Wer den Mut hat, sich auf einem Debutalbum so aggressiv, fast hässlich abbilden zu lassen, muss absolut von sich überzeugt sein und ebenso durch gute Musik überzeugen. So mein Gedanke, entsprechend nahm ich 1987 erstmals Kontakt mit Sinead O'Connor und ihrem Album "The Lion and the Cobra" auf. Es war keine Enttäuschung und sollte nicht das letzte O'Connor-Album im Regal sein. Ihr wütender Erfolgshit Mandinka war nicht allein verantwortlich dafür, vielmehr überzeugte mich das Album in Gänze.
Der auf ihrem zweiten Werk "I Do Not Want What I Haven’t Got" enthaltene Song Nothing Compares 2 U verschaffte der Künstlerin 1990 den internationalen Durchbruch. Es wäre fatal, O'Connor nun auf diesen Hit zu reduzieren, enthält das Album doch eine Reihe weiterer hervorragender Stücke.
Nach einem weiteren Album trat O'Connor 1992 auf Bob Dylans All-Star-Konzert anlässlich seines 30. Bühnenjubiläums im New Yorker Madison Square Garden auf. Vielmehr - sie versuchte, aufzutreten. Für mich war unfassbar, wie und warum sie dermaßen ausgepfiffen und ausgebuht wurde, dass sie letztendlich ohne ihren Part von der Bühne musste. Vorher konnte sie noch kurz von Kris Kristofferson getröstet werden (was ich ihm sehr hoch anrechne) und einen Protest (sie zitierte Bob Marleys "War") in das Publikum schreien, bevor sie gebrochen und in den Armen Kristoffersons von der Bühne verschwand. Dieser Moment, der Protest des Publikums, O'Connors wütend ausgespeites Zitat und der Moment, in dem sie weinend von Kris Kristofferson von der Bühne geführt wird, wird wahrscheinlich als "das Ereignis" dieses Events im kollektiven Gedächtnis bleiben.
O'Connor verlässt die Bühne
Später, 2009, veröffentlichte Kristofferson mit den Song "My Sister Sinéad" eine kleine Hommage an die Künstlerin. Der Text kann in Anlehnung an den Vorfall 1992 gedeutet werden:
"My Sister Sinéad" von Kris Kristofferson
Was aber war überhaupt geschehen, dass die Masse so unfassbar wütend über O'Connor herfiel? Ich recherchierte ein wenig und fand schnell des Rätsels Lösung: Am 3. Oktober 1992, also kurz vor dem Dylan All-Star-Konzert, trat sie in der "Saturday Night Live"-Show auf und performt Bob Marleys Protestsong "War". Am Ende hält sie ein Foto von Papst Johannes Paul II. groß ins Bild – und zerreißt es vor Millionen von Zuschauern: "Fight the real enemy.", sagt sie laut und geht von der Bühne. DAS kann von dem prüden, gläubigen, scheinheiligen US-Publikum natürlich nicht toleriert werden! So überfuhren beispielsweise religiöse Fanatiker in New York City O'Connors Platten mit einer Dampfwalze, der größte öffentliche Protest gegen diese Aktion jedoch fand auf dem erwähnten Musikfestival statt.
O'Connor zerreißt das Papstbild
Heute, so möchte ich wetten, würde sie angesichts der sich häufenden kirchlichen Missbrauchsskandale für ihre Aktion viel Beifall erhalten. Was aber hat sie überhaupt dazu gebracht, dieses Papstbild öffentlich zu zerreißen?
Hier hilft es zu wissen, dass O'Connors Leben von Schicksalsschlägen gezeichnet war und ist. Bereits während ihrer Kindheit wurde sie ihren Angaben und verschiedenen Berichterstattungen zufolge von ihrer Mutter missbraucht und misshandelt. Später lebte sie bei ihrem Vater, zu dem sie offensichtlich ein gutes Verhältnis hatte. Als Jugendliche wurde O'Connor der Schule verwiesen und wegen Ladendiebstahls für mehrere Monate in eine Magdalenen Institution eingewiesen. Es folgte der Besuch des Internats der "Sisters of Our Lady of Charity". Nach 1990 wurde öffentlich, dass diese Institution in Skandale wegen Gewalt und Kindesmissbrauchs verwickelt war. O'Connor verließ das Internat im Alter von 16 Jahren. Nach eigenen Angaben wurde auch sie dort von einem Geistlichen missbraucht. Nachdem sie das Sorgerecht für ihre 1997 geborene Tochter verlor, versuchte sie, sich das Leben zu nehmen, was glücklicherweise scheiterte.
