J.J. Cale - Okie (Shelter Records 1974)
Sommer 1974, das National Stadium in Dublin war gut gefüllt mit Fans des Mannes, der seine dritte LP
tourte. Und weil er wirklich extrem angesagt war, hatte sich die ein paar Monate alte 'Okie' längst
und oft auf den Plattentellern gedreht. Was ein Okie war, nämlich ein etwas zurückgebliebener
Hinterwäldler auf Oklahoma, wußte man auch längst; Merl Haggard hatte es 1969 in seinem satirischen
'Okie From Muskogee' bestens definiert.
Und dann, die Band scharrte schon ungeduldig mit den Füßen, kommt ein Typ auf die Bühne, setzt sich auf
einen Hocker, ohne Gruß, ohne Ansage, gerade so, als wäre er bei Proben im Studio und fängt einfach an.
Spielt Stück um Stück runter, 70 Minuten lang. Keine Kommunikation, kein Wort ans Publikum. Und steht
auf, verschwindet ohne Zugabe....
hääh?
Man war ratlos, denn so einen Hinterwäldler ohne jegliches Benehmen und dafür mit offensichtlichem
Desinteresse hatte niemand erwartet. Im Gegenteil, erwartet hatte man hatte einen zwar ruhigen, aber
freundlichen und umgänglichen J.J.
Laid Back... So, wie er in Interviews immer rüber kam.
Die ZigZag schrieb positiv über ihn und auch John Peel legte ihn gerne auf. Sie hätten es nicht getan, wenn er
ihnen als arrogant oder desinteressiert erschienen wäre.
Und seine Musik war ja auch ein völlig positives Erlebnis: kurze, meist gut abgehende Stücke, die fast
immer in die Beine gingen und einen hohen Erinnerungswert hatten. Dazu Texte, die man gut nachvollziehen
konnte; irgendwelche Gedanken zu alltäglichen Situationen; manchmal ein bißchen lakonisch oder trocken,
immer sinnvoll in der Aussage. 'Laid Back'nannte sich dieser Stil.
Es wurde diskutiert, aber niemand hatte eine Erklärung; es gibt sie bis heute nicht.
Und dann ging man heim und legte nochmal die doch so überzeugende Okie auf.
Tatsächlich, es stimmte immer noch alles: Musik, Rhythmus, Texte und leicht lakonischer Gesang...
eben alles das, was uns schon mit den beiden Vorgängern
'Naturally' und 'Really' zu Fans gemacht hatte:
12 Stücke, 11 davon selbst geschrieben. Alles im eigenen, selbstentwickelten Stil; immer sofort
als J.J. Cale-artig erkennbar (von Tony Joe White in späteren Jahren sehr gut weiter entwickelt).
Trotzdem aber variabel in der musikalischen Umsetzung durch sehr gelegentlichen Einsatz von
Slide- und Steel-Gitarre, Vibraphon und Bläsern. Und immer lieber mit geradlinigem Piano statt pompösen
Keyboards. Alles nie viel länger als 2 Minuten; nie die Geduld des Hörers überfordernt. Keine die
Laufzeit aufblähenden Füller; nach maximal 35 Minuten ist Schluß.
Mit 'Crying' startet es völlig ungewöhnlich; eine verhaltene Nummer trotz der sechs agierenden Musiker
und dem Einsatz von zusätzlicher Percussion, Piano und E-Keyboards. Dazu eine wohltuende, weil völlig
unaufgeregte, fast schon schläfrige Stimme. Zum Warmhören.
Der Rock'n'Roller, mit dem Andere ihre Platten gestartet hätten, kommt erst als Zweites: 'I'll Be There
(If You Ever Want Me). Verhaltenes Abrocken mit unaufdringlichem Gesang... wie's geht hört man hier.
Mit 'Starbound' und 'Rock And Roll Records' gehts in gleicher Anordnung weiter; das erste zum Verschnaufen,
das zweite zwang uns wieder auf die Tanzfläche. 'I Make Rock And Roll Records' sang J.J. und wir verstanden:
Aha, sooo macht man die also.
