Mike Oldfield – Die Jahre 1973 – 2005
Tubular Bells(1973)
Die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts waren in musikalischer Hinsicht in vielerlei Hinsicht besonders. Gruppen wie ELP, Yes und Genesis spielten nicht nur recht komplexe und teilweise sehr intellektuelle Musik, sie waren damit auch noch erfolgreich.
Eine weitere besondere Geschichte in den 70er Jahren ist die Laufbahn Mike Oldfields. Schon in jungen Jahren unter schwierigen familiären Umständen zur Musik gekommen, war er Anfang der 70er Jahre, trotz Mitarbeit in einigen Bands, ein musikalischer Niemand. Und doch machte sich ein 17-jähriger Oldfield daran, eine instrumentale Rocksuite für Gitarre zu komponieren.
Mike Oldfield lieh sich einen Bang & Olufsen Recorder von Kevin Ayers, für den er zuvor in der Band Whole World Bass und E-Gitarre gespielt hatte, und nahm mit einiger Fummelei am Löschkopf des Gerätes alle Instrumente (inklusive eines Staubsaugers) nacheinander auf.
Oldfield, der etwas später für Sessionarbeiten im neuen Tonstudio "The Manor" des Plattenladens Virgin arbeitete, nutze die Gelegenheit, sein Demoband den Leuten dort vorzuspielen. Als Resultat bekam er von den Leuten im "The Manor" verschiedene Adressen von Plattenfirmen. Doch kein einziges Label wollte das obskure Band von Mike Oldfield, auf dem weder Gesang, noch Schlagzeug oder sonstwie gewohntes zu hören war, nehmen. Für die Label war es einfach nicht vorstellbar, so etwas vermarkten zu können.
Ein Jahr später kehrte Oldfield unverrichteter Dinge zurück zu Virgin. Dort wurde das Band schließlich von Tom Newman, dem späteren Coproduzenten des Albums, Richard Branson vorgestellt, dem Besitzer von Virgin, der gerade dabei war, ein eigenes Plattenlabel zu gründen. Branson zeigte sich zuerst ablehnend. Doch Simon Draper, der zusammen mit Branson das Label aufbaute und im Gegensatz zu Branson (der mehr Geschäftsmann war) Ahnung von Musik hatte, war von Oldfields Ideen sehr angetan. Draper gab Oldfield eine Woche Zeit im Tonstudio, um mit professionellen Aufnahmen zu beginnen.
In dieser einen Woche nahm Mike Oldfield beinahe im Alleingang (u.a. lediglich für die Chorgesänge von seiner Schwester Sally unterstützt) die erste Hälfte seines Werkes auf. Danach war das Studio tagsüber von anderen Bands gebucht und Mike Oldfield mußte sich damit begnügen, nur dann weiterarbeiten zu können, wenn niemand sonst im Tonstudio war. Was meist spät abends oder nachts war - und nach reichlich Alkoholgenuß.
Nach etwas mehr als vier Monaten war schließlich auch der zweite Teil fertiggestellt, und einem ungeduldigen Richard Branson wurde das Ergebnis vorgespielt. Und Branson war alles andere als begeistert.
Richard Branson wollte zumindest einen Teil des Albums als Single vermarkten können und monierte, daß im "Caveman"-Teil kein Gesang wäre. Branson wollte Gesang, Mike Oldfield gab ihm Gesang. Nach eigener Aussage genehmigte sich Oldfield eine halbe Flasche Whiskey, ging ins Tonstudio und brüllte sich zehn Minuten die Seele aus dem Leib mit mehr oder minder sinnlosen Wortfetzen.
Da hatte Richard Branson nun ein obskures Album eines Unbekannten und er wußte nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Branson selbst hatte als Titel "Breakfast in Bed" für das Album vorgeschlagen. Doch Mike Oldfield beharrte vehement auf seinen eigenen Namen: "Tubular Bells" - Röhrenglocken. Und konnte sich letztlich damit durchsetzen.
Richard Branson bemühte sich nun selber vergeblich, Mike Oldfields Album anderen Labeln schmackhaft zu machen. Letztlich entschied er sich dafür, mit "Tubular Bells" sein eigenes Plattenlabel Virgin ins Leben zu rufen. So erhielt "Tubular Bells" von Mike Oldfield die Katalognummer "V2001".
Und es geschah das völlig unerwartete. Die fast fünfzigminütige instrumentale Rocksuite eines totalen Unbekannten eroberte die Albumcharts. "Tubular Bells" wurde zur Nummer 1 in Großbritannien, ein kleiner Schnipsel landete - ohne Wissen von Mike Oldfield - im Horrofilm "Der Exorzist" (Oldfield selbst sah den Film erst Ende der 80er Jahre) und er selbst sah sich unvermutet dem Interesse der Öffentlichkeit ausgesetzt.
Nicht nur aufgrund der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte ist "Tubular Bells" gewiß eines der großen Phänomene der 70er Jahre. Bis heute wurde das Album knapp 17 Millionen mal verkauft und ist damit das erfolgreichste instrumentale Rockalbum der Musikgeschichte.
Zur Musik:
Oldfield verbindet Rockelemente, keltisch-folkloristische Einflüsse, eine Prise Klassik und einen gewissen Sinn für bizarren Humor zu einem kunterbunten Mix, der über weite Teile den Zuhörer fesselt. Klavier, akustische Gitarren, stark verzerrte E-Gitarren und Orgeln gehören zu den Zutaten. Pastorale Momente, rockige Einsprengsel und minutenlang ausgebreitete Themen bestimmen das musikalische Feld.
Die einleitenden Takte von "Tubular Bells" gehören sicherlich zu den prägnantesten in der Rockmusik überhaupt, der skurille Humor mit der Ankündigung aller Instrumente durch einen Master of Ceremonies (gespielt von Vivian Stanshall) zum Schluß des ersten Teils, wo auch einmalig die namensgebenden Glocken verwendet werden, ist herrlich schräg geraten.
Interessant an "Tubular Bells" ist, daß es eigentlich keinen roten Faden hat. Oldfield verwebt diverse Themen und Melodien zu einem musikalischen Flickenteppich. Im Gegensatz zu anderen überlangen Stücken bekannter Progbands wie Yes oder Genesis, werden auf "Tubular Bells" einmal gespielte Themen nicht wieder aufgenommen. Und so entsteht manchmal der Eindruck eines musikalischen Sammelsuriums, eines Sammelsuriums, das aber sehr gut funktioniert.
"Tubular Bells" hat aber auch Schwächen. Es läßt sich nicht verleugnen, daß einiges manchmal etwas holprig klingt, etwas unsauber, was natürlich auch auf die Produktionsumstände zurückzuführen ist. Auch hat der zweite Teil einige langweilige Passagen, vor allem der Beginn plätschert minutenlang vor sich hin, ohne daß etwas aufregendes passiert. Und doch hat "Tubular Bells" einen unleugbaren Charme, dem man sich kaum entziehen kann.
Und natürlich gehört es zu den wichtigsten Musikalben der Rockgeschichte. Daß es wahrscheinlich nur in den frühen 70er Jahren möglich war, so etwas aufzunehmen und dann auch noch Erfolg damit zu haben, deutet auch auf die Probleme in der heutigen Musikbranche hin, wo "Stars" zu dutzenden in TV-Castingshows produziert werden, mit einer Halbwertszeit von einem Sommer.
Mike Oldfields Karriere sollte sehr viel mehr als nur einen Sommer andauern. "Tubular Bells" wurde allerdings sein kommerziell erfolgreichstes Album und vielleicht auch der schwerste Mühlstein, den er zu tragen hatte.
Wer zu den wenigen Menschen gehört, die "Tubular Bells" nicht kennen, und sich ernsthaft für Progressive Rock interessiert, kommt an Mike Oldfields einzigartiger instrumentaler Arbeit nicht umhin. Er tat damals etwas wirklich neues, noch nicht dagewesenes. Etwas, was kaum ein anderer Musiker von sich behaupten kann. Denn wenn "Tubular Bells" eines ist, dann unvergleichlich. Kein anderer Künstler machte damals so eine Musik.
Doch wenn auch "Tubular Bells" der Meilenstein in der Karriere von Mike Oldfield ist, so ist es nicht sein bestes Werk. Das sollte erst noch folgen.
13/15 Punkte
Hergest Ridge
(1974)
Nach dem überraschenden und überwältigenden Erfolg von "Tubular Bells" flüchtete der sehr scheue und von psychischen Problemen geplagte Mike Oldfield aufs Land, nach Herefordshire, wo er sich eigentlich ausruhen und erholen wollte. Er entdeckte seine Leidenschaft für Modellflugzeuge, doch die Musik und vor allem seine Plattenfirma Virgin, die natürlich nach dem großen Erfolg nach mehr verlangte, ließen ihn nicht los und so wurde "Hergest Ridge" komponiert. Benannt nach einem kleinen Gebirgszug, den Oldfield von seinem Haus aus sehen konnte.
Mike Oldfield, mit damals knapp 21 Jahren immer noch sehr jung, zeigt sich auf "Hergest Ridge" musikalisch gereift. Während "Tubular Bells" ein recht bunter Streifzug durch diverse musikalische Ideen darstellte, zeigt sich "Hergest Ridge" als ausgewachsene Suite für Gitarre, Streicher, Oboen und Chor. Und so waren diesmal auch ein paar mehr Musiker am Entstehen des Albums beteiligt. Natürlich war Oldfield immer noch für den Großteil aller Instrumente verantwortlich, doch Streicher und Chöre z.B. wurden von Oldfields Freund David Bedford dirigiert, der auch auf späteren Alben mit ihm zusammenarbeiten sollte.
Passend wohl zur damaligen Umgebung Mike Oldfields sind große Teile des Albums sehr pastoral gehalten - entspannend, ruhig und getragen. Man kann sich die ländliche Szenerie vorstellen, sanfte grüne Hügel und im Wind wehendes Gras. Völlig anders angelegt als das humoristisch durchsetzte "Tubular Bells", atmet "Hergest Ridge" eine gewisse Melancholie und Ernsthaftigkeit, aber auch große Schönheit, was sich vor allem im ersten Teil zeigt, der sich zum Finale hin in einen elegischen Chor steigert.
Der zweite Teil beginnt mit einem sehr entspannten Thema für Orgel und Akustikgitarre, der in etwas Gesang in einer Phantasiesprache der irischen Folksängerin Clodagh Simmonds mündet, ehe sich nach einigen Minuten der instrumentale Overkill einstellt. Mike Oldfield hatte schon zuvor auf "Tubular Bells" eine Unmenge an Overdubs verwendet, für "Hergest Ridge" aber - und hier den mittleren Akt im zweiten Teil des Albums, manchmal als "Gewitter" bezeichnet - setzt er dem ganzen die Krone auf, wenn 90 E-Gitarren unisono übereinandergespielt dramatisch zu Werke gehen und teilweise nach allem möglichen klingen, nicht mehr aber nach E-Gitarren.
Nach diesem bombastischen und recht aggressiven Abschnitt aber wird wieder das ruhigere Gesangsthema vom Anfang aufgenommen und Hergest Ridge klingt mit einer sehr entspannten Stimmung aus.
"Hergest Ridge" wurde damals von der Kritik eher verhalten aufgenommen, die wohl so etwas wie "Tubular Bells Teil 2" erwartet hatte. "Hergest Ridge" beschreitet aber komplett andere Wege. Klassische und folkloristische Einflüsse dominieren hier sehr viel mehr, es wird sich Zeit genommen, die Themen zu entwickeln und die Stimmung als solches ist eher besinnlich gehalten. Und trotz der komplett anders ausgelegten Stimmung und der verhaltenen Kritik konnte "Hergest Ridge" "Tubular Bells" vom ersten Platz der Albumcharts verdrängen. Damit schaffte Mike Oldfield etwas, das in Großbritannien nur zwei andere Bands bzw. Musiker geschafft haben: die Beatles und Bob Dylan.
Für mich ist "Hergest Ridge" wenn vielleicht nicht das beste, so doch aber zumindest eines der zwei, drei besten Alben Mike Oldfields. Es bietet die perfekte Musik für etwas besinnlichere Stunden, ohne dabei in belangloses Geplänkel zu verfallen. "Hergest Ridge" besitzt Tiefe und Schönheit und ist in seiner melancholisch-entspannten Stimmung unübertrefflich.
Das Album, das man auf CD heutzutage bekommt, ist übrigens nicht der Originalmix von "Hergest Ridge". Anläßlich der "Boxed" 4-fach LP 1976 wurden die ersten drei Alben Mike Oldfields neu im Quadrophonieverfahren abgemischt. Während "Tubular Bells" das ursprünglich angedachte Ende mit einer noch verrückteren "The Sailors Hornpipe" Version bekam, bei dem Vivian Stanshall sichtlich angetrunken durch die Räume des Tonstudios geht und Unsinn erzählt, während Mike Oldfield und ein Flötenspieler ihrerseits durch die Räume ziehen und das Stück spielen, wurde "Hergest Ridge" etwas mehr nachbearbeitet.
Oldfield entfernte Gitarrenparts, die er ursprünglich nur aufgrund des Drucks von Virgin in den Mix genommen hatte, um den ersten Teil etwas "aufzupeppen" und fügte dafür die Gesangsteile von Clodagh Simmonds hinzu, die auf der Originalpressung der LP fehlten. Mike Oldfield, der mit dem neuen Mix sehr viel zufriedener war, bestimmte daraufhin, daß von nun an die "Boxed"-Version von "Hergest Ridge" der ultimative Mix sei, der für alle zukünftigen Pressungen des Albums verwendet werden muß. Was später in den 80er Jahren auch für die CD-Version galt, die also auch den Quadrophoniemix von "Boxed" beinhält und nicht die ursprüngliche Version aus dem Jahr 1974.
Wer somit das Original "Hergest Ridge" hören will, muß sich auf die Suche nach Original LPs aus den Jahren 1974 und 1975 machen. Ich kenne das Original nicht, vertraue aber bei "Hergest Ridge" dem Urteil von Mike Oldfield. Ich finde die heute vorliegende Version, wie weiter oben schon gesagt, perfekt. Es gibt nicht viele perfekte Alben, und auch keine perfekten Alben für jede mögliche Stimmung. Wenn man es allerdings etwas besinnlicher haben möchte ist "Hergest Ridge" unübertroffen.
15 Punkte
Ommadawn
(1975)
Trotz gravierender Alkohol- und Drogenprobleme erschuf Mike Oldfield 1975 sein nächstes Meisterwerk. "Ommadawn" setzt die Linie von "Hergest Ridge" fort, doch anstelle einer sehr pastoralen und entspannten Stimmung klingen diesmal einige Passagen etwas fröhlicher, wobei aber dramatische oder etwas ruhigere Abschnitte ebenfalls nicht fehlen. Die keltisch-folkloristischen Einflüsse haben erneut zugenommen. So gibt es neben irisch klingendem Gesang auch den Dudelsack zu hören. Ganz neu ist die südafrikanische Rhytmussektion Jabula, die zum Ende des ersten Teils einsetzt und dem Werk einen Hauch von "Weltmusik" gibt - auch wenn es den Begriff damals noch gar nicht gab. So gesehen war "Ommadawn" ein Vorreiter auch für diese Musikgattung.
Geblieben ist die großflächige Herangehensweise an die Komposition. "Ommadawn" entwickelt seine musikalischen Themen und nimmt sich Zeit, diese auszuarbeiten. War "Tubular Bells" ein knallbunter Teppich aus diversen Ideen, so ist "Ommadawn" - ebenso wie "Hergest Ridge" - das sehr viel reifere Gesamtwerk.
