Charles Lloyd Quartet - Montreux Jazz Festival 1967

Denn das, was die (Fantastischen) Vier boten, war pure Energie voller Dynamik, war entfesselte Spielfreude, war Leidenschaft....

 
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Charles Lloyd Quartet - Montreux Jazz Festival 1967

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Gepostet: 16.01.2020 - 19:22 Uhr  ·  #1
Charles Lloyd Quartet - Montreux Jazz Festival 1967

Der 1938 in Memphis geborene Charles Lloyd ist vielen Jazzfreunden möglicherweise erst richtig bekannt geworden durch sein langjähriges musikalisches Schaffen auf ECM Records. Doch es gab auch umfangreiche Schaffensphasen davor. Mitte der fünfziger Jahre startete der Musiker seine professionelle Karriere, mit Musikern wie Don Cherry oder auch aus dem Blues- und R&B-Bereich arbeitete er zusammen, eine wichtige Station war zu Beginn der sechziger Jahre dann die Kooperation mit dem Drummer Chico Hamilton. Neben dem Jazz öffnete sich Lloyd auch für Rockmusik und konnte durch diverse Zusammenarbeiten auch beim Rockpublikum punkten. Mit Keith Jarrett, Cecil McBee und Jack DeJohnette gründete er sein erstes eigenes Quartett.

Und aus jenem Jahrzehnt stammt auch diese Aufnahme vom Montreux Jazz Festival 1967, am Bass spielt nun allerdings Ron McClure anstelle Cecil McBee. Auf der Doppel-CD finden sich lediglich sechs Songs insgesamt, davon verfügen jedoch bereits zwei davon über Spielzeiten von knapp zweiunddreißig als auch knapp achtundzwanzig Minuten. Free Jazz war damals eine wichtige Strömung in der Entwicklung des Jazz‘ und auch Lloyd bewies eindrucksvoll, wie sehr er sich von bekannten Strukturen lösen konnte, jedoch ohne gleich den kompromisslosen Pfad des freien Jazz zu begehen. Mit seinen Mitspielern hatte er passende Musiker für diese Art der Öffnung zu freien Ausflügen. Dabei kam ihm sein mit verschiedenen Einflüssen gespicktes Spiel zupass, konnte er doch auf solche so verschiedenen Spielarten wie von Lester Young, Coleman Hawkins und ganz besonders John Coltrane zurückgreifen.

Und so konnte Lloyd mit seinem Quartett möglicherweise erschrecken und verzücken, gleichzeitig. Denn das, was die (Fantastischen) Vier boten, war pure Energie voller Dynamik, war entfesselte Spielfreude, war Leidenschaft, Improvisationsreichtum von Saxofon, Flöte und Piano, unerbittlich angetrieben von einer faszinierenden Rhythm Section.

Mit nur 6:39 Minuten Länge (“Days And Nights Waiting“ von Jarrett) startet das Konzert vom 18.Juni 1967 in ruhiger und bedächtiger, fast spirituell anmutender Stimmung, hier spürt man ein wenig Coltrane. “Lady Gabor“, ein Titel von Gabor Szabo, wird mit Flöte eingeleitet, auch sehr beschaulich und andächtig, bis dann Fahrt aufgenommen wird und Jarrett im Zuges seines Solos wilde Cluster auf dem Piano vollzieht, inklusive seiner bekannten Ausrufe. Aber letztlich scheinen das nur gewisse Vorbereitungen und Eingewöhnung des Publikums gewesen zu sein, denn nun folgt die erste der restlichen Eigenkompositionen Lloyd’s, und hier wird von Beginn an gezeigt, dass Jazz auch frei sein kann. Und so brilliert der Song durch Veränderung, Entwicklung, Spontaneität und freie Passagen, die aus dem Augenblick entstanden zu sein scheinen.

Und wer noch nicht genug Input bekommen hat, kann voller Freude auf eine zweite CD zurückgreifen, die diesen hervorragenden Auftritt nachvollziehen lässt. “Love Ship“ atmet erneut diesen herrlichen spirituellen Charakter, der zum Träumen anregt. Dieses gelassene stimmungsvolle Spiel ist warm im Ausdruck und vermittelt eine Ruhe, die direkt in den Solarplexus strahlen kann, um dort eine angenehme Strömung auszulösen. Ja, “Love Ship“, ein guter Titel für diesen Frachter guter Gefühle. Und – ich bin erstaunt, auch “Love Song To A Baby“ bleibt leicht und luftig, hier wiederum mit Lloyd als Flötist, das ist dezent swingender Jazz mit zu jenen Zeiten moderner Ausrichtung, immer leicht an den Zügeln geführt, um ein Ausbrechen zu vermeiden, und die dadurch entstehende prickelnde Spannung ist es, die diese Musik so voller Leben erfüllt.

Und zum Abschluss dann ein bekannter Song, “Forest Flower“, nun mit Latin – Feeling. Offenbar wollte man dem Publikum nicht noch einen solchen Ausbruch wie bei “Sweet Georgia Bright“ zumuten, aber schließlich beinhaltet auch dieses Stück ein solches Höchstmaß an Dynamik, dass die daraus resultierende Energie, hervorgebracht durch alle vier Aktiven, schier zum Überbersten vibriert. Für mich ist dieser Livemitschnitt ein Dokument von großer Bedeutung, bildet er doch das ab, was sich im großen stilistischen Sammelbecken jener Tage des “Summer Of Love“ im Jazz versammelt hatte. Aufbruchsstimmung wurde signalisiert, die Tradition wurde beschworen, die Zukunft angedeutet.

Charles Lloyd (tenor saxophone & flute)
Keith Jarrett (piano)
Ron McClure (bass)
Jack DeJohnette (drums)

Disk 1:

1 Days And Nights Waiting (6:39)
2 Lady Gabor (12:03)
3 Sweet Georgia Bright (31:58)

Disk 2:

1 Love Ship (9:38)
2 Love Song To A Baby (12:22)
3 Forest Flower (27:36)

https://www.charleslloyd.com/index.htm

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