Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

 
badMoon
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Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 10.04.2025 - 11:34 Uhr  ·  #1
Auch wenn meine damalige Vinylsammlung mittlerweile Geschichte ist, erinnere ich mich gerne an diese schönen Rituale zurück, die mit dem Hören dieser Scheiben verbunden waren. Nachdem die zu hörende Platte ausgewählt war, wurde zunächst die Schutzhülle, die die auserwählte LP beherbergte, aus dem Plattencover gezogen. Behutsam ging es weiter - der Daumen fasste den Plattenrand, die Finger hielten die Scheibe sicher in der Hand - bloß nicht das kostbare Gut mit den Händen berühren und Abdrücke in den Rillen hinterlassen.

Vorsichtig wurde die Auserwählte dann auf den Plattenteller gelegt. Mit einer Spezialbürste fand eine erste Reinigung statt, äußerst behutsam die Nadel des Drehers von meist nicht vorhandenem Staub befreit und dann der Abspielvorgang gestartet. Nachdem sich der Plattenteller in Bewegung setzte, noch schnell das mitlaufende Reinigungsbürstchen auf die äußere Kante der LP gelegt, und das Hörvergnügen konnte beginnen.

Ein feines Ritual, bis die ersten Töne erklangen.

Begonnen hatte mein Plattenhören mit der Kompaktanlage Dual HS140. Ein Einstieg, aber bereits mit einem Magnetsystem, soweit ich mich erinnere. Mit dem späteren Austausch der Geräte folgte ein Dual CS731Q - ein wunderbarer Dreher, die die Scheibe präzise und konstant auf 33 1/3, wofür die Quarzregelung zuständig war. Etwas später folgte dann der letzte Plattenspieler, ein Sony P-SX600 mit dem vollautomatischen Biotracer-Tonarm (...alles bei Interesse ---> hier zu sehen.)

Ich erinnere mich, dass der CS731Q um die 600 DM, der P-SX600 um die 1.200 DM kostete. Gemeinsam war beiden, dass die Platten wunderbar klangen, der Ton dank der präzisen Steuerung und wegen nicht vorhandener Gleichlaufschwankungen kein bisschen leierte und Dank exakt gedrehter Plattenteller nicht der Hauch vermeintlicher Höhenschläge entstand.

Heute nun lese ich in einem aktuellen HiFi-Magazin von einem Dreher "der Superlative".

* Sage und Schreibe 360 kg schwer (allein der Ständer wiegt 160 kg),
* 180.000 € VK,
* "exakt zur Erdmitte ausgerichtet" (???),
* 20 sich einander abstoßende Magnete,
* das Gewicht des Plattentellers beträgt 19 kg
* Höhe ca. 110 cm, usw...

Wenn also mit für dieses Gewicht geeignetem Transportfahrzeug der Dreher mittels hoffentlich vorhandenem Aufzug in die dritte Etage gewuchtet wurde, geht es ans Aufstellen des Transrotors. Steht dieser Bolide endlich einsatzbereit an seinem vorgesehenen Platz, kann endlich - ja, was denn nun? Natürlich die rund 220 Gramm leichte Langspielplatte auf dem 19.000 Gramm wiegenden Plattenteller aufgelegt werden.

Nun frage ich mich allen Ernstes: Ist ein solches Ungetüm wirklich nötig, ein aus fossilem Altöl gepresste Scheibe mit zwei Rillen in konstanter Umdrehung zu halten, damit nichts leiert, nichts rumpelt oder knarzt? Missachte ich die Optik dieses, ...ääh, Plattenspielers - Geschmäcker sind verschieden (...und meinen Geschmack trifft das Ding nicht) - stellt sich mir die Frage: muss ich technikgläubig sein, mir soetwas anzuschaffen, gilt allein der Prestigegedanke oder ist plötzlich etwas zu hören, was mit solch einem schnöden CS-731Q nicht zu hören gewesen wäre?

Worin also liegt der Sinn, 360 kg Material zu verbauen, um eine kleine, leichte Scheibe in konstanter Umdrehung zu halten? Kann mir das vielleicht jemand so erklären, als wäre ich 15 Jahre alt und wollte meinen ersten Plattenspieler kaufen?
hmc
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 10.04.2025 - 11:52 Uhr  ·  #2
Absolute Übertreibung der High End Szene.
Obwohl ich absoluter Fan der Marke bin, hört es sehr viel früher auf, was den finanziellen Rahmen betrifft.
Ästhetik erkenne ich auch keine.

Heute läuft ein Pro Ject mit einem Ortofon Bronze. Das muss reichen.
Wenn man die High End Welt genauer verfolgt, kann einem Angst und Bange werden.
Holztonarme für annähernd 10.000€; Wilmaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa.