Erstmalig läßt sich Mike Oldfield bei "Ommadawn" von prominenten Mitmusikern helfen. So ist Pierre Moerlen von der Gruppe Gong dabei und Paddy Moloney von den Chieftains spielt den Dudelsack. Auch dabei sind Mikes Bruder Terry Oldfield, seine Schwester Sally und als Sängerin auf "Ommadawn" am herausragendsten Clodagh Simmonds (die auch schon auf dem zweiten Teil von "Hergest Ridge" zu hören war, der in gewisser Weise die musikalische Richtung für Ommadawn angab), die auch den "Text" zu ihren Gesangspassagen verfaßt hat.
Es hat viele Interpretationsversuche zum Text zu "Ommadawn" gegeben, die gängigste Version lautet, daß Clodagh Simmonds so etwas wie "The cat is in the kitchen, drinking milk. I am the fool with music, fool with music" singt.
Wie auch immer: der erste Teil von Ommadawn gehört gewiß zum allerbesten, was Mike Oldfield komponiert hat. Leidenschaftliche Gitarrenarbeit, eine hypnotische Rhythmussektion - gepaart mit schönen Melodien - höhere Ansprüche kann man an eine (Prog)Rock-Komposition nicht richten.
Der zweite Teil beginnt hingegen etwas langatmig, mit den auf- und abschwellenden E-Gitarren im Hintergrund und einer eher schleppenden Melodie. Erst nach fünf Minuten schält sich daraus ein entspannter, wunderschöner Part auf Akustikgitarre heraus. Die Linie wird vom Dudelsack übernommen, etwas später folgt die Flöte - in diesen Passagen ist "Ommadawn", wie schon "Hergest Ridge", am ehesten pastoral und romantisch gehalten, bevor die Musik zum Ende hin wieder an Tempo zulegt und mit Oldfields charakteristischem E-Gitarrenklang, stampfenden Füßen und Mandoline im Hintergrund ausklingt.
Doch "Ommadawn" ist noch nicht zu Ende, es folgt mit "On Horseback" ein kleines Stück, das mit einer sehr simplen Melodie aufwartet und eigentlich schon als Kinderlied durchgehen kann.
Mike Oldfield singt zum ersten Mal selbst, bzw. er spricht den Text und singt nur im Refrain ein wenig, unterstützt von einem Kinderchor. "On Horseback" ist mit einer entwaffnenden Naivität und einer Prise Witz ausgestattet, um so bemerkenswerter, wenn man Oldfields damalige geistige Verfassung bedenkt.
"Ommadawn" wird von vielen als das beste Album Mike Oldfields betrachtet. Ich persönlich finde "Hergest Ridge" eine kleine Spur gelungener, weil es dort - im Gegensatz zu den ersten fünf Minuten im zweiten Teil von "Ommadawn" - überhaupt keine etwas langweilende Passage gibt.
Doch natürlich ist "Ommadawn" ohne Zweifel eines der größten und besten Alben Mike Oldfields. Als instrumentale Komposition auf dem Rocksektor sicherlich mit einigen Kompositionen der Klassik vergleichbar.
Wer an Mike Oldfield oder instrumentaler Musik Interesse hat, kommt an den ersten Alben nicht vorbei. Die Anfangstrilogie Oldfields mit "Tubular Bells", "Hergest Ridge" und "Ommadawn" gehört zum besten, was diese Musikgattung überhaupt hervorgebracht hat.
14 Punkte
Incantations
(1978)
Nach Ommadawn war Mike Oldfield zwar musikalisch auf dem Höhepunkt angelangt, doch psychisch am Ende. Der immer schon sehr scheue und unter komplizierten familiären Umständen aufgewachsene Mike Oldfield kam mit der Situation als Star im Musikgeschäft nicht zurecht. Er hatte Alkoholprobleme, schluckte LSD, litt darauffolgend unter Halluzinationen und war dem Selbstmord nahe. 1975 war Oldfields Mutter gestorben, die jahrelang selbst unter schweren Alkoholproblemen gelitten hatte und zudem noch manisch depressiv gewesen war, so daß sie oft in Anstalten verlegt werden mußte. Diese sehr prägende Jugendzeit Oldfields forderte ihren endgültigen Tribut nun.
Und so gab es nach "Ommadawn" eine erste längere Pause. Virgin nutze die Zeit und brachte 1976 "Boxed" auf den Markt. Eine 4-LP Box mit den ersten drei Alben Oldfields als Quadrophonie-Remix und einer vierten LP mit Arbeiten Oldfields für andere Musiker, sowie Singles und Outtakes, die nicht auf Alben erschienen waren.
Von diesen Stücken ist "First Excursion" für "Incantations" (auf deutsch: "Beschwörungsformeln") am interessantesten. Das eher ruhige Lied legt die Basis für "Incantations", wenn es zum Ende hin eines der Grundthemen des Albums zum ersten Mal anklingen läßt. Oldfield sollte auf dieser Idee aufbauen und während seiner Auszeit die Basis zu Incantations entwickeln.
Mike Oldfield war kurz nach Fertigstellung von "Ommadawn" wieder umgezogen und nahm in seiner Abgeschiedenheit die beiden ersten Teile von Incantations auf, ehe er sich 1978 entschloß, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, um seiner Probleme Herr zu werden.
Dafür suchte Mike Oldfield eine Therapiegruppe auf, die die damals sehr umstrittene Exegesis praktizierte: im Verlauf dieser dreitägigen Therapie, bei der die Teilnehmer schlimmstem psychischen Druck ausgesetzt wurden (sie wurden vom Kursleiter angebrüllt, mit Schimpfwörtern belegt und jeder wurde aufgefordert, sich seinen schlimmsten Ängsten zu stellen), erlebte Mike Oldfield eine "Wiedergeburt". Laut eigener Aussage erhielt Oldield dadurch neue Einsichten in seinen Charakter und die menschliche Natur.
Was auch immer während dieser Therapie vorgefallen ist: Mike Oldfield war danach in der Tat verändert und auch seine Musik sollte sich in den kommenden Jahren wandeln. Einige Wochen nach Therapieende heiratete er die Tochter des Kursleiters, die Ehe hielt jedoch nur wenige Wochen und nach drei Monaten war die Scheidung vollzogen.
Nach der Therapie machte sich Oldfield daran, die letzten beiden Teile von "Incantations" aufzunehmen. "Incantations" sollte eigentlich das große Meisterwerk Oldfields werden. Es sollte die bei "Hergest Ridge" und "Ommadawn" gezeigten Elemente aufnehmen und vervollkommnen. Bei "Incantations" wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. Es war ein Doppelalbum mit vier Teilen, Oldfield wurde von einem Streicherensemble unterstützt, dazu wieder Pierre Moerlen von Gong, dann ein Trompeter, ein Mädchenchor, zwei Flötisten und mit Maddy Prior und Sally Oldfield zwei Sängerinnen.
Doch während Mike Oldfield in Abgeschiedenheit lebte, seine psychischen Probleme aussortierte und am neuen Album bastelte, hatte sich von ihm total unbemerkt eine Revolution in der Musikszene ereignet. Mike Oldfields eigenes Plattenlabel Virgin hatte The Sex Pistols unter Vertrag genommen und die Punkrevolution, die gegen Ende der 70er Jahre den Progrock mehr oder weniger wegfegte, hatte für tiefgreifende Veränderungen gesorgt.
Und so war "Incantations" an Bombast und künstlerischem Anspruch kaum zu überbieten, kam dafür aber auch leider einige Jahre zu spät. Der kommerzielle Stern von Mike Oldfield in Großbritannien begann zu sinken.
"Incantations" schaffte es noch unter die Top 20 der Albumcharts. Und der langjährige Groll Oldfields gegen Virgin und Richard Branson nahm seinen Anfang.
Mike Oldfield konnte der Punkbewegung überhaupt nichts abgewinnen und nahm es Richard Branson übel, daß er, obwohl durch Oldfields "Tubular Bells" erst groß geworden, mit dem Punk eine Musikrichtung bei Virgin etabliert hatte, die das genaue Gegenteil von Oldfields Musik darstellte. Mike Oldfield traf es noch mehr, daß er sich in der Folgezeit nicht mehr entsprechend bei Virgin vertreten fühlte. Anrufe an Branson wurden nicht mehr unbedingt durchgestellt und die Promoarbeit für seine Alben fand Oldfield stiefmütterlich.
Doch abseits dieser ersten Querelen mit der Plattenfirma ist "Incantations" in mancherlei Hinsicht das Magnum Opus von Mike Oldfield. Die Komposition ist so breitwandig wie nie zuvor, es ist mal bombastisch, dann wiederum verträumt, streckenweise minimalistisch, mal sehr romantisch und gelegentlich sehr rockig.
"Incantations" wirkt damit wie die logische Fortsetzung von "Ommadawn", nur um einiges wuchtiger noch. Und doch ist "Incantations" nicht das absolute Meisterwerk geworden. Dafür schwelgt Mike Oldfield manchmal zu sehr im minimalistischen Territorium eines Philip Glass. So wird z.B. im vierten Teil von "Incantations" eines der Haupthemen minutenlang auf Vibraphon und Glockenspiel rauf- und runtergehämmert ohne sonderlich variiert zu werden. Es kann in diesen Momenten dann schon etwas anstrengend für den Zuhörer werden.
Doch es gibt genug andere Passagen, die diese Schwächen auch wieder wett machen. Der erste Teil von "Incantations" mit seinem hektischen Flötenthema, den energischen Streichern und dem im Gegensatz dazu elegischen Mädchenchor ist schlicht wunderschön. Der zweite Teil greift das im ersten Teil entwickelte "Diana"-Thema in ruhigerer Form auf und wartet in der zweiten Hälfte dann mit einer achtminütigen Rezitation von Longfellows Gedicht "Hiawatha" auf - begleitet von afrikanischen Rythmen der Gruppe Jabula, die auch schon bei "Ommadawn" für die Rhythmik gesorgt hatte.
Der dritte Teil konzentriert sich fast durchgehend auf die E-Gitarre, die lose die bekannten Themen aufgreift, dabei aber stark variiert.
Der vierte Teil weist die erwähnten Schwächen auf. Es dauert geschlagene acht Minuten, ehe die E-Gitarre einsetzt und endlich etwas anderes spielt, doch nur, damit dann kurz darauf die Keyboards das Incantations-Haupthema wieder aufgreifen und wie zuvor das Vibraphon rauf- und runterspielen. Zum Glück dauert es diesmal nicht gar so lang und ab der 12. Minute geht der vierte Teil ordentlich zu Ende. Maddy Prior rezitiert zum Hiawatha-Thema einen Ausschnitt aus dem Theaterstück "Cynthia's Revels" mit dem Titel "Hymn to Diana" (was den Zirkelschluß zum ersten Incantations-Teil darstellt, wo der Mädchenchor u.a. Diana besingt) von Ben Johnson aus dem Jahr 1599.
Das Fazit: "Incantations" hat zweifellos viele Stärken. Mehr als bei allen Alben zuvor gibt es ein Gefühl des Zusammenhangs zwischen den Teilen. Mike Oldfield entwickelt ausgiebig seine Grundthemen, die über die ganze Länge des Albums in verschiedenen Formen immer wieder aufgegriffen werden. Mal sehr gelungen, mal zu repetierend, wie beim vierten Teil.
Und deshalb ist auch diese Konzentration auf wenige Grundthemen eine der Schwächen des Albums, das über 72 Minuten dauert: es fehlt manchmal an Ideen. So wirken die an sich hervorragenden Themen gelegentlich über die komplette Länge zu sehr ausgedünnt, wie zuwenig Butter auf zuviel Brot.
Doch trotz aller kleiner Schwächen ist "Incantations" ein mehr als nur würdiger Abschluß der ersten Schaffensphase Mike Oldfields. Seine kompositorischen Fähigkeiten zeigen sich nochmal in Höchstform und sein Talent, großformatige Instrumentalsuiten zu schreiben, kann sich auf "Incantations" beeindruckend beweisen. Die Mixtur aus irisch-folkloristischen Elementen, klassischen Passagen, afrikanischer Ryhthmik und eigenwilliger Lyrik funktioniert über weite Teile ausgezeichnet. Allerdings braucht man für "Incantations" auch Geduld. Wo "Tubular Bells" mitunter jede Minute eine neue Idee präsentierte, können sich die Leitmotive von "Incantations" minutenlang etablieren, ausgeprägter noch als bei "Ommadawn" oder "Hergest Ridge".
Somit widersprach "Incantations" den neuen Hörgewohnheiten Ende der 70er Jahre total. Wo kurzformatige Punklieder vorherrschten oder Discopop die Charts eroberte, besitzt "Incantations" die Seelenruhe, über acht Minuten lang Maddy Prior Longfellows "Hiawatha" rezitieren zu lassen. Es wirkt dann in seiner totalen Negation kommerzieller Gesichtspunkte auf positive Weise selbstbewußt.
Damit ist "Incantations" ein Album, dem man Zeit widmen muß, nicht nur aufgrund der knapp 72 Minuten Spieldauer. Wer es nebenbei laufen läßt, wird es wahrscheinlich verwirrend oder gar phasenweise langweilig finden. Wenn man sich jedoch auf das Album einläßt und in die Musik eintaucht, zeigt sich die Schönheit des Werkes. Ein Anachronismus 1978, ein Klassiker (und noch viel größerer Anachronismus leider) heutzutage.
Es bleibt noch anzumerken, daß die Erstauflage von Incantations auf CD eine gekürzte Version ist. Da Anfang der 80er Jahre eine CD noch nicht verläßlich über 70 Minuten Spieldauer aufweisen konnte, wurden ca. drei Minuten vom Beginn des dritten Teils einfach gekappt, um das Album auf eine CD pressen zu können, anstatt eine teurere Doppel-CD herauszubringen.
Erst mit der Zweitauflage 1991 wurde das geändert. Alle Incantations-CDs erscheinen seitdem ungekürzt. Wer also nur eine 80er-Jahre Version sein Eigen nennt, sollte vielleicht mal in eine Neuauflage von "Incantations" reinhören.
13 Punkte
Platinum
(1979)
Nach seiner Exegesis-Therapie zeigte sich Mike Oldfield in der Öffentlichkeit als neuer Mensch. War er in den Jahren zuvor schon beinahe krankhaft schüchtern gewesen, so scheu, daß er sich z.B. bei der Liveaufführung der Orchesterversion von "Tubular Bells" von einem anderen Gitarristen vertreten ließ, zeigte er sich plötzlich offen und um einiges selbstbewußter. Nicht zuletzt deshalb ging es nach "Incantations" das erste Mal auf große Tournee. Mike Oldfield wurde von einer mehr als 50-köpfigen Band unterstützt, darunter auch profilierte Mitmusiker wie Pierre Moerlen, der schon auf den Alben zuvor für Oldfield gespielt hatte.
Die Tour war zwar künstlerisch ein großer Erfolg und die gespielten Liveversionen von hoher Qualität, wie man sich auf dem Livemitschnitt "Exposed" überzeugen kann, doch finanziell ein einziges Desaster für Mike Oldfield, der nah am Rand der Pleite stand.
Um die klamme Kasse wieder etwas aufzufüllen, wurde deshalb 1979 relativ rasch "Platinum" aufgenommen. Nach dem bombastischen Album "Incantations" bestritt Mike Oldfield erstmals musikalisch etwas andere Wege. Es gab nun kein durchgängiges Einzelwerk mehr, sondern lediglich auf Seite 1 der LP ein Instrumental, während auf der zweiten Seite kurze Lieder und Singles vorherrschten. Ein Albumkonzept, das Mike Oldfield für viele Jahre beibehalten sollte.
