Erstaunlich, dass ich dieses Livealbum von Hawkwind noch gar nicht besprochen habe. War es doch meine allererste bewusste Bekanntschaft mit ihnen, und das auch nur, weil die Platte damals im Fach mit den Heavy-Metal-Neuheiten einsortiert war.
Nach den Wirren der drei vorangegangenen Jahre (Rauswurf von Nik Turner und anderen Bandmitgliedern, Auflösung und Neugründung der Band, verstärkte Probleme mit und Ausstieg von Sänger Bob Calvert) war es fast ein kleines Wunder, dass die Band einen Vertrag mit Bronze Records bekam. Aber eben – Heavy Metal war gerade am Entstehen und Gerry Bron, der Label-Eigner von Bronze (die eine Menge Heavy-Metal-/Hardrock-Bands unter Vertrag hatten) war der Meinung, Hawkwind passten gut in sein Konzept. Es sollte aber ein Livealbum her, da die Band auf der Bühne immer einen Gutteil rockiger, wilder und durchaus auch härter war.
Schon mit den ersten Tönen von „Shot down in the night“ lösen die Hawks hier Brons Hoffnung ein. Das einzige für Hawkwind geschriebene Stück des Kurzzeitkeyboarders Steve Swindells rockt straight hartrockend über siebeneinhalb Minuten durch. Wirklich schöne Gitarrensoli von Lloyd-Langton geben dem Ganzen noch zusätzlich Pfeffer.
Im ersten Stück sind die Keyboards noch kaum zu vernehmen und das überrascht, sind sie doch bei diesem Album zum erstenmal mit einem schon berühmten Gast besetzt: Tim Blake von den Psychedelikern Gong stößt hier zur Band und bleibt ihnen seitdem über die Jahre mit wechselnden Festengagements sowie in Teilzeitarbeit erhalten.
Seine wunderbar weichen Keyboardklänge verzieren „Motorway City“, das zweite damals brandneue Stück im Live-Set. Verhalten rockend mit einem Ohrwurm-Refrain und eben den erwähnten Tastenklängen versehen, entwickelte sich das Stück schnell zu einem Klassiker im Bandkatalog. Die hier vorhandene Liveversion schlägt die ein Jahr später erscheinende Studioaufnahme (Album „Levitation“) locker.
Als drittes folgt nichts anderes als die bis heute beste Version des Hawkwind-Klassikers „Spirit of the age“. Eigentlich ein typisches Bob-Calvert-Stück in Text und Vortrag, macht Dave Brocks Gesang durch den Vocoder hier trotzdem die bessere Figur für mich. Wiederum tragen Blakes Klänge zur Faszination des Stücks bei. Die anfangs unterkühlte, dem Thema angepasste Stimmung zieht nach und nach an und wird zu einem großartigen Space-Rocker, wiedereinmal wesentlich schneller als die Studioversion gespielt (bei Hawkwind nicht so selten).
Klotzen, nicht kleckern, und so folgt der nächste riesengroße Klassiker der Band. Nik Turners „Brainstorm“ erinnert hier aber eher an eine Coverversion einer Heavy-Metal-Band. Da fehlt mir eindeutig die anarchische Wirkung, die Turners quäkendes Sax immer mit sich brachte. Trotzdem hart-rockend und gut, nur gibt’s da bessere Versionen.
Mit „Lighthouse“ folgt ein Solostück von Tim Blake aus seinem sehr zu empfehlenden Electronic-Album „Blake’s New Jerusalem“. Blakes Vertrag mit der Band sah von Anfang an ausgiebige Solospots während der Konzerte vor. Das ist bis heute einmalig bei Hawkwind, da kein anderer Musiker in der Band je soviel Raum für eigenes Material bekam. Der Beherrscher der Crystal Machine (Blakes liebevoller Name für sein Keyboard Arsenal) nutzte dies immer auf vorzügliche Weise, meist mit dem hier vorliegenden Stück sowie dem Titelsong seines erwähnten Albums. Leider ist das hier nicht drauf, da ich es fast noch einen Tick besser finde.
„Master of the universe“, ein weiterer Riesenklassiker des Backkatalogs, folgt als nächstes, und im Gegensatz zu „Brainstorm“ funktioniert die single-taugliche Kurzversion hier prächtig. Ein Track, dem das Prädikat "Heavy Metal" gut steht. Für mich die definitive Aufnahme des Songs.
Den Abschluß der Einzel-LP bildet dann ein auf anderthalb Minuten verstümmeltes „Silver Machine“, das auch noch mittendrin mit einer Explosion die Platte beendet. Man sagt, Hawkwind hatten damals die Nase von ihrem großen Single-Hit voll und wollten mit dieser Verkürztversion das Stück symbolisch zu Grabe tragen. Schwer zu glauben, da sie bei Konzerten das Stück normal ausspielten. Scheint eher ein Gag der Plattenfirma gewesen zu sein.
„Live 79“ ist ein großartiges Hawkwind-Livealbum. Rein von der transportierten Energie würde ich es sogar als ihr bestes Bühnendokument bezeichnen. Es gibt aber leider zwei große Nachteile. Der Sound ist irgendwie dumpf. Da ich nicht die Anfang der 90er Jahre erschienene Remaster-Version habe, weiß ich nicht, ob das da verbessert wurde. Zweiter und gravierenderer Nachteil ist natürlich die Einzel-LP/CD, die große Teile des Konzertes ausspart.
Auf der 1999 erschienenen Doppel-Live-CD „Complete 79 – Collector Series Vol. 1“ befindet sich zwar dann endlich ein gesamtes Konzert der damaligen Tour (inkl. dem erwähnten Blake Solospot „Blake’s New Jerusalem), jedoch hat der Sound dort leider sogar nur Bootleg-Qualität. Dem Hawkwind-Fan empfehle ich trotzdem diese Komplettversion, ein Hawkwind-Einsteiger ist mit diesem hier besprochenen hart rockenden Livewerk der Space-Könige aber bestens bedient.
Besetzung:
Dave Brock - Lead Vocals, Guitar, Keyboards, Synths
Simon King - Drums
Tim Blake - Keyboards, Synthesizer
Harvey Bainbridge - Bass, Backing Vocals
Huw Lloyd-Langton - Lead Guitar, Backing Vocals
Songs:
1. Shot down in the night 7:39
2. Motorway City 8:10
3. Spirit of the age 8:20
4. Brainstorm 8:41
5. Lighthouse 6:26
6. Master of the universe 4:34
7. Silver Machine (Requiem) 1:23
Jahr: 1980
Label: Castle Communications
Jerry
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