Gewalt, Krieg, die Diskriminierung und Entrechtung der Frauen und vor allem die an ihr verübten Missbräuche und Misshandlungen waren immer wieder Themen in ihren Liedern. All dies mag helfen, die Persönlichkeit Sinéad O'Connor, ihre Aktionen, Proteste und Songs besser zu verstehen. So trägt dieses Wissen vielleicht auch dazu bei, ihr hier besprochenes Album mit anderen Ohren zu hören und sie mit anderen Augen zu sehen.
Sinéad O'Connor - Universal Mother | Irland 1994
Sinéad O'Connor, geboren am 8. Dezember 1966 in Glenageary, Irland, nahm 1985 ein Studium am Dublin College of Music auf. Ihr Geld verdiente sie sich teilweise als singende Telegrammbotin oder durch Auftritte in Dubliner Pubs, in denen sie unter anderem Songs von Bob Dylan vortrug. Mit ihrem entrückten Gesang, ihrer eigenwilligen Performance, ihrer ausdrucksstarken und variantenreichen Stimme fiel sie irgendwann Bono Vox (U2) auf, der sie dem Label Ensign Records empfahl. Unter diesem Label erfolgte auch die Veröffentlichung ihres ersten Albums „The Lion And The Cobra“.
Sind ihre beiden zuerst veröffentlichten Alben, „The Lion And The Cobra“ und „I do Not Want What I Have Not Got“ bereits sehr gute Werke, darf ihr „Universal Mother“ ohne Zweifel als ein Klassiker bezeichnet werden. Geschrieben und produziert wurde es von ihr gemeinsam mit John Reynolds und dem englischen Musiker, Komponisten und Plattenproduzenten Tim Simenon. Neben den seltener vorkommenden schnelleren Songs machen vor allem die wunderschönen Melodien und nicht zuletzt die zutiefst persönlichen Texte das Album zu einem zeitlosen Werk. Wer O'Connor bislang ablehnt, wer dieses Album nicht kennt, sollte sich vorbehaltlos die Stunde Zeit nehmen, die es zum Anhören benötigt. Es lohnt sich, diesem Werk, den Melodien und Texten, seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Album startet mit einem kurzen, gesprochenen Statement der australischen Feministin Germaine Greer. Nach 40 Sekunden geht es fast nahtlos über in den kraftvollen Song Fire On Babylon. Der Grundrhythmus, dieser bedrohliche Bassteppich, der Sound der Synthies und der Percussions könnte aus der Feder des Peter Gabriel stammen. O'Connors fesselnde Stimme, kraftvoll, wütend, singt und schreit sich durch das Stück. Begleitend zum Text wurde vom französischen Regisseur Michel Gondry ein Musikvideo geschaffen, welches gespickt ist mit Andeutungen auf O'Connors Kindheit. In seiner Intimität wird der Titel wohl nur noch durch ein früheres Lied der Künstlerin, dem Song Troy aus ihrem Debutalbum übertroffen.
Die ersten Textzeilen des Openers, die direkten Hinweise auf ihre Mutter sind kaum zu überhören, lauten:
Sie hat meinen Vater aus meinem Leben genommen, oh | Nahm meine Schwester und Brüder oh | Ich sah zu, wie sie mein Kind folterte | Schwach war ich damals, aber jetzt bin ich erwachsen
Nach diesem emotionalen Opener geht es auf dem Album meist verhaltener, manchmal fast nur mit Klavierbegleitung weiter. So folgt mit dem wunderschönen --> John I love You ein sanftes Liebeslied, welches ihrem Ex-Mann John Reynolds gewidmet ist. Der Song endet mit den Worten "Child I love you" und leitet damit geschickt über in --> My Darling Child, wobei die nahtlose Überleitung ebenso geschickt durch die ineinanderfließende Melodie des Pianos erfolgt.
Nach einer kurzen, durch eine Kinderstimme vorgetragenen Textpassage ("Am I A Human") folgt mit --> Red Football ein hervorragender Song, mit dem O'Connor das Recht der Frau auf ihren eigenen Körper zum Thema macht. Der Song beginnt, ganz entgegen dem Text, sehr sanft, um dann wütend und schreiend zu enden. „My skin is not a football for you, My head is not a football for you, My body's not a football for you, My womb is not a football for you, My heart is not a football for you“, so ein Auszug aus dem Song.
