"...sein persönlichstes Soloalbum". "...so fühlt sich für ihn Heimat an". "...scheint ganz bei sich angekommen zu sein. Also, ich kenne Mr. Wilson nicht, weiß nicht, was er mit Heimat verbindet, - für mich gilt daher: ab in die Tonne mit diesen und ähnlichen zu Hauf im weltweiten Netz nachzulesenden Statements. Ob die Musik jedoch, und darum geht es hier, solche tiefgreifenden Gefühle hervorrufen kann - wir werden sehen. Also, auf geht's.
Jonathan Wilson - Dixie Blur USA/North Carolina | VÖ 03/2020 | Softrock, Countryrock, Folk, Americana
01-Just for love
02-69 Corvette
03-New home
04-So alive
05-In Heaven making love
06-Oh girl
07-Pirate
08-Enemies
09-Fun for the masses
10-Platform
11-Riding the blinds
12-El camino real
13-Golden apples
14-Korean tea
Zwei Jahre ist es her, dass ich den von
Roger Waters auf seiner Us & Them-Tour als "
der letzte Hippie" angekündigten
Jonathan Wilson auf einer Bühne erlebt hatte. Bescheiden und im Hintergrund hat er mit seinen Gitarrenklängen die Songs begleitet. Anlässlich seiner vorherigen drei Alben sowie seinem Mitwirken bei Waters war ich bei den Vorankündigungen zum neuen Album sehr überrascht, solch ein Schlagwort wie "Country" zu lesen. Was mich nicht davon abhielt, sein neues Werk quasi im Blindflug zu erwerben.
Der Opener
Just For Love tröpfelt erst einmal countrybefreit aus den Boxen. Oder deutet die ab und an zu vernehmende, leicht grienende Gitarre auf dieses Genre hin? Egal - ein sehr schöner, schwermütiger, von Piano, Flöte oder Saxophon begleiteter Auftakt. Passend zu den gerade am Himmel aufziehenden, dunklen Wolken.
Dass Track No. 2,
69 Corvette, mein Favorit des Albums wird, bevor ich den Rest gehört hatte, war mir sofort klar. Wenn aus irgendeinem Song auf dem Album Sehnsucht, Suche oder Heimat herauszuhören oder zu fühlen ist, dann ist es dieser Song. Aus der Summe aller Instrumente überstrahlt die Fiddle, wenn auch nur spärlich eingesetzt, alles und vermag das Gefühl "Sehnsucht" am besten zu beschreiben. Frau C. brauchte nicht lange, ihr Pendant zu finden:
Bill Fay wurde schnell ausfindig gemacht.
Dixie Blur ist ein ganz anderes Album als dessen drei Vorgänger. Dennoch ist es unverkennbar ein Jonathan Wilson-Album. So schön und authentisch wie er hat noch niemand ein 60er/70er-Jahre Album erschaffen, welches nicht in diesem Zeitraum entstand. Und dies trifft auch auf sein aktuelles Werk zu. Ja, auch Country ist vorhanden. Nicht jedoch dieser Yippie-Yeah Country, sondern der in einer für mich hörbaren Form, wie er beispielsweise auf
So Alive zu hören ist. Ein weiteres Beispiel liefert der Country-/Bluegrass-Song
In Heaven Making Love. Hier wird gefiddelt und in die Pianotasten gehauen, dass es eine wahre Freude ist. Gute Laune macht sich breit.
Dixie Blur ist kein Country-Album, aber es enthält Countrysongs. Es ist ein typisches J.Wilson-Album. Bestens intrumentiert, mit Musikern, die allesamt ihr Handwerk verstehen. Oft tragen der verhaltene Sprechgesang Wilsons ebenso wie die Fiddle, die Harp oder das Barpiano dazu bei, dass ein überwiegend stilles, sehnsuchtvolles Album entstanden ist. Musikalisch führt es zurück Anfang der 70er. Womöglich ist Wilson wirklich der, als der er von Roger Waters vorgestellt wurde: der letzte wirkliche Hippie.
Nach mehrmaligem Durchhören der Scheibe, nach den Emotionen, die dadurch freigesetzt wurden, muss ich möglicherweise die Anfangs in die Tonne gehauenen Zitate wieder aus selbiger befreien. Den Songtexten oder den zu findenden Statements des Mr. Wilson zu dieser Scheibe nach zu urteilen, war dieses Album scheinbar doch eine kleine Rückkehr in seine Vergangenheit. Verbunden mit Sehnsucht oder Heimatgefühlen und damit sein persönlichstes Album.
Wer noch einen Überzeugungssong benötigt, dem sei
Korean Tea empfohlen. Wenngleich mir natürlich klar ist: Stahlbetonbohrer wird auch dieser Schnipsel nicht erreichen
. Hoffnung besteht jedoch, wenn gar in einem Magazin wie
Metal Hammer eine
--->wohlwollende Kritik zu lesen ist. Also, gegebenenfalls selbst ein Album für schweißnasse Stahlarbeiter. Yippie-Yeah!
Mehr Wilson:
Offizielle Website
Wikipedia (englischsprachig)
Rezension der CD "Fanfare"