Robbie Robertson - Same | CAN | 1987 | Classic Rock
1987 - das war das Jahr einiger weniger "Rituale". An zwei Abenden je Woche gab ich an der örtlichen VHS zwei hintereinander folgende EDV-Seminare. Anschließend fuhr ich, es war mittlerweile ca. 21:45 Uhr geworden, zu dem ebenfalls ortsansässigen mexikanischen Restaurant "
---> Restaurant Mexican ". Dort traf ich mich mit einem Freund zum gemeinsamen Essen, anschließend ging es meist auf einen Tee und zum Musik hören zu mir nach Hause. Zu dieser Zeit gab es noch halbwegs vernünftige Radiosender, und so ließen wir die erste Stunde meist SWR oder WDR oder einen niederländischen Sender laufen.
An einem dieser Abende, ich war gerade in der Zubereitung eines Golden Orange Pekoe (eine meiner Lieblingsteesorten), das Radio war recht laut aufgedreht, musste ich doch ein wenig innehalten. Stand ich hier im
Jurassic Park ? Stampft hier ein Tyrannosaurus Rex auf mich zu und gönnt sich einen kleinen Happen? Laut und abgrundtief wummerten die Bässe. Dermaßen laut und tieftönend, dass die Gläser in der Vitrine vibrierten. Hölle - was war das?
Langsam setzten Synthie und Gitarre ein. Dann die Stimme - obwohl irgendwie bekannt vorkommend, konnte ich sie überhaupt nicht zuordnen. Und - was passiert da nun? Höre ich
Peter Gabriel heraus? Unverkennbar, ...seine Stimme, die den Refrain singt:
"
Fallen angel - Casts a shadow up against the sun - If my eyes could see - The spirit of the chosen one "
Was für ein phantastischer Song, was für eine tolle Stimmung, ein hervorragender Aufbau des Songs. Der Song war nicht zuende, der Rest der CD völlig unbekannt, als bereits klar war: die Scheibe muss her.
Fallen Angel
Ein Wochenende verging, am darauf folgenden Wochenanfang lag die CD endlich im Player. Der Opener der CD war der oben bereits beschriebene "
Fallen Angel ", für mich auch heute noch mein Favorit auf dieser Scheibe.
"Showdown At Big Sky" war das nächste Ass, welches
Robertson aus dem Ärmel zog - damit gar nicht erst der Griff zur Zappingvorrichtung erfolgte.
Robertsons markante Stimme wird oft durch Chorgesänge unterstützt, kleine, feine Gitarren- und Synthieeinlagen sorgen für Abwechslung in einem Song, der durchgängig auf hohem Lautstärkepegel spielt.
Showdown At Big Sky
Mit "
Broken Arrow " folgt ein ruhiges, getragenes, fast melancholisches Musikstück mit einer schönen Melodie. Hiervon gibt es eine Coverversion von
Rod Steward aus 1991, live wurde der Song auch von den
Greatful Dead auf die Bühne gebracht.
Broken Arrow
Dieses Album ist ein wahres Juwel, teils rockig, oft sehr verehalten, sehr vielschichtig und abwechslungsreich. Produziert wurde es von
---> Daniel Lanois , der den Musikinteressierten nicht nur als Produzent bekannt sein dürfte. Namhafte Künstler wie der bereits erwähnte
Peter Gabriel , aber auch
Bono (U2),
Tony Levin oder
Manu Katché wirkten auf dem Album mit.
Eine Hitsingle hatte das Debutalbum ebenfalls vorzuweisen. Es war nicht der von mir favorisierte Song "
Fallen Angel ". Das Rennen machte "
Somewhere Down The Crazy River ", ein Stück, welches regelrecht in seinen Bann zieht. Verantwortlich hierfür ist wieder einmal
Robertsons Stimme, diesmal wird wechselhaft mit Sprechgesang und Gesang vorgetragen. Aber auch der schwebende Synthie, das Gitarrenpicking oder die präzise geschlagenen Drums tun ihr eigenes dazu. Interessant finde ich heute noch, dass ich beim Ersthören der Meinung war,
Tina Turner singt den Refrain "
Somewhere Down The Crazy River ". Ein Fehler, wie ich später feststellen musste.
