Ghostpoet - I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep | GB | 05/2020 | TripHop / AlternativeRock / Dub
Diese Scheibe ist für mich ein absoluter Zufallstreffer und Glücksfall. Schuld daran, dass mir Künstler und Album begegneten, ist Covid 19. Diesem Virus ist es zu verdanken, dass das Veröffentlichungsdatum der Scheiben, die ich auf dem Plan hatte, weit nach hinten verschoben wurden. Angedacht waren hier die Neuerscheinungen von
Wardruna oder
Willie Nelson. Von
FloydPink kam der Hinweis auf die Neue von
Pure Reason Revolution, bereits auf dem Teller lag hier die aktuelle CD von
Joe Satriani - zu den beiden Scheiben habe ich allerdings, obwohl zweifelsfrei durchgehend top, noch keinen richtigen Zugang gefunden. Häufigeres Hören ist hier Pflicht.
Ob nun die hier vorgestellte Scheibe ein adäquater Ersatz ist, sei dahingestellt - darum geht es auch gar nicht. Für mich ist es eine Entdeckung, die es wert ist, vorgestellt zu werden. Wenn es sich dabei um ein hier nicht sehr geläufiges Genre handelt, liegt darin ein besonderer Reiz. Was also erwartet uns auf der Scheibe? Let's Go - wir werden sehen.
Obaro Ejimiwe, so der bürgerliche Name hinter dem Künstlernamen
Ghostpoet, hat bereits bei der Trip-Hop-Band
Massive Attack mitgewirkt. So ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Grundstrukturen in seiner Musik ähnlichen Charakter haben. Weit gefehlt wäre jedoch die Annahme, dort abgekupfert zu haben, Ghostpoet beschreitet seinen ganz eigenen Weg.
Das Album beschäftigt sich annähernd 45 Minuten mit ganz aktuellen Themen der Gesellschaft. Fast scheint es, Ghostpoet hatte die Gabe, beim Komponieren des Albums in die Zukunft zu schauen. In eine düstere Zukunft. Dies wird nicht nur durch die oft bedrohlichen, düsteren Klänge ausgedrückt. Auch die Texte malen kein gutes Bild unserer derzeitigen Gesellschaft.
Stülp Dir den Kopfhörer über und starte die Scheibe. Schleiche vorsichtig, wenn es düster geworden ist, durch eine verlassene Bahnhofsgegend. Oder durch ein Wohngebiet, welches nur selten wohlwollend in der Presse erwähnt wird. Diese Kombination aus den optischen und akustischen Reizen wird unweigerlich zu einem Unbehagen und zu Beklemmungen führen. Hoffentlich wirst Du nicht in dieser Gegend entdeckt. Oder gar von hinten angesprochen, ...der Schrecken würde Dir tief in die Glieder fahren.
"Rats In A Sack" beschäftigt sich mit dem Wiedererstarken der rechten Szene,
"Social Lacerations" mit der Vereinsamung in einer fremden Welt - wohl nicht von ungefähr, Ejimiwe lebt in Großbritannien, geboren wurde er in Nigeria.
Rats In A Sack | Social Lacerations
Scheinbar monoton flirrt die Musik um die Ohren. Fühlt sich an wie ein Soundtrack zu einem apokalyptischen Film. Hypnotisierender Bass, quälende Gitarrenpassagen, verstörende Samples, eine Mixtur, die einerseits keine gute Laune auf den Hörer überträgt, andererseits sehr gut für den richtigen Groove auf der Tanzfläche einer Szenedisco sorgen kann.
Concrete Pony | Breaking Cover
Selbstzweifel scheinen der Inhalt des Songs
"Humana Second Hand" zu sein, wenn dort beispielsweise sinniert wird
I'm just ugly / Grinning, me / Going on / Feed the pets / Watch the news / That window pane / Over yonder / Spit of pain / Once again the happy pills / Ain't doing shit - So what becomes of me? / What becomes of me? / So what becomes of me? / What becomes of me?
Die abgehackten Streicher am Anfang von
Humana Second Hand erinnern mich ein wenig an den Start
Led Zeppelins "Kashmir". Das wäre es auch schon mit Ähnlichkeiten. Sprechgesang, dunkle Bassläufe, rhythmische Drums beherrschen den depressiven Song, wenngleich - das Zeppelin-Intro zieht sich bis zum Ende durch das Geschehen.
Humana Second Hand | I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep
Ghostpoet beschert der Musikwelt wahrlich kein einfaches Album - aber eines, welches sich zu entdecken lohnt. Freunde leicht düsterer Klänge werden voll auf ihre Kosten kommen - Text unterstützt Sound. Neugierige, welche etwas abseits gewohnter Pfade wildern möchten, könnten fündig werden. Cineasten, auf der Suche nach einem Soundtrack zur Untermalung eines sich in morbiden U-Bahnhöfen abspielenden Films haben den Joker gezogen. Suizidgefährdete Zeitgenossen, die gerade auf einer Dachkante hocken, sollten jedoch zu einem anderen Musikstück greifen, sofern sie noch Zweifel am Absprung haben.
Die Setlist
01 Breaking Cover
02 Concrete Pony
03 Humana Second Hand
04 Black Dog Got Silver Eyes
05 Rats In A Sack
06 This Trainwreck Of A Life
07 Nowhere To Hide Now
08 When Mouths Collide
09 I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep
10 Social Lacerations
Weiterführende Links
Offizielle Website