Genesis gehören zu den Wegbereitern des Progressiven Rocks in den 70ern und inspirieren auch heute noch viele Neo-Progrock Bands.
Anfangs agierten Genesis noch mit Sänger Peter Gabriel, der mit seiner Vorliebe für Kostümierungen die Bühnenshow in den frühen Jahren prägte. Als Gabriel die Gruppe 1975 verließ, übernahm Drummer Phil Collins die Rolle des Frontmannes. Die Gruppe orientierte sich Anfang der 80er Jahre mit Collins als strahlendste Figur der Gruppe zu einem geradlinigeren Sound hin und erzielte mehr kommerziellen Erfolg mit Singles, wobei sie sich vom progressiven Genre weitesgehend verabschiedete.
Genesis brauchte nach dem Debutalbum "from genesis to revelation" (von dem inzwischen gewiß ein dutzend Versionen mit jeweils unterschiedlichen Tracklisten auf dem CD-Markt existieren), das sehr schöne Melodien aufweist, aber aufgrund der Billigproduktion - alle Lieder wurden damals innerhalb eines Tages im Studio eingespielt - noch nicht die Komplexität der Nachfolgewerke erreicht und kaum als wirklich progressiv zu bezeichnen ist, in den frühen 70ern nicht lange, um ihren Sound zu entwickeln, der den Weg zu den späteren zeitlosen Meisterwerken bildete.
Trespass
(1970 - Banks, Gabriel, Mayhew, Phillips, Rutherford)
Dieses Album bedeutete bereits einen bedeutenden Schritt vorwärts für die Gruppe. Die Stücke sind im Vergleich zum Debutalbum um einiges länger geworden und die Arrangements bereits sehr viel ausgefeilter.
Synthesizersounds gibt es auf diesem Album noch nicht, Tony Banks verfügte damals nur über Klavier und Hammond Orgel. Das Album ist sehr melodisch und vom Gesamteindruck her überwiegend still und besinnlich ausgefallen. Allein "The Knife" präsentiert sich hart, beinahe schon heavy, und mit stark verzerrten Gitarren - das Stück bildet den abschließenden Höhepunkt von Trespass.
Musikalisch ist Trespass ein großer Genuß, es zeigt bereits die Spielfreude der Band und das Album ist auch heute noch sehr hörenswert, wenn es auch nicht ganz die Qualität der spätereren Werke erreicht.
11 Punkte
Nursery Cryme
(1971 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
Dieses Album kennzeichnet den Einstieg von Phil Collins und Steve Hackett in die Gruppe. Musikalisch gesehen ist es allerdings noch nicht sehr viel anders als Trespass geraten, wenn auch die Spielfertigkeit der Gruppe mit Collins und Hackett zugenommen hat.
"The Musical Box", das erste Stück auf dem Album, ist ein Klassiker der Gruppe und ein Prog-Song allerbester Qualität, der auch nach vielen Jahren des Zuhörens immer wieder begeistert. Die Intensität und Leidenschaft, die bei "The Musical Box" gezeigt wird, geht unter die Haut.
Die anderen Lieder hingegen können mich nicht immer überzeugen, dort gefällt mir Trespass besser. Hier wirkt Nursery Cryme für mich ein wenig unausgegoren. Mit den sehr kraftvollen "Return of the giant hogweed" und "Fountain of Salmacis" gibt es zwar noch zwei weitere gute, wenn auch nicht überragende Stücke, doch vor allem die kürzeren Lieder stören mich ein wenig. Auf einem dieser kurzen Stücke singt Phil Collins das erste Mal für Genesis, ein kleines ruhiges Lied von Steve Hackett, das ansonsten recht unspektakulär ist.
Die Texte sind auf Nursery Cryme stellenweise schon recht skurril geraten. In "The Musical Box" schlägt ein Mädchen einem Jungen z.B. mit einem Crockett-Schläger den Kopf ab...
Der Gesamteindruck ist gemischt, als Album insgesamt gefällt mir Trespass besser, "Nursery Cryme" hat dagegen das besseren Einzelstück: das fantastische "The Musical Box", das allein den Kauf schon lohnt.
10 Punkte
Foxtrot
(1972 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
Ein absolutes Meisterwerk von Genesis. Allein "Supper's Ready" als 23-minütiges Epos ist das Referenzstück, an dem sich heutige und auch damalige Progrock-Gruppen messen müssen, wenn sie sich in ähnliche kompositorische Bahnen begeben. Die Ideen und musikalischen Einfälle tummeln sich auf diesem Album zuhauf und begeistern immer wieder.
