Irgendwann während der Show fragt Grace ins Publikum, ob nicht ein Arzt darunter ist; hinter der Bühne liegt jemand, dem man mittels
einer (Motor-)radkette beträchtlichen Schaden im Gesicht zugefügt hat.
Das Jahr ist 1969; Sympathie For The Devil und Altamont lassen grüßen.
Die Love Generation hat schon erste Risse im im Make-Up; der schöne Schein trügt, das Leben ist härter als man glaubt. Und härter sind auch Jefferson Airplane; viel härter jedenfalls, als auf ihren Studiowerken.
Härter als die meisten S.F.-Bands (Ausnahme Country Joe & Fish) sind
sie in ihren politischen und sozialen Kommentaren, knarrender und knarzender sind sie in der Ausarbeitung ihrer Stücke, genialer sind sie
im Entwickeln eines bandtypischen Chaos, das sich aber schlußendlich immer wieder zur kollektiven Harmonie zusammenfindet.
Am 7. Mai 1969 waren sie daheim; Open Air-Heimspiel im Golden Gate Park; genau dort also, wo schon seit 1966 einige der bemerkens-wertesten Gigs der SF-Szene stattfanden; Dead, Quicksilver, Big Bros, Country Joe und natürlich die Airplane selbst traten hier unzählige Male auf; meistens umsonst und für nix; die politisch hochkorrekten
Digger, die sie einluden, erwarteten Freikonzerte, als Statement gegen das verkommenen Establishment.
...Na Ja....???
Wie außer ihnen nur ganz wenige (mir fällt grad Zappa ein), erschufen die Airplane ihre Songs jedesmal neu; es gab immer wieder neue
Intros; die Soli und Jams waren (logo) auch immer anders; selbst die Intensität des Gesangs änderte sich mit jedem Auftritt.
Live boten sie die von mir so geliebte Rauheit; hier konnte man jede
von Jorma's Saiten einzeln auf den Korpus knallen hören; jeder Akkord, jede einzelne kleine Note entstand immer wieder neu und man kann hören, wie sie geformt wird.
Ob Jorma nun der beste aller SF-Gitarristen war will ich nicht beantworten; ich schätze sie alle und mache keinen Unterschied; aber dieses aggressive Greifen hat ihm so keiner nachgemacht (Cipo war
nahe dran). Auch der Rest der Airplane personifiziert die Wildheit des Rock'n'Roll immer wieder aufs neue; selbst bei langsamen Stücken.
Natürlich ists auch immer wieder Grace, die dir hier den, na-du-weißt-schon was aufreißt; eine kompromißlose Partie war sie immer und auf der Bühne bellt und heult sie ihre Beiträge, daß die ganze Show schier
zu explodieren droht.
Und schon heult und klagt, schmeichelt und lockt Marti Balin ihr
entgegen; beide Stimmen scheinen in alle Himmelsrichtungen auseinanderzufliegen, und doch, sie kommen punktgenau wieder zusammen, kriegen den Refrain hin und schon wieder schreit Grace
nach links weg, krächzt Marti nach rechts.
Manchmal lassen sie Paul Kantner eine ruhige Nummer durchziehen, sonor kommt er daher, stimmlich viel voller, als man das von den Studiowerken gewohnt ist; live ist eben alles viel kräftiger bei dieser Band.
Und dann natürlich, man kann es nicht oft genug erwähnen, dieser rumpelnde Bass Jack Cassidy's; es gibt nicht viele auf dieser Welt, die ihm das Wasser reichen können (Jack Bruce?); er ist der tuckernde Motor; läßt es sich nicht nehmen, auch Solofiguren zu spielen und dadurch noch mehr geballte Kraft ins Aufgebot zu mischen .
Spencer Dryden wird manchmal als das am wenigsten aggresivste Bandmitglied kritisiert.
Nun, auf diesem Set wird einmal mehr deutlich, warum das geradezu so sein mußte:
NOCH MEHR Power aus dem Rückraum heraus hätte die Bühne zerrissen.
Durch sein eher Verhaltenes Klopfen hat Spencer den anderen Airplanes wahrscheinlich immer wieder das Leben gerettet; sie wären sonst bei jedem Auftritt explodiert.
Die Klangqualität ist hervorragend, hinzu kommt, daß man auch
Ansagen im Set gelassen hat; hier entsteht selbst zuhause noch die perfekte Live-Atmosphäre.
Die meisten Stücke bewegen sich irgendwo zwischen 4-6 Minuten; trotzdem gibts immer wieder Jams. Gang rein und ab dafür.
Obwohl alles vorher schon veröffentlicht, ist hier nichts deckungsgleich zu den Studioversionen.
Die Airplane waren nie drängender und intensiver, als auf ihren Live-Werken. Einen schlechten Set habe ich nie zu hören bekommenm,
aber dieser hier ist wahrscheinlich der fulminanteste von allen.
Schade, daß es hier im Forum so wenige gibt, denen sich die einzigartige Magie der West Coast-Szene erschließt. Mich begeistert diese Mucke seit
40 Jahren. Auch At Golden Gate Park ist eine Pflichtscheibe für mich.
Natürlich bin ich kein bißchen objektiv.
1. The Other Side Of This Life
2. Somebody To Love
3. The Farm
4. Greasy Heart
5. Good Shepherd
6. Plastic Fantastic Lover
7. Uncle Sam Blues
8. Volunteers
9. White Rabbit
10. Won't You Try / Saturday Afternoon
11. Jam
12. We Can Be Together
13. Mexico
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