Mit dem NIRVANA-Cover --> All Apologies macht O'Connor ziemlich klar, dass sie nicht vorhat, sich für ihre Songs oder Aktionen zu entschuldigen. Der Song wird sehr verhalten, nur durch leicht angestrichene Gitarrensaiten begleitet, vorgetragen. Es folgen zwei weitere, bedächtig und verhalten vorgetragene Lieder, wovon das nur vom Piano begleitete --> Scorn Not His Simplicity einer besonderen Erwähnung bedarf. Dieser wunderschöne, von Phil Coulter komponierte Song erhält durch O'Connors Stimme eine ganz andere, viel innigere Intensität als bspw. die von den DUBLINERS dargebotene --> Liveversion.
Einer der schönsten Songs des Albums folgt mit dem Acapella --> In This Heart. Nachdem O'Connor den ersten Vers alleine vorsingt, gesellen sich in jedem der weiteren vier Verse weitere Stimmen hinzu, ebenso steigert sich ganz allmählich die Lautstärke dieses Liedes. Ein Lied, welches mir bei jedem Hören Dank der wunderschönen Harmonien und des hoffnungsvollen Textes eine leichte Gänsehaut beschert.
Nach Femine, einem kurzen Rapper, endet das Album mit Thank You For Hearing Me, meinem persönlichen Highlight. Zwar hat das Lied eine recht einfache Melodie, jedoch nimmt es von Strophe zu Strophe an Fahrt auf. Bass- und Drumfundament sorgen trotz der anfangs zurückhaltenden Stimme für einen gewissen Groove, der Synthie webt einen schönen Klangteppich. Kurz vor Ende des Liedes hält O'Connor kurz inne, singt dann zur Zeile "Thanks For Silence With Me" ganz leise weiter, um mit "Thank You For Holding Me" ihre Lautstärke wieder anzuheben. Ein, wie ich finde, ergreifender und würdiger Abschluss eines hervorragenden Albums.
Wikipedia hat dem Stück --> hier einen eigenen Eintrag gewidmet. Dort heißt es unter anderem ""Thank You For Hearing Me" ist ein Lied der irischen Sängerin Sinéad O'Connor, das 1994 als erste Single ihres vierten Albums Universal Mother (1994) veröffentlicht wurde. Von ihr gemeinsam mit John Reynolds geschrieben und basierend auf ihrer kürzlichen Trennung vom englischen Art-Pop-Sänger Peter Gabriel..." Ebenso sind dort zahlreiche, überschwänglich positive Kommentare zu dem Song zu finden.
Nun aber - Thank You For Hearing Me
[Die Tracks]
01. Germaine
02. Fire On Babylon
03. John I Love You
04. My Darling Child
05. Am I A Human
06. Red Football
07. All Apologies
08. A Perfect Indian
09. Scorn Not His Simplicity
10. All Babies
11. In This Heart
12. Tiny Grief Song
13. Famine
14. Thank You For Hearing Me
[Credits]
[Was lohnt noch?]
Im Jahr 2002 gab O'Connor ein vielbeachtetes Konzert in Dublin. Dargeboten werden auch einige Songs des hier vorgestellten Albums (John I Love You, Thank You For Hearing Me, Fire On Babylon). Das Konzert beginnt mit der Begrüßung ihres Vaters, der im Publikum sitzt und dankt ihm für sein Kommen. Anschließend folgt eine herzzerreißende Version des Traditionals "Molly Malone"
Kris Kristofferson äußert sich sehr bewegend über die Situation, in der O'Connor im oben erwähnten Konzert von der Bühne gebuht wurde. Anschließend singt er gemeinsam mit O'Connor den Song "Help Me Make It Through The Night"
Help Me Make It Through The Night
[Interessante Beiträge im Web]
Im Januar 2022 erlitt Sinéad O'Connor einen weiteren Schicksalsschlag. Sie erhielt die Nachricht, dass ihr Sohn Shane O’Connor aus dem Krankenhaus, in dem er wegen psychischer Probleme unter Beobachtung lag, verschwunden war. Zwei Tage später fand man seine Leiche - er hatte sich das Leben genommen.
Was für ein tragisches Leben.
