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März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

kraut-brain

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März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 28.02.2023 - 23:15 Uhr  ·  #668766
Blodwyn Pig „Getting To This“ -1970-



Es ist immer problematisch, wenn sich zwei Alphatiere innerhalb einer Band befinden, die sich über die Ausrichtung der künftigen musikalischen Gestaltung ihrer Gruppe in die Haare bekommen. So geschehen bei Jethro Tull, also hieß es Abschiednehmen und Mick Abraham gründete eine neue Band namens "Blodwyn Pig". Trotzdem sollte der musikalische Einfluss von Mick Abraham bei den Aufnahmen von "This was" keinesfalls unterschlagen werden, denn er war letztlich erheblich. Eine derartige bluesige Ausrichtung hatten Jethro Tull danach nicht mehr.

Trotzdem fiel der Gute in kein Loch und paarte mit den Herren Andy Pyle, Ron Berg und Jack Lancaster fähige und innovative Musiker um sich. Heraus kam eine Melange aus bluesigen Rock, die sich mit progigen Jazzelementen verknüpfte. Wem die erste Einspielung "Ahead Rings Out" aus dem Jahre 1969 zusagte, wird geradezu erfreut über die Entwicklung ihrer zweiten Einspielung "Getting To This" gewesen sein. Noch flüssiger, einfühlender hatte die Band ihren eigenen Musikstil verfeinert, auf der jeder der Musiker seine Duftnoten setzen "durfte". Vielleicht ist es der Einfluss der "Westcoast-Music", der diese Einspielung so fluffig wie eine perfektes "Souffle" werden ließ. Und gerade diese Einzigkeit, dieses Feeling der eingespielten Musikstücke der zweiten Platte hatte man in der damaligen Zeit bei amerikanischen Bands dieses Genre vorgefunden, weniger in Europa. Die walisische Gruppe "Man" fällt mir in diesem Zusammenhang spontan als Ausnahme ein.

Das Album:

„Drive Me“ eröffnet schwungvoll das Album und bewegt sich in einem dahin strömenden Rhythm & Blues Fahrwasser. Die tragende Säule ist hier sicherlich das Saxophonspiel von Jack Lancaster, der immer wieder Fixpunkte zusetzen vermag. Auch die rauchige Stimme von Mick Abraham rundet das Gesamtgeschehen ab. Es ist ein perfekter Opener, der den Hörer gleich mit auf die Reise nimmt
.
Das folgende Stück „Variation On Nanos“ beginnt wesentlich verhaltener und versprüht einen gewissen psychedelischen Touch, wie er typisch für diese Zeitepoche war. Jack Lancaster ist hier wieder der Musiker, der das Farbenspiel des Stückes dominiert, hier allerdings mit seiner Querflöte. Eine gewisse Nähe zu Jethro Tull ist nicht von der Hand zu weisen. Auch das Slidespiel schimmert von Mick Abraham bisweilen wohltuend hervor.

Der dritte Song „See My Way“ startet fragil und einschmeichelnd, um sich rasch in seiner Intensität zu steigern und zeigt auf, dass Mick sowohl in den leisen als auch kraftvollen Passagen songdienlich seinen Gesang einbringen kann. Auch das anschließende auf Augenhöhe ausgetragene Duell zwischen Saxophon und Gitarre ist ein weiterer Höhepunkt dieses Musikstücks, gefolgt von einer längeren Gitarrenpassage. Man kehrt nochmals zum verhaltenen ruhigen Eingangsthema zurück, um nochmals das beschriebene Sax- und Gitarrenduell als Abschluss einzuweben. Für mich es ist einer der Favoriten des Albums.

Der „Long Bomb Blues“ bietet den anderen Mitspielern der Band Zeit zum Verweilen, denn auf dem kleinen Zwischenstück agiert lediglich Mick auf seiner Slidegitarre und singt dazu.

Der fünfte Song „Squirrling Must Go On“ ist ein im Midtempo treibender Song, der von dem sich immer steigernden Gitarrenspiel Micks dominiert wird. Faktisch eine wahre Spielwiese zum Austoben, zudem bildet hier die Rhythmussektion eine gesunde Basis zum Gelingen dieses druckvollen Songs.