Die einzelnen Stücke zeigen sich einfach sehr gereift, die Saat, die mit Trespass und Nursery Cryme gelegt wurde, ist voll aufgegangen und präsentiert hier wunderschöne Blüten. Das unterstreicht schon das wunderbar melancholische Mellotron-Intro bei dem ersten Track "Watcher Of The Skies". Aber jedes Lied ist ein Kleinod des progressiven Rocks und heute so facettenreich und schön wie damals. Hinzu kommen die phantasievollen Texte Gabriels, die heute vielleicht sogar noch aktueller als damals sind.
Vor allem "Get 'Em Out By Friday" wirkt brandaktuell. Es beschäftigt sich mit der Gentechnik und erzählt unter anderem davon, wie Menschen per Genkontrolle verkleinert werden, damit man in einem Haus mehr Mieter unterbringen kann... (und sich so der Profit für das einzelne Haus steigert...)
Das kurze Fazit lautet: wer das Album noch nicht hat, sollte es sich umgehend kaufen.
Viel mehr Worte müssen nicht gemacht werden, einfach hören und genießen. Klassischer Progressive Rock kann nicht besser gespielt werden.
15 Punkte
Selling England by the pound
(1973 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
Auch dieses Album beinhaltet mehrere absolute Meisterwerke der Gruppe. Allen voran "Firth of Fith", dessen mittlerer Instrumentalteil in den Genesis Live-Shows der 90er Jahre wieder Einzug hielt, dort von Daryl Stuermer teilweise neu interpretiert wurde und auch in der Version beeindruckt.
Das Original jedoch besitzt die Schönheit eines kristallklaren Bergsees - voller Erhabenheit und Tiefe. Eine der größten Perlen des Prog-Rocks überhaupt. Steve Hacketts Gitarrensolo zeugt von sehr viel Gefühl und läßt auch beim wiederholten Anhören immer wieder kleine Schauer über den Rücken jagen.
"The Cinema Show" ist ebenfalls ein Juwel der Gruppe, es weist am Ende das erste große Keyboardsolo von Tony Banks auf.
Als Album schätze ich "Selling England By The Pound" allerdings eine Nuance schwächer als "Foxtrot" ein. Es hat viele wirklich geniale Stücke, mit "I know what I like" auch den komödiantisch angehauchten Singleklassiker der Band, der einfach Spaß macht, jedoch finde ich das fast 12-minütige "Battle of Epping Forest" mißlungen. Der Text des Liedes ist zwar lustig und gut erzählt, die Musik jedoch kann mich einfach nicht überzeugen.
Längere Instrumentalpassagen fehlen völlig. Peter Gabriels Gesang kann zwar beeindrucken, vor allem weil er hier mehrere Rollen singt, insgesamt aber plätschert die Musik zu sehr bei diesem Lied vor sich hin und die Komposition wirkt zu angestrengt, so als hätte man für den vielen Text ein paar Noten noch gesucht. Das Lied ermüdet deshalb den Zuhörer auf die Dauer und langweilt.
"Selling England By The Pound" ist aber, um das hier ganz deutlich zu sagen, ein mehr als überragendes klassisches Progrock-Album, voll lyrischer Lieder und Texte, das Genesis auf dem absoluten Höhepunkt des kreativen Schaffens zeigt. Es sollte selbstverständlich in keiner Sammlung fehlen.
14 Punkte
The Lamb Lies Down On Broadway
(1974 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
"The Lamb..." ist sicherlich das Album, das einen wichtigen Punkt in der Karriere von Genesis bildet. Es ist lyrisch und musikalisch das ambitionierteste Projekt der Band und zugleich auch das einzige Studiodoppelalbum und Konzeptalbum, das Genesis je produziert hat. Peter Gabriel verabschiedete sich nach der anschließenden Tournee aus persönlichen und künstlerischen Gründen von dem Rest der Gruppe und die Phil Collins Ära begann.
Der Eindruck des Albums ist ein wenig zwiegespalten bei mir. Es gibt auch hier sehr schöne Lieder, großartige Melodien, so wie Genesis immer ihre komplexe Musik um sehr starke Melodien herum aufbauten. Insgesamt aber wirkt es diesmal "straighter" auf mich als die Vorgänger, längere Instrumentalpassagen fehlen z.B. fast völlig, weil die Lieder kompakter und kürzer geworden sind. Sie erzeugen zwar meistens trotzdem eine sehr intensive Stimmung, der man sich kaum entziehen kann, insgesamt aber gefallen mir die beiden Vorgängeralben musikalisch besser. Solche kolossalen Epen wie "Firth Of Fifth", "The Cinema Show" oder "Supper's Ready" bietet "The Lamb..." nicht. Es konzentriert sich dafür allerdings meisterlich auf Stimmung und Erzählung. Hervorragendes Beispiel dafür ist die Passage in "Fly On A Windshield", in der Rael auf dem Times Square in New York von einer dunklen massiven Staubwolke verschluckt wird. Es wird von der Band eindrucksvoll erzählt und musikalisch umgesetzt.