Schön, daß man auch diejenigen, deren Zeit fast vorbei war, nicht vergaß: 'The Old Man And Me'; in respektvoll
zurückgefahrenen Tempo bevor dann erneut ein Laid Back-Rocker die Beine in Schwung bringt. Das E-Piano
schließt das Stück mit Schmackes ab.
'Cajun Moon' gehört zu den vielen Stücken, die auch andere Bands gerne ins Repertoire aufnahmen (wir
denken nur an Cocaine; After Midnight oder Call Me The Breeze). Dazu muß man wieder das Hinterteil
bewegen.
J.J. spielte die wohl unaufdringlichsten Gitarrensoli überhaupt; immer wohltemperiert, oftmals nur karge
Tupfer, immer glasklar im Ton, selten länger als 3, 4 Akkordwechsel. Wie sehr das ins Mark geht, hört man auf
'I'd Like To Love You Baby'.
Und dann 'UNSER' Hammer; 'Anyway The Wind Blows'; der Abräumer überhaupt: ein sich stetig wiederholender
Shuffel-Akkord mit gelegentlich kurz aufblökender Gitarre.
'Alle Jungs auf die Tanzfläche!', denn für den jetzt anstehenden 'Cale-Gänserich-Tanz' fehlte den Mädels die Kraft:
mit einem Bein in die Luft springen, das andere Bein dabei mit Schmackes zur Seite wegtreten und dabei mit den
Armen die 'Flügel' schlagen. Dann nächster Sprung und das andere Bein raus...
Klingt vielleicht nicht hart, aber nach 3:22 war man ausgepowert (und es war ja dann auch nicht das einzige
Stück, daß diese Aktivität verlangte). Puuh!
Erneutes Luftschöpfen und Tempo raus für 'Precious Memories (Tempo...? Wat für'n Tempo...?);
in zwei Minuten kann man doch viele Erinnerungen pflegen...
Mit 1:57 ist das Titelstück 'Okie' das kürzeste hier, ein schneller Shuffle nach texanischer Manier und
so hervorragend als Intro geeignet, daß diverse Radioprogramme mit diesem Stück begannen.
'John Peel's Music' startete viermal in der Woche damit.
Nochmal mit eindringlich-verhaltenem Rhythmus gehts mit 'I Got The Same Old Blues' zu Ende.
J.J. leistet sich ein für ihn fast ausuferndes Gitarrensoli von ca. 5 Akkorden... Dazu ein paar Licks auf Slide-Guitar
und griffig klimperndes Piano und nach gerade Mal 30 Minuten ist die Wechsel-Therapie aus Verhaltenem
und Laid Back-Rockern vorbei.
Man hatte gelernt, wie man auch 'Laid-Back' völlig außer Atem kommen konnte.
Wie bei praktisch allen persönlichen Favoriten ist auch 'Okie' ein Teil, das sich bis heute nicht abgenutzt hat,
weil es voller URSPÜNGLICHER musikalischer Ideen ist und weil das alles Charakter und Charisma ausstrahlt.
01 Crying 2:35
02 I'll Be There (If You Ever Want Me) 2:22
03 Starbound 1:57
04 Rock And Roll Records 2:07
05 The Old Man And Me 2:02
06 Everlovin' Woman 2:07
07 Cajun Moon 2:17
08 I'd Like To Love You Baby 2:47
09 Anyway The Wind Blows 3:20
10 Precious Memories 2:07
11 Okie 1:54
12 I Got The Same Old Blues 2:57
In späteren Jahren gab es noch eine Menge über J.J. zu lesen... immer kam er gut rüber und auch eine fast
zweistündige Dokumentation zeigte ihn als einen zwar durchaus ruhigen, aber äußerst sympathischen
Burschen. Ein zurückgebliebeners Bauerntrottel war er jedenfalls nicht und was da in Dublin im Sommer 1974
daneben ging, wird man nie erfahren.
Jedenfalls sammelten sich noch eine Reihe seiner weiteren Alben hier an und als er uns 2013 verließ, wurde
wieder einmal ein Stück aus dem Musikuniversum gerissen.