Auf Druck der Plattenfirma hin, aber auch angestachelt von der eigenen Frustration, keine Popsongs bisher schreiben zu können, versuchte sich Mike Oldfield auf "Platinum" also erstmals an kurzen radiotauglichen Singlehits, allerdings noch sehr zaghaft.
"Into Wonderland" kann noch am ehesten als Versuch eines Radiohits durchgehen. Wobei gerade dieses Lied am meisten Verwirrung stiftet. Auf sämtlichen Auflagen der LP und CD heißt das Lied "Sally", wobei "Sally" nur auf den ersten ca. 50.000 LPs vorzufinden war. Richard Branson fand den Text zu diesem Song so grauenhaft, daß er darauf bestand, ein anderes Lied auf das Album zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten Pressungen aber schon vorgenommen worden. Mike Oldfield entschied sich dazu, Sally durch "Into Wonderland", gesungen von Wendy Roberts, zu ersetzen. Virgin hielt es aber nicht für notwendig, das Artwork für das Cover zu ändern.
"Into Wonderland" ist ein nettes kleines Liedchen, leicht verträumt handelt es von Mike Oldfields damaliger neuer Freundin Sally Cooper, die auf "Platinum" sinnigerweise die Röhrenglocken spielen durfte. Daß es rein gar nichts mit Oldfields bisheriger Arbeit zu tun hat, ist bei der Herangehensweise klar.
Ansonsten tummelt sich auf "Platinum" ein sehr ruhiges, kontemplatives Lied wie "Woodhenge", das schon beinahe meditativ zu nennen ist. Dann Mike Oldfields Statement zur Punkbewegung mit "Punkadiddle", das leider phasenweise etwas nervig geraten ist und ein George Gershwin-Cover mit "I got rhythm", das Oldfield allerdings sehr zurückhaltend arrangiert, sehr verträumt und ruhig. So recht überzeugen kann die Version mich nicht. Bleibt noch der instrumentale Opus "Platinum". Oldfield geht auch hier etwas geradliniger zu Werke, entdeckt den Jazz für sich und läßt ihn als Einfluß bei einigen Teilen hörbar werden. Die folkloristischen Einflüsse der Vorgängeralben sind dafür völlig verschwunden. Zum Ende hin greift Oldfield sehr beeindruckend mit "North Star" sogar ein Stück von Philip Glass auf - was logisch erscheint, ist Mike Oldfields Musik in den Jahren zuvor doch auch immer wieder mal minimalistisch gewesen.
"Platinum" als solches ist für mich das schwächste instrumentale Werk der 70er. Und das Album als ganzes wirkt etwas unausgegoren. Die allzu schnelle Produktion macht sich hier störend bemerkbar. Vor allem die zweite Hälfte wirkt blind zusammengewürfelt.
Die Zeit der albumfüllenden Epen war jedenfalls vorbei und Mike Oldfield machte sich daran, etwas kommerziellere Gefilde zu erkunden. Nicht zuletzt aufgrund massiven Drucks der Plattenfirma aus. Und zumindest in Deutschland fruchtete das Rezept. Waren den vorherigen Alben in Deutschland bis dato kein allzu großer Erfolg beschieden gewesen, klopfte "Platinum" hierzulande schon an den Top 10 der Albumcharts an.
Obwohl "Platinum" bei weitem nicht an die vorangegangenen Meisterwerke heranreicht, machen weite Teile des Albums aber noch Spaß. Das Instrumental ist durchweg gut, stellenweise wieder auch mit Humor versehen (ich denke da an den schrägen Frauenchor oder an Oldfields "Schubidubidaba"-Einlagen), wenn auch nicht hochklassig. Nur die kurzen Lieder auf der zweiten Hälfte des Albums lassen deutlich nach. Doch auch hier ist mit "Woodhenge" und "Into Wonderland" noch gutes Material vertreten.
Essentiell ist "Platinum" damit sicherlich nicht. Doch Anhänger Mike Oldfields sollten das Album natürlich besitzen. Und für 1979 war "Platinum" immer noch um einiges progressiver als der größte Teil der Musikwelt. Zumal die meisten Progbands sich aufgelöst hatten oder aber ihren Stil noch gravierender änderten als Mike Oldfield.
10 Punkte
Das Verhältnis zwischen dem Virgin-Label und seinem ehemaligen Vorzeigekünstler Mike Oldfield stand mittlerweile nicht zum besten. Oldfield fühlte sich nicht so recht unterstützt. Seit Beginn der Punkbewegung Mitte der 70er Jahre war Oldfields kommerzieller Stern am sinken. Seine Alben erschienen teilweise nicht mehr in den USA und die Werbearbeit für seine neuen Alben in Großbritannien fand Oldfield ungenügend.
Um seinem Label Entgegenkommen zu zeigen, das der Meinung war, daß Oldfield doch mehr kommerzielle Aspekte in seine Alben einfließen lassen sollte, versuchte es Mike Oldfield bei "QE2" mit den Singles "Arrival", das eine Coverversion des gleichnamigen ABBA-Stückes war, und "Wonderful Land", das in den frühen 60er Jahren von The Shadows gespielt worden war. Dazu gab es mit David Hentschel einen profilierten Produzenten, der zu dieser Zeit für Genesis arbeitete und passenderweise Phil Collins als Sessionschlagzeuger mitbrachte.
Beide Singleversuche auf "QE2" sind recht gut gelungen, Oldfield konnte beiden Fremdkompositionen deutlich seinen Stempel aufdrücken, vor allem "Wonderful Land" lebt von Oldfields exzellenter Gitarrenarbeit. Ansonsten ist das Album leider etwas unausgegoren und kaum noch mit vorangegangenen Meisterwerken zu vergleichen.
Ansprechend sind noch "Taurus 1" (Mike Oldfields Sternzeichen ist der Stier), das die Taurustrilogie begründete, dazu die beiden Singles und das Titelstück "QE2". Weiteres positives Merkmal ist der glockenhelle Gesang von Maggie Reilly, die hier erstmals mit Oldfield zusammenarbeitete und die kommenden Jahre erfolgreich an den Alben mitwirken sollte.
Ansonsten klingt auf "QE2" vieles etwas synthetisch, es wird exzessiv Gebrauch von Keyboards und Vocodern gemacht. Sicherlich ein Eingeständnis an die frühen 80er Jahre, als die Musik generell etwas steriler wurde.
Solche Sachen wie "Sheba" mit Maggie Reillys Singsang plätschern dann aber leider etwas vor sich hin - ohne Akzente setzen zu können. "QE2" klingt in den schlechteren Passagen etwas belanglos, in den besseren immerhin gut genug, um gefallen zu können. "QE2" ist damit ähnlich durchwachsen wie "Platinum", wobei es diesmal aber nichtmal mehr ein längeres Instrumental gibt, allein "Taurus 1" erreicht die zehn Minuten Marke. Das Album wirkt mit den vielen kürzeren Liedern etwas zerrissen. Denn so schön "Arrival" und "Wonderful Land" für sich betrachtet sind, mögen sie nicht recht zu den anderen Kompositionen passen.
Abschließend bleibt zu sagen, daß "QE2" unter den Anforderungen von Virgin leidet und von der Auswahl der Lieder, die für sich betrachtet meist noch gut sind, aber in der Gesamtheit zusammengewürfelt wirken. Trotzdem ist noch mehr gutes Material als durchschnittliches vorhanden, richtig schlecht ist zum Glück auch nichts. Daher
10 Punkte
Five Miles Out
(1982)
Die Inspiration zu "Five Miles Out" bildete ein Sturm in den Pyrenäen, in den ein paar Jahre zuvor Mike Oldfield mit einem Flugzeug in Lebensgefahr geraten war - das Albumcover ist also sozusagen aus dem Leben gegriffen. Oldfield, der zu "Hergest Ridge" seine Leidenschaft für Modellflugzeuge entdeckt hatte, war mittlerweile auf echte Flugzeuge umgestiegen und hatte eine Pilotenlizenz erworben. Das beinah tödliche Erlebnis in den Pyrenäen scheint Oldfield nachhaltig beindruckt zu haben.
Zumindest die daraus resultierende Musik kann sich mehr als hören lassen.
Denn nachdem sowohl "Platinum" als auch "QE2" gerade so noch als gute Werke durchgehen, zeigt sich "Five Miles Out" brillant. Das bei "Platinum" gefundene Konzept mit einem instrumentalen Stück auf Seite 1 (bzw. der ersten Hälfte der CD) und kürzeren Liedern und Singles auf der zweiten Seite wird bei "Five Miles Out" wieder aufgegriffen.
Das instrumentale Epos bildet hier die Fortsetzung der Taurustrilogie - "Taurus 2". Auf "Taurus 2" gibt es endlich wieder Mike Oldfield in Hochform zu hören. Das Stück sprudelt über vor Ideen, Melodien und diversesten Stimmungen. Es nimmt mittendrin kurz eines der Themen von "Taurus 1" auf, und stellt so eine Verbindung zum Vorgänger her, ansonsten legt es das Fundament für das Album und stellt diverse Themen vor, die später dann im Album von anderen Songs wieder aufgenommen werden.
"Taurus 2" ist beschwingt, phasenweise aber ebenso besinnlich - vor allem während der kurzen Gesangseinlage von Maggie Reilly - und hat endlich auch wieder Folkeinflüsse mit Paddy Moloneys Dudelsackspiel und einem Ensemble von Morris Tänzern. Ansonsten brilliert Oldfield auf gut 24 Minuten mit seiner E-Gitarre, etwas, das man auf "QE2" zuvor doch oft vermißt hatte.
An Ideenreichtum kann es "Taurus 2" durchaus mit "Tubular Bells" aufnehmen, wobei "Taurus 2" allerdings mehr Wert auf seine Leitmotive legt, die in abgewandelter Form immer wiederkehren.
Auch die zweite Hälfte des Albums kann sich hören lassen. "Family Man" ist ein guter Singleversuch mit Maggie Reilly erneut, wenn auch der Text etwas verquer wirkt. Mike Oldfields Erfahrung als Popmusikschreiber war noch nicht weit gediehen, seine Fingerübung hier ist aber gut gelungen.
Das seltsam betitelte "Orabidoo" ist eigentlich eine Sammlung von fünf verschiedenen Musikstücken, wobei die Fuge praktisch 1:1 einem Teil von "Taurus 2" entspricht.
Ansonsten bietet es besinnliche Glockenspieltöne (die wiederum ein Thema von "Conflict" aufgreifen, vom Vorgängeralbum "QE2"), eine etwas rasantere Fuge als direktes Zitat von "Taurus 2" und zum Abschluß hin ein schönes, kleines Lied mit Maggie Reilly. Ausgerechnet der "Orabidoo"-Teil in der Mitte mit Vocodergesang nervt leider manchmal ein wenig.
Auf "Mount Teide" gibt sich Carl Palmer von ELP bzw. damals Asia die Ehre. "Mount Teide" ist ebenfalls eher besinnlich geraten, nicht ganz so meditativ wie "Woodhenge" auf "Platinum", aber ähnlich ausgelegt. Auf allen CD-Versionen von "Five Miles Out" heißt es im Booklet übrigens "Mount Teidi", was definitiv falsch ist. Virgin scheint das aber nicht weiter zu kümmern, weil es über all die Jahre hinweg nicht korrigiert wurde.
Den Abschluß zu einem durchweg gelungenen Album bildet das Titelstück. Es ist phasenweise sehr aggressiv geraten (man könnte Mike Oldfields Gesang hier teilweise dem Death Metal zurechnen), hat ansonsten das "Taurus 2" zugrundeligende Riff als Basis, während Maggie Reilly und Mike Oldfield in abwechselnden Rollen singen. Kurz zu Beginn des Stückes nehmen die Streicher übrigens die ersten Noten von "Tubular Bells" auf. Eine kleine Verneigung seinem Meisterwerk gegenüber.
"Five Miles Out" ist in meinen Augen allerdings selber auch ein Meisterwerk geworden. Natürlich hat sich im Lauf der Jahre die Musik etwas gewandelt bei Oldfield. Doch die Singles wirken unverkrampft und sind durchweg sehr ordentlich geraten. Die ersten vier Alben Oldfields in den 70er Jahren waren eine Sache, "Five Miles Out" eine etwas andere, die neben ausgetüftelten instrumentalen Passagen auch etwas kommerziellere Gewässer befährt. Und das sehr gekonnt.
Wenn man bedenkt, was 1982 für Musik vorherrschte, ist vor allem "Taurus 2" sehr bemerkenswert geraten. Es kann sich aber auch mit den anderen Werken Oldfields messen. Diese Qualität würdigte auch das Publikum. Nach den beiden etwas schwächelnden Vorgängern, konnte sich "Five Miles Out" auch wieder auf dem Albumsektor gut durchsetzen.
Für mich ist "Five Miles Out" eines der beiden besten Alben Oldfields in den 80er Jahren und auch im Gesamtwerk ganz oben anzusiedeln.
14 Punkte
Crises
(1983)
Plattenfirmen können eine Crux sein. Zum einen ermöglichen sie dem Musiker natürlich die Veröffentlichung seiner Werke, zum anderen denken sie hauptsächlich ans Geld, weniger an die Musik - wovon letztlich in finanzieller Hinsicht aber auch der Künstler profitiert. Diesem Dilemma sah sich auch Mike Oldfield ausgesetzt, der 1973 mit seinen "Tubular Bells" den Erfolg von Virgin in die Wege geleitet hatte.
Mittlerweile waren zehn Jahre vergangen und Oldfield sah sich einer veränderten Musikszene ausgesetzt - und vor allem einer veränderten Labelpolitik. Vorbei waren die Zeiten, als er - wie bei "Incantations" - großflächige Suiten komponieren sollte bzw. durfte. Richard Branson wollte im veränderten Zeitgeist kommerziellen Erfolg - und das hieß u.a. Singles. Oldfield, der durchaus auch dann und wann mal den Drang verspürte, sich an Popmusik zu versuchen, mußte sich arrangieren. Zumal sein Vertrag mit Virgin nicht weniger als 13 Studioalben von ihm verlangte. Ursprünglich waren es "nur" 10 geforderte Alben gewesen. Doch als Oldfield beklagte, daß er nicht genug Tantiemen bekomme und eine Nachbesserung forderte, wollte sich Virgin nur auf eine Erhöhung der Tantiemen einlassen, wenn Oldfield drei Alben mehr produzieren würde. Den ursprünglichen Plattenvertrag soll Mike Oldfield übrigens als 19-jähriger in seiner Küche unterschrieben haben, während Richard Branson ihm den Vertrag unter die Nase hielt. So konnte Mike Oldfield, obwohl er zunehmend unzufrieden mit Virgin war, das Label nicht wechseln.
Richard Branson hätte es gerne gesehen, wenn Mike Oldfield zum zehnjährigen Jubiläum von "Tubular Bells" "Tubular Bells II" herausgebracht hätte, doch Oldfield wollte Virgin nicht den Gefallen tun. Statt dessen ist die einzige Remineszenz an "Tubular Bells" die leicht umarrangierte Notenfolge der ersten Takte von "Tubular Bells" auf dem Roland Stringsynthesizer zu Beginn von "Crises".
"Crises" sollte das auf "Platinum" gefundene Konzept der Zweiteilung perfektionieren. Während auf der ersten Hälfte Mike Oldfield sich mehr oder minder nach Belieben austoben und seine Vorliebe für instrumentale Musik ausleben durfte, gab es auf der zweiten Hälfte hochkarätige Popsongs, die diesmal auch über alle alle Maßen kommerziell erfolgreich waren. "Moonlight Shadow", gesungen von Maggie Reilly, war ein europaweiter Tophit und "Shadow on the Wall" mit Roger Chapman war ebenfalls ein veritabler Erfolg.
