Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

Tiefgehender Down-Home Blues erster Klasse, schwer schleppend und in den Solarplexus zielend....

 
firebyrd
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Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

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Gepostet: 03.10.2020 - 19:11 Uhr  ·  #1
Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

Na, das ist doch endlich einmal wieder eine Blues-Platte von Format. Immer stärker ist es deutlich geworden, dass sich vorwiegend bleichgesichtige Musiker der Urformen des Blues annehmen und ihn authentisch umsetzen. Annäherungen an Trends sucht man hier vergeblich, das ist purer Blues mit dem ursprünglichen Feeling. Und wenn sich dann noch alte Recken wie Elvin Bishop und Charlie Musselwhite damit beschäftigen, dann kann man davon ausgehen, dass dieses auf höchstem Niveau und musikalisch erstklassig über die Bühne geht.

Bei 100 Years Of Blues hat man sich auf eine kleine Besetzung geeinigt, zwei Gitarren, Mundharmonika und ein akustischer Bass zeigen auf, wie es einst mit dem Blues begann und er sich auch entwickelte. Zudem können die Protagonisten ihre eigene Erfahrung aus ihren Jahren verschiedener Entwicklungsphasen einbringen. Durch diese persönlichen Elemente gewinnt die Kraft des ursprünglichen Blues einen Zugewinn durch diesen individuellen Zuschnitt.

Dabei werden stets Zitate der alten Meister verwendet, beispielhaft seien die gitarristische Anlehnung an John Lee Hooker ("Old School") oder die Art der Blues Harp, die mich an Jimmy Reed erinnert bei "If I Should Have Bad Luck", genannt. Doch gleich mit dem Eröffnungssong "Birds Of A Feather", komponiert von Elvin Bishop,swingt sich dieser Blues tief in die Seele. Ja, gemäss des Titels, wie immer man ihn übersetzen mag, hier wirken wirklich zwei Musiker, die aus einem Holz geschnitzt sind. Nicht nur Brüder im Geiste, sondern in der Seele, so, zusammen mit den hervorragenden Begleitern, so führt uns die Band tief in die Geschichte des Blues.

Down-home Blues, entspannt, tiefgründig, emotional, Musik unter Freunden, und wer sich hier anschliesst, wird auch rasch ein Freund dieser Stimmung. Neben den Eigenkompositionen bedient man sich einiger Fremdtitel, von Roosevelt Sykes (#2), Leroy Carr (#7) und Willie Dixon, Ralph Bass & Sonny Boy Williamson (#11). Diese sind absolut integriert in den Gesamtsound. Produzent Christoffer “Kid” Andersen, eigentlich eher als Gitarrist bekannt, steuert auf vier Titeln den akustischen Bass bei und sorgt damit dieses gewisse Feeling, wie es von vielen Songs ausgeht, die von Willie Dixon's Bass ausgefüllt waren. Eine schöne Überraschung ist es, wenn Musselwhite zur Gitarre greift und auf "Good Times" ein feine Vorstellung mit der Slide Guitar gibt.

Das einzige Instrumental, "South Side Slide", ist in seiner Reduktion sehr überzeugend, und wurde bereits von Elvin auf einer früheren Platte eingespielt, und auch Charlie greift mit “Blues For Yesterday" einen seiner früheren Songs auf. Während die Version von "Help Me" für mich keinen besonderen Mehrwert darstellt, wird mit dem letzten Song, dem Titelsong, noch einmal deutlich, worum es hier geht, tiefgehenden Down-Home Blues erster Klasse, schwer schleppend und in den Solarplexus zielend, nun, sofern man empfänglich ist für diesen "real blues"!

Bruce Iglauer von Alligator Records erklärt hierzu:

"100 Years of Blues is exactly that: down home. Isn’t that what we all want the blues to be? No matter where we’re from we want the music to take us home, and this album does it."

Und, um das noch nachzutragen, Bishop erläutert zu Beginn des ersten Songs, worum es geht:

"Hey! Here we are, birds of a feather,
A whole bunch of blues lovers gathered together.
Fixin’ to get loose, have a good time,
Like brother Charlie says, ‘I ain’t lyin’.
So clap, stomp, holler and yell,
We’re all friends here so what the hell."