Kernstück des Albums ist der achtminütge Longtrack „San Francicso Sketches“, der eine musikalische Nähe zu Jethro Tull offenbart. Es gliedert sich in insgesamt vier unterschiedlichen Abschnitten. Eingeläutet wird es durch das feinfühlige Querflötenspiel von Jack Lancaster, folgend von Micks bisweilen ruppigen und zugleich jazzigen Solo. Dem schließen sich ruhige Harmoniegesänge an, die bei spürbar steigerndem Tempo von Micks Gitarre unterfüttert werden, der sich hier fordernd in den Mittelpunkt rückt. Abschließend schließt sich eine jazzige Passage an, die aufzeigt, welch gefühlvoller Saxophonspieler Jack Lancaster ist.

Das 7. Stück „Worry“ beweist, dass die Band auch hart rocken kann. Ron Berg und Andy Pile bieten hier gleichermaßen den Teppich für den Fluss des Stückes mit all seinen Tempowechseln. Besondere Duftmarken setzten Mick und Jack mit ihren kurzen aber feinen Solis.

Beim folgenden „Toys“ rückt Mick wieder in den Mittelpunkt. Neben dem Gesang ist hier die Akustikgitarre sein Begleiter. Insgesamt ist es ein sehr verhaltenes Musikstück.

Der vorletzte Track „To Rassman“ ist zugleich auch das kürzeste Stück des Albums und muss in seiner Reggaedarbietung als Gimmicksong mit Humorcharakter angesehen werden.

„Send Your Son To Die“ rundet das Album ab und zeigt nochmals die leicht jazzrockige Ausrichtung der Band auf. Abermals glänzen Mick und Jack mit kurzen und zugleich markanten Solis, unterstützt durch eine glänzend aufgelegte Rhythmussektion. Textlich werden mahnenden Worte in Richtung der USA hinsichtlich des herrschenden Vietnamkrieges gesandt.

Fazit:

Leider war die schöne Zeit nach diesen beiden Einspielungen bereits vorbei. Trotzdem haben die Mannen um Mick Abrahams etwas erschaffen, wozu andere Bands viele Jahre und zum Teil diverse Einspielungen benötigen, nämlich etwas Eigenes zu erschaffen, etwas zu kreieren, was andere in dieser dargebotenen Form noch nicht getan haben. Und dieses ist sicherlich auch einer der Gründe, warum die Musik von "Blodwyn Pig" nicht in Vergessenheit geraten ist. Wer sich von dieser Musik nicht infizieren lässt, dem ist in meinen Augen auch nicht zu helfen.

Musiker:

Mick Abrahams: Guitar, Vocals, 7 String Slide Guitar
Jack Lancaster: Flue, Violin, Tenor, Baritone, Soprano Sax, Brass Arrangements
Andy Pyle: Electric Bass, Six-String Bass
Ron Berg: Drums
Graham Waller: Piano ("Drive Me", "Beach Scape")

Songs:

01 Drive Me – 3:19 (Abrahams)
02 Variations on Nainos – 3:47 (Abrahams)
03 See My Way – 5:04 (Abrahams)
04 Long Bomb Blues – 1:07 (Abrahams)
05 The Squirreling Must Go On – 4:22 (Abrahams/Pyle)
06 San Francisco Sketches – 8:11 (Lancaster)
a) Beach Scape
b) Fisherman's Wharf
c) Telegraph Hill
d) Close the Door, I'm Falling Out of the Room
07 Worry - 3:41 (A.Pyle)
08 Toys – 3:03 (Abrahams)
09 To Rassman – 1:29 (Berg)
10 Send Your Son to Die – 4:25 (Abrahams)

Songbeispiele:

"Drive Me"

"Variations On Nainos"

"See My Way"

"Long Bomb Blues"

"The Squirreling Must Go On"

"San Francisco Sketches"

"Worry"

"Toys"

"Send Your Son To Die"

firebyrd

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 01.03.2023 - 12:40 Uhr  ·  #668806

Jersch

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 01.03.2023 - 14:44 Uhr  ·  #668812
Ganz herzlichen Dank für die stimmige und aufschlussreiche Rezension. Wie Du weißt, bin ich nun seit fast 30 Jahren ein Fan und Bewunderer der 2 Alben von BLODWYN PIG. Diese Eigenständigkeit ihrer Musik bewundere ich sehr, ich besitze von beiden Veröffentlichungen alle Lp-Pressungen und bin immer sehr glücklich, wenn ich diese Musik geniessen kann.