Somewhere Down The Crazy River
Letztendlich bleibt die Frage, wie ich das Album wiederentdeckte. Eigentlich habe ich es nie aus den Augen verloren, es bleibt lediglich des Öfteren für längere Zeit im Regal. Ausschlag gebend dafür, dass es erst kürzlich wieder auflegte, war ein Brezel im Monat April. Unser Artist
Sungrazer hatte zu meiner großen Freude diese Scheibe gepostet, worauf sie auch hier gleich wieder im Player landete. Wenngleich in den vergangenen Jahren immer wieder gehört, kann ich doch behaupten, für diesen "Wiederentdeckt" - Beitrag noch einmal sehr intensiv zugehört und unter dem Kopfhörer doch wieder feine Klänge neu entdeckt zu haben.
Bei dieser Wiederentdeckung möchte ich es jedoch nicht belassen, ein wenig mehr zu Robbie Robertson und seinen Scheiben gibt es doch zu erwähnen. Daher hier eine Kurzvorstellung der CDs, die nach seinem ersten Solowerk folgten.
Storyville | 1991
Mit "
Storyville " präsentiert sich
Robertson als ausgesprochener Storyteller. Auf seinem zweite Album erzählt er in zehn Songs eine Geschichte, die im legendären Rotlichtviertel
Storyville der Jahrhundertwende in New Orleans spielt. Aufgenommen wurde das Album in New Orleans, unter anderem mit Mitgliedern der
Neville Brothers, Mardi Gras Indians, Meters und
Zion Harmonizers . Das Album darf ohne weiteres als ein Konzeptalbum bezeichnet werden.
Im Vergleich zu seinem Erstlingswerk wirkt "
Storyville " homogener, ruhiger, es scheint schneller ins Ohr zu gehen, ohne dass sich jedoch vorzeitig Abnutzungserscheinungen abzeichnen. Ganz im Gegenteil, immer wieder gibt es neue, feine Nuancen zu entdecken - vor allem, wenn von der Lautsprecherbeschallung auf Kopfhörer umgeschaltet wird.
Drei Songs, die ich aus diesem Album besonders gerne höre, sind das magische "
Hold Back The Dawn ", die kleine Story des "
Soapbox Preacher " (wer hier genau hinhört, hört weit im Hintergrund ab und an
Neil Young am Microfon) sowie das wunderschön getragene "
Sign Of The Rainbow "
When I got back to my hometown / I saw the ghosts of yesterday / And my godmother bless her soul / She still lives down this way / Remember when I was just a kid / And she would tell a story
Hold Back The Dawn |
Soap Box Preacher |
Sign Of The Rainbow
Contact From The Underworld Of Redboy | 1998
Bei den ersten Takten bekam ich erst einmal einen schönen Schrecken. Das (!) ist von
Robbie Robertson ? "
---> The Sound Is Fading " eröffnet die CD und hinterlässt zunächst ein Fragezeichen im Gesicht. Was ist das für eine Sprache, was für ein Rhythmus? Generell ist die Scheibe gespickt mit fremd anmutenden Klängen und Geräuschen, dennoch ist
Robertson unverkennbar präsent.
Die Übersetzung eines wiki-Auszuges lautet:
"Das Album besteht aus Musik, die von der kanadischen Musik der Aborigines inspiriert ist (einschließlich traditioneller kanadischer Lieder und Gesänge der Aborigines), sowie modernem Rock, Trip Hop und Electronica, die oft zusammen integriert sind, und enthält viele Gastkünstler."