Die Handlung des Konzeptalbums ist ein Mysterium für sich und die zahllosen vorhandenen Interpretationen von Gabriels Vision sind Zeichen dafür. Man folgt dem Helden Rael durch eine bizarre Welt - taucht scheinbar in seine Psyche ein, wo der Held wohl in Form seines Bruders John sich selbst erkundet und am Ende schließlich auch erkennt und findet. Wer der Story folgen will, muß sich voll und ganz auf das Album einlassen und gezielt zuhören. Einige Szenen sind sehr skurril geraten, bieten aber auch enorm viel Phantasie und eine interessante Metaphorik.
Musikalisch gibt es mit "The Lamb lies down on Broadway", "Carpet Crawlers" und "In the Cage" einige zeitlose Klassiker - wobei letzteres bei dem Livealbum "Three sides live" jedoch um vieles besser und kraftvoller wirkt, weil Gabriels Gesang auf dem Album klingt, als wäre er im Pappkarton aufgenommen worden. Bemerkenswert ist aber auf jeden Fall Tony Banks wundervolles Solo. Ansonsten fällt auf, daß Steve Hackett nur gelegentlich markante Punkte setzt. Es gibt ein paar schöne Soli von ihm, aber der Großteil des Albums konzentriert sich auf Peter Gabriels Gesang und Tony Banks' Keyboards, die für den Großteil der Atmosphäre verantwortlich sind.
Natürlich ist "The Lamb..." ohne jeden Zweifel trotz aller kleiner Schwächen ein großer Klassiker des Progrocks und jeder ernsthafte Fan dieser Musikrichtung sollte das Album in seiner Sammlung haben. Wenn es auch musikalisch stellenweise ein wenig merkwürdig klingt - als Beispiel ist ist hier das zu experimentelle Lärmstück "The Waiting Room" zu nennen - ist es ein atmosphärisches Meisterwerk mit sehr vielen Highlights, die die stellenweise vorhandenen Schwächen wettmachen. "The Lamb..." ist in vielerlei Hinsicht Sinnbild des Genres. Es verkörpert all das, was man am Progressive Rock als Fan liebt und was man als Kritiker an diesem Genre haßt. Seltsamerweise halte ich das Album selbst aber nicht sehr typisch für Genesis. Die Alben zuvor klangen anders und die Alben danach schlugen ebenfalls wieder eine andere Richtung ein.
13 Punkte
A Trick Of The Tail
(1976 - Banks, Collins, Hackett, Rutherford)
Ohne Peter Gabriel war nun Phil Collins der Frontmann der Gruppe, was sich musikalisch aber noch nicht sehr bemerkbar macht. Phils Gesang wirkt bei "Trick..." noch ein wenig dünner und heller als in späteren Jahren, was aber gut zur hier gespielten Musik paßt.
Die Musik und vor allem die Texte wirken sehr viel entspannter als bei "Lamb".
Die Lieder handeln mal von Märchen und Fabeln (Squonk, Ripples, A Trick of the Tail, Mad Man Moon), mal auch von beinahe moritatenähnlichen Geschichten (Robbery, Assault and Robbery), und regen zum träumen, amüsieren und eintauchen in die Musik an.
"Trick..." präsentiert sich sehr homogen, einzelne Stücke hervorzuheben fällt schwer, da alle sehr gelungen sind. "Mad Man Moon" ist mein persönlicher Favorit, der lyrische Text und das filigrane Klavierspiel von Tony Banks lassen einen förmlich davonschweben.
"Dance on a Volcano" ist da um einiges funkiger - es herrscht ansonsten aber eine eher stille Atmosphäre vor, Lieder wie "Entangled", das bereits erwähnte "Mad Man Moon" und "Ripples" sind auf allerschönste Weise sinnlich bis besinnlich. Das legendäre Schlußstück "Los Endos", das jahrzehntelang als Ausgangsbasis für die Schlagzeugduelle zwischen Chester Thompson und Phil Collins diente, ist da ein um so dynamischerer Ausklang eines sehr gelungenen Albums, das mehr auf besinnliche Töne setzt und immer voll überzeugen kann.