In all den Jahren hat diese sich nicht ein bisschen abgenutzt und die ich bemerke beim hören immer eine gewisse Atmosphäre in mir. Vielleicht geht es Dir ja bei der einen oder anderen Band oder einem Künstler ebenso.

Der Beat-Club war auch für mich das Erlebnis des kennenlernens und dann ging es rasch auf die Suche nach Tonträgern dieser Band. Der Hamburger Versand MALIBU konnte mir als erstes mit "Getting To This" auf BGO-Records helfen, für stattliche 29,95 DM. "Ahead Rings Out" fand ich dann irgendwann auf der Platten und CD-Börse, den Rest besorgte ich mir über Ebay.

Triskell

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 01.03.2023 - 22:41 Uhr  ·  #668871
Chapeau! :-D Mehr bedarf es nicht. ^_^

badMoon

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 05.03.2023 - 12:40 Uhr  ·  #669192
Zunächst das Cover - schön gestaltet und sehr ansprechend, es lässt Erinnerungen an ähnlich gestaltete Cover der ARCHIES zu. Das wären sie aber auch schon - die Gemeinsamkeiten. Musikalisch geht es ganz anders zur Sache.

Der "Knallersong" ist, wie in der Rezi als "Kernstück" bezeichnet, tatsächlich der Longtrack „San Francicso Sketches“. Dennoch zündet bereits der Opener und macht Lust auf die kommenden Stücke. Wenngleich es auf der Scheibe kaum Aussetzer gibt, haben mich doch zwei Songs ein wenig verwundert. Da wäre einerseits "To Rass Man", der ein wenig deutschschlagermäßig mit etwas "Um-Ta-Ta" daherkommt. Und dann wäre noch dieser "Send Your Son To Die". Der Titel lässt einen eher nachdenklich-bedrückenden Song mit ebensolcher Melodie erwarten. Was tatsächlich aus den Boxen schallt, ist eher das Gegenteil. Beschwingt und treibend hätte man eher den Gedanken, in Uniform und Stiefel zu springen und sich freiwillig zum Dienst zu melden.

Noch ist mir nicht ganz klar, ob ich dieses oder das Erstlingswerk nach oben stellen würde. Allein das phantastische Dear Jill rechtfertigte den Kauf dieses Albums.

Egal - "Getting To This" ist ein tolles Album, welches Laune macht und voller Groove abgeht. Nicht nur einmal lauern, sogar gesangsmäßig, wie ich finde, die Tulls um die Ecke.

Tolle Rezi - mehr davon.

kraut-brain

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 05.03.2023 - 17:19 Uhr  ·  #669236
Zitat geschrieben von Jersch

In all den Jahren hat diese sich nicht ein bisschen abgenutzt und die ich bemerke beim hören immer eine gewisse Atmosphäre in mir. Vielleicht geht es Dir ja bei der einen oder anderen Band oder einem Künstler ebenso.


Da fallen wir spontan Frank Zappa, King Crimson und auch Can zu ein, die bei mir mehr als nachhaltige Spuren hinterlassen haben.

Witzig auch, dass du den Versand Malibu aus Hamburg genannt hast. Dort habe ich in den 90ern wahnsinnig viel bestellt, leider sind sie dann später pleite gegangen.

Tom Cody

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 05.03.2023 - 17:43 Uhr  ·  #669238
Die ersten beiden Alben der Gruppe gefallen mir gut und Mick Abrahams hat sicherlich eine Menge dazu beigetragen. Diese vor über 50 Jahren geschaffene Musik hat bei mir schon einen hohen Stellenwert.

Siegie, vielen Dank für diese detaillierte und informative Vorstelling. :-D

xanadu

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 05.03.2023 - 18:23 Uhr  ·  #669250
Tolles fertziges Album das ich als Meilenstein in der Musikgeschichte seh.