Trotzdem mag ich diese Art Themen, da es sich vortrefflich streiten lässt über Sinn und Unsinn solcher Hi-Fi Boliden.
dan
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 10.04.2025 - 12:29 Uhr  ·  #3
Die Sache ist doch ganz einfach. Wenn ich das Geld habe, mir das Teil gefällt, kaufe ich es mir. Hr. Räke, als Bergbauingenieur, hat das früh erkannt und mit deinen Drehern eine echte Goldgrube aufgetan. Mir gefällt dieser Plattenspieler von ihm auch nicht, aber es ist, aus meiner Sicht, in diesem Bereich vieles unter auch unter dem ästhetischen Gesichtspunkt zu sehen. Vor wenigen Tagen habe ich erst beim Shoppen mit meiner Gattin, eine ROLEX Uhr für 120 000 EURO gesehen, jede Billiguhr zeigt die gleiche Zeit an, aber das Design (und der Name) ist, neben der hoffentlich besseren Verarbeitungsqualität, halt mit(!) entscheidend. Jeder hat so seine Vorlieben, also, wie sage ich immer, "wenn die Frau und Kinder deswegen nicht hungern müssen und ich Bock drauf habe", dann kaufe ich mir eben so was.

P.S.: Die ROLEX haben wir nicht gekauft! :-)
badMoon
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 10.04.2025 - 13:02 Uhr  ·  #4
Zitat geschrieben von dan

... Jeder hat so seine Vorlieben, also, wie sage ich immer, "wenn die Frau und Kinder deswegen nicht hungern müssen und ich Bock drauf habe", dann kaufe ich mir eben so was.


Natürlich ist das eine Sichtweise, in diesem Fall sind die Argumente (wenn selbige überhaupt erforderlich sein sollten) ganz nach unten gebrochen.

Klar fährt auch ein Smart auf der Autobahn 130 km/h - aber auch ein Porsche, ein Bugatti oder ein Ferrari sowie jeder SUV. Mit dem Argument des Sich-Leisten-Könnens wäre eine Diskussion über Sinn und Unsinn erledigt. Jedoch - wie sieht es bei diesem Beispiel mit dem Benzinverbrauch (und somit der Umweltschädigung) aus, wie mit dem Ressourcenverbrauch, wie mit dem unnötig verplemperten Platz, den diese Fahrzeuge verbrauchen?

Klar kann dieser Plattenspieler ( :D ) nicht mit den Argumenten für/gegen diese Automobile verglichen werden. Aber, darüber zu diskutieren kann, wie hmc oben erwähnte, ja auch Spaß machen ;-)
Stattmeister
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 10.04.2025 - 13:51 Uhr  ·  #5
Heißt es nicht immer so schön "Size matters" :happy: Also, selbst wenn ich das Kleingeld hätte, dieses Monstrum käme mir nicht in meine Villa. Ich glaube, so hat dan es ja auch angedeutet, hier kommt der Spieltrieb eines Jochen Räke zum Vorschein, einfach mal zu zeigen was möglich ist. Da wäre ich sehr gespannt auf einen Hörvergleich mit einem Laufwerk der 2.000 Euro-Klasse.

Ich werde ja auch von einigen belächelt, weil ich vier Plattenspieler mein eigen nenne. Das hat aber auch nostalgische Gründe. Allerdings bin ich seinerzeit sehr überrascht gewesen als ich meinem "Bohrturm" (ein Origin Live-Laufwerk mit OL-Tonarm und einem Benz Micro LP als Tonabnehmer - selbst gebraucht noch knapp 3.800) einen überarbeiteten Thorens TD 160 Super (damals für um die 800 DM zu kriegen) mit Rega RB 300 und Shure V15 IV gegenüberstellte. Die klanglichen Vorteile des OL sind nur sehr gering. Optisch dagegen ist für mich der OL allerdings ein Traum.

Origin Live vs. Thorens



badMoon
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 10.04.2025 - 14:44 Uhr  ·  #6
@Stattmeister,

zwei schöne Dreher. Optisch gefällt mir der Thorens besser. Hier bin ich wohl eher der Nostalgiker - ein viereckiger Kasten, ein schöner, schwerer Plattenteller darauf, ein GERADER Tonarm, ein satter 33/45 Umschalter, fertig ist die Kiste.
frimp
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 11.04.2025 - 07:11 Uhr  ·  #7
Wichtig war mir Direktantrieb mit Quarzsteuerung für perfekten Gleichlauf, ein schwerer Puck und ein guter Tonarmlift. Davor hatte ich Riemenantrieb, das ging auch noch. Als Kind erinnere ich mich noch an Reibradantrieb, die haben immer fürchterlich gerumpelt.
Ob man solche Boliden wie oben braucht? Wenn, dann nur für Optik und/oder Ego.
Der Uhrenvergleich passt nicht so ganz, denn diese können auch einen Sammlertick wie bei mir befriedigen. Ich habe knapp 60 Armbanduhren, das wäre mit Plattenspielern schon schräg.
holger_fischer
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 11.04.2025 - 19:24 Uhr  ·  #8
Da drunter fängt man ja wohl gar nicht erst an. Dann kann man es gleich sein lassen mit dem Plattenspieler.

