlich souveränen Eindruck, liess sich in ihrer Musikalität nicht von der Schlafmützigkeit des Publikums anstecken, wirkte sehr eingespielt und setzte mit einigen instrumentalen Exkursionen genügend Glanzlichter, um den Saal letztlich aus seinem Schlummer zu erwecken. Der Saxofonist, der Pianist, der Gitarrist, jeder bekam seinen Solo-Spot und wusste ihn zu nutzen.
Die komplette Setlist besass nicht einen Schwachpunkt. Siebzehn wirklich wunderbare Songs, die aus diesem Konzert einen Genuss der Sonderklasse machten. Eine absolut runde Sache.
Vierzehn Monate später: April 1980, Grugahalle Essen, 8000 begeisterte Zuschauer, die Joan Armatrading fast auf Händen tragen. Einige namhafte Umbesetzungen bzw. Ergänzungen innerhalb der Band und ein brandneues Album im Gepäck, "Me Myself I".
Joan Armatrading wurde ab 1980 etwas poppiger, ja, vielleicht auch etwas beliebiger. Der Charme, der intime Zauber ihrer ersten Alben, machte einem etwas extrovertierterem, fast fröhlichem Sound Platz. Ma-Me-O-Beach und Me Myself I waren echtes Hitparadenfutter. Auch schön, aber ohne die gewohnte Tiefe.
Mit offen zur Schau getragenem Selbstbewusstsein ging die Band die Sache in der Grugahalle an. Die neue Combo, mit dem superben Richie Hayward (LITTLE FEAT) am Schlagzeug und Dick Sims (Eric Clapton) an Orgel und Piano konnte aber neben den alten Strategen Rick Hersh (Gitarre) und Bill Bodine (Bass) mit einem weiteren Gitarristen namens Richard Belke nicht so überzeugen, wie die eingeschworene Belegschaft aus dem Vojahr. Alles schien hier etwas unrunder zu laufen. Die Band traf sich erst drei Wochen zuvor zum Proben. Daran mag's gelegen haben. Die Magie aus Köln '79 war dahin.
Dennoch ein recht ordentliches Konzert, an das ich mich gerne erinnert sehe. Ihren Spass hatten alle Anwesenden. Die Grugahalle und die Zuschauer neun angeschlossener europäischer Fernsehanstalten wurden jedenfalls nicht enttäuscht.
Doch für mich bleibt der wahre Edelstein, die Studio-L Aufzeichnung. Auf immer...