Ich muß zugeben, daß ich eine besondere Schwäche für "Crises" habe, war es doch mein allererstes Album von Mike Oldfield. Eigentlich bin ich über die damaligen Singles "Moonlight Shadow" und vor allem dem krachenden "Shadow on the wall" erst auf Oldfields Musik aufmerksam geworden.
Mir gefiel "Crises" damals sehr gut und auch heute, zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung, finde ich das Album in seiner Machart perfekt.
Es hat perfekte Popsongs und mit "Crises" ein ausgezeichnetes Instrumental, das zwischen Heavy Metal Anleihen und ätherischen Teilen am String-Synthesizer pendelt und dabei zwar um einiges geradliniger ist als die Meisterwerke in den 70ern, doch ebenfalls eine intensive Stimmung erzeugt. Auch ist der Einstieg auf "Crises" um einiges einfacher. Während man z.B. für "Incantations" sehr viel Muße braucht, erschließt sich "Crises" praktisch sofort - ohne dabei belanglos zu wirken.
Nun gibt es vor allem in Progkreisen oft dieses Naserümpfen über "Popmusik". Jegliche Anwandlung von radiotauglichen Singles oder etwas kommerzieller ausgelegter Musik wird allzu gerne mit Verachtung gestraft. Sei es, daß viele Progfans z.B. die mehr als erfolgreichen Genesis-Alben der 80er Jahre mit Verachtung strafen, oder Hohn und Spott über Popmusik generell ausschütten.
Natürlich gibt es im Bereich des Pops sehr viel belangloses, hirnloses und leicht verderbliches, das man im einen Moment hört und im nächsten am besten wieder vergessen hat. Doch genauso gibt es durchweg gelungene Popmusik. Lieder, die absolut eingänglich sind, die man praktisch sofort mitsummen kann oder mitsummen mag und die auch nach Jahren nichts von ihrer Schönheit und ihrem Gefühl verloren haben. Gute eingängliche Musik zu schreiben ist genau genommen sehr schwer. Es täte dem Proggenre gut, wenn einige Anhänger dieser Musik Neuankömmlingen in diesem Genre nicht erst lang und breit erklären würden, warum jeglicher Anflug von Radiotauglichkeit gleichbedeutend mit schlechter Qualität und Anbiederung an den Kommerz sein muß.
Ich persönlich würde ein gelungenes Poplied wie z.B. "Moonlight Shadow" einem total verkopften Progwerk das zwar vor Mellotronchören strotzt, dafür aber jegliche Melodie vermissen läßt und sich allein der Experimentierfreude um der Experimentierfreude willen widmet, vorziehen.
Lange Rede, kurzer Sinn: wer keine Popmusik mag, wird "Crises" wahrscheinlich als niveaulos und gräßlich empfinden. Die müssen sich das Album natürlich auch nicht kaufen oder anhören. Allen anderen sei gesagt, daß ich "Crises" - als kommerziell ausgelegtes Album - als seltenen Glücksfall betrachte, wo alle Elemente zusammenpassen. Mike Oldfield selbst hat mit "Moonlight Shadow" und "Shadow on the wall" zwei seiner allerbesten Popsongs überhaupt verfaßt. Das ruhig dahinfließende "Foreign Affair" hat eine hypnotische Wirkung und das besinnliche "In High Places" mit Jon Anderson bildet einen Ruhepol, während der Abschluß der Taurustrilogie mit seiner Flamencogitarre den pulstreibenden Gegensatz bildet.
Auf seine Weise ist "Crises" damit ebenso gelungen wie "Ommadawn" oder "Hergest Ridge". Ein Meisterwerk der Pop/Rockmusik. Und auf dem Titelstück gibt es sehr viel mehr anspruchsvolle Musik als auf vielen anderen Alben aus dieser Periode.
Wer sich auf die Fusion von instrumentaler Musik und hochkarätigen Popsongs einlassen möchte, findet kaum besseres als "Crises".
15 Punkte
Discovery
(1984)
Ein einträglicher Singlehit kann auch ein Fluch sein. Vor allem, wenn danach das Label verlangt, nur noch Musik in diesem Stile herauszubringen. Aus finanzieller Hinsicht vielleicht verständlich. Immerhin war "Moonlight Shadow" Mike Oldfields größter Singlehit überhaupt und das dazugehörige Album "Crises" das bis dato kommerziell erfolgreichste in Deutschland gewesen. So wie sich der Focus in den 80er Jahren ohnehin mehr und mehr von Großbritannien, wo Oldfields Stern, wenn auch "Crises" dort ebenfalls erfolgreich gewesen war, kontinuierlich am sinken war, nach Deutschland verlagerte, dem zweitwichtigsten Musikmarkt der Welt. Hier konnte Mike Oldfield zunehmenden Erfolg für sich verbuchen.
Auf "Discovery" zeigt sich eindeutig der Einfluß von Virgin, die - aus ihrer Sicht wohl verständlicherweise - nach "Moonlight Shadow" halt "Moonlight Shadow 2" verlangten. Wobei Mike Oldfield selbst konstatiert hat, daß ein Lied wie dieses eher ein Glücksfall ist, einer der seltenen Momente, wo es absolut paßt.
Wie auch immer: auf "Discovery" müht sich Mike Oldfield redlich, ordentliche Popsongs zu schreiben. Einige sind wirklich gut und schön gelungen, ein paar andere sind eher belanglos und als tröstenden Abschluß gibt es mit "The Lake" noch ein überragendes, wenn auch mit knapp zwölf Minuten etwas "kürzeres" Instrumental.
Gelungen auf "Discovery" sind die Erfolgssingle "To France", mal wieder von Maggie Reilly verfeinert, das atmosphärische "Poison Arrows" mit Barry Palmer, das das Dilemma eines Werwolfes beschreibt, das vom Text her sehr interessante "Talk about your life", das das "To France"-Thema wieder aufgreift, und das dynamische Titelstück "Discovery", das wiederum Barry Palmer, ehedem Sänger bei Triumvirat, bestreitet.
Daneben gibt es aber auch nett-belangloses wie "Tricks of the light", das ebenso wie "Crystal Gazing" nicht mehr als "lalala-Pop" bietet, und "Saved by a Bell", das sich zwar bemüht, kraftvoll zu wirken und einen autobiographisch gefärbten Text aufweist - aber einfach keine gelungene Melodie besitzt.
All diese durchschnittlichen Momente werden dann aber abschließend von "The Lake" wieder wettgemacht. Als Inspiration diente Mike Oldfield der Genfer See. Oldfield hielt sich 1984 aus steuerlichen Gründen hauptsächlich in der Schweiz auf, wo auch das Album entstand. Und der Genfer See konnte an sonnigen Tagen vom 2000 Meter hochgelegenen Tonstudio aus gesehen werden.
"Discovery" ist ein solides Album geworden. Oldfield, der sich von Virgin in die Lage versetzt sah, Hitsingles zu liefern, da laut Richard Branson niemand in den 80er Jahren mehr instrumentale Musik hören wollte, versucht sein bestes. Er schafft es, drei oder vier gelungene Songs aus dem Ärmel zu schütteln, seine anderen Popsongs wirken da leider etwas belanglos diesmal oder einfach zu simpel gestrickt. Dafür darf Oldfield wenigstens knapp ein Viertel des Albums instrumental bestreiten. Und "The Lake" ist immer wieder hörenswert.
Unleugbar ist, daß Mike Oldfield in den 80er Jahren zunehmend nur noch wenig mit dem Oldfield der 70er Jahre zu tun hatte. Wer also die Frühwerke mochte, wird sich bei den Alben der 80er Jahre gewaltigen Veränderungen gegenübersehen. Wer keinen Pop mag, sollte daher am besten die Finger von diesen Alben lassen.
Ansonsten ist "Discovery" ein gutes Popalbum geworden mit mehr Licht als Schatten und einer ordentlichen Prise anspruchsvollerer Musik in Form von "The Lake". Darüberhinaus ist "To France" auch heute noch eine immer wieder hörenswerte Single. Für mich gehört "To France" zu den drei wirklich großartigen Popsongs, die Mike Oldfield hervorgebracht hat.
11 Punkte
Islands
(1987)
Nach "Disvocery" ließ es Mike Oldfield etwas ruhiger angehen. In den nächsten beiden Jahren gab es mit "Pictures in the dark" und "Shine", auf dem Jon Anderson sang, nur zwei Singles, die in Deutschland recht erfolgreich waren. Mike Oldfield arbeitete aber hauptsächlich an seinem Video-CD Projekt "The Wind Chimes". Oldfield war der Ansicht, daß der Kombination aus Musik und bewegten Bildern die Zukunft gehören würde. Nachdem sich aufgrund technischer Probleme die Fertigstellung der Video-CD ernsthaft verzögerte, wurde 1987 schließlich doch der musikalische Teil als normales Album veröffentlicht.
"Islands" ist, wie die meisten Alben Oldfields aus den 80er Jahren, erneut zweigeteilt. Die erste Hälfte wird komplett vom Instrumental "The Wind Chimes" eingenommen, bei dem Mike Oldfield balinesische und indonesische Einflüsse verarbeitet. Oldfield war während einer Reise in diese beiden Staaten recht beeindruckt gewesen von der dort vorherrschenden Musik. Der während des Trips aufgenommene Soundtrack einheimischer Musiker diente als Ausgangsbasis für "The Wind Chimes".
"The Wind Chimes" wirkt daher ethnisch angehaucht, mal aber auch sehr ätherisch, klassische Einflüsse fehlen ebenso nicht. "The Wind Chimes" ist insgesamt gesehen ein entspanntes Werk geworden, das vielleicht nicht zu Oldfields besten Instrumentals zählt, doch auch keine Schwächen aufweist. Es werden vermehrt synthetisierte Klänge eingesetzt, so sind viele orchestrale Teile künstlich, was "The Wind Chimes" nicht ganz so lebendig wirken läßt wie Oldfields frühere Arbeiten. "The Wind Chimes" ist glatter, etwas stromlinienförmiger, die ethnischen Einflüsse und diversen musikalischen Themen, die das Instrumental entwickelt, tragen aber zum positiven Gesamteindruck bei.
Die Probleme zeigen sich bei "Islands" erst bei den Singles. Während das Titellied mit Bonnie Tyler noch einigermaßen ordentlich ist, zeigen sich die Popsongs auf "Islands" diesmal meist uninspiriert. Das biographische "Flying Start", in dem Oldfields alter Weggenosse Kevin Ayers singt, ist leider total mißlungen. Die Melodie plätschert allenfalls vor sich hin und Ayers' Gesang wirkt einschläfernd.
"Magic Touch", auf dem Jim Price singt, ist durchweg nervig geraten leider und der CD-Bonustrack "When the nights on fire" ist, ähnlich wie "Talk about your life" auf "Discovery", eine Neuinterpretation des Titelliedes - hat aber keine gelungene Melodie vorzuweisen.
Besser gelungen ist das romantisch-verträumte "North Point" und die Single "The Time Has Come". Auf beiden Liedern singt (wie auch auf "When the nights on fire" und in den Vokalsequenzen bei "The Wind Chimes") Mike Oldfields damalige neue Freundin Anita Hegerland. Anita Hegerland war in Deutschland damals keine Unbekannte. Sie hatte in den 70er Jahren zusammen mit Roy Black als kleines Mädchen im Duett sehr erfolgreich "Schön ist es auf der Welt zu sein" gesungen.
Anita Hegerland hat eine durchaus sympathische Stimme, ist aber nicht wirklich eine begnadete Sängerin, dazu fehlt es ihr doch an Stimmumfang und Dynamik - an Maggie Reilly, die auf "Islands" nicht mehr zu hören ist, kommt sie nicht heran.
Und selbst die besser gelungenen Poplieder auf "Islands" wirken im Vergleich zu den vorherigen Erfolgsliedern diesmal blutleer und eher pflichtgemäß komponiert, um den Forderungen der Plattenfirma nachzukommen.
"Islands" bietet mit "The Wind Chimes" aber mehr als genug Gründe, um dem Album noch ausreichend positive Aspekte abzugewinnen. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß Oldfields Herangehensweise an die Musik bzw. der Spagat zwischen seinen eigenen Wünschen und den Forderungen von Virgin ernste Abnutzungserscheinungen zeigt. Es sollte aber alles noch viel schlimmer kommen, als auf "Islands", das insgesamt betrachtet aufgrund des gelungenen Instrumentals durchaus noch empfehlenswert ist.
Die eigentliche Video-CD erschien dann übrigens 1988. Und es zeigte sich, daß die Kombination von Video und Musik noch nicht gewünscht war.
10 Punkte
Earth Moving
(1989)
Auf "Earth Moving" ließ sich Mike Oldfield erstmals komplett von Virgin leiten, denen Instrumentalmusik in den 80er Jahren ein Dorn im Auge war. Virgin wollte radiotaugliche Musik haben und Mike Oldfield zeigte sich kooperativ. Und so entstand "Earth Moving", das einzige Album Mike Oldfields, auf dem es kein instrumentales Werk gibt, sondern statt dessen neun Pop/Rock-Lieder.
Sicherlich ein gewaltiger Schritt, wenn man bedenkt, wofür Mike Oldfield eigentlich stand. Gab es auf den anderen Alben zuvor doch immer auch genug Verbindungen zu Oldfields Meisterwerken in den 70ern, so war Mike Oldfields charakteristischer Stil auf "Earth Moving" praktisch komplett verschwunden. Allein in vereinzelten E-Gitarrensoli ist Oldfields unverkennbare Spielweise herauszuhören.
Die Lieder auf "Earth Moving" sind dabei nicht unbedingt schlecht. Aber reihen sich nahtlos dem musikalischen Durchschnitt ein. Die Single "Innocent", auf der erneut Oldfields damalige Lebensgefährtin Anita Hegerland singt, ist vielleicht symptomatisch für die Musik auf "Earth Moving": kommerziell in Deutschland recht erfolgreich (das Album war sogar auf Platz 1 der Charts hier) bietet es nicht mehr als nette-durchschnittliche Musik, die nicht aufregt, nicht nervt, aber auch nicht inspiriert.
So sind die Höhepunkt auf "Earth Moving" schwer auszumachen. Die Sänger, u.a. Adrian Belew und Chris Thompson, sowie auf einem Stück auch wieder Maggie Reilly, geben sich reichlich Mühe und Lieder wie "Hostage" oder "Holy" atmen Leidenschaft, so wie auch, wie schon erwähnt, keines der Lieder auf "Earth Moving" wirklich mißlungen ist.
Aber dafür gibt es auch kein Lied, an das man sich erinnern muß. Mike Oldfields Fähigkeiten als Komponist sind unumstritten. Als Hitliferant allein ist sein Potential jedoch verschwendet und solche exzellenten Stücke wie "Moonlight Shadow" oder "To France" lassen sich auch nicht jeden Tag wiederholen.
So ist "Earth Moving" ein seltsames Album geworden, das von allen Alben Oldfields bis dato am untypischsten geraten war. Es war auch geprägt von der zunehmenden Entfremdung zwischen dem Plattenlabel und dem Künstler. Virgin wollte von Oldfield Musik haben, die dieser zwar ordentlich hinbekam meist, aber seine große Stärke blieb dabei völlig ungenutzt.
"Earth Moving" ist daher ein Album geworden, das im Laufe der Jahre in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist. Wie gesagt: die Lieder auf dem Album sind alles andere als schlecht, doch essentiell sind sie nicht mal ansatzweise. Anhänger Mike Oldfields werden das Album wohl ohnehin schon besitzen. Wer neu in Oldfields Musik eintaucht, kann getrost auf "Earth Moving" verzichten. Die Songs auf dem Album könnten auch von einem dutzend anderer Künstler stammen.