@Stattmeister: Vier Plattenspieler sind Pflicht! Danach beginnt erst die Kür :-).
hmc
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Gepostet: 12.04.2025 - 08:29 Uhr  ·  #9
Den Thorens hatte ich seinerzeit auch; tolles Gerät.
Mein geliebter Transrotor ist leider Geschichte, da ich sicher war, keine Platte mehr zu hören.

Ich Depp.
Heute höre ich wieder über ein Ortofon Bronze. Ich vermute das der Tonabnehmer ehr zu den unteren zu zählen ist.

Maddrax
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 12.04.2025 - 09:30 Uhr  ·  #10
@hmc
Ich habe auch vor Jahren meinen Plattenspieler abgeschafft, da ich mir sicher war (und noch bin) keine LPs mehr zu hören.
Meine Plattensammlung (insgesamt waren es an die 2000 Platten und Maxi Singles) ist auch bis auf ganz kleinen Teil verkauft. So 40-50 Platten, die ich noch nicht verkauft bekommen habe und eine kleinere Singles Sammlung von so 70 - 80 Stück sind noch da.
Mein Plattenspieler war ein Dual 606 , der mir geschenkt wurde, nachdem mein alter Pioneer (der war noch aus den 1970gern) seinen Geist aufgegeben hatte.

Ich habe es nicht bereut, den Platten-losen Weg gegangen zu sein.
Mit der Plattensamlung zu verkaufen habe ich mir über viele viele Jahre genommen und nicht einfach einem Händler die ganze Sammlung "für einen guten Preis" (wie diese Händler dann immer so schön sagen) verscherbelt.
Ich war oft auf Plattenbörsen und hatte dort einen kleinen Stand-Tisch, und habe viel über eine Facebook-Gruppe verkauft und so insgesamt einen RICHTIG GUTEN Preis für meine Sammlung bekommen.
So kann's auch gehen. ;-)
Mr. Upduff
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Re: Darf man das nur noch "Plattenspieler" nennen?

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Gepostet: 12.04.2025 - 11:47 Uhr  ·  #11
Zitat geschrieben von Maddrax

@hmc
Ich habe auch vor Jahren meinen Plattenspieler abgeschafft, da ich mir sicher war (und noch bin) keine LPs mehr zu hören.
Meine Plattensammlung (insgesamt waren es an die 2000 Platten und Maxi Singles) ist auch bis auf ganz kleinen Teil verkauft. So 40-50 Platten, die ich noch nicht verkauft bekommen habe und eine kleinere Singles Sammlung von so 70 - 80 Stück sind noch da.
Mein Plattenspieler war ein Dual 606 , der mir geschenkt wurde, nachdem mein alter Pioneer (der war noch aus den 1970gern) seinen Geist aufgegeben hatte.

Ich habe es nicht bereut, den Platten-losen Weg gegangen zu sein.
Mit der Plattensamlung zu verkaufen habe ich mir über viele viele Jahre genommen und nicht einfach einem Händler die ganze Sammlung "für einen guten Preis" (wie diese Händler dann immer so schön sagen) verscherbelt.
Ich war oft auf Plattenbörsen und hatte dort einen kleinen Stand-Tisch, und habe viel über eine Facebook-Gruppe verkauft und so insgesamt einen RICHTIG GUTEN Preis für meine Sammlung bekommen.
So kann's auch gehen. ;-)

... so ähnlich war es bei mir... auch Dual Plattenspieler... aber nur 800 LPs... und die alle nach und nach stapelweise verschenkt und die besten gegen CDs ausgewechselt... war Ende der 80er also noch vor eBay... der Grund war dass ich mir David Sylvian's Album "Secrets of the Beheeve" mit der (schönsten stillen Stelle ever) dreimal kaufen musste und alle drei nach und nach (nicht nur dort) knisterten... andere LPs waren tws. von der Sonne gewellt oder mit partybier verschmutzt... bis auf das haptische und optische der Cover habe ich es bis heute nicht bereut... und wie ich hier sehe eine Menge Geld gespart (unabhängig von den statischen Ersatzmaßnahmen so und liegen bei mir aufzustellen)...
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