14 Punkte
Wind And Wuthering
(1976 - Banks, Collins, Hackett, Rutherford)
Musikalisch setzt "Wind And Wuthering" die Linie von " A Trick Of The Tail" fort. Es beginnt mit dem sehr frisch klingenden "Eleventh Earl of Mar", das einen durch alle Stimmungen führt, von beschwingt bis verträumt - ein Prog-Song allererster Güte. Mit "One für the vine" gibt es ein sehr schönes Banks-Lied, das eine intelligente Geschichte erzählt, von jemanden, der gegen seinen Willen zum Führer eines Volkes wird und feststellt, daß er zu dem Tyrannen geworden ist, vor dem er einst floh.
Danach folgt mit "Your own special way" ein schwaches Liebeslied von Rutherford, das mich nicht überzeugt, weil es zu langweilig klingt. "Wot Gorilla" ist ein nettes Instrumentalstück, hat aber nicht die Klasse von Los Endos. "All in a mouses night" hat einen witzigen und nachdenklich stimmenden Text über all die Kleinen in der Welt, die sich gegen die Großen durchsetzen. Danach folgt mit "Blood on the rooftops" eines der besten Lieder Steve Hacketts, das er für Genesis komponiert hat. Das gefühlvollen Intro auf der Akustikgitarre ist klassisch. "Blood On The Rooftops" ist auch eines der wenigen Genesislieder, die einen weltpolitischen Bezug haben. Das abschließende zweigeteilte Instrumentalstück, das in "Afterglow" übergeht, ist abwechslungsreich und mitreißend, während Afterglow eine gefühlvolle Ballade ist, die das Album mit einem sehr poetischen Text über die Suche nach der Liebe ausklingen läßt.
Was sich bei "Wind And Wuthering" meines Erachtens bereits bemerkbar macht, ist der Charakter eines Albums, das aus Solostücken der einzelnen Bandmitglieder zusammengesetzt ist. Es gibt Banks-Stücke, Rutherford-Stücke, Hackett-Stücke, Collins ist mit Wot Gorilla vertreten - wo frühere Alben aus vielen Ideen aller zusammengesetzt waren, sammeln sich hier die Ideen einzelner mehr in einzelnen Liedern.
Insgesamt wirkt das Album auf mich etwas weniger komplex und progressiv als frühere Alben, was nichts daran ändert, daß es ein sehr poetisches und meist wunderschönes Album für die etwas besinnlicheren Stunden ist.
13 Punkte
...And Then There Were Three
(1978 - Banks, Collins, Rutherford)
Als Steve Hackett 1977 Genesis verließ, entstand jene Formation, die die nächsten 1 ½ Jahrzehnte konstant für Topselleralben und erstklassige kommerzielle Singlehits sorgte, sich dabei aber von der progressiven Rockmusik weitgehend verabschiedete. Ende der 70er Jahre, als der Punk über die Musikwelt hinwegströmte, war für diese Musik anscheinend kein Raum mehr vorhanden.
"... and then there were three" wirkt auf mich insgesamt ein wenig unausgegoren. Man findet praktisch nur noch Solokompositionen der einzelnen Bandmitglieder, wobei Banks und Rutherford den Großteil für sich verbuchen.
"Down and out" ist ein starkes Eröffnungsstück, nach den atmosphärischen Keyboardakkorden setzt Collins' typischer Schlagzeugsound ein und danach geht es voller Dynamik und Tempo weiter - dieser erste gute Eindruck aber hält sich nicht durchgehend.
Wie immer in den 70er Jahren bei Genesis sind die Texte sehr schön, voller Poesie, Gefühl und Feinheit, die Musik jedoch kommt hier nicht immer mit. Wirklich progressiv ist auf diesem Album nicht viel. "Burning Rope" überzeugt mich noch, "Many too Many" ist eine sehr schöne Ballade von Banks, ohne dabei aber in den Bereich "Progressiver Rock" zu fallen, während "Follow you, Follow me" ein hochklassiges Poplied ist, das den ersten wirklich großen Singlehit für Genesis lieferte.
Insgesamt betrachtet wirken Genesis diesmal musikalisch ein wenig orientierungslos auf mich. Und eine erste Entwicklung wird sichtbar - nach dem Wegfall von Steve Hackett fehlt der Gruppe ein Gitarrist. Mike Rutherford, der nun die Lead Gitarre übernimmt, agiert hier leider sehr zurückhaltend.