8 Punkte
Ende Teil 1.
Tubular Bells(1973)
Die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts waren in musikalischer Hinsicht in vielerlei Hinsicht besonders. Gruppen wie ELP, Yes und Genesis spielten nicht nur recht komplexe und teilweise sehr intellektuelle Musik, sie waren damit auch noch erfolgreich.
Eine weitere besondere Geschichte in den 70er Jahren ist die Laufbahn Mike Oldfields. Schon in jungen Jahren unter schwierigen familiären Umständen zur Musik gekommen, war er Anfang der 70er Jahre, trotz Mitarbeit in einigen Bands, ein musikalischer Niemand. Und doch machte sich ein 17-jähriger Oldfield daran, eine instrumentale Rocksuite für Gitarre zu komponieren.
Mike Oldfield lieh sich einen Bang & Olufsen Recorder von Kevin Ayers, für den er zuvor in der Band Whole World Bass und E-Gitarre gespielt hatte, und nahm mit einiger Fummelei am Löschkopf des Gerätes alle Instrumente (inklusive eines Staubsaugers) nacheinander auf.
Oldfield, der etwas später für Sessionarbeiten im neuen Tonstudio "The Manor" des Plattenladens Virgin arbeitete, nutze die Gelegenheit, sein Demoband den Leuten dort vorzuspielen. Als Resultat bekam er von den Leuten im "The Manor" verschiedene Adressen von Plattenfirmen. Doch kein einziges Label wollte das obskure Band von Mike Oldfield, auf dem weder Gesang, noch Schlagzeug oder sonstwie gewohntes zu hören war, nehmen. Für die Label war es einfach nicht vorstellbar, so etwas vermarkten zu können.
Ein Jahr später kehrte Oldfield unverrichteter Dinge zurück zu Virgin. Dort wurde das Band schließlich von Tom Newman, dem späteren Coproduzenten des Albums, Richard Branson vorgestellt, dem Besitzer von Virgin, der gerade dabei war, ein eigenes Plattenlabel zu gründen. Branson zeigte sich zuerst ablehnend. Doch Simon Draper, der zusammen mit Branson das Label aufbaute und im Gegensatz zu Branson (der mehr Geschäftsmann war) Ahnung von Musik hatte, war von Oldfields Ideen sehr angetan. Draper gab Oldfield eine Woche Zeit im Tonstudio, um mit professionellen Aufnahmen zu beginnen.
In dieser einen Woche nahm Mike Oldfield beinahe im Alleingang (u.a. lediglich für die Chorgesänge von seiner Schwester Sally unterstützt) die erste Hälfte seines Werkes auf. Danach war das Studio tagsüber von anderen Bands gebucht und Mike Oldfield mußte sich damit begnügen, nur dann weiterarbeiten zu können, wenn niemand sonst im Tonstudio war. Was meist spät abends oder nachts war - und nach reichlich Alkoholgenuß.
Nach etwas mehr als vier Monaten war schließlich auch der zweite Teil fertiggestellt, und einem ungeduldigen Richard Branson wurde das Ergebnis vorgespielt. Und Branson war alles andere als begeistert.
Richard Branson wollte zumindest einen Teil des Albums als Single vermarkten können und monierte, daß im "Caveman"-Teil kein Gesang wäre. Branson wollte Gesang, Mike Oldfield gab ihm Gesang. Nach eigener Aussage genehmigte sich Oldfield eine halbe Flasche Whiskey, ging ins Tonstudio und brüllte sich zehn Minuten die Seele aus dem Leib mit mehr oder minder sinnlosen Wortfetzen.
Da hatte Richard Branson nun ein obskures Album eines Unbekannten und er wußte nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Branson selbst hatte als Titel "Breakfast in Bed" für das Album vorgeschlagen. Doch Mike Oldfield beharrte vehement auf seinen eigenen Namen: "Tubular Bells" - Röhrenglocken. Und konnte sich letztlich damit durchsetzen.
Richard Branson bemühte sich nun selber vergeblich, Mike Oldfields Album anderen Labeln schmackhaft zu machen. Letztlich entschied er sich dafür, mit "Tubular Bells" sein eigenes Plattenlabel Virgin ins Leben zu rufen. So erhielt "Tubular Bells" von Mike Oldfield die Katalognummer "V2001".
Und es geschah das völlig unerwartete. Die fast fünfzigminütige instrumentale Rocksuite eines totalen Unbekannten eroberte die Albumcharts. "Tubular Bells" wurde zur Nummer 1 in Großbritannien, ein kleiner Schnipsel landete - ohne Wissen von Mike Oldfield - im Horrofilm "Der Exorzist" (Oldfield selbst sah den Film erst Ende der 80er Jahre) und er selbst sah sich unvermutet dem Interesse der Öffentlichkeit ausgesetzt.
Nicht nur aufgrund der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte ist "Tubular Bells" gewiß eines der großen Phänomene der 70er Jahre. Bis heute wurde das Album knapp 17 Millionen mal verkauft und ist damit das erfolgreichste instrumentale Rockalbum der Musikgeschichte.
Zur Musik:
Oldfield verbindet Rockelemente, keltisch-folkloristische Einflüsse, eine Prise Klassik und einen gewissen Sinn für bizarren Humor zu einem kunterbunten Mix, der über weite Teile den Zuhörer fesselt. Klavier, akustische Gitarren, stark verzerrte E-Gitarren und Orgeln gehören zu den Zutaten. Pastorale Momente, rockige Einsprengsel und minutenlang ausgebreitete Themen bestimmen das musikalische Feld.
Die einleitenden Takte von "Tubular Bells" gehören sicherlich zu den prägnantesten in der Rockmusik überhaupt, der skurille Humor mit der Ankündigung aller Instrumente durch einen Master of Ceremonies (gespielt von Vivian Stanshall) zum Schluß des ersten Teils, wo auch einmalig die namensgebenden Glocken verwendet werden, ist herrlich schräg geraten.
Interessant an "Tubular Bells" ist, daß es eigentlich keinen roten Faden hat. Oldfield verwebt diverse Themen und Melodien zu einem musikalischen Flickenteppich. Im Gegensatz zu anderen überlangen Stücken bekannter Progbands wie Yes oder Genesis, werden auf "Tubular Bells" einmal gespielte Themen nicht wieder aufgenommen. Und so entsteht manchmal der Eindruck eines musikalischen Sammelsuriums, eines Sammelsuriums, das aber sehr gut funktioniert.
"Tubular Bells" hat aber auch Schwächen. Es läßt sich nicht verleugnen, daß einiges manchmal etwas holprig klingt, etwas unsauber, was natürlich auch auf die Produktionsumstände zurückzuführen ist. Auch hat der zweite Teil einige langweilige Passagen, vor allem der Beginn plätschert minutenlang vor sich hin, ohne daß etwas aufregendes passiert. Und doch hat "Tubular Bells" einen unleugbaren Charme, dem man sich kaum entziehen kann.
Und natürlich gehört es zu den wichtigsten Musikalben der Rockgeschichte. Daß es wahrscheinlich nur in den frühen 70er Jahren möglich war, so etwas aufzunehmen und dann auch noch Erfolg damit zu haben, deutet auch auf die Probleme in der heutigen Musikbranche hin, wo "Stars" zu dutzenden in TV-Castingshows produziert werden, mit einer Halbwertszeit von einem Sommer.
Mike Oldfields Karriere sollte sehr viel mehr als nur einen Sommer andauern. "Tubular Bells" wurde allerdings sein kommerziell erfolgreichstes Album und vielleicht auch der schwerste Mühlstein, den er zu tragen hatte.
Wer zu den wenigen Menschen gehört, die "Tubular Bells" nicht kennen, und sich ernsthaft für Progressive Rock interessiert, kommt an Mike Oldfields einzigartiger instrumentaler Arbeit nicht umhin. Er tat damals etwas wirklich neues, noch nicht dagewesenes. Etwas, was kaum ein anderer Musiker von sich behaupten kann. Denn wenn "Tubular Bells" eines ist, dann unvergleichlich. Kein anderer Künstler machte damals so eine Musik.
Doch wenn auch "Tubular Bells" der Meilenstein in der Karriere von Mike Oldfield ist, so ist es nicht sein bestes Werk. Das sollte erst noch folgen.
13/15 Punkte
Hergest Ridge
(1974)
Nach dem überraschenden und überwältigenden Erfolg von "Tubular Bells" flüchtete der sehr scheue und von psychischen Problemen geplagte Mike Oldfield aufs Land, nach Herefordshire, wo er sich eigentlich ausruhen und erholen wollte. Er entdeckte seine Leidenschaft für Modellflugzeuge, doch die Musik und vor allem seine Plattenfirma Virgin, die natürlich nach dem großen Erfolg nach mehr verlangte, ließen ihn nicht los und so wurde "Hergest Ridge" komponiert. Benannt nach einem kleinen Gebirgszug, den Oldfield von seinem Haus aus sehen konnte.
Mike Oldfield, mit damals knapp 21 Jahren immer noch sehr jung, zeigt sich auf "Hergest Ridge" musikalisch gereift. Während "Tubular Bells" ein recht bunter Streifzug durch diverse musikalische Ideen darstellte, zeigt sich "Hergest Ridge" als ausgewachsene Suite für Gitarre, Streicher, Oboen und Chor. Und so waren diesmal auch ein paar mehr Musiker am Entstehen des Albums beteiligt. Natürlich war Oldfield immer noch für den Großteil aller Instrumente verantwortlich, doch Streicher und Chöre z.B. wurden von Oldfields Freund David Bedford dirigiert, der auch auf späteren Alben mit ihm zusammenarbeiten sollte.
Passend wohl zur damaligen Umgebung Mike Oldfields sind große Teile des Albums sehr pastoral gehalten - entspannend, ruhig und getragen. Man kann sich die ländliche Szenerie vorstellen, sanfte grüne Hügel und im Wind wehendes Gras. Völlig anders angelegt als das humoristisch durchsetzte "Tubular Bells", atmet "Hergest Ridge" eine gewisse Melancholie und Ernsthaftigkeit, aber auch große Schönheit, was sich vor allem im ersten Teil zeigt, der sich zum Finale hin in einen elegischen Chor steigert.
Der zweite Teil beginnt mit einem sehr entspannten Thema für Orgel und Akustikgitarre, der in etwas Gesang in einer Phantasiesprache der irischen Folksängerin Clodagh Simmonds mündet, ehe sich nach einigen Minuten der instrumentale Overkill einstellt. Mike Oldfield hatte schon zuvor auf "Tubular Bells" eine Unmenge an Overdubs verwendet, für "Hergest Ridge" aber - und hier den mittleren Akt im zweiten Teil des Albums, manchmal als "Gewitter" bezeichnet - setzt er dem ganzen die Krone auf, wenn 90 E-Gitarren unisono übereinandergespielt dramatisch zu Werke gehen und teilweise nach allem möglichen klingen, nicht mehr aber nach E-Gitarren.
Nach diesem bombastischen und recht aggressiven Abschnitt aber wird wieder das ruhigere Gesangsthema vom Anfang aufgenommen und Hergest Ridge klingt mit einer sehr entspannten Stimmung aus.
"Hergest Ridge" wurde damals von der Kritik eher verhalten aufgenommen, die wohl so etwas wie "Tubular Bells Teil 2" erwartet hatte. "Hergest Ridge" beschreitet aber komplett andere Wege. Klassische und folkloristische Einflüsse dominieren hier sehr viel mehr, es wird sich Zeit genommen, die Themen zu entwickeln und die Stimmung als solches ist eher besinnlich gehalten. Und trotz der komplett anders ausgelegten Stimmung und der verhaltenen Kritik konnte "Hergest Ridge" "Tubular Bells" vom ersten Platz der Albumcharts verdrängen. Damit schaffte Mike Oldfield etwas, das in Großbritannien nur zwei andere Bands bzw. Musiker geschafft haben: die Beatles und Bob Dylan.
Für mich ist "Hergest Ridge" wenn vielleicht nicht das beste, so doch aber zumindest eines der zwei, drei besten Alben Mike Oldfields. Es bietet die perfekte Musik für etwas besinnlichere Stunden, ohne dabei in belangloses Geplänkel zu verfallen. "Hergest Ridge" besitzt Tiefe und Schönheit und ist in seiner melancholisch-entspannten Stimmung unübertrefflich.
Das Album, das man auf CD heutzutage bekommt, ist übrigens nicht der Originalmix von "Hergest Ridge". Anläßlich der "Boxed" 4-fach LP 1976 wurden die ersten drei Alben Mike Oldfields neu im Quadrophonieverfahren abgemischt. Während "Tubular Bells" das ursprünglich angedachte Ende mit einer noch verrückteren "The Sailors Hornpipe" Version bekam, bei dem Vivian Stanshall sichtlich angetrunken durch die Räume des Tonstudios geht und Unsinn erzählt, während Mike Oldfield und ein Flötenspieler ihrerseits durch die Räume ziehen und das Stück spielen, wurde "Hergest Ridge" etwas mehr nachbearbeitet.
Oldfield entfernte Gitarrenparts, die er ursprünglich nur aufgrund des Drucks von Virgin in den Mix genommen hatte, um den ersten Teil etwas "aufzupeppen" und fügte dafür die Gesangsteile von Clodagh Simmonds hinzu, die auf der Originalpressung der LP fehlten. Mike Oldfield, der mit dem neuen Mix sehr viel zufriedener war, bestimmte daraufhin, daß von nun an die "Boxed"-Version von "Hergest Ridge" der ultimative Mix sei, der für alle zukünftigen Pressungen des Albums verwendet werden muß. Was später in den 80er Jahren auch für die CD-Version galt, die also auch den Quadrophoniemix von "Boxed" beinhält und nicht die ursprüngliche Version aus dem Jahr 1974.
Wer somit das Original "Hergest Ridge" hören will, muß sich auf die Suche nach Original LPs aus den Jahren 1974 und 1975 machen. Ich kenne das Original nicht, vertraue aber bei "Hergest Ridge" dem Urteil von Mike Oldfield. Ich finde die heute vorliegende Version, wie weiter oben schon gesagt, perfekt. Es gibt nicht viele perfekte Alben, und auch keine perfekten Alben für jede mögliche Stimmung. Wenn man es allerdings etwas besinnlicher haben möchte ist "Hergest Ridge" unübertroffen.
15 Punkte
Ommadawn
(1975)
Trotz gravierender Alkohol- und Drogenprobleme erschuf Mike Oldfield 1975 sein nächstes Meisterwerk. "Ommadawn" setzt die Linie von "Hergest Ridge" fort, doch anstelle einer sehr pastoralen und entspannten Stimmung klingen diesmal einige Passagen etwas fröhlicher, wobei aber dramatische oder etwas ruhigere Abschnitte ebenfalls nicht fehlen. Die keltisch-folkloristischen Einflüsse haben erneut zugenommen. So gibt es neben irisch klingendem Gesang auch den Dudelsack zu hören. Ganz neu ist die südafrikanische Rhytmussektion Jabula, die zum Ende des ersten Teils einsetzt und dem Werk einen Hauch von "Weltmusik" gibt - auch wenn es den Begriff damals noch gar nicht gab. So gesehen war "Ommadawn" ein Vorreiter auch für diese Musikgattung.
Geblieben ist die großflächige Herangehensweise an die Komposition. "Ommadawn" entwickelt seine musikalischen Themen und nimmt sich Zeit, diese auszuarbeiten. War "Tubular Bells" ein knallbunter Teppich aus diversen Ideen, so ist "Ommadawn" - ebenso wie "Hergest Ridge" - das sehr viel reifere Gesamtwerk.