Elvin, Charlie, seid Euch dessen gewiss, ich bin einer Eurer Freunde!


Elvin Bishop (guitar and vocals)
Charlie Musselwhite (harmonica, vocals and slide guitar - #4)
Bob Welsh (guitar - #1,3,5,6,7,9,12, piano - #2,4,8,10,11)
Kid Andersen (upright bass - #1,4,5,12)

1 Birds Of A Feather (3:25)
2 West Helena Blues (4:53)
3 What The Hell? (3:09)
4 Good Times (3:48)
5 Old School (5:01)
6 If I Should Have Bad Luck (4:03)
7 Midnight Hour Blues (4:14)
8 Blues, Why Do You Worry Me? (4:05)
9 South Side Slide (3:16)
10 Blues For Yesterday (5:55)
11 Help Me (5:17)
12 100 Years Of Blues (5:14)

badMoon
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Re: Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

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Gepostet: 08.10.2020 - 11:44 Uhr  ·  #2
Da tropft der Blues aus den Boxen, dass es eine wahre Freude ist. Aus meiner Sicht gehört eine schön geblasene Harp unbedingt zu einem richtigen Bluessong - und das wird hier mehr als genügend bedient. Die Scheibe muss her - das steht fest!

Klasse beschrieben, ...kostet zwar schon wieder Geld, dennoch Danke :happy:
frimp
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Re: Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

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Gepostet: 10.10.2020 - 10:42 Uhr  ·  #3
Danke, guter Tipp. Und das mit der Harp unterschreibe ich, wobei mir Protagonisten wie John Popper manchmal zuviel des Guten sind...
kraut-brain
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Re: Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

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Gepostet: 10.10.2020 - 17:12 Uhr  ·  #4
Es hat erneut Spaß gemacht, deinen Zeilen zu folgen. Und du hast in keiner Weise übertrieben. Hier sind zwei alte Meister nebst Begleitmusiker zusammengekommen, die sichtlich Freude bei der Einspielung der Platte hatten. Das Cover allein spricht ja für sich ...

Ja, es ist Musik für die Seele, die einem richtig gut tut ........
badger
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Re: Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

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Gepostet: 10.12.2020 - 18:00 Uhr  ·  #5
ein (-wie immer- sehr gut vorgestelltes-) alterswerk dieser beiden haudegen;
Elvin hat ja schon ab 1965 mit der Paul Butterfield Blues Band ein paar unschlagbare lps eingespielt und Charlie
fand hier mit 'Stand Back' von 1967 zum ersten mal großes wohlwollen.
aktuell hab ich noch 'Louisiana Fog' rausgekramt und dann gäbe es noch eine reihe anderer favoriten...

auch wenn seither nicht jeder ihrer jeweiligen schüsse ein treffer war, verlernt haben sie nichts und das
vorliegende werk gefällt mir prima. besonders Birds Of A Feather und das titelstück sind gelungen
auch, weil ich selbst mittlerweile ein oldtimer geworden bin und die texte gut nachvollziehen kann.
und Elvin's augenzwinkernder humor macht das ganze nach wie vor äußerst liebenswert.

insgesamt gibts natürlich im blues nichts neues, was man noch spielen könnte und eine kürzung der sich
wiederholenden standartthemen, musikalischen strukturen und vor allem der cover versionen um 10-15 minuten
wäre nicht verkehrt gewesen (in den 60ern ging es ja auch, da kamen beide mit laufzeiten von ca. 32-38 minuten aus).

trotzdem: man freut sich über dieses hoffentlich nicht letzte lebenszeichen.
badger
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Re: Elvin Bishop & Charlie Musselwhite - 100 Years Of Blues

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Gepostet: 19.12.2020 - 12:18 Uhr  ·  #6
mann, diese scheibe wird mit jeder drehung besser. dachte zuerst, 62 minuten sind etwas viel, weil ich lange sachen
wirklich nicht mehr mag. aber hier ist wieder die berühmte ausnahme; das teil ist mir mittlerweile zu kurz.

Elvin's Stücke und vor allem die Texte gefallen mir besonders; bin ja mittlerweile auch 'Old School'

"Send Me No E-Mails;
Send Me A Female"
Genau!
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