8 Punkte
Teil 2 folgt in Kürze..
TO
Anfangs agierten Genesis noch mit Sänger Peter Gabriel, der mit seiner Vorliebe für Kostümierungen die Bühnenshow in den frühen Jahren prägte. Als Gabriel die Gruppe 1975 verließ, übernahm Drummer Phil Collins die Rolle des Frontmannes. Die Gruppe orientierte sich Anfang der 80er Jahre mit Collins als strahlendste Figur der Gruppe zu einem geradlinigeren Sound hin und erzielte mehr kommerziellen Erfolg mit Singles, wobei sie sich vom progressiven Genre weitesgehend verabschiedete.
Genesis brauchte nach dem Debutalbum "from genesis to revelation" (von dem inzwischen gewiß ein dutzend Versionen mit jeweils unterschiedlichen Tracklisten auf dem CD-Markt existieren), das sehr schöne Melodien aufweist, aber aufgrund der Billigproduktion - alle Lieder wurden damals innerhalb eines Tages im Studio eingespielt - noch nicht die Komplexität der Nachfolgewerke erreicht und kaum als wirklich progressiv zu bezeichnen ist, in den frühen 70ern nicht lange, um ihren Sound zu entwickeln, der den Weg zu den späteren zeitlosen Meisterwerken bildete.
Trespass
(1970 - Banks, Gabriel, Mayhew, Phillips, Rutherford)
Dieses Album bedeutete bereits einen bedeutenden Schritt vorwärts für die Gruppe. Die Stücke sind im Vergleich zum Debutalbum um einiges länger geworden und die Arrangements bereits sehr viel ausgefeilter.
Synthesizersounds gibt es auf diesem Album noch nicht, Tony Banks verfügte damals nur über Klavier und Hammond Orgel. Das Album ist sehr melodisch und vom Gesamteindruck her überwiegend still und besinnlich ausgefallen. Allein "The Knife" präsentiert sich hart, beinahe schon heavy, und mit stark verzerrten Gitarren - das Stück bildet den abschließenden Höhepunkt von Trespass.
Musikalisch ist Trespass ein großer Genuß, es zeigt bereits die Spielfreude der Band und das Album ist auch heute noch sehr hörenswert, wenn es auch nicht ganz die Qualität der spätereren Werke erreicht.
11 Punkte
Nursery Cryme
(1971 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
Dieses Album kennzeichnet den Einstieg von Phil Collins und Steve Hackett in die Gruppe. Musikalisch gesehen ist es allerdings noch nicht sehr viel anders als Trespass geraten, wenn auch die Spielfertigkeit der Gruppe mit Collins und Hackett zugenommen hat.
"The Musical Box", das erste Stück auf dem Album, ist ein Klassiker der Gruppe und ein Prog-Song allerbester Qualität, der auch nach vielen Jahren des Zuhörens immer wieder begeistert. Die Intensität und Leidenschaft, die bei "The Musical Box" gezeigt wird, geht unter die Haut.
Die anderen Lieder hingegen können mich nicht immer überzeugen, dort gefällt mir Trespass besser. Hier wirkt Nursery Cryme für mich ein wenig unausgegoren. Mit den sehr kraftvollen "Return of the giant hogweed" und "Fountain of Salmacis" gibt es zwar noch zwei weitere gute, wenn auch nicht überragende Stücke, doch vor allem die kürzeren Lieder stören mich ein wenig. Auf einem dieser kurzen Stücke singt Phil Collins das erste Mal für Genesis, ein kleines ruhiges Lied von Steve Hackett, das ansonsten recht unspektakulär ist.
Die Texte sind auf Nursery Cryme stellenweise schon recht skurril geraten. In "The Musical Box" schlägt ein Mädchen einem Jungen z.B. mit einem Crockett-Schläger den Kopf ab...
Der Gesamteindruck ist gemischt, als Album insgesamt gefällt mir Trespass besser, "Nursery Cryme" hat dagegen das besseren Einzelstück: das fantastische "The Musical Box", das allein den Kauf schon lohnt.
10 Punkte
Foxtrot
(1972 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
Ein absolutes Meisterwerk von Genesis. Allein "Supper's Ready" als 23-minütiges Epos ist das Referenzstück, an dem sich heutige und auch damalige Progrock-Gruppen messen müssen, wenn sie sich in ähnliche kompositorische Bahnen begeben. Die Ideen und musikalischen Einfälle tummeln sich auf diesem Album zuhauf und begeistern immer wieder.