Erstmalig läßt sich Mike Oldfield bei "Ommadawn" von prominenten Mitmusikern helfen. So ist Pierre Moerlen von der Gruppe Gong dabei und Paddy Moloney von den Chieftains spielt den Dudelsack. Auch dabei sind Mikes Bruder Terry Oldfield, seine Schwester Sally und als Sängerin auf "Ommadawn" am herausragendsten Clodagh Simmonds (die auch schon auf dem zweiten Teil von "Hergest Ridge" zu hören war, der in gewisser Weise die musikalische Richtung für Ommadawn angab), die auch den "Text" zu ihren Gesangspassagen verfaßt hat.
Es hat viele Interpretationsversuche zum Text zu "Ommadawn" gegeben, die gängigste Version lautet, daß Clodagh Simmonds so etwas wie "The cat is in the kitchen, drinking milk. I am the fool with music, fool with music" singt.
Wie auch immer: der erste Teil von Ommadawn gehört gewiß zum allerbesten, was Mike Oldfield komponiert hat. Leidenschaftliche Gitarrenarbeit, eine hypnotische Rhythmussektion - gepaart mit schönen Melodien - höhere Ansprüche kann man an eine (Prog)Rock-Komposition nicht richten.
Der zweite Teil beginnt hingegen etwas langatmig, mit den auf- und abschwellenden E-Gitarren im Hintergrund und einer eher schleppenden Melodie. Erst nach fünf Minuten schält sich daraus ein entspannter, wunderschöner Part auf Akustikgitarre heraus. Die Linie wird vom Dudelsack übernommen, etwas später folgt die Flöte - in diesen Passagen ist "Ommadawn", wie schon "Hergest Ridge", am ehesten pastoral und romantisch gehalten, bevor die Musik zum Ende hin wieder an Tempo zulegt und mit Oldfields charakteristischem E-Gitarrenklang, stampfenden Füßen und Mandoline im Hintergrund ausklingt.
Doch "Ommadawn" ist noch nicht zu Ende, es folgt mit "On Horseback" ein kleines Stück, das mit einer sehr simplen Melodie aufwartet und eigentlich schon als Kinderlied durchgehen kann.
Mike Oldfield singt zum ersten Mal selbst, bzw. er spricht den Text und singt nur im Refrain ein wenig, unterstützt von einem Kinderchor. "On Horseback" ist mit einer entwaffnenden Naivität und einer Prise Witz ausgestattet, um so bemerkenswerter, wenn man Oldfields damalige geistige Verfassung bedenkt.
"Ommadawn" wird von vielen als das beste Album Mike Oldfields betrachtet. Ich persönlich finde "Hergest Ridge" eine kleine Spur gelungener, weil es dort - im Gegensatz zu den ersten fünf Minuten im zweiten Teil von "Ommadawn" - überhaupt keine etwas langweilende Passage gibt.
Doch natürlich ist "Ommadawn" ohne Zweifel eines der größten und besten Alben Mike Oldfields. Als instrumentale Komposition auf dem Rocksektor sicherlich mit einigen Kompositionen der Klassik vergleichbar.
Wer an Mike Oldfield oder instrumentaler Musik Interesse hat, kommt an den ersten Alben nicht vorbei. Die Anfangstrilogie Oldfields mit "Tubular Bells", "Hergest Ridge" und "Ommadawn" gehört zum besten, was diese Musikgattung überhaupt hervorgebracht hat.
14 Punkte
Incantations
(1978)
Nach Ommadawn war Mike Oldfield zwar musikalisch auf dem Höhepunkt angelangt, doch psychisch am Ende. Der immer schon sehr scheue und unter komplizierten familiären Umständen aufgewachsene Mike Oldfield kam mit der Situation als Star im Musikgeschäft nicht zurecht. Er hatte Alkoholprobleme, schluckte LSD, litt darauffolgend unter Halluzinationen und war dem Selbstmord nahe. 1975 war Oldfields Mutter gestorben, die jahrelang selbst unter schweren Alkoholproblemen gelitten hatte und zudem noch manisch depressiv gewesen war, so daß sie oft in Anstalten verlegt werden mußte. Diese sehr prägende Jugendzeit Oldfields forderte ihren endgültigen Tribut nun.
Und so gab es nach "Ommadawn" eine erste längere Pause. Virgin nutze die Zeit und brachte 1976 "Boxed" auf den Markt. Eine 4-LP Box mit den ersten drei Alben Oldfields als Quadrophonie-Remix und einer vierten LP mit Arbeiten Oldfields für andere Musiker, sowie Singles und Outtakes, die nicht auf Alben erschienen waren.
Von diesen Stücken ist "First Excursion" für "Incantations" (auf deutsch: "Beschwörungsformeln") am interessantesten. Das eher ruhige Lied legt die Basis für "Incantations", wenn es zum Ende hin eines der Grundthemen des Albums zum ersten Mal anklingen läßt. Oldfield sollte auf dieser Idee aufbauen und während seiner Auszeit die Basis zu Incantations entwickeln.
Mike Oldfield war kurz nach Fertigstellung von "Ommadawn" wieder umgezogen und nahm in seiner Abgeschiedenheit die beiden ersten Teile von Incantations auf, ehe er sich 1978 entschloß, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, um seiner Probleme Herr zu werden.
Dafür suchte Mike Oldfield eine Therapiegruppe auf, die die damals sehr umstrittene Exegesis praktizierte: im Verlauf dieser dreitägigen Therapie, bei der die Teilnehmer schlimmstem psychischen Druck ausgesetzt wurden (sie wurden vom Kursleiter angebrüllt, mit Schimpfwörtern belegt und jeder wurde aufgefordert, sich seinen schlimmsten Ängsten zu stellen), erlebte Mike Oldfield eine "Wiedergeburt". Laut eigener Aussage erhielt Oldield dadurch neue Einsichten in seinen Charakter und die menschliche Natur.
Was auch immer während dieser Therapie vorgefallen ist: Mike Oldfield war danach in der Tat verändert und auch seine Musik sollte sich in den kommenden Jahren wandeln. Einige Wochen nach Therapieende heiratete er die Tochter des Kursleiters, die Ehe hielt jedoch nur wenige Wochen und nach drei Monaten war die Scheidung vollzogen.
Nach der Therapie machte sich Oldfield daran, die letzten beiden Teile von "Incantations" aufzunehmen. "Incantations" sollte eigentlich das große Meisterwerk Oldfields werden. Es sollte die bei "Hergest Ridge" und "Ommadawn" gezeigten Elemente aufnehmen und vervollkommnen. Bei "Incantations" wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. Es war ein Doppelalbum mit vier Teilen, Oldfield wurde von einem Streicherensemble unterstützt, dazu wieder Pierre Moerlen von Gong, dann ein Trompeter, ein Mädchenchor, zwei Flötisten und mit Maddy Prior und Sally Oldfield zwei Sängerinnen.
Doch während Mike Oldfield in Abgeschiedenheit lebte, seine psychischen Probleme aussortierte und am neuen Album bastelte, hatte sich von ihm total unbemerkt eine Revolution in der Musikszene ereignet. Mike Oldfields eigenes Plattenlabel Virgin hatte The Sex Pistols unter Vertrag genommen und die Punkrevolution, die gegen Ende der 70er Jahre den Progrock mehr oder weniger wegfegte, hatte für tiefgreifende Veränderungen gesorgt.
Und so war "Incantations" an Bombast und künstlerischem Anspruch kaum zu überbieten, kam dafür aber auch leider einige Jahre zu spät. Der kommerzielle Stern von Mike Oldfield in Großbritannien begann zu sinken.
"Incantations" schaffte es noch unter die Top 20 der Albumcharts. Und der langjährige Groll Oldfields gegen Virgin und Richard Branson nahm seinen Anfang.
Mike Oldfield konnte der Punkbewegung überhaupt nichts abgewinnen und nahm es Richard Branson übel, daß er, obwohl durch Oldfields "Tubular Bells" erst groß geworden, mit dem Punk eine Musikrichtung bei Virgin etabliert hatte, die das genaue Gegenteil von Oldfields Musik darstellte. Mike Oldfield traf es noch mehr, daß er sich in der Folgezeit nicht mehr entsprechend bei Virgin vertreten fühlte. Anrufe an Branson wurden nicht mehr unbedingt durchgestellt und die Promoarbeit für seine Alben fand Oldfield stiefmütterlich.
Doch abseits dieser ersten Querelen mit der Plattenfirma ist "Incantations" in mancherlei Hinsicht das Magnum Opus von Mike Oldfield. Die Komposition ist so breitwandig wie nie zuvor, es ist mal bombastisch, dann wiederum verträumt, streckenweise minimalistisch, mal sehr romantisch und gelegentlich sehr rockig.
"Incantations" wirkt damit wie die logische Fortsetzung von "Ommadawn", nur um einiges wuchtiger noch. Und doch ist "Incantations" nicht das absolute Meisterwerk geworden. Dafür schwelgt Mike Oldfield manchmal zu sehr im minimalistischen Territorium eines Philip Glass. So wird z.B. im vierten Teil von "Incantations" eines der Haupthemen minutenlang auf Vibraphon und Glockenspiel rauf- und runtergehämmert ohne sonderlich variiert zu werden. Es kann in diesen Momenten dann schon etwas anstrengend für den Zuhörer werden.
Doch es gibt genug andere Passagen, die diese Schwächen auch wieder wett machen. Der erste Teil von "Incantations" mit seinem hektischen Flötenthema, den energischen Streichern und dem im Gegensatz dazu elegischen Mädchenchor ist schlicht wunderschön. Der zweite Teil greift das im ersten Teil entwickelte "Diana"-Thema in ruhigerer Form auf und wartet in der zweiten Hälfte dann mit einer achtminütigen Rezitation von Longfellows Gedicht "Hiawatha" auf - begleitet von afrikanischen Rythmen der Gruppe Jabula, die auch schon bei "Ommadawn" für die Rhythmik gesorgt hatte.
Der dritte Teil konzentriert sich fast durchgehend auf die E-Gitarre, die lose die bekannten Themen aufgreift, dabei aber stark variiert.
Der vierte Teil weist die erwähnten Schwächen auf. Es dauert geschlagene acht Minuten, ehe die E-Gitarre einsetzt und endlich etwas anderes spielt, doch nur, damit dann kurz darauf die Keyboards das Incantations-Haupthema wieder aufgreifen und wie zuvor das Vibraphon rauf- und runterspielen. Zum Glück dauert es diesmal nicht gar so lang und ab der 12. Minute geht der vierte Teil ordentlich zu Ende. Maddy Prior rezitiert zum Hiawatha-Thema einen Ausschnitt aus dem Theaterstück "Cynthia's Revels" mit dem Titel "Hymn to Diana" (was den Zirkelschluß zum ersten Incantations-Teil darstellt, wo der Mädchenchor u.a. Diana besingt) von Ben Johnson aus dem Jahr 1599.
Das Fazit: "Incantations" hat zweifellos viele Stärken. Mehr als bei allen Alben zuvor gibt es ein Gefühl des Zusammenhangs zwischen den Teilen. Mike Oldfield entwickelt ausgiebig seine Grundthemen, die über die ganze Länge des Albums in verschiedenen Formen immer wieder aufgegriffen werden. Mal sehr gelungen, mal zu repetierend, wie beim vierten Teil.
Und deshalb ist auch diese Konzentration auf wenige Grundthemen eine der Schwächen des Albums, das über 72 Minuten dauert: es fehlt manchmal an Ideen. So wirken die an sich hervorragenden Themen gelegentlich über die komplette Länge zu sehr ausgedünnt, wie zuwenig Butter auf zuviel Brot.
Doch trotz aller kleiner Schwächen ist "Incantations" ein mehr als nur würdiger Abschluß der ersten Schaffensphase Mike Oldfields. Seine kompositorischen Fähigkeiten zeigen sich nochmal in Höchstform und sein Talent, großformatige Instrumentalsuiten zu schreiben, kann sich auf "Incantations" beeindruckend beweisen. Die Mixtur aus irisch-folkloristischen Elementen, klassischen Passagen, afrikanischer Ryhthmik und eigenwilliger Lyrik funktioniert über weite Teile ausgezeichnet. Allerdings braucht man für "Incantations" auch Geduld. Wo "Tubular Bells" mitunter jede Minute eine neue Idee präsentierte, können sich die Leitmotive von "Incantations" minutenlang etablieren, ausgeprägter noch als bei "Ommadawn" oder "Hergest Ridge".
Somit widersprach "Incantations" den neuen Hörgewohnheiten Ende der 70er Jahre total. Wo kurzformatige Punklieder vorherrschten oder Discopop die Charts eroberte, besitzt "Incantations" die Seelenruhe, über acht Minuten lang Maddy Prior Longfellows "Hiawatha" rezitieren zu lassen. Es wirkt dann in seiner totalen Negation kommerzieller Gesichtspunkte auf positive Weise selbstbewußt.
Damit ist "Incantations" ein Album, dem man Zeit widmen muß, nicht nur aufgrund der knapp 72 Minuten Spieldauer. Wer es nebenbei laufen läßt, wird es wahrscheinlich verwirrend oder gar phasenweise langweilig finden. Wenn man sich jedoch auf das Album einläßt und in die Musik eintaucht, zeigt sich die Schönheit des Werkes. Ein Anachronismus 1978, ein Klassiker (und noch viel größerer Anachronismus leider) heutzutage.
Es bleibt noch anzumerken, daß die Erstauflage von Incantations auf CD eine gekürzte Version ist. Da Anfang der 80er Jahre eine CD noch nicht verläßlich über 70 Minuten Spieldauer aufweisen konnte, wurden ca. drei Minuten vom Beginn des dritten Teils einfach gekappt, um das Album auf eine CD pressen zu können, anstatt eine teurere Doppel-CD herauszubringen.
Erst mit der Zweitauflage 1991 wurde das geändert. Alle Incantations-CDs erscheinen seitdem ungekürzt. Wer also nur eine 80er-Jahre Version sein Eigen nennt, sollte vielleicht mal in eine Neuauflage von "Incantations" reinhören.
13 Punkte
Platinum
(1979)
Nach seiner Exegesis-Therapie zeigte sich Mike Oldfield in der Öffentlichkeit als neuer Mensch. War er in den Jahren zuvor schon beinahe krankhaft schüchtern gewesen, so scheu, daß er sich z.B. bei der Liveaufführung der Orchesterversion von "Tubular Bells" von einem anderen Gitarristen vertreten ließ, zeigte er sich plötzlich offen und um einiges selbstbewußter. Nicht zuletzt deshalb ging es nach "Incantations" das erste Mal auf große Tournee. Mike Oldfield wurde von einer mehr als 50-köpfigen Band unterstützt, darunter auch profilierte Mitmusiker wie Pierre Moerlen, der schon auf den Alben zuvor für Oldfield gespielt hatte.
Die Tour war zwar künstlerisch ein großer Erfolg und die gespielten Liveversionen von hoher Qualität, wie man sich auf dem Livemitschnitt "Exposed" überzeugen kann, doch finanziell ein einziges Desaster für Mike Oldfield, der nah am Rand der Pleite stand.
Um die klamme Kasse wieder etwas aufzufüllen, wurde deshalb 1979 relativ rasch "Platinum" aufgenommen. Nach dem bombastischen Album "Incantations" bestritt Mike Oldfield erstmals musikalisch etwas andere Wege. Es gab nun kein durchgängiges Einzelwerk mehr, sondern lediglich auf Seite 1 der LP ein Instrumental, während auf der zweiten Seite kurze Lieder und Singles vorherrschten. Ein Albumkonzept, das Mike Oldfield für viele Jahre beibehalten sollte.