Aus diesem Album hier vier Auszüge, die mir besonders gefielen. Dies sind das rhythmische, tanzbare "
Making A Noise , der verhalten-ruhige Song "
Unbound ", eindringlich hier
Robertsons Stimme, das monotone Schlagzeug sowie die weibliche Hintergrundstimme, und letztendlich das schon fast düstere "
The Lights "
Making A Noise | Unbound | The Lights | Sacrifice
In seinem Song "
Sacrifice " spricht
---> Leonard Peltier , ein indianischer Aktivist der
American Indian Movement aus dem Gefängnis am Telefon. "
Ich war gerade dabei, diese Platte aufzunehmen ", sagte
Robertson in einem Interview. "
Und eines Tages rief er mich am Telefon an und sprach mit mir . Ich dachte: "
Alle anderen haben die Situation von Leonard Peltier beschrieben, aber niemand hat ihn jemals in seinem eigenen Namen sprechen hören, um die Geschichte selbst zu erzählen. "
How to Become Clairvoyant | 2011
Auf diesem Album kehrt
Robinson zurück zu seinen ersten Solowerken. Sofort ist hier unverkennbar seine Handschrift zu erkennen. Es ähnelt in seinem Songwriting sehr seinem zweiten Werk "
Storyville ". Wieder einmal ist zu vernehmen, welch hervorragender Gitarrist
Robinson ist - auch ohne ausufernde Gitarrensoli ist dies zu hören. Namhafte Musiker wie
Clapton, Winwood oder
Morello gaben sich die Ehre, hier mitzuwirken. Meine Soundproben:
Mi película | Fear Of Falling | Axman | Won't Be Back
Sinematic | 2019
Mit
Sinematic hat
Robbie Robertson sein (hoffentlich nicht) letztes Album veröffentlicht. Aus meiner Sicht gehört es mit zu seinen besten Alben. Illustre Gäste wie
Van Morrison, Glen Hansard, Jim Keltner oder
J.S. Ondara , um nur einige zu nennen, wirken hier mit.
Dass
Robertson führendes Mitglied der Band
The Band war - Schwamm drüber, das dürfte bekannt sein. Weniger bekannt ist möglicherweise, dass der Konzertfilm und das Vermächtnis der Band,
"The Band – The Last Waltz" ein Film des Regisseurs
Martin Scorsese (
Departed, Good Fellas, Taxi Driver, Shutter Island, Gangs Of New York... ) aus dem Jahr 1978 ist. Dieser Zusammenarbeit ist es wohl zu verdanken, dass
Scorsese für etliche seiner Filme
Robertson für manch einen Soundtrack heranzog. So ist bereits der Opener dieses Albums,
I Hear You Paint Houses , in seinem Mafia-Epos "
The Irishman "
(u.a. mit Robert De Niro, Al Pacino, Joe Pesci, Steven Van Zandt ) zu hören. Zu dem Song gibt es einen Videoclip, der leider hierzulande gesperrt ist. Sei es aus lizenzrechtlichen Gründen oder weil er Szenen enthält, die der FSK unterliegen, entzieht sich meiner Kenntnis.
I Hear You Paint Houses (feat. Van Morrison)
In seine eigene finstere Vergangenheit, so ist zu lesen, kehrt
Robbinson in dem Song "
The Dead End Kid " zurück. Sei's drum, ob es der Wahrheit entspricht, weiß nur der Songschreiber selber. Tatsache bleibt, dass es sich hier um ein weiteres tolles Stück auf dem Album handelt.
Dead End Kid
"Sinematic" ist ein Album, welches - oh Wunder bei diesem Albumtitel, wie ein Film vor dem geistigen Auge abläuft, verfolgt man ein wenig die Textbeilage im Booklet.
Robertson , geboren 1943, ist mittlerweile 77 Jahre alt. Bleibt zu hoffen, dass von ihm noch einige Werke erscheinen werden. Bis dahin noch einige Songbeispiele dieses Albums:
Shanghai Blues | Street Serenade | Remembrance
Wer den ein oder anderen Videoclip angesehen hat, wird bemerkt haben, dass immer wieder indianische Motive oder Sequenzen darin vorkamen.
Robertson , der selber (mütterlicherseits) indianische Wurzeln hat, ist es wohl ein Anliegen, diese in seiner Musik zu verarbeiten oder aber auf immer noch vorhandene Missstände die Natives betreffend aufmerksam zu machen. So gibt es auf youtube den Ausschnitt eines Liveauftrittes, bei dem das
Red Road Ensemble musikalisch begleitet.
Robbie Robertson feat. Special Guests in Sicilia
Eine Dokumentation über die Musik der Native Americans
Natürlich ist
Robertson nicht der einzige Vertreter indianischer Herkunft, der musikalisch tätig ist. Vielmehr gibt es eine große Menge an meist unbekannten Künstlern, die sich der Musik verschrieben haben. So hat der Sender ARTE vor einiger Zeit eine Dokumentation, der die Ursprünge indianischer Musik bis in die Jetztzeit darstellen sollte, ausgestrahlt. Möglicherweise ist einer
Robinsons Vorfahren in der Dokumentation vertreten. Wer weiß...