Die einzelnen Stücke zeigen sich einfach sehr gereift, die Saat, die mit Trespass und Nursery Cryme gelegt wurde, ist voll aufgegangen und präsentiert hier wunderschöne Blüten. Das unterstreicht schon das wunderbar melancholische Mellotron-Intro bei dem ersten Track "Watcher Of The Skies". Aber jedes Lied ist ein Kleinod des progressiven Rocks und heute so facettenreich und schön wie damals. Hinzu kommen die phantasievollen Texte Gabriels, die heute vielleicht sogar noch aktueller als damals sind.
Vor allem "Get 'Em Out By Friday" wirkt brandaktuell. Es beschäftigt sich mit der Gentechnik und erzählt unter anderem davon, wie Menschen per Genkontrolle verkleinert werden, damit man in einem Haus mehr Mieter unterbringen kann... (und sich so der Profit für das einzelne Haus steigert...)
Das kurze Fazit lautet: wer das Album noch nicht hat, sollte es sich umgehend kaufen.
Viel mehr Worte müssen nicht gemacht werden, einfach hören und genießen. Klassischer Progressive Rock kann nicht besser gespielt werden.
15 Punkte
Selling England by the pound
(1973 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
Auch dieses Album beinhaltet mehrere absolute Meisterwerke der Gruppe. Allen voran "Firth of Fith", dessen mittlerer Instrumentalteil in den Genesis Live-Shows der 90er Jahre wieder Einzug hielt, dort von Daryl Stuermer teilweise neu interpretiert wurde und auch in der Version beeindruckt.
Das Original jedoch besitzt die Schönheit eines kristallklaren Bergsees - voller Erhabenheit und Tiefe. Eine der größten Perlen des Prog-Rocks überhaupt. Steve Hacketts Gitarrensolo zeugt von sehr viel Gefühl und läßt auch beim wiederholten Anhören immer wieder kleine Schauer über den Rücken jagen.
"The Cinema Show" ist ebenfalls ein Juwel der Gruppe, es weist am Ende das erste große Keyboardsolo von Tony Banks auf.
Als Album schätze ich "Selling England By The Pound" allerdings eine Nuance schwächer als "Foxtrot" ein. Es hat viele wirklich geniale Stücke, mit "I know what I like" auch den komödiantisch angehauchten Singleklassiker der Band, der einfach Spaß macht, jedoch finde ich das fast 12-minütige "Battle of Epping Forest" mißlungen. Der Text des Liedes ist zwar lustig und gut erzählt, die Musik jedoch kann mich einfach nicht überzeugen.
Längere Instrumentalpassagen fehlen völlig. Peter Gabriels Gesang kann zwar beeindrucken, vor allem weil er hier mehrere Rollen singt, insgesamt aber plätschert die Musik zu sehr bei diesem Lied vor sich hin und die Komposition wirkt zu angestrengt, so als hätte man für den vielen Text ein paar Noten noch gesucht. Das Lied ermüdet deshalb den Zuhörer auf die Dauer und langweilt.
"Selling England By The Pound" ist aber, um das hier ganz deutlich zu sagen, ein mehr als überragendes klassisches Progrock-Album, voll lyrischer Lieder und Texte, das Genesis auf dem absoluten Höhepunkt des kreativen Schaffens zeigt. Es sollte selbstverständlich in keiner Sammlung fehlen.
14 Punkte
The Lamb Lies Down On Broadway
(1974 - Banks, Collins, Gabriel, Hackett, Rutherford)
"The Lamb..." ist sicherlich das Album, das einen wichtigen Punkt in der Karriere von Genesis bildet. Es ist lyrisch und musikalisch das ambitionierteste Projekt der Band und zugleich auch das einzige Studiodoppelalbum und Konzeptalbum, das Genesis je produziert hat. Peter Gabriel verabschiedete sich nach der anschließenden Tournee aus persönlichen und künstlerischen Gründen von dem Rest der Gruppe und die Phil Collins Ära begann.
Der Eindruck des Albums ist ein wenig zwiegespalten bei mir. Es gibt auch hier sehr schöne Lieder, großartige Melodien, so wie Genesis immer ihre komplexe Musik um sehr starke Melodien herum aufbauten. Insgesamt aber wirkt es diesmal "straighter" auf mich als die Vorgänger, längere Instrumentalpassagen fehlen z.B. fast völlig, weil die Lieder kompakter und kürzer geworden sind. Sie erzeugen zwar meistens trotzdem eine sehr intensive Stimmung, der man sich kaum entziehen kann, insgesamt aber gefallen mir die beiden Vorgängeralben musikalisch besser. Solche kolossalen Epen wie "Firth Of Fifth", "The Cinema Show" oder "Supper's Ready" bietet "The Lamb..." nicht. Es konzentriert sich dafür allerdings meisterlich auf Stimmung und Erzählung. Hervorragendes Beispiel dafür ist die Passage in "Fly On A Windshield", in der Rael auf dem Times Square in New York von einer dunklen massiven Staubwolke verschluckt wird. Es wird von der Band eindrucksvoll erzählt und musikalisch umgesetzt.