Auf Druck der Plattenfirma hin, aber auch angestachelt von der eigenen Frustration, keine Popsongs bisher schreiben zu können, versuchte sich Mike Oldfield auf "Platinum" also erstmals an kurzen radiotauglichen Singlehits, allerdings noch sehr zaghaft.
"Into Wonderland" kann noch am ehesten als Versuch eines Radiohits durchgehen. Wobei gerade dieses Lied am meisten Verwirrung stiftet. Auf sämtlichen Auflagen der LP und CD heißt das Lied "Sally", wobei "Sally" nur auf den ersten ca. 50.000 LPs vorzufinden war. Richard Branson fand den Text zu diesem Song so grauenhaft, daß er darauf bestand, ein anderes Lied auf das Album zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten Pressungen aber schon vorgenommen worden. Mike Oldfield entschied sich dazu, Sally durch "Into Wonderland", gesungen von Wendy Roberts, zu ersetzen. Virgin hielt es aber nicht für notwendig, das Artwork für das Cover zu ändern.
"Into Wonderland" ist ein nettes kleines Liedchen, leicht verträumt handelt es von Mike Oldfields damaliger neuer Freundin Sally Cooper, die auf "Platinum" sinnigerweise die Röhrenglocken spielen durfte. Daß es rein gar nichts mit Oldfields bisheriger Arbeit zu tun hat, ist bei der Herangehensweise klar.
Ansonsten tummelt sich auf "Platinum" ein sehr ruhiges, kontemplatives Lied wie "Woodhenge", das schon beinahe meditativ zu nennen ist. Dann Mike Oldfields Statement zur Punkbewegung mit "Punkadiddle", das leider phasenweise etwas nervig geraten ist und ein George Gershwin-Cover mit "I got rhythm", das Oldfield allerdings sehr zurückhaltend arrangiert, sehr verträumt und ruhig. So recht überzeugen kann die Version mich nicht. Bleibt noch der instrumentale Opus "Platinum". Oldfield geht auch hier etwas geradliniger zu Werke, entdeckt den Jazz für sich und läßt ihn als Einfluß bei einigen Teilen hörbar werden. Die folkloristischen Einflüsse der Vorgängeralben sind dafür völlig verschwunden. Zum Ende hin greift Oldfield sehr beeindruckend mit "North Star" sogar ein Stück von Philip Glass auf - was logisch erscheint, ist Mike Oldfields Musik in den Jahren zuvor doch auch immer wieder mal minimalistisch gewesen.
"Platinum" als solches ist für mich das schwächste instrumentale Werk der 70er. Und das Album als ganzes wirkt etwas unausgegoren. Die allzu schnelle Produktion macht sich hier störend bemerkbar. Vor allem die zweite Hälfte wirkt blind zusammengewürfelt.
Die Zeit der albumfüllenden Epen war jedenfalls vorbei und Mike Oldfield machte sich daran, etwas kommerziellere Gefilde zu erkunden. Nicht zuletzt aufgrund massiven Drucks der Plattenfirma aus. Und zumindest in Deutschland fruchtete das Rezept. Waren den vorherigen Alben in Deutschland bis dato kein allzu großer Erfolg beschieden gewesen, klopfte "Platinum" hierzulande schon an den Top 10 der Albumcharts an.
Obwohl "Platinum" bei weitem nicht an die vorangegangenen Meisterwerke heranreicht, machen weite Teile des Albums aber noch Spaß. Das Instrumental ist durchweg gut, stellenweise wieder auch mit Humor versehen (ich denke da an den schrägen Frauenchor oder an Oldfields "Schubidubidaba"-Einlagen), wenn auch nicht hochklassig. Nur die kurzen Lieder auf der zweiten Hälfte des Albums lassen deutlich nach. Doch auch hier ist mit "Woodhenge" und "Into Wonderland" noch gutes Material vertreten.
Essentiell ist "Platinum" damit sicherlich nicht. Doch Anhänger Mike Oldfields sollten das Album natürlich besitzen. Und für 1979 war "Platinum" immer noch um einiges progressiver als der größte Teil der Musikwelt. Zumal die meisten Progbands sich aufgelöst hatten oder aber ihren Stil noch gravierender änderten als Mike Oldfield.
10 Punkte
Das Verhältnis zwischen dem Virgin-Label und seinem ehemaligen Vorzeigekünstler Mike Oldfield stand mittlerweile nicht zum besten. Oldfield fühlte sich nicht so recht unterstützt. Seit Beginn der Punkbewegung Mitte der 70er Jahre war Oldfields kommerzieller Stern am sinken. Seine Alben erschienen teilweise nicht mehr in den USA und die Werbearbeit für seine neuen Alben in Großbritannien fand Oldfield ungenügend.
Um seinem Label Entgegenkommen zu zeigen, das der Meinung war, daß Oldfield doch mehr kommerzielle Aspekte in seine Alben einfließen lassen sollte, versuchte es Mike Oldfield bei "QE2" mit den Singles "Arrival", das eine Coverversion des gleichnamigen ABBA-Stückes war, und "Wonderful Land", das in den frühen 60er Jahren von The Shadows gespielt worden war. Dazu gab es mit David Hentschel einen profilierten Produzenten, der zu dieser Zeit für Genesis arbeitete und passenderweise Phil Collins als Sessionschlagzeuger mitbrachte.
Beide Singleversuche auf "QE2" sind recht gut gelungen, Oldfield konnte beiden Fremdkompositionen deutlich seinen Stempel aufdrücken, vor allem "Wonderful Land" lebt von Oldfields exzellenter Gitarrenarbeit. Ansonsten ist das Album leider etwas unausgegoren und kaum noch mit vorangegangenen Meisterwerken zu vergleichen.
Ansprechend sind noch "Taurus 1" (Mike Oldfields Sternzeichen ist der Stier), das die Taurustrilogie begründete, dazu die beiden Singles und das Titelstück "QE2". Weiteres positives Merkmal ist der glockenhelle Gesang von Maggie Reilly, die hier erstmals mit Oldfield zusammenarbeitete und die kommenden Jahre erfolgreich an den Alben mitwirken sollte.
Ansonsten klingt auf "QE2" vieles etwas synthetisch, es wird exzessiv Gebrauch von Keyboards und Vocodern gemacht. Sicherlich ein Eingeständnis an die frühen 80er Jahre, als die Musik generell etwas steriler wurde.
Solche Sachen wie "Sheba" mit Maggie Reillys Singsang plätschern dann aber leider etwas vor sich hin - ohne Akzente setzen zu können. "QE2" klingt in den schlechteren Passagen etwas belanglos, in den besseren immerhin gut genug, um gefallen zu können. "QE2" ist damit ähnlich durchwachsen wie "Platinum", wobei es diesmal aber nichtmal mehr ein längeres Instrumental gibt, allein "Taurus 1" erreicht die zehn Minuten Marke. Das Album wirkt mit den vielen kürzeren Liedern etwas zerrissen. Denn so schön "Arrival" und "Wonderful Land" für sich betrachtet sind, mögen sie nicht recht zu den anderen Kompositionen passen.
Abschließend bleibt zu sagen, daß "QE2" unter den Anforderungen von Virgin leidet und von der Auswahl der Lieder, die für sich betrachtet meist noch gut sind, aber in der Gesamtheit zusammengewürfelt wirken. Trotzdem ist noch mehr gutes Material als durchschnittliches vorhanden, richtig schlecht ist zum Glück auch nichts. Daher
10 Punkte
Five Miles Out
(1982)
Die Inspiration zu "Five Miles Out" bildete ein Sturm in den Pyrenäen, in den ein paar Jahre zuvor Mike Oldfield mit einem Flugzeug in Lebensgefahr geraten war - das Albumcover ist also sozusagen aus dem Leben gegriffen. Oldfield, der zu "Hergest Ridge" seine Leidenschaft für Modellflugzeuge entdeckt hatte, war mittlerweile auf echte Flugzeuge umgestiegen und hatte eine Pilotenlizenz erworben. Das beinah tödliche Erlebnis in den Pyrenäen scheint Oldfield nachhaltig beindruckt zu haben.
Zumindest die daraus resultierende Musik kann sich mehr als hören lassen.
Denn nachdem sowohl "Platinum" als auch "QE2" gerade so noch als gute Werke durchgehen, zeigt sich "Five Miles Out" brillant. Das bei "Platinum" gefundene Konzept mit einem instrumentalen Stück auf Seite 1 (bzw. der ersten Hälfte der CD) und kürzeren Liedern und Singles auf der zweiten Seite wird bei "Five Miles Out" wieder aufgegriffen.
Das instrumentale Epos bildet hier die Fortsetzung der Taurustrilogie - "Taurus 2". Auf "Taurus 2" gibt es endlich wieder Mike Oldfield in Hochform zu hören. Das Stück sprudelt über vor Ideen, Melodien und diversesten Stimmungen. Es nimmt mittendrin kurz eines der Themen von "Taurus 1" auf, und stellt so eine Verbindung zum Vorgänger her, ansonsten legt es das Fundament für das Album und stellt diverse Themen vor, die später dann im Album von anderen Songs wieder aufgenommen werden.
"Taurus 2" ist beschwingt, phasenweise aber ebenso besinnlich - vor allem während der kurzen Gesangseinlage von Maggie Reilly - und hat endlich auch wieder Folkeinflüsse mit Paddy Moloneys Dudelsackspiel und einem Ensemble von Morris Tänzern. Ansonsten brilliert Oldfield auf gut 24 Minuten mit seiner E-Gitarre, etwas, das man auf "QE2" zuvor doch oft vermißt hatte.
An Ideenreichtum kann es "Taurus 2" durchaus mit "Tubular Bells" aufnehmen, wobei "Taurus 2" allerdings mehr Wert auf seine Leitmotive legt, die in abgewandelter Form immer wiederkehren.
Auch die zweite Hälfte des Albums kann sich hören lassen. "Family Man" ist ein guter Singleversuch mit Maggie Reilly erneut, wenn auch der Text etwas verquer wirkt. Mike Oldfields Erfahrung als Popmusikschreiber war noch nicht weit gediehen, seine Fingerübung hier ist aber gut gelungen.
Das seltsam betitelte "Orabidoo" ist eigentlich eine Sammlung von fünf verschiedenen Musikstücken, wobei die Fuge praktisch 1:1 einem Teil von "Taurus 2" entspricht.
Ansonsten bietet es besinnliche Glockenspieltöne (die wiederum ein Thema von "Conflict" aufgreifen, vom Vorgängeralbum "QE2"), eine etwas rasantere Fuge als direktes Zitat von "Taurus 2" und zum Abschluß hin ein schönes, kleines Lied mit Maggie Reilly. Ausgerechnet der "Orabidoo"-Teil in der Mitte mit Vocodergesang nervt leider manchmal ein wenig.
Auf "Mount Teide" gibt sich Carl Palmer von ELP bzw. damals Asia die Ehre. "Mount Teide" ist ebenfalls eher besinnlich geraten, nicht ganz so meditativ wie "Woodhenge" auf "Platinum", aber ähnlich ausgelegt. Auf allen CD-Versionen von "Five Miles Out" heißt es im Booklet übrigens "Mount Teidi", was definitiv falsch ist. Virgin scheint das aber nicht weiter zu kümmern, weil es über all die Jahre hinweg nicht korrigiert wurde.
Den Abschluß zu einem durchweg gelungenen Album bildet das Titelstück. Es ist phasenweise sehr aggressiv geraten (man könnte Mike Oldfields Gesang hier teilweise dem Death Metal zurechnen), hat ansonsten das "Taurus 2" zugrundeligende Riff als Basis, während Maggie Reilly und Mike Oldfield in abwechselnden Rollen singen. Kurz zu Beginn des Stückes nehmen die Streicher übrigens die ersten Noten von "Tubular Bells" auf. Eine kleine Verneigung seinem Meisterwerk gegenüber.
"Five Miles Out" ist in meinen Augen allerdings selber auch ein Meisterwerk geworden. Natürlich hat sich im Lauf der Jahre die Musik etwas gewandelt bei Oldfield. Doch die Singles wirken unverkrampft und sind durchweg sehr ordentlich geraten. Die ersten vier Alben Oldfields in den 70er Jahren waren eine Sache, "Five Miles Out" eine etwas andere, die neben ausgetüftelten instrumentalen Passagen auch etwas kommerziellere Gewässer befährt. Und das sehr gekonnt.
Wenn man bedenkt, was 1982 für Musik vorherrschte, ist vor allem "Taurus 2" sehr bemerkenswert geraten. Es kann sich aber auch mit den anderen Werken Oldfields messen. Diese Qualität würdigte auch das Publikum. Nach den beiden etwas schwächelnden Vorgängern, konnte sich "Five Miles Out" auch wieder auf dem Albumsektor gut durchsetzen.
Für mich ist "Five Miles Out" eines der beiden besten Alben Oldfields in den 80er Jahren und auch im Gesamtwerk ganz oben anzusiedeln.
14 Punkte
Crises
(1983)
Plattenfirmen können eine Crux sein. Zum einen ermöglichen sie dem Musiker natürlich die Veröffentlichung seiner Werke, zum anderen denken sie hauptsächlich ans Geld, weniger an die Musik - wovon letztlich in finanzieller Hinsicht aber auch der Künstler profitiert. Diesem Dilemma sah sich auch Mike Oldfield ausgesetzt, der 1973 mit seinen "Tubular Bells" den Erfolg von Virgin in die Wege geleitet hatte.
Mittlerweile waren zehn Jahre vergangen und Oldfield sah sich einer veränderten Musikszene ausgesetzt - und vor allem einer veränderten Labelpolitik. Vorbei waren die Zeiten, als er - wie bei "Incantations" - großflächige Suiten komponieren sollte bzw. durfte. Richard Branson wollte im veränderten Zeitgeist kommerziellen Erfolg - und das hieß u.a. Singles. Oldfield, der durchaus auch dann und wann mal den Drang verspürte, sich an Popmusik zu versuchen, mußte sich arrangieren. Zumal sein Vertrag mit Virgin nicht weniger als 13 Studioalben von ihm verlangte. Ursprünglich waren es "nur" 10 geforderte Alben gewesen. Doch als Oldfield beklagte, daß er nicht genug Tantiemen bekomme und eine Nachbesserung forderte, wollte sich Virgin nur auf eine Erhöhung der Tantiemen einlassen, wenn Oldfield drei Alben mehr produzieren würde. Den ursprünglichen Plattenvertrag soll Mike Oldfield übrigens als 19-jähriger in seiner Küche unterschrieben haben, während Richard Branson ihm den Vertrag unter die Nase hielt. So konnte Mike Oldfield, obwohl er zunehmend unzufrieden mit Virgin war, das Label nicht wechseln.
Richard Branson hätte es gerne gesehen, wenn Mike Oldfield zum zehnjährigen Jubiläum von "Tubular Bells" "Tubular Bells II" herausgebracht hätte, doch Oldfield wollte Virgin nicht den Gefallen tun. Statt dessen ist die einzige Remineszenz an "Tubular Bells" die leicht umarrangierte Notenfolge der ersten Takte von "Tubular Bells" auf dem Roland Stringsynthesizer zu Beginn von "Crises".
"Crises" sollte das auf "Platinum" gefundene Konzept der Zweiteilung perfektionieren. Während auf der ersten Hälfte Mike Oldfield sich mehr oder minder nach Belieben austoben und seine Vorliebe für instrumentale Musik ausleben durfte, gab es auf der zweiten Hälfte hochkarätige Popsongs, die diesmal auch über alle alle Maßen kommerziell erfolgreich waren. "Moonlight Shadow", gesungen von Maggie Reilly, war ein europaweiter Tophit und "Shadow on the Wall" mit Roger Chapman war ebenfalls ein veritabler Erfolg.