@kraut-brain hervorragend vorgestellt. Hat gleich meine Lust geweckt diese Alben anzuhören.
Dankeschön

Hab die Band vor allem durch See my Way kennen gelernt das mit damals unser Stanweb wärmstens empfohlen hat.

kraut-brain

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 25.03.2023 - 23:24 Uhr  ·  #671611
@All: Danke für die persönlichen Anmerkungen zu meiner Rezi.

Bluesiger Rock mit einer Verknüpfung von jazzigen bzw. progigen Elementen ist sicherlich nicht der Burner hier im Forum. Aber die erneute Vorstellung dieses Albums war für mich eine Herzensangelegenheit.

frimp

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 26.03.2023 - 08:40 Uhr  ·  #671623
Wow, die Rezi ist mir glatt durchgerutscht. Danke für das Erinnern an das zweite Album dieser Ausnahmeband. Schade, dass es dann schon eigentlich war.

badger

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Re: März 2023 - Blodwyn Pig "Getting To This" -1970-

 ·  Gepostet: 28.07.2023 - 18:09 Uhr  ·  #681384
Zitat geschrieben von kraut-brain


Fazit:

Leider war die schöne Zeit nach diesen beiden Einspielungen bereits vorbei. Trotzdem haben die Mannen um Mick Abrahams etwas erschaffen, wozu andere Bands viele Jahre und zum Teil diverse Einspielungen benötigen, nämlich etwas Eigenes zu erschaffen, etwas zu kreieren, was andere in dieser dargebotenen Form noch nicht getan haben. Und dieses ist sicherlich auch einer der Gründe, warum die Musik von "Blodwyn Pig" nicht in Vergessenheit geraten ist. Wer sich von dieser Musik nicht infizieren lässt, dem ist in meinen Augen auch nicht zu helfen.



natürlich eine fabelhafte rezi so ganz nach meinem geschmack. Fräulein Blodwyn ("Wilde Blume") eroberte schon gleich
mit der ersten lp mein herz und hat es seither nicht mehr verlassen. jazzgetränkter bluesrock mit nicht nur einem
ganz famosen Gitarristen, sondern einem ebenso famosen saxophonisten obendrein.
auch ganz erquicklich war Mick's satirischer humor in texten, interviews und auf der bühne.

man kann sich heute, wo bands in kürzester zeit ein dutzend cds mal je 80 minuten auf den markt werfen,
nicht mehr vorstellen, wie einflußreich Frl. Schwein doch damals war: mit vielleicht gerade mal 70 minuten
studio-musik, aber auf vielen wichtigen festivals und bei allen angesagten tv-programmen waren BP dabei
(hab es leider nur geschafft, Mick Abrahams, nicht aber BP live zu sehen, aber die alten shows der BBC, Beat Club
oder France 2 stehen schon lange hier). die musikmagazine waren voll mit BP-stories.

ursprünglich mag es tatsächlich nur 2 studio-lps gegeben haben, später kam noch mehr aus diversen reunions hinzu
(die wohl alle nicht so doll sind), aber der geneigte fan hat durchaus möglichkeiten, seine BP-sammlung zu
erweitern:
die 'Fillmore West; August 1970 - docd' ist vielleicht nicht so ganz offiziell, beweist aber, daß man auch
mit Dead, Airplane oder Quicksilver mithalten konnte.
auf der völlig offiziellen 'Pigthology' finden sich neben alternativ-versionen noch eine reihe unveröffentlichter sachen
aus der besten zeit. sagenhaft die hommage an Thelonius Monk; 'Monkinit'.
'Live At The Lafayette' ist vielleicht nicht ganz so überragend, aber dann hätten wir noch 'Radio Sessions 69 To 71';
halb BP und halb Mick Abrahams Band.

Mick Abrahams hat noch eine weiterer alte bänder in cds umgewandelt; ob man aber mehr als die o.a. haben
muß (z.b. irgendwelche blues-gassenhauer in der millionsten version), wäre noch zu hinterfragen.

Mit Getting To This hast du in jedem fall einen meilenstein vorgestellt, den ich, weil gerade 'B' abarbeitend, gerade
erst gehört habe.
und wenn Fräulein Blodwyn ein tänzchen wagen will; ich denke Frau Badger wird es erlauben.