Die Handlung des Konzeptalbums ist ein Mysterium für sich und die zahllosen vorhandenen Interpretationen von Gabriels Vision sind Zeichen dafür. Man folgt dem Helden Rael durch eine bizarre Welt - taucht scheinbar in seine Psyche ein, wo der Held wohl in Form seines Bruders John sich selbst erkundet und am Ende schließlich auch erkennt und findet. Wer der Story folgen will, muß sich voll und ganz auf das Album einlassen und gezielt zuhören. Einige Szenen sind sehr skurril geraten, bieten aber auch enorm viel Phantasie und eine interessante Metaphorik.
Musikalisch gibt es mit "The Lamb lies down on Broadway", "Carpet Crawlers" und "In the Cage" einige zeitlose Klassiker - wobei letzteres bei dem Livealbum "Three sides live" jedoch um vieles besser und kraftvoller wirkt, weil Gabriels Gesang auf dem Album klingt, als wäre er im Pappkarton aufgenommen worden. Bemerkenswert ist aber auf jeden Fall Tony Banks wundervolles Solo. Ansonsten fällt auf, daß Steve Hackett nur gelegentlich markante Punkte setzt. Es gibt ein paar schöne Soli von ihm, aber der Großteil des Albums konzentriert sich auf Peter Gabriels Gesang und Tony Banks' Keyboards, die für den Großteil der Atmosphäre verantwortlich sind.
Natürlich ist "The Lamb..." ohne jeden Zweifel trotz aller kleiner Schwächen ein großer Klassiker des Progrocks und jeder ernsthafte Fan dieser Musikrichtung sollte das Album in seiner Sammlung haben. Wenn es auch musikalisch stellenweise ein wenig merkwürdig klingt - als Beispiel ist ist hier das zu experimentelle Lärmstück "The Waiting Room" zu nennen - ist es ein atmosphärisches Meisterwerk mit sehr vielen Highlights, die die stellenweise vorhandenen Schwächen wettmachen. "The Lamb..." ist in vielerlei Hinsicht Sinnbild des Genres. Es verkörpert all das, was man am Progressive Rock als Fan liebt und was man als Kritiker an diesem Genre haßt. Seltsamerweise halte ich das Album selbst aber nicht sehr typisch für Genesis. Die Alben zuvor klangen anders und die Alben danach schlugen ebenfalls wieder eine andere Richtung ein.
13 Punkte
A Trick Of The Tail
(1976 - Banks, Collins, Hackett, Rutherford)
Ohne Peter Gabriel war nun Phil Collins der Frontmann der Gruppe, was sich musikalisch aber noch nicht sehr bemerkbar macht. Phils Gesang wirkt bei "Trick..." noch ein wenig dünner und heller als in späteren Jahren, was aber gut zur hier gespielten Musik paßt.
Die Musik und vor allem die Texte wirken sehr viel entspannter als bei "Lamb".
Die Lieder handeln mal von Märchen und Fabeln (Squonk, Ripples, A Trick of the Tail, Mad Man Moon), mal auch von beinahe moritatenähnlichen Geschichten (Robbery, Assault and Robbery), und regen zum träumen, amüsieren und eintauchen in die Musik an.
"Trick..." präsentiert sich sehr homogen, einzelne Stücke hervorzuheben fällt schwer, da alle sehr gelungen sind. "Mad Man Moon" ist mein persönlicher Favorit, der lyrische Text und das filigrane Klavierspiel von Tony Banks lassen einen förmlich davonschweben.
"Dance on a Volcano" ist da um einiges funkiger - es herrscht ansonsten aber eine eher stille Atmosphäre vor, Lieder wie "Entangled", das bereits erwähnte "Mad Man Moon" und "Ripples" sind auf allerschönste Weise sinnlich bis besinnlich. Das legendäre Schlußstück "Los Endos", das jahrzehntelang als Ausgangsbasis für die Schlagzeugduelle zwischen Chester Thompson und Phil Collins diente, ist da ein um so dynamischerer Ausklang eines sehr gelungenen Albums, das mehr auf besinnliche Töne setzt und immer voll überzeugen kann.