Sommer 1974, das National Stadium in Dublin war gut gefüllt mit Fans des Mannes, der seine dritte LP
tourte. Und weil er wirklich extrem angesagt war, hatte sich die ein paar Monate alte 'Okie' längst
und oft auf den Plattentellern gedreht. Was ein Okie war, nämlich ein etwas zurückgebliebener
Hinterwäldler auf Oklahoma, wußte man auch längst; Merl Haggard hatte es 1969 in seinem satirischen
'Okie From Muskogee' bestens definiert.
Und dann, die Band scharrte schon ungeduldig mit den Füßen, kommt ein Typ auf die Bühne, setzt sich auf
einen Hocker, ohne Gruß, ohne Ansage, gerade so, als wäre er bei Proben im Studio und fängt einfach an.
Spielt Stück um Stück runter, 70 Minuten lang. Keine Kommunikation, kein Wort ans Publikum. Und steht
auf, verschwindet ohne Zugabe....
hääh?
Man war ratlos, denn so einen Hinterwäldler ohne jegliches Benehmen und dafür mit offensichtlichem
Desinteresse hatte niemand erwartet. Im Gegenteil, erwartet hatte man hatte einen zwar ruhigen, aber
freundlichen und umgänglichen J.J.
Laid Back... So, wie er in Interviews immer rüber kam.
Die ZigZag schrieb positiv über ihn und auch John Peel legte ihn gerne auf. Sie hätten es nicht getan, wenn er
ihnen als arrogant oder desinteressiert erschienen wäre.
Und seine Musik war ja auch ein völlig positives Erlebnis: kurze, meist gut abgehende Stücke, die fast
immer in die Beine gingen und einen hohen Erinnerungswert hatten. Dazu Texte, die man gut nachvollziehen
konnte; irgendwelche Gedanken zu alltäglichen Situationen; manchmal ein bißchen lakonisch oder trocken,
immer sinnvoll in der Aussage. 'Laid Back'nannte sich dieser Stil.
Es wurde diskutiert, aber niemand hatte eine Erklärung; es gibt sie bis heute nicht.
Und dann ging man heim und legte nochmal die doch so überzeugende Okie auf.
Tatsächlich, es stimmte immer noch alles: Musik, Rhythmus, Texte und leicht lakonischer Gesang...
eben alles das, was uns schon mit den beiden Vorgängern
'Naturally' und 'Really' zu Fans gemacht hatte:
12 Stücke, 11 davon selbst geschrieben. Alles im eigenen, selbstentwickelten Stil; immer sofort
als J.J. Cale-artig erkennbar (von Tony Joe White in späteren Jahren sehr gut weiter entwickelt).
Trotzdem aber variabel in der musikalischen Umsetzung durch sehr gelegentlichen Einsatz von
Slide- und Steel-Gitarre, Vibraphon und Bläsern. Und immer lieber mit geradlinigem Piano statt pompösen
Keyboards. Alles nie viel länger als 2 Minuten; nie die Geduld des Hörers überfordernt. Keine die
Laufzeit aufblähenden Füller; nach maximal 35 Minuten ist Schluß.
Mit 'Crying' startet es völlig ungewöhnlich; eine verhaltene Nummer trotz der sechs agierenden Musiker
und dem Einsatz von zusätzlicher Percussion, Piano und E-Keyboards. Dazu eine wohltuende, weil völlig
unaufgeregte, fast schon schläfrige Stimme. Zum Warmhören.
Der Rock'n'Roller, mit dem Andere ihre Platten gestartet hätten, kommt erst als Zweites: 'I'll Be There
(If You Ever Want Me). Verhaltenes Abrocken mit unaufdringlichem Gesang... wie's geht hört man hier.
Mit 'Starbound' und 'Rock And Roll Records' gehts in gleicher Anordnung weiter; das erste zum Verschnaufen,
das zweite zwang uns wieder auf die Tanzfläche. 'I Make Rock And Roll Records' sang J.J. und wir verstanden:
Aha, sooo macht man die also.