Der auf ihrem zweiten Werk "I Do Not Want What I Haven’t Got" enthaltene Song Nothing Compares 2 U verschaffte der Künstlerin 1990 den internationalen Durchbruch. Es wäre fatal, O'Connor nun auf diesen Hit zu reduzieren, enthält das Album doch eine Reihe weiterer hervorragender Stücke.
Nach einem weiteren Album trat O'Connor 1992 auf Bob Dylans All-Star-Konzert anlässlich seines 30. Bühnenjubiläums im New Yorker Madison Square Garden auf. Vielmehr - sie versuchte, aufzutreten. Für mich war unfassbar, wie und warum sie dermaßen ausgepfiffen und ausgebuht wurde, dass sie letztendlich ohne ihren Part von der Bühne musste. Vorher konnte sie noch kurz von Kris Kristofferson getröstet werden (was ich ihm sehr hoch anrechne) und einen Protest (sie zitierte Bob Marleys "War") in das Publikum schreien, bevor sie gebrochen und in den Armen Kristoffersons von der Bühne verschwand. Dieser Moment, der Protest des Publikums, O'Connors wütend ausgespeites Zitat und der Moment, in dem sie weinend von Kris Kristofferson von der Bühne geführt wird, wird wahrscheinlich als "das Ereignis" dieses Events im kollektiven Gedächtnis bleiben.
O'Connor verlässt die Bühne
Später, 2009, veröffentlichte Kristofferson mit den Song "My Sister Sinéad" eine kleine Hommage an die Künstlerin. Der Text kann in Anlehnung an den Vorfall 1992 gedeutet werden:
"My Sister Sinéad" von Kris Kristofferson
Was aber war überhaupt geschehen, dass die Masse so unfassbar wütend über O'Connor herfiel? Ich recherchierte ein wenig und fand schnell des Rätsels Lösung: Am 3. Oktober 1992, also kurz vor dem Dylan All-Star-Konzert, trat sie in der "Saturday Night Live"-Show auf und performt Bob Marleys Protestsong "War". Am Ende hält sie ein Foto von Papst Johannes Paul II. groß ins Bild – und zerreißt es vor Millionen von Zuschauern: "Fight the real enemy.", sagt sie laut und geht von der Bühne. DAS kann von dem prüden, gläubigen, scheinheiligen US-Publikum natürlich nicht toleriert werden! So überfuhren beispielsweise religiöse Fanatiker in New York City O'Connors Platten mit einer Dampfwalze, der größte öffentliche Protest gegen diese Aktion jedoch fand auf dem erwähnten Musikfestival statt.
O'Connor zerreißt das Papstbild
Heute, so möchte ich wetten, würde sie angesichts der sich häufenden kirchlichen Missbrauchsskandale für ihre Aktion viel Beifall erhalten. Was aber hat sie überhaupt dazu gebracht, dieses Papstbild öffentlich zu zerreißen?
Hier hilft es zu wissen, dass O'Connors Leben von Schicksalsschlägen gezeichnet war und ist. Bereits während ihrer Kindheit wurde sie ihren Angaben und verschiedenen Berichterstattungen zufolge von ihrer Mutter missbraucht und misshandelt. Später lebte sie bei ihrem Vater, zu dem sie offensichtlich ein gutes Verhältnis hatte. Als Jugendliche wurde O'Connor der Schule verwiesen und wegen Ladendiebstahls für mehrere Monate in eine Magdalenen Institution eingewiesen. Es folgte der Besuch des Internats der "Sisters of Our Lady of Charity". Nach 1990 wurde öffentlich, dass diese Institution in Skandale wegen Gewalt und Kindesmissbrauchs verwickelt war. O'Connor verließ das Internat im Alter von 16 Jahren. Nach eigenen Angaben wurde auch sie dort von einem Geistlichen missbraucht. Nachdem sie das Sorgerecht für ihre 1997 geborene Tochter verlor, versuchte sie, sich das Leben zu nehmen, was glücklicherweise scheiterte.
Gewalt, Krieg, die Diskriminierung und Entrechtung der Frauen und vor allem die an ihr verübten Missbräuche und Misshandlungen waren immer wieder Themen in ihren Liedern. All dies mag helfen, die Persönlichkeit Sinéad O'Connor, ihre Aktionen, Proteste und Songs besser zu verstehen. So trägt dieses Wissen vielleicht auch dazu bei, ihr hier besprochenes Album mit anderen Ohren zu hören und sie mit anderen Augen zu sehen.