Ich muß zugeben, daß ich eine besondere Schwäche für "Crises" habe, war es doch mein allererstes Album von Mike Oldfield. Eigentlich bin ich über die damaligen Singles "Moonlight Shadow" und vor allem dem krachenden "Shadow on the wall" erst auf Oldfields Musik aufmerksam geworden.
Mir gefiel "Crises" damals sehr gut und auch heute, zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung, finde ich das Album in seiner Machart perfekt.
Es hat perfekte Popsongs und mit "Crises" ein ausgezeichnetes Instrumental, das zwischen Heavy Metal Anleihen und ätherischen Teilen am String-Synthesizer pendelt und dabei zwar um einiges geradliniger ist als die Meisterwerke in den 70ern, doch ebenfalls eine intensive Stimmung erzeugt. Auch ist der Einstieg auf "Crises" um einiges einfacher. Während man z.B. für "Incantations" sehr viel Muße braucht, erschließt sich "Crises" praktisch sofort - ohne dabei belanglos zu wirken.
Nun gibt es vor allem in Progkreisen oft dieses Naserümpfen über "Popmusik". Jegliche Anwandlung von radiotauglichen Singles oder etwas kommerzieller ausgelegter Musik wird allzu gerne mit Verachtung gestraft. Sei es, daß viele Progfans z.B. die mehr als erfolgreichen Genesis-Alben der 80er Jahre mit Verachtung strafen, oder Hohn und Spott über Popmusik generell ausschütten.
Natürlich gibt es im Bereich des Pops sehr viel belangloses, hirnloses und leicht verderbliches, das man im einen Moment hört und im nächsten am besten wieder vergessen hat. Doch genauso gibt es durchweg gelungene Popmusik. Lieder, die absolut eingänglich sind, die man praktisch sofort mitsummen kann oder mitsummen mag und die auch nach Jahren nichts von ihrer Schönheit und ihrem Gefühl verloren haben. Gute eingängliche Musik zu schreiben ist genau genommen sehr schwer. Es täte dem Proggenre gut, wenn einige Anhänger dieser Musik Neuankömmlingen in diesem Genre nicht erst lang und breit erklären würden, warum jeglicher Anflug von Radiotauglichkeit gleichbedeutend mit schlechter Qualität und Anbiederung an den Kommerz sein muß.
Ich persönlich würde ein gelungenes Poplied wie z.B. "Moonlight Shadow" einem total verkopften Progwerk das zwar vor Mellotronchören strotzt, dafür aber jegliche Melodie vermissen läßt und sich allein der Experimentierfreude um der Experimentierfreude willen widmet, vorziehen.
Lange Rede, kurzer Sinn: wer keine Popmusik mag, wird "Crises" wahrscheinlich als niveaulos und gräßlich empfinden. Die müssen sich das Album natürlich auch nicht kaufen oder anhören. Allen anderen sei gesagt, daß ich "Crises" - als kommerziell ausgelegtes Album - als seltenen Glücksfall betrachte, wo alle Elemente zusammenpassen. Mike Oldfield selbst hat mit "Moonlight Shadow" und "Shadow on the wall" zwei seiner allerbesten Popsongs überhaupt verfaßt. Das ruhig dahinfließende "Foreign Affair" hat eine hypnotische Wirkung und das besinnliche "In High Places" mit Jon Anderson bildet einen Ruhepol, während der Abschluß der Taurustrilogie mit seiner Flamencogitarre den pulstreibenden Gegensatz bildet.
Auf seine Weise ist "Crises" damit ebenso gelungen wie "Ommadawn" oder "Hergest Ridge". Ein Meisterwerk der Pop/Rockmusik. Und auf dem Titelstück gibt es sehr viel mehr anspruchsvolle Musik als auf vielen anderen Alben aus dieser Periode.
Wer sich auf die Fusion von instrumentaler Musik und hochkarätigen Popsongs einlassen möchte, findet kaum besseres als "Crises".
15 Punkte
Discovery
(1984)
Ein einträglicher Singlehit kann auch ein Fluch sein. Vor allem, wenn danach das Label verlangt, nur noch Musik in diesem Stile herauszubringen. Aus finanzieller Hinsicht vielleicht verständlich. Immerhin war "Moonlight Shadow" Mike Oldfields größter Singlehit überhaupt und das dazugehörige Album "Crises" das bis dato kommerziell erfolgreichste in Deutschland gewesen. So wie sich der Focus in den 80er Jahren ohnehin mehr und mehr von Großbritannien, wo Oldfields Stern, wenn auch "Crises" dort ebenfalls erfolgreich gewesen war, kontinuierlich am sinken war, nach Deutschland verlagerte, dem zweitwichtigsten Musikmarkt der Welt. Hier konnte Mike Oldfield zunehmenden Erfolg für sich verbuchen.
Auf "Discovery" zeigt sich eindeutig der Einfluß von Virgin, die - aus ihrer Sicht wohl verständlicherweise - nach "Moonlight Shadow" halt "Moonlight Shadow 2" verlangten. Wobei Mike Oldfield selbst konstatiert hat, daß ein Lied wie dieses eher ein Glücksfall ist, einer der seltenen Momente, wo es absolut paßt.
Wie auch immer: auf "Discovery" müht sich Mike Oldfield redlich, ordentliche Popsongs zu schreiben. Einige sind wirklich gut und schön gelungen, ein paar andere sind eher belanglos und als tröstenden Abschluß gibt es mit "The Lake" noch ein überragendes, wenn auch mit knapp zwölf Minuten etwas "kürzeres" Instrumental.
Gelungen auf "Discovery" sind die Erfolgssingle "To France", mal wieder von Maggie Reilly verfeinert, das atmosphärische "Poison Arrows" mit Barry Palmer, das das Dilemma eines Werwolfes beschreibt, das vom Text her sehr interessante "Talk about your life", das das "To France"-Thema wieder aufgreift, und das dynamische Titelstück "Discovery", das wiederum Barry Palmer, ehedem Sänger bei Triumvirat, bestreitet.
Daneben gibt es aber auch nett-belangloses wie "Tricks of the light", das ebenso wie "Crystal Gazing" nicht mehr als "lalala-Pop" bietet, und "Saved by a Bell", das sich zwar bemüht, kraftvoll zu wirken und einen autobiographisch gefärbten Text aufweist - aber einfach keine gelungene Melodie besitzt.
All diese durchschnittlichen Momente werden dann aber abschließend von "The Lake" wieder wettgemacht. Als Inspiration diente Mike Oldfield der Genfer See. Oldfield hielt sich 1984 aus steuerlichen Gründen hauptsächlich in der Schweiz auf, wo auch das Album entstand. Und der Genfer See konnte an sonnigen Tagen vom 2000 Meter hochgelegenen Tonstudio aus gesehen werden.
"Discovery" ist ein solides Album geworden. Oldfield, der sich von Virgin in die Lage versetzt sah, Hitsingles zu liefern, da laut Richard Branson niemand in den 80er Jahren mehr instrumentale Musik hören wollte, versucht sein bestes. Er schafft es, drei oder vier gelungene Songs aus dem Ärmel zu schütteln, seine anderen Popsongs wirken da leider etwas belanglos diesmal oder einfach zu simpel gestrickt. Dafür darf Oldfield wenigstens knapp ein Viertel des Albums instrumental bestreiten. Und "The Lake" ist immer wieder hörenswert.
Unleugbar ist, daß Mike Oldfield in den 80er Jahren zunehmend nur noch wenig mit dem Oldfield der 70er Jahre zu tun hatte. Wer also die Frühwerke mochte, wird sich bei den Alben der 80er Jahre gewaltigen Veränderungen gegenübersehen. Wer keinen Pop mag, sollte daher am besten die Finger von diesen Alben lassen.
Ansonsten ist "Discovery" ein gutes Popalbum geworden mit mehr Licht als Schatten und einer ordentlichen Prise anspruchsvollerer Musik in Form von "The Lake". Darüberhinaus ist "To France" auch heute noch eine immer wieder hörenswerte Single. Für mich gehört "To France" zu den drei wirklich großartigen Popsongs, die Mike Oldfield hervorgebracht hat.
11 Punkte
Islands
(1987)
Nach "Disvocery" ließ es Mike Oldfield etwas ruhiger angehen. In den nächsten beiden Jahren gab es mit "Pictures in the dark" und "Shine", auf dem Jon Anderson sang, nur zwei Singles, die in Deutschland recht erfolgreich waren. Mike Oldfield arbeitete aber hauptsächlich an seinem Video-CD Projekt "The Wind Chimes". Oldfield war der Ansicht, daß der Kombination aus Musik und bewegten Bildern die Zukunft gehören würde. Nachdem sich aufgrund technischer Probleme die Fertigstellung der Video-CD ernsthaft verzögerte, wurde 1987 schließlich doch der musikalische Teil als normales Album veröffentlicht.
"Islands" ist, wie die meisten Alben Oldfields aus den 80er Jahren, erneut zweigeteilt. Die erste Hälfte wird komplett vom Instrumental "The Wind Chimes" eingenommen, bei dem Mike Oldfield balinesische und indonesische Einflüsse verarbeitet. Oldfield war während einer Reise in diese beiden Staaten recht beeindruckt gewesen von der dort vorherrschenden Musik. Der während des Trips aufgenommene Soundtrack einheimischer Musiker diente als Ausgangsbasis für "The Wind Chimes".
"The Wind Chimes" wirkt daher ethnisch angehaucht, mal aber auch sehr ätherisch, klassische Einflüsse fehlen ebenso nicht. "The Wind Chimes" ist insgesamt gesehen ein entspanntes Werk geworden, das vielleicht nicht zu Oldfields besten Instrumentals zählt, doch auch keine Schwächen aufweist. Es werden vermehrt synthetisierte Klänge eingesetzt, so sind viele orchestrale Teile künstlich, was "The Wind Chimes" nicht ganz so lebendig wirken läßt wie Oldfields frühere Arbeiten. "The Wind Chimes" ist glatter, etwas stromlinienförmiger, die ethnischen Einflüsse und diversen musikalischen Themen, die das Instrumental entwickelt, tragen aber zum positiven Gesamteindruck bei.
Die Probleme zeigen sich bei "Islands" erst bei den Singles. Während das Titellied mit Bonnie Tyler noch einigermaßen ordentlich ist, zeigen sich die Popsongs auf "Islands" diesmal meist uninspiriert. Das biographische "Flying Start", in dem Oldfields alter Weggenosse Kevin Ayers singt, ist leider total mißlungen. Die Melodie plätschert allenfalls vor sich hin und Ayers' Gesang wirkt einschläfernd.
"Magic Touch", auf dem Jim Price singt, ist durchweg nervig geraten leider und der CD-Bonustrack "When the nights on fire" ist, ähnlich wie "Talk about your life" auf "Discovery", eine Neuinterpretation des Titelliedes - hat aber keine gelungene Melodie vorzuweisen.
Besser gelungen ist das romantisch-verträumte "North Point" und die Single "The Time Has Come". Auf beiden Liedern singt (wie auch auf "When the nights on fire" und in den Vokalsequenzen bei "The Wind Chimes") Mike Oldfields damalige neue Freundin Anita Hegerland. Anita Hegerland war in Deutschland damals keine Unbekannte. Sie hatte in den 70er Jahren zusammen mit Roy Black als kleines Mädchen im Duett sehr erfolgreich "Schön ist es auf der Welt zu sein" gesungen.
Anita Hegerland hat eine durchaus sympathische Stimme, ist aber nicht wirklich eine begnadete Sängerin, dazu fehlt es ihr doch an Stimmumfang und Dynamik - an Maggie Reilly, die auf "Islands" nicht mehr zu hören ist, kommt sie nicht heran.
Und selbst die besser gelungenen Poplieder auf "Islands" wirken im Vergleich zu den vorherigen Erfolgsliedern diesmal blutleer und eher pflichtgemäß komponiert, um den Forderungen der Plattenfirma nachzukommen.
"Islands" bietet mit "The Wind Chimes" aber mehr als genug Gründe, um dem Album noch ausreichend positive Aspekte abzugewinnen. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß Oldfields Herangehensweise an die Musik bzw. der Spagat zwischen seinen eigenen Wünschen und den Forderungen von Virgin ernste Abnutzungserscheinungen zeigt. Es sollte aber alles noch viel schlimmer kommen, als auf "Islands", das insgesamt betrachtet aufgrund des gelungenen Instrumentals durchaus noch empfehlenswert ist.
Die eigentliche Video-CD erschien dann übrigens 1988. Und es zeigte sich, daß die Kombination von Video und Musik noch nicht gewünscht war.
10 Punkte
Earth Moving
(1989)
Auf "Earth Moving" ließ sich Mike Oldfield erstmals komplett von Virgin leiten, denen Instrumentalmusik in den 80er Jahren ein Dorn im Auge war. Virgin wollte radiotaugliche Musik haben und Mike Oldfield zeigte sich kooperativ. Und so entstand "Earth Moving", das einzige Album Mike Oldfields, auf dem es kein instrumentales Werk gibt, sondern statt dessen neun Pop/Rock-Lieder.
Sicherlich ein gewaltiger Schritt, wenn man bedenkt, wofür Mike Oldfield eigentlich stand. Gab es auf den anderen Alben zuvor doch immer auch genug Verbindungen zu Oldfields Meisterwerken in den 70ern, so war Mike Oldfields charakteristischer Stil auf "Earth Moving" praktisch komplett verschwunden. Allein in vereinzelten E-Gitarrensoli ist Oldfields unverkennbare Spielweise herauszuhören.
Die Lieder auf "Earth Moving" sind dabei nicht unbedingt schlecht. Aber reihen sich nahtlos dem musikalischen Durchschnitt ein. Die Single "Innocent", auf der erneut Oldfields damalige Lebensgefährtin Anita Hegerland singt, ist vielleicht symptomatisch für die Musik auf "Earth Moving": kommerziell in Deutschland recht erfolgreich (das Album war sogar auf Platz 1 der Charts hier) bietet es nicht mehr als nette-durchschnittliche Musik, die nicht aufregt, nicht nervt, aber auch nicht inspiriert.
So sind die Höhepunkt auf "Earth Moving" schwer auszumachen. Die Sänger, u.a. Adrian Belew und Chris Thompson, sowie auf einem Stück auch wieder Maggie Reilly, geben sich reichlich Mühe und Lieder wie "Hostage" oder "Holy" atmen Leidenschaft, so wie auch, wie schon erwähnt, keines der Lieder auf "Earth Moving" wirklich mißlungen ist.
Aber dafür gibt es auch kein Lied, an das man sich erinnern muß. Mike Oldfields Fähigkeiten als Komponist sind unumstritten. Als Hitliferant allein ist sein Potential jedoch verschwendet und solche exzellenten Stücke wie "Moonlight Shadow" oder "To France" lassen sich auch nicht jeden Tag wiederholen.
So ist "Earth Moving" ein seltsames Album geworden, das von allen Alben Oldfields bis dato am untypischsten geraten war. Es war auch geprägt von der zunehmenden Entfremdung zwischen dem Plattenlabel und dem Künstler. Virgin wollte von Oldfield Musik haben, die dieser zwar ordentlich hinbekam meist, aber seine große Stärke blieb dabei völlig ungenutzt.
"Earth Moving" ist daher ein Album geworden, das im Laufe der Jahre in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist. Wie gesagt: die Lieder auf dem Album sind alles andere als schlecht, doch essentiell sind sie nicht mal ansatzweise. Anhänger Mike Oldfields werden das Album wohl ohnehin schon besitzen. Wer neu in Oldfields Musik eintaucht, kann getrost auf "Earth Moving" verzichten. Die Songs auf dem Album könnten auch von einem dutzend anderer Künstler stammen.
8 Punkte
Ende Teil 1.