14 Punkte
Wind And Wuthering
(1976 - Banks, Collins, Hackett, Rutherford)
Musikalisch setzt "Wind And Wuthering" die Linie von " A Trick Of The Tail" fort. Es beginnt mit dem sehr frisch klingenden "Eleventh Earl of Mar", das einen durch alle Stimmungen führt, von beschwingt bis verträumt - ein Prog-Song allererster Güte. Mit "One für the vine" gibt es ein sehr schönes Banks-Lied, das eine intelligente Geschichte erzählt, von jemanden, der gegen seinen Willen zum Führer eines Volkes wird und feststellt, daß er zu dem Tyrannen geworden ist, vor dem er einst floh.
Danach folgt mit "Your own special way" ein schwaches Liebeslied von Rutherford, das mich nicht überzeugt, weil es zu langweilig klingt. "Wot Gorilla" ist ein nettes Instrumentalstück, hat aber nicht die Klasse von Los Endos. "All in a mouses night" hat einen witzigen und nachdenklich stimmenden Text über all die Kleinen in der Welt, die sich gegen die Großen durchsetzen. Danach folgt mit "Blood on the rooftops" eines der besten Lieder Steve Hacketts, das er für Genesis komponiert hat. Das gefühlvollen Intro auf der Akustikgitarre ist klassisch. "Blood On The Rooftops" ist auch eines der wenigen Genesislieder, die einen weltpolitischen Bezug haben. Das abschließende zweigeteilte Instrumentalstück, das in "Afterglow" übergeht, ist abwechslungsreich und mitreißend, während Afterglow eine gefühlvolle Ballade ist, die das Album mit einem sehr poetischen Text über die Suche nach der Liebe ausklingen läßt.
Was sich bei "Wind And Wuthering" meines Erachtens bereits bemerkbar macht, ist der Charakter eines Albums, das aus Solostücken der einzelnen Bandmitglieder zusammengesetzt ist. Es gibt Banks-Stücke, Rutherford-Stücke, Hackett-Stücke, Collins ist mit Wot Gorilla vertreten - wo frühere Alben aus vielen Ideen aller zusammengesetzt waren, sammeln sich hier die Ideen einzelner mehr in einzelnen Liedern.
Insgesamt wirkt das Album auf mich etwas weniger komplex und progressiv als frühere Alben, was nichts daran ändert, daß es ein sehr poetisches und meist wunderschönes Album für die etwas besinnlicheren Stunden ist.
13 Punkte
...And Then There Were Three
(1978 - Banks, Collins, Rutherford)
Als Steve Hackett 1977 Genesis verließ, entstand jene Formation, die die nächsten 1 ½ Jahrzehnte konstant für Topselleralben und erstklassige kommerzielle Singlehits sorgte, sich dabei aber von der progressiven Rockmusik weitgehend verabschiedete. Ende der 70er Jahre, als der Punk über die Musikwelt hinwegströmte, war für diese Musik anscheinend kein Raum mehr vorhanden.
"... and then there were three" wirkt auf mich insgesamt ein wenig unausgegoren. Man findet praktisch nur noch Solokompositionen der einzelnen Bandmitglieder, wobei Banks und Rutherford den Großteil für sich verbuchen.
"Down and out" ist ein starkes Eröffnungsstück, nach den atmosphärischen Keyboardakkorden setzt Collins' typischer Schlagzeugsound ein und danach geht es voller Dynamik und Tempo weiter - dieser erste gute Eindruck aber hält sich nicht durchgehend.
Wie immer in den 70er Jahren bei Genesis sind die Texte sehr schön, voller Poesie, Gefühl und Feinheit, die Musik jedoch kommt hier nicht immer mit. Wirklich progressiv ist auf diesem Album nicht viel. "Burning Rope" überzeugt mich noch, "Many too Many" ist eine sehr schöne Ballade von Banks, ohne dabei aber in den Bereich "Progressiver Rock" zu fallen, während "Follow you, Follow me" ein hochklassiges Poplied ist, das den ersten wirklich großen Singlehit für Genesis lieferte.
Insgesamt betrachtet wirken Genesis diesmal musikalisch ein wenig orientierungslos auf mich. Und eine erste Entwicklung wird sichtbar - nach dem Wegfall von Steve Hackett fehlt der Gruppe ein Gitarrist. Mike Rutherford, der nun die Lead Gitarre übernimmt, agiert hier leider sehr zurückhaltend.
8 Punkte
Teil 2 folgt in Kürze..
TO