Sinéad O'Connor - Universal Mother | Irland 1994
Sinéad O'Connor, geboren am 8. Dezember 1966 in Glenageary, Irland, nahm 1985 ein Studium am Dublin College of Music auf. Ihr Geld verdiente sie sich teilweise als singende Telegrammbotin oder durch Auftritte in Dubliner Pubs, in denen sie unter anderem Songs von Bob Dylan vortrug. Mit ihrem entrückten Gesang, ihrer eigenwilligen Performance, ihrer ausdrucksstarken und variantenreichen Stimme fiel sie irgendwann Bono Vox (U2) auf, der sie dem Label Ensign Records empfahl. Unter diesem Label erfolgte auch die Veröffentlichung ihres ersten Albums „The Lion And The Cobra“.
Sind ihre beiden zuerst veröffentlichten Alben, „The Lion And The Cobra“ und „I do Not Want What I Have Not Got“ bereits sehr gute Werke, darf ihr „Universal Mother“ ohne Zweifel als ein Klassiker bezeichnet werden. Geschrieben und produziert wurde es von ihr gemeinsam mit John Reynolds und dem englischen Musiker, Komponisten und Plattenproduzenten Tim Simenon. Neben den seltener vorkommenden schnelleren Songs machen vor allem die wunderschönen Melodien und nicht zuletzt die zutiefst persönlichen Texte das Album zu einem zeitlosen Werk. Wer O'Connor bislang ablehnt, wer dieses Album nicht kennt, sollte sich vorbehaltlos die Stunde Zeit nehmen, die es zum Anhören benötigt. Es lohnt sich, diesem Werk, den Melodien und Texten, seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Album startet mit einem kurzen, gesprochenen Statement der australischen Feministin Germaine Greer. Nach 40 Sekunden geht es fast nahtlos über in den kraftvollen Song Fire On Babylon. Der Grundrhythmus, dieser bedrohliche Bassteppich, der Sound der Synthies und der Percussions könnte aus der Feder des Peter Gabriel stammen. O'Connors fesselnde Stimme, kraftvoll, wütend, singt und schreit sich durch das Stück. Begleitend zum Text wurde vom französischen Regisseur Michel Gondry ein Musikvideo geschaffen, welches gespickt ist mit Andeutungen auf O'Connors Kindheit. In seiner Intimität wird der Titel wohl nur noch durch ein früheres Lied der Künstlerin, dem Song Troy aus ihrem Debutalbum übertroffen.
Die ersten Textzeilen des Openers, die direkten Hinweise auf ihre Mutter sind kaum zu überhören, lauten:
Sie hat meinen Vater aus meinem Leben genommen, oh | Nahm meine Schwester und Brüder oh | Ich sah zu, wie sie mein Kind folterte | Schwach war ich damals, aber jetzt bin ich erwachsen
Nach diesem emotionalen Opener geht es auf dem Album meist verhaltener, manchmal fast nur mit Klavierbegleitung weiter. So folgt mit dem wunderschönen --> John I love You ein sanftes Liebeslied, welches ihrem Ex-Mann John Reynolds gewidmet ist. Der Song endet mit den Worten "Child I love you" und leitet damit geschickt über in --> My Darling Child, wobei die nahtlose Überleitung ebenso geschickt durch die ineinanderfließende Melodie des Pianos erfolgt.
Nach einer kurzen, durch eine Kinderstimme vorgetragenen Textpassage ("Am I A Human") folgt mit --> Red Football ein hervorragender Song, mit dem O'Connor das Recht der Frau auf ihren eigenen Körper zum Thema macht. Der Song beginnt, ganz entgegen dem Text, sehr sanft, um dann wütend und schreiend zu enden. „My skin is not a football for you, My head is not a football for you, My body's not a football for you, My womb is not a football for you, My heart is not a football for you“, so ein Auszug aus dem Song.
Mit dem NIRVANA-Cover --> All Apologies macht O'Connor ziemlich klar, dass sie nicht vorhat, sich für ihre Songs oder Aktionen zu entschuldigen. Der Song wird sehr verhalten, nur durch leicht angestrichene Gitarrensaiten begleitet, vorgetragen. Es folgen zwei weitere, bedächtig und verhalten vorgetragene Lieder, wovon das nur vom Piano begleitete --> Scorn Not His Simplicity einer besonderen Erwähnung bedarf. Dieser wunderschöne, von Phil Coulter komponierte Song erhält durch O'Connors Stimme eine ganz andere, viel innigere Intensität als bspw. die von den DUBLINERS dargebotene --> Liveversion.