Schön, daß man auch diejenigen, deren Zeit fast vorbei war, nicht vergaß: 'The Old Man And Me'; in respektvoll
zurückgefahrenen Tempo bevor dann erneut ein Laid Back-Rocker die Beine in Schwung bringt. Das E-Piano
schließt das Stück mit Schmackes ab.
'Cajun Moon' gehört zu den vielen Stücken, die auch andere Bands gerne ins Repertoire aufnahmen (wir
denken nur an Cocaine; After Midnight oder Call Me The Breeze). Dazu muß man wieder das Hinterteil
bewegen.
J.J. spielte die wohl unaufdringlichsten Gitarrensoli überhaupt; immer wohltemperiert, oftmals nur karge
Tupfer, immer glasklar im Ton, selten länger als 3, 4 Akkordwechsel. Wie sehr das ins Mark geht, hört man auf
'I'd Like To Love You Baby'.
Und dann 'UNSER' Hammer; 'Anyway The Wind Blows'; der Abräumer überhaupt: ein sich stetig wiederholender
Shuffel-Akkord mit gelegentlich kurz aufblökender Gitarre.
'Alle Jungs auf die Tanzfläche!', denn für den jetzt anstehenden 'Cale-Gänserich-Tanz' fehlte den Mädels die Kraft:
mit einem Bein in die Luft springen, das andere Bein dabei mit Schmackes zur Seite wegtreten und dabei mit den
Armen die 'Flügel' schlagen. Dann nächster Sprung und das andere Bein raus...
Klingt vielleicht nicht hart, aber nach 3:22 war man ausgepowert (und es war ja dann auch nicht das einzige
Stück, daß diese Aktivität verlangte). Puuh!
Erneutes Luftschöpfen und Tempo raus für 'Precious Memories (Tempo...? Wat für'n Tempo...?);
in zwei Minuten kann man doch viele Erinnerungen pflegen...
Mit 1:57 ist das Titelstück 'Okie' das kürzeste hier, ein schneller Shuffle nach texanischer Manier und
so hervorragend als Intro geeignet, daß diverse Radioprogramme mit diesem Stück begannen.
'John Peel's Music' startete viermal in der Woche damit.
Nochmal mit eindringlich-verhaltenem Rhythmus gehts mit 'I Got The Same Old Blues' zu Ende.
J.J. leistet sich ein für ihn fast ausuferndes Gitarrensoli von ca. 5 Akkorden... Dazu ein paar Licks auf Slide-Guitar
und griffig klimperndes Piano und nach gerade Mal 30 Minuten ist die Wechsel-Therapie aus Verhaltenem
und Laid Back-Rockern vorbei.
Man hatte gelernt, wie man auch 'Laid-Back' völlig außer Atem kommen konnte.
Wie bei praktisch allen persönlichen Favoriten ist auch 'Okie' ein Teil, das sich bis heute nicht abgenutzt hat,
weil es voller URSPÜNGLICHER musikalischer Ideen ist und weil das alles Charakter und Charisma ausstrahlt.
01 Crying 2:35
02 I'll Be There (If You Ever Want Me) 2:22
03 Starbound 1:57
04 Rock And Roll Records 2:07
05 The Old Man And Me 2:02
06 Everlovin' Woman 2:07
07 Cajun Moon 2:17
08 I'd Like To Love You Baby 2:47
09 Anyway The Wind Blows 3:20
10 Precious Memories 2:07
11 Okie 1:54
12 I Got The Same Old Blues 2:57
In späteren Jahren gab es noch eine Menge über J.J. zu lesen... immer kam er gut rüber und auch eine fast
zweistündige Dokumentation zeigte ihn als einen zwar durchaus ruhigen, aber äußerst sympathischen
Burschen. Ein zurückgebliebeners Bauerntrottel war er jedenfalls nicht und was da in Dublin im Sommer 1974
daneben ging, wird man nie erfahren.
Jedenfalls sammelten sich noch eine Reihe seiner weiteren Alben hier an und als er uns 2013 verließ, wurde
wieder einmal ein Stück aus dem Musikuniversum gerissen.