Einer der schönsten Songs des Albums folgt mit dem Acapella --> In This Heart. Nachdem O'Connor den ersten Vers alleine vorsingt, gesellen sich in jedem der weiteren vier Verse weitere Stimmen hinzu, ebenso steigert sich ganz allmählich die Lautstärke dieses Liedes. Ein Lied, welches mir bei jedem Hören Dank der wunderschönen Harmonien und des hoffnungsvollen Textes eine leichte Gänsehaut beschert.
Nach Femine, einem kurzen Rapper, endet das Album mit Thank You For Hearing Me, meinem persönlichen Highlight. Zwar hat das Lied eine recht einfache Melodie, jedoch nimmt es von Strophe zu Strophe an Fahrt auf. Bass- und Drumfundament sorgen trotz der anfangs zurückhaltenden Stimme für einen gewissen Groove, der Synthie webt einen schönen Klangteppich. Kurz vor Ende des Liedes hält O'Connor kurz inne, singt dann zur Zeile "Thanks For Silence With Me" ganz leise weiter, um mit "Thank You For Holding Me" ihre Lautstärke wieder anzuheben. Ein, wie ich finde, ergreifender und würdiger Abschluss eines hervorragenden Albums.
Wikipedia hat dem Stück --> hier einen eigenen Eintrag gewidmet. Dort heißt es unter anderem ""Thank You For Hearing Me" ist ein Lied der irischen Sängerin Sinéad O'Connor, das 1994 als erste Single ihres vierten Albums Universal Mother (1994) veröffentlicht wurde. Von ihr gemeinsam mit John Reynolds geschrieben und basierend auf ihrer kürzlichen Trennung vom englischen Art-Pop-Sänger Peter Gabriel..." Ebenso sind dort zahlreiche, überschwänglich positive Kommentare zu dem Song zu finden.
Nun aber - Thank You For Hearing Me
[Die Tracks]
01. Germaine
02. Fire On Babylon
03. John I Love You
04. My Darling Child
05. Am I A Human
06. Red Football
07. All Apologies
08. A Perfect Indian
09. Scorn Not His Simplicity
10. All Babies
11. In This Heart
12. Tiny Grief Song
13. Famine
14. Thank You For Hearing Me
[Credits]
- Sinéad O'Connor – vocals, piano
- John Reynolds – drums, programming
- Dave Clayton – keyboards, programming
- Marco Pirroni, Ivan Gilliland – guitar
- Tim Simenon – programming
- Nicky Scott, Matthew Seligman, Clare Kenny – bass
- Phil Coulter – piano, keyboards, backing vocals
- John O'Cane – cello
- Voice Squad – backing vocals
- Irish Chamber Orchestra – strings
[Was lohnt noch?]
Im Jahr 2002 gab O'Connor ein vielbeachtetes Konzert in Dublin. Dargeboten werden auch einige Songs des hier vorgestellten Albums (John I Love You, Thank You For Hearing Me, Fire On Babylon). Das Konzert beginnt mit der Begrüßung ihres Vaters, der im Publikum sitzt und dankt ihm für sein Kommen. Anschließend folgt eine herzzerreißende Version des Traditionals "Molly Malone"
Kris Kristofferson äußert sich sehr bewegend über die Situation, in der O'Connor im oben erwähnten Konzert von der Bühne gebuht wurde. Anschließend singt er gemeinsam mit O'Connor den Song "Help Me Make It Through The Night"
Help Me Make It Through The Night
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- Chronik einer angekündigten Wiederkehr
- Kathryn Ferguson über ihren Dokumentarfilm "Nothing Compares" über das Leben Sinnéad O'Connor
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Im Januar 2022 erlitt Sinéad O'Connor einen weiteren Schicksalsschlag. Sie erhielt die Nachricht, dass ihr Sohn Shane O’Connor aus dem Krankenhaus, in dem er wegen psychischer Probleme unter Beobachtung lag, verschwunden war. Zwei Tage später fand man seine Leiche - er hatte sich das Leben genommen.
Was für